Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Prüfung der Erfolgsaussichten eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vor dem Sozialgericht
Summarische Prüfung der Rechtmäßigkeit eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts
Anforderungen an eine Eingliederungsvereinbarung
Forderung von Maßnahmen zur Gewinnsteigerung sowie deren Nachweis und Verpflichtung zur Aufstellung der monatlichen Einnahmen
und Ausgaben
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag auf Prozesskostenhilfe
(PKH) zu Recht abgelehnt.
Beteiligte, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil
oder nur in Raten aufbringen können, erhalten gemäß §
73 a Abs.
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in Verbindung mit §
114 Abs.
1 Satz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet
und nicht mutwillig erscheint.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers auf
Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher
Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, §
73 a Rn. 7a mit weiteren Nachweisen). Der Erfolg braucht nicht sicher zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse
Wahrscheinlichkeit für sich haben. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance
aber nur eine entfernte, darf der Antrag auf Gewährung von PKH abgelehnt werden (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss
vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R, bei [...] Rn. 26). Durch diese Einschränkungen soll sichergestellt werden, dass einem Unbemittelten nicht durch PKH eine
Rechtsverfolgung ohne finanzielles Risiko ermöglicht wird, die ein bemittelter und verständiger Beteiligter zur Schonung eigener
Mittel unterlassen würde (vgl. BSG, Beschluss vom 23.04.2007, Az.: B 10 KG 6/06 B, bei [...] Rn. 5); denn durch PKH wird eine Gleichstellung und nicht eine Besserstellung von unbemittelten gegenüber bemittelten
Rechtsschutzsuchenden angestrebt.
Dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vor dem Sozialgericht Duisburg zum Az. S 38 AS 673/15 fehlte es an hinreichenden Erfolgsaussichten im o.g. Sinne. Dieser war zu keinem Zeitpunkt zulässig und begründet.
Gemäß §
86 b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende
Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Weitere Kriterien für das Gebrauchmachen von dieser
gerichtlichen Anordnungsbefugnis sind gesetzlich nicht geregelt. Sie sind durch Auslegung zu gewinnen. Diese ergibt, dass
die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage Ergebnis einer Interessenabwägung
ist. Die aufschiebende Wirkung eines solchen Rechtsbehelfs ist anzuordnen, wenn im Rahmen der Interessenabwägung dem privaten
Aufschubinteresse gegenüber dem öffentlichen Interesse einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes Vorrang gebührt.
Bei dieser Interessenabwägung ist insbesondere die - nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zu bewertende - Erfolgsaussicht
des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Ferner ist zu beachten, dass der Gesetzgeber in Fällen des §
86 a Abs.
2 Nrn. 1 - 4
SGG das Entfallen der aufschiebenden Wirkung angeordnet und damit grundsätzlich ein überwiegendes Interesse an der sofortigen
Vollziehung des Verwaltungsaktes geregelt hat (vgl. Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen [NRW], Beschluss vom 21.01.2010,
Az.: L 7 B 446/09 AS, bei [...] Rn. 5). Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn im konkreten Fall ein überwiegendes privates Aufschubinteresse
feststellbar ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme sein
(LSG NRW, Beschluss vom 09.12.2013, Az.: L 2 AS 1956/13 B ER, bei [...] Rn. 3). Eine solche Ausnahme liegt vor, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Ein überwiegendes
öffentliches Interesse an der Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte ist nicht erkennbar. Ist der Verwaltungsakt
offensichtlich rechtmäßig, ist die aufschiebende Wirkung regelmäßig nicht anzuordnen. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs
nicht abschätzbar, ist eine allgemeine Interessenabwägung durchzuführen. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers
in die Abwägung einzustellen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 12.05.2005, Az. 1 BvR 569/05, bei [...] Rn. 26).
Die Klage des Antragstellers vom 17.02.2015 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 09.02.2015 hat gemäß §
86 a Abs.
2 Nr.
4 SGG in Verbindung mit § 39 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) keine aufschiebende Wirkung. Der auf die Anordnung derselben gerichtete Antrag hatte hier schon deshalb zu keinem Zeitpunkt
eine Aussicht auf Erfolg, da sich der genannte Verwaltungsakt nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen
summarischen Prüfung nicht als offensichtlich rechtswidrig erweist. Auf die Frage, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für einen
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (oder der Klage) besteht oder der Antragsteller darauf zu
verweisen ist, abzuwarten, ob der Antragsgegner aus dem die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt im Sinne
des § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II bei Pflichtverstößen belastenden Rechtsfolgen (insbesondere sog. Sanktionen auf der Grundlage von §§ 31 ff. SGB II) ableiten wird, kommt bzw. kam es mithin nicht an (vgl. zum Meinungsstand nur den Beschluss des erkennenden Senates vom 27.10.2014,
Az. L 2 AS 1701/14 B ER, bei [...] Rn. 3f.).
Zunächst war der Antragsgegner als der für den Antragsteller gemäß §§ 6, 36 SGB II sachlich und örtlich zuständige Träger der Leistungen nach dem SGB II nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II dazu berechtigt, eine Eingliederungsvereinbarung hoheitlich durch Verwaltungsakt gegenüber dem Antragsteller zu ersetzen.
Der Erlass einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt ist nach dieser Vorschrift jedenfalls zulässig, wenn der
Grundsicherungsträger zuvor den Versuch unternommen hat, mit dem Arbeitsuchenden eine Vereinbarung zu schließen, eine solche
konsensuale Lösung aber gescheitert ist (vgl. BSG, Urteil vom 14.02.2013, Az. B 14 AS 195/11 R, bei [...] Rn. 19). Hiervon ist im Regelfall auszugehen, wenn sich der erwerbsfähige Leistungsberechtigte weigert, überhaupt
eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen (vgl. Kador, in: Eicher, Kommentar zum SGB II, 3. Auflage, 2013, § 15 Rn. 63). Dies ist hier der Fall. Die Mitteilung des Antragstellers im Schreiben vom 12.11.2014, er lehne die ihm am 06.11.2014
ausgehändigte Eingliederungsvereinbarung "in Gänze" ab, stellt eine grundsätzliche Weigerung im o.g. Sinne dar.
Auch inhaltlich kann der Senat keine Anhaltspunkte erkennen, aus denen eine (offensichtliche) Rechtswidrigkeit der Eingliederungsvereinbarung
vom 13.11.1014 folgt. Zentraler Bestandteil einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II und eines diese Vereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II sind gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II Bestimmungen darüber, welche Leistungen die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person zur Eingliederung in Arbeit erhält
und welche Bemühungen sie hierzu in welcher Häufigkeit mindestens unternehmen sowie in welcher Form sie diese nachweisen muss.
Nach dem Grundsatz des Forderns und Förderns (vgl. §§ 1 und 2 SGB II) muss die Eingliederungsvereinbarung bzw. der sie ersetzende Verwaltungsakt dabei konkrete und bestimmbare Pflichten für
beide Vertragspartner enthalten (LSG NRW, Beschluss vom 26.11.2012, Az. L 2 AS 2052/12 B, bei [...] Rn. 6 mit weiteren Nachweisen). Diesen Anforderungen genügt die Eingliederungsvereinbarung vom 13.11.1014. Die
Bedenken des Antragstellers, die von ihm geforderten Maßnahmen zur Gewinnsteigerung sowie deren Nachweis seien zum Einen nicht
geeignet, seine Hilfebedürftigkeit zu beenden und zum Anderen zu unbestimmt, teilt der Senat nicht. Bei einer selbständigen
Tätigkeit ist es zunächst immer der Firmeninhaber, der vorrangig - von ihm als geeignet angesehene - Maßnahmen auf dem Gebiet
der Kundengewinnung, Gewinnsteigerung etc. ergreifen muss. Er kennt schließlich sowohl die Struktur seines Betriebes als auch
die Gegebenheiten des Marktes. Dem Grundsicherungsträger ist es letztlich auch gar nicht möglich, von außen konkrete Vorschläge
zur Optimierung der Geschäftstätigkeit zu machen. Er kann tatsächlich, wenn man einmal ganz allgemein gehaltene Ratschläge
und unternehmerische Selbstverständlichkeiten außer Betracht lässt, zunächst nur auf Vorschläge des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
reagieren und deren Wirksamkeit prüfen, um sodann - im Zusammenspiel mit diesem - geeignete (Förder-)Maßnahmen zu erbringen.
Genau hierzu hat der Antragsgegner sich in der angegriffenen Eingliederungsvereinbarung auch verpflichtet. Dem Senat erschließt
sich nicht, weshalb der Antragsteller dieses Angebot des Antragsgegners nicht annimmt. Es dürfte doch in seinem eigenen Interesse
sein, die Geschäftstätigkeit seines Unternehmens zu steigern, um seine Hilfsbedürftigkeit zu beseitigen.
Auch die Verpflichtung des Antragstellers zur Aufstellung seiner monatlichen Einnahmen und Ausgaben führt entgegen der Auffassung
des Antragstellers nicht zur Rechtswidrigkeit der Eingliederungsvereinbarung vom 13.11.2014. Soweit er sich diesbezüglich
auf die zwischen den hiesigen Beteiligten ergangene Entscheidung des erkennenden Senats vom 26.11.2012 zum Az. L 2 AS 2052/12 B beruft, ergibt sich dadurch kein anderes Ergebnis. Diese betraf - worauf das Sozialgericht in seinem Richterbrief vom 10.02.2015
zu Recht hingewiesen hat - eine Eingliederungsvereinbarung, die allein regelte, in welcher Weise der Antragsteller die mit
seiner selbständigen Tätigkeit erzielten Einnahmen gegenüber dem Antragsgegner dokumentieren sollte und welche unternehmerischen
Entscheidungen (ungeplante Betriebsausgaben, Einstellung von Personal) er nur nach vorheriger Zustimmung des Antragsgegners
vornehmen durfte. Die dort festgelegten Pflichten zur Anzeige ungeplanter Betriebsausgaben, zur Einreichung einer monatlichen/quartalsweisen
Gewinn- und Verlustrechnung und zum Nachweis des betriebsbedingten Anteils der Kraftfahrzeugnutzung stellten keine geeigneten
Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit dar, sondern dienten allein der Überprüfung seiner Leistungsberechtigung, was nicht
der Sinn und Zweck einer Eingliederungsvereinbarung ist. So liegt der Fall hier indes nicht. Die vom Antragsteller geforderte
Auflistung seiner Einnahmen und Ausgaben dient der Überprüfung, ob die seitens des Antragstellers vorzunehmenden Maßnahmen
zur Gewinnsteigerung geeignet, erforderlich, zumutbar und - für den Antragsteller besonders wichtig - (finanziell) förderungswürdig
sind, um die Hilfebedürftigkeit zu verringern oder bestenfalls ganz zu beseitigen. Eine Überprüfung der Leistungsberechtigung
des Antragstellers mag damit einhergehen, ist aber jedenfalls nicht ausschließlicher Zweck der Verpflichtung.
Auch die Rechtsfolgenbelehrung für den Fall eines Verstoßes gegen die dem Antragsteller auferlegten Pflichten erfüllt die
gesetzlichen Anforderungen. Sie entspricht jedenfalls nicht denjenigen, die in der Rechtsprechung bisher beanstandet worden
sind (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.2010, Az.: B 14 AS 53/08 R, bei [...] Rn. 22; BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az.: B 4 AS 30/09 R, bei [...] Rn. 22). Die Belehrung muss konkret, richtig und vollständig sein und dem Arbeitslosen in verständlicher Form
zutreffend erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus seinem Verhalten für ihn ergeben, wenn hierfür
kein wichtiger Grund vorliegt (BSG, Urteil vom 18.02.2010, Az.: B 14 AS 53/08 R, bei [...] Rn. 22; BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az.: B 4 AS 30/09 R, bei [...] Rn. 22). Rechtliche Bedenken im Hinblick auf die Rechtsfolgenbelehrung werden vom Antragsteller jedoch auch
nicht geltend gemacht.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§
73 a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
127 Abs.
4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).