Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe
Grundsicherung für Arbeitssuchende und Anrechnung von Einkommen
Bewilligung lediglich vorläufiger Leistungen bei schwankendem Einkommen
Fehlende Erkennbarkeit der Schwankungen beim Einkommen
Auswechseln der Rechtsgrundlage bei Aufhebung eines Bewilligungsbescheides
Der Umstand, dass der beklagte Leistungsträger seine Aufhebungsverfügungen statt auf § 45 SGB X fehlerhaft auf § 48 SGB X gestützt hätte, würde keine Erfolgsaussichten der Klage des Leistungsempfängers begründen können. Weil die §§ 48 und 45 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsakts, gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen
grundsätzlich zulässig.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag auf Prozesskostenhilfe
(PKH) zu Recht abgelehnt.
Beteiligte, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil
oder nur in Raten aufbringen können, erhalten gemäß §
73a Abs.
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in Verbindung mit §
114 Abs.
1 Satz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig
erscheint.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers auf
Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher
Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, §
73 a Rn. 7a mwN). Der Erfolg braucht nicht sicher zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit
für sich haben. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte,
darf der Antrag auf Gewährung von PKH abgelehnt werden (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R, bei [...] Rn. 26). Durch diese Einschränkungen soll sichergestellt werden, dass einem Unbemittelten nicht durch PKH eine
Rechtsverfolgung ohne finanzielles Risiko ermöglicht wird, die ein bemittelter und verständiger Beteiligter zur Schonung eigener
Mittel unterlassen würde (vgl. BSG, Beschluss vom 23.04.2007 - B 10 KG 6/06 B, bei [...] Rn. 5); denn durch PKH wird eine Gleichstellung und nicht eine Besserstellung von unbemittelten gegenüber bemittelten
Rechtsschutzsuchenden angestrebt.
Der am 29.12.2014 bei dem Sozialgericht erhobenen Anfechtungsklage nach §
54 Abs.
1 SGG fehlt es an hinreichenden Erfolgsaussichten im o.g. Sinne. Zur Begründung nimmt der Senat entsprechend §
153 Abs.
2 SGG auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses des Sozialgerichts vom 28.09.2015 Bezug, denen es sich nach eigener
Prüfung der Sach- und Rechtslage vollinhaltlich anschließt. Mit dem Sozialgericht hat der Senat keine Zweifel, dass der Beklagte
auf der Grundlage des von der Klägerin vorgelegten Arbeitsvertrages nicht erkennen konnte, dass das zu erzielende Arbeitsentgelt
der Höhe nach Schwankungen unterworfen sein werde. Zwar hat das BSG zur Notwendigkeit der Bewilligung lediglich vorläufiger Leistungen bei schwankendem Einkommen entschieden (Urt. vom 29.11.2012
- B 14 AS 6/12 R, bei [...] Rn. 17), dass der Erlass eines endgültigen Bescheides kein taugliches Instrumentarium in Fällen sei, in denen
objektiv nur die Möglichkeit einer prospektiven Schätzung insbesondere der Einkommenssituation bestehe. Wenn das zu erwartende
Arbeitsentgelt etwa als Leistungsentlohnung beispielswese auf Basis einer Stückzahl oder als Zeitlohn ohne von vornherein
fest vereinbarte Stundenzahl vertraglich geregelt sei, sei typischerweise der Anwendungsbereich des § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. §
328 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) eröffnet. Eine solche Fallkonstellation sieht der Senat jedoch vorliegend mit dem Sozialgericht auf der Grundlage der einzig
vorhanden gewesenen Erkenntnisquelle (Arbeitsvertrag) nicht. Aber selbst wenn von schwankendem Einkommen prognostisch hätte
ausgegangen werden müssen mit der Folge, dass rechtmäßig nur eine lediglich vorläufige Bewilligung hätte erteilt werden können,
sind Erfolgsaussichten der Klage nicht ersichtlich. In diesem Fall hätte die Aufhebung des maßgeblichen Bewilligungsbescheides
ihre Rechtsgrundlage nicht in § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), sondern in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nrn 2 und 3 SGB X gefunden. Insoweit wären weder formelle noch materielle Gesichtspunkte klagebegründend: Die angegriffene Verfügung des Beklagten
wäre nicht etwa deshalb formell rechtswidrig, weil die Klägerin zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 SGB X nicht gemäß § 24 Abs. 1 SGB X ordnungsgemäß angehört worden ist. Denn bezüglich der Frage, ob ein Anhörungsfehler vorliegt, ist von der materiell-rechtlichen
Rechtsansicht der handelnden Verwaltungsbehörde auszugehen, mag sie auch falsch sein (BSG, Urt. vom 29.11.2012, aaO, bei [...] Rn. 21 mwN). Der Umstand, dass der Beklagte seine Aufhebungsverfügungen fehlerhaft auf
§ 48 SGB X gestützt hätte, würde ebenfalls keine Erfolgsaussichten der Klage begründen können. Weil die §§ 48 und 45 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsakts, gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen
grundsätzlich zulässig (dazu bereits BSG, Urt. vom 21.06.2011 - B 4 AS 21/10 R, bei [...] Rn. 34 mwN). Vertrauensschutzgesichtspunkte auf Seiten der Klägerin, die einer Befugnis zur Aufhebung mit Wirkung
für die Vergangenheit entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich; denn sie hätte aufgrund der einkommensmindernden Berücksichtigung
des Arbeitsentgelts von Beginn an zumindest wissen müssen, dass sie zum einen eine Mitteilungspflicht trifft, wenn abweichend
von der Berücksichtigung Einkommen in höherem oder geringerem Umfang erzielt wird bzw. dass die unzureichende Berücksichtigung
von Einkommen zu einer Aufhebung der ursprünglichen Leistungsbewilligung führen müsse.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§
73a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
127 Abs.
4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).