Einstweiliger Rechtsschutz bei bestandskräftiger Ablehnungsentscheidung und nachgehendem Überprüfungsantrag gem. § 44 Abs. 1 SGB X
Gründe
I.
Die 1983 geborene Antragstellerin bezieht vom Antragsgegner seit Oktober 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem Zeiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Im Rahmen eines Umzugs beantragte sie am 22.11.2012 beim Antragsgegner eine einmalige Beihilfe für Erstausstattung. Diese
habe sie nie erhalten. Ihr fehlten ein Kleiderschrank, ein Wohnzimmerschrank, Lampen, ein Staubsauger, ein Bett, ein Badezimmerschrank,
ein Teppich, Gläser, Schüsseln, Tassen, eine Waschmaschine und Küchenzubehör. Diese Gegenstände habe sie in den vorherigen
Wohnungen nie besessen. Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Bescheid vom 08.05.2013 ab. Die Antragstellerin habe nicht
nachgewiesen, dass es sich bei der begehrten Leistung um Erstausstattung im Sinne des § 24 Abs. 3 SGB II handele. Ihr Vortrag, sie habe seit siebeneinhalb Jahren kein Bett, keinen Kleiderschrank und keine Waschmaschine besessen,
sei nach der allgemeinen Lebenserfahrung unplausibel. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid
vom 28.08.2013 zurück. Der geltend gemachte Bedarf für neue Möbel/Einrichtungsgegenstände sei vom Regelbedarf umfasst, da
es sich im konkreten Fall offensichtlich um eine Ersatzbeschaffung und nicht um eine Erstausstattung handele.
Die Antragsstellerin hat diese Entscheidung nicht gerichtlich angefochten. Sie hat vielmehr mit Schreiben vom 14.10.2013 einen
Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestellt und zugleich beim Sozialgericht Gelsenkirchen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sie erstmalig beim Einzug in die neue Wohnung erfahren
habe, dass ihr ein Anspruch auf Wohnungserstausstattung zustehe. Sie habe eine Wohnung gemietet, in der lediglich eine Küche
vorhanden sei. Sie verfüge darüber hinaus über sämtliche Küchenutensilien. Bei sämtlichen weiteren Möbelstücken, die sie besitze
(Matratze, Bettzeug, Couch) handele es sich um Gegenstände, die sie bereits vor längerer Zeit vom Sperrmüll geholt habe und
die schon vollständig zerstört seien. Lediglich eine Waschmaschine habe sie vor Jahren für 250,- DM gekauft. Diese sei aber
zwischenzeitlich defekt. Sie sei völlig mittellos und beantrage die vorläufige Übernahme der Wohnungsausstattungskosten in
voller Höhe abzüglich der Kosten für eine Kücheneinrichtung.
Der Antragsgegner hat den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 16.10.2013 abgelehnt.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss
vom 31.10.2013 abgelehnt. Die Antragstellerin habe schon den erforderlichen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Da mit
dem einstweiligen Verfahren die Vorwegnahme der im Hauptsacheverfahren allein möglichen Leistungen begehrt werde und es einem
Antragsteller, der einen ablehnenden Bescheid bestandskräftig werden lasse, in der Regel zuzumuten sei, im Überprüfungsverfahren
eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten seien an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes besonders strenge
Anforderungen zu stellen, denen der Vortrag der Antragstellerin nicht genüge. Diese habe insbesondere das Verwaltungsverfahren
nur zögerlich betrieben und den Bescheid vom 08.05.2013 in Bestandskraft erwachsen lassen. Bei dieser Sachlage sei es ihr
zumutbar, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Ob ein Anordnungsanspruch gegeben sei könne vor diesem Hintergrund offen bleiben.
Auch dieser sei nach derzeitiger Erkenntnislage nicht überwiegend wahrscheinlich. Die Behauptung der Antragstellerin, sie
habe noch nie über die beantragten Möbelstücke verfügt, entspreche nicht ohne Weiteres der allgemeinen Lebenserfahrung.
Gegen den am 04.11.2013 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 19.11.2013 Beschwerde eingelegt. Sie hat beantragt,
ihr auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Zur Begründung macht die Antragstellerin geltend, dass sie mit 17,5 Jahren die elterliche Wohnung verlassen und zunächst auf
der Straße gelebt habe. Als sie in die erste Wohnung eingezogen sei, habe sie keine Einrichtungsgegenstände besessen und SGB-II-Leistungen erhalten. Auch im Rahmen der weiteren Umzüge habe sie keine Wohnungserstausstattung vom Antragsgegner erhalten.
Auf einen diesbezüglichen Anspruch sei sie zu keinem Zeitpunkt hingewiesen worden. Sie verfüge zur Zeit nur über eine Matratze,
eine Couch, einen Wohnzimmertisch, ein Sideboard, Küchenschränke, einen Kühlschrank, einen Herd, diverse Küchenutensilien
und eine defekte Waschmaschine. Da die Anschaffungskosten für die von ihr begehrten Gegenstände mehr als 750,- Euro betrügen,
sei die Beschwerde auch zulässig. Für die Anschaffung eines Bettes einschließlich Lattenrost, Matratze und Oberbett/Kopfkissen
sowie Bettwäsche und die Anschaffung eines Kleiderschrankes und eines Möbelstücks zur Aufbewahrung für das Wohnzimmer seien
einschließlich der erforderlichen Transportkosten mehr als 750,- Euro erforderlich. Jedenfalls die Anschaffung dieser elementar
wichtigen Gegenstände sei dringend erforderlich, so dass der Antragstellerin diesbezüglich ein Abwarten auf die Entscheidung
in der Hauptsache nicht zumutbar sei.
Der Senat hat die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass wenig nachvollziehbar sei, das sie, die seit 2005 Leistungen nach
dem SGB II beziehe, die von ihr begehrten Ausstattungsgegenstände nicht aus ihrem Regelbedarf angeschafft habe. Dieser Regelbedarf umfasse
auch den Hausrat (vgl. § 20 Abs. 1 SGB II). Der Umstand, dass diese Gegenstände trotz der hierfür gewährten Leistungen in sieben Jahren nicht angeschafft worden seien,
spreche eindeutig gegen eine besondere Eilbedürftigkeit. Es sei in diesem Zusammenhang wenig nachvollziehbar, dass die Antragsstellerin
trotz bereiter Mittel viele Jahre ohne diese Gegenstände habe leben können, nunmehr aber das Hauptsacheverfahren nicht mehr
abwarten könne. Gegen die Eilbedürftigkeit spreche zudem, dass die Antragstellerin nach Aktenlage ein Darlehen zur Anschaffung
der Gegenstände abgelehnt habe.
Die Antragstellerin hat daraufhin mitgeteilt, dass sie hoch verschuldet gewesen sei und einen großen Teil ihres Regelsatzes
zur Schuldentilgung genutzt habe. Da keine finanziellen Mittel zur Anschaffung der Gegenstände vorhanden gewesen seien, habe
sie sich mit ihrer Wohnsituation arrangiert. Zu berücksichtigen sei, dass sie von dem Antragsgegner zu keinem Zeitpunkt auf
ihren Anspruch auf Erstausstattungsbeihilfe hingewiesen worden sei. Dies sei mit den Beratungspflichten nach §
13 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) nicht vereinbar.
Der Antragsgegner hält die Beschwerde für unzulässig, da der Beschwerdewert nicht erreicht werde. Weder im Verwaltungs- noch
erstinstanzlichen Verfahren sei eine konkrete Bezifferung des Antrags erfolgt. Dieser könne nunmehr nicht pauschal mit mehr
als 750,- Euro beziffert werde. Transportkosten seien darüber hinaus nicht im Rahmen der Erstausstattung zu übernehmen. Im
Übrigen sei der Antragstellerin ein Darlehen zur Anschaffung der Gegenstände angeboten worden, das sie nicht angenommen habe.
Es fehle daher das Rechtsschutzbedürfnis für das Eilverfahren.
Der diesbezügliche Aktenvermerk des Antragsgegners über das Darlehensangebot wurde der Antragstellerin übersandt. Eine Stellungnahme
hierzu ist nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte
(Band IV) Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung.
II.
Die Beschwerden der Antragstellerin sind zulässig.
Sie sind insbesondere auch statthaft und nicht nach §
172 Abs.
3 Nr.
1 i.V.m. §
144 Abs.
1 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ausgeschlossen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- Euro übersteigt. Maßgeblich ist insoweit, was das Sozialgericht
dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er mit seinen Anträgen im Beschwerdeverfahren weiterverfolgt (vgl. Leitherer in
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl., §
144 RdNr. 14 m.w.N.). Bei einem unbezifferten Antrag muss das Gericht den Wert ermitteln (vgl. Leitherer aaO, § 144 RdNr. 15
m.w.N.). Dabei sind zunächst die Angaben der Beteiligten zugrundezulegen. Die Antragstellerin hat erstinstanzlich pauschal
die Gewährung einer vollständigen Erstausstattung abzüglich der Küchenausstattung begehrt. Den diesbezüglichen Wert schätzt
der Senat mit mehr als 750,- Euro ein. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin ihr Begehren weiter dahingehend
konkretisiert, dass jedenfalls ein Bett einschließlich Lattenrost, Matratze und Oberbett/Kopfkissen sowie Bettwäsche und die
Anschaffung eines Kleiderschrankes und eines Möbelstücks zur Aufbewahrung für das Wohnzimmer erforderlich seien. Sie hat den
Anschaffungspreis für diese Gegenstände einschließlich der hierfür erforderlichen Transportkosten mit mehr als 750,- Euro
beziffert. Von diesem Begehren ist hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit der Beschwerde auszugehen. Für die Bestimmung des
Beschwerdewertes ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Anspruch dem Grunde oder der Höhe nach bestehen kann. Lediglich
in Fällen des Rechtsmissbrauchs, das heißt wenn ein Prozessantrag nur deshalb gestellt wird, um die Berufungs- bzw. Beschwerdefähigkeit
zu erreichen, ist der Antrag im Verfahren nicht zu berücksichtigen (vgl. Leitherer aaO, § 144 RdNr. 14a m.w.N). Dafür liegen
hier aber keine Anhaltspunkte vor.
Die Beschwerden sind aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf vorläufige Gewährung von Leistungen zur Wohnungserstausstattung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt.
Der Senat nimmt diesbezüglich zur Vermeidung von Wiederholungen nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zunächst auf
die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss Bezug (§
142 Abs.
2 Satz 3
SGG).
Das Vorbringen der Antragstellerin und Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren führt zu keiner anderen Beurteilung.
Einen Anordnungsgrund hat die Antragstellerin weiterhin nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Schwere und unzumutbare Nachteile,
die ihr durch ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache entstehen, sind nicht ersichtlich. Die Antragstellerin bezieht
seit dem 01.10.2005 Leistungen nach dem SGB II. Aus diesen Regelleistungen sind auch die für eine geordnete Haushaltsführung notwendigen Einrichtungs- und Haushaltsgegenstände,
wie Möbel, Lampen etc. anzuschaffen. Der Umstand, dass eine diesbezügliche Anschaffung durch die Antragstellerin nicht erfolgt
ist, weil sie die entsprechenden Gelder zur Schuldentilgung verwandt hat, zeigt, dass es ihr offensichtlich - auch über Jahre
hinweg - möglich war, ohne die begehrten Einrichtungsgegenstände auszukommen. Die Antragstellerin trägt in diesem Zusammenhang
selbst vor, dass sie sich mit ihrer Situation arrangiert habe. Hierfür spricht auch, dass die Antragstellerin ein ihr angebotenes
Darlehen zur Anschaffung der benötigten Gegenstände abgelehnt und gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 28.08.2013
keine Klage erhoben hat. Bei dieser Sachlage ist nicht nachvollziehbar, weshalb sie nunmehr ein Klageverfahren nicht mehr
abwarten kann.
Eine existenzielle Notlage ist auch vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin jedenfalls über eine Matratze und nach ihrem
Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren auch über Bettzeug sowie über eine Küchenausstattung verfügt, nicht ersichtlich.
Mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg hat das Sozialgericht auch den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu
Recht abgelehnt. Aus diesem Grund war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG, für das Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
127 Abs.
4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §
177 SGG.