Antrag auf einstweilige Verpflichtung zur Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende unter Berücksichtigung
von Kosten der Unterkunft und Heizung
Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes für eine Verpflichtung des Leistungsträgers hinsichtlich der
Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung
Erfordernis der aktuell drohenden Obdachlosigkeit
1. Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes für eine Verpflichtung des Leistungsträgers hinsichtlich der Übernahme der
Kosten für Unterkunft und Heizung bedarf es des substantiierten und nachvollziehbaren Vortrags, dass unmittelbar Wohnungs-
bzw. Obdachlosigkeit drohe.
2. Der erkennende Senat hält daran fest, dass eine derartige Gefahr in der Regel frühestens ab Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
in das - hier von den Antragstellerinnen selbst bewohnte - Hausgrundstück anzunehmen ist. Ausreichend ist nicht bereits generell
die Möglichkeit einer etwaigen Zwangsvollstreckung, um die Erforderlichkeit einer vorläufigen Regelung durch das Gericht zu
begründen.
3. Der Auffassung, dass bereits eine Bedarfsunterdeckung bei glaubhaftgemachter Hilfebedürftigkeit den Kernbereich des Grundrechts
auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums berühre, sodass ein Anordnungsgrund bereits dann vorliege, wenn
der Antragsteller nicht über bedarfsdeckende Mittel verfüge, folgt der erkennende Senat ausdrücklich nicht.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Das Sozialgericht Duisburg (SG) hat zu Recht mit dem angefochtenen Beschluss die von den Antragstellern beantragte einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners
zur Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und
Heizung abgelehnt.
Gemäß §
86b Abs.
2 S. 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelungen eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes setzt
mithin neben einem Anordnungsanspruch - im Sinne eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die beantragte Leistung - einen
Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit der vom Gericht zu treffenden Regelung - voraus. Anordnungsanspruch
und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§
86b Abs.
2 S. 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Einem Erfolg des einstweiligen Rechtsschutzgesuches steht bereits das Fehlen eines Anordnungsgrundes entgegen. Ein solcher
ist nur gegeben, wenn Eilbedürftigkeit im Sinne einer dringenden und gegenwärtigen Notlage vorliegt, die eine sofortige Entscheidung
des Gerichts zur Abwendung wesentlicher Nachteile erfordert. Dies ist der Fall, wenn den Antragstellern unter Berücksichtigung
auch der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist, weil
ihnen bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung wichtiger
Rechte droht, die durch eine später erfolgende stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr folgenlos beseitigt
werden könnten. Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes für eine Verpflichtung des Leistungsträgers hinsichtlich der
Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung bedarf es des substantiierten und nachvollziehbaren Vortrags, dass unmittelbar
Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit drohe.
Der erkennende Senat hält - in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des LSG NRW vom 29.06.2015 in der Sache L 12 AS 862/15 B ER (RdNr. 10 bei [...]) sowie vom 06.07.2015 in der Sache L 19 AS 931/15 B ER (RdNrn. 33 ff. bei [...]) - in ständiger Rechtsprechung (zuletzt Beschluss vom 26.11.2015, L 2 AS 1199/15 B ER, RdNrn. 4 f. bei [...]) daran fest, dass auch im Falle der Antragstellerinnen eine derartige Gefahr in der Regel frühestens
ab Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das von den Antragstellerinnen selbst bewohnte Hausgrundstück anzunehmen
ist. Ausreichend ist nicht bereits generell die Möglichkeit einer etwaigen Zwangsvollstreckung, um die Erforderlichkeit einer
vorläufigen Regelung durch das Gericht zu begründen. Diesbezügliche Maßnahmen sind im Falle der Antragstellerinnen einstweilen
eingestellt worden. Der Auffassung, dass bereits eine Bedarfsunterdeckung bei glaubhaftgemachter Hilfebedürftigkeit den Kernbereich
des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums berühre, sodass ein Anordnungsgrund bereits dann
vorliege, wenn der Antragsteller nicht über bedarfsdeckende Mitteil verfüge (so der 7. Senat des LSG NRW, beispielhaft mit
Beschluss vom 17.06.2015 in L 7 AS 704/15 B ER, RdNr. 7 bei [...] mwN) folgt der erkennende Senat ausdrücklich nicht. Das Recht kennt kein Grundrecht auf Schuldenfreiheit.
Selbst tenorierte Zahlungsrückstände für sich genommen vermögen in der Regel noch keine unmittelbare Gefährdung des Grundrechts
aus Art.
13 Grundgesetz (
GG) zu begründen. Eine solche Gefährdung ist auch dann noch nicht gegeben, wenn die Beitreibung von Außenständen gegen die Antragsteller
im Wege der Zwangsvollstreckung in deren Wohnimmobilie lediglich angedroht wird und Vollstreckungsmaßnahmen nicht eingeleitet
sind. Sie tritt frühestens dann ein, wenn der Verlust der Wohnräume unmittelbar droht (Beschluss des erkennenden Senats vom
05.11.2015, L 2 AS 1723/15 B ER, RdNr. 3 f. bei [...] mwN). Dies setzt das konkrete, zielgerichtete Betreiben von - hier einstweilen eingestellten -
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Wohneigentum der Antragstellerinnen voraus. An einer derart aktuell drohenden Obdachlosigkeit
fehlt es hier nach deren eigenen Angaben vorliegend.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
138 i.V.m. §
193 SGG.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren scheitert an der fehlenden hinreichenden Aussicht auf Erfolg
desselben (§
73a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
114 Satz 1
Zivilprozessordnung -
ZPO-).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).