Tatbestand
Der am 00.00.1964 in Polen geborene Kläger lebt seit 1981 in Deutschland. Nach einer Umschulung zum Chemiewerker von 1997
bis 1999 arbeitete er als solcher bis Oktober 2004. Seither ist er arbeitslos. Am 13.02.2017 beantragte er eine Erwerbsminderungsrente.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Pneumologie N vom 23.03.2017 aufgrund ambulanter Untersuchung
vom selben Tag ein. Dieser diagnostizierte unter Berücksichtigung der Entlassungsberichte über die stationären Aufenthalte
des Klägers in der Kreisklinik S und der BG Klinik für Berufskrankheiten S vom 09.11.2016 bis 07.12.2016 und eines pneumologisch-allergologischen
Gutachtens vom Facharzt für Innere Medizin Prof. Dr. O vom 06.04.2016 ein allergisches Asthma bronchiale bei Kontakt zu Waschmittelenzym
und Chlor, eine chronisch-obstruktive Bronchitis bei Ex-Nikotinkonsum, einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II und
Bluthochdruck, ein leichtgradiges Zervikobrachialsyndrom bds. bei Halswirbelsäulenverschleiß und einen leichtgradigen Kniegelenksverschleiß
bds., rechts mehr als links ohne Funktionseinschränkungen. Aufgrund dieser Leiden könne der Kläger zwar nicht mehr als Chemiewerker
arbeiten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe jedoch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten
überwiegend im Sitzen mit weiteren qualitativen Einschränkungen.
Mit Bescheid vom 31.03.2017 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag des Klägers unter Hinweis auf das Ergebnis der
medizinischen Ermittlungen ab. Dagegen legte der Kläger am 06.04.2017 Widerspruch ein. Die Annahme, er könne noch mindestens
sechs Stunden täglich arbeiten, könne er nicht nachvollziehen. Er legte den Bescheid der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und
chemische Industrie vom 14.06.2004 über die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4301 der Anlage der
Berufskrankheitenverordnung und das der Beklagen bereits bekannte pneumologisch-allergologische Gutachten vom Facharzt für Innere Medizin Prof. Dr. O
vom 06.04.2016 vor. Die Beklagte zog einen Befundbericht der Ärztin für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr.
P vom 15.11.2017 bei und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2018 zurück. Trotz der vorliegenden Gesundheitsstörungen
sei der Kläger in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden arbeitstäglich
zu verrichten.
Der Kläger hat am 05.03.2018 Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, unter zahlreichen gesundheitlichen Störungen,
insbesondere Schwindelanfällen und einer Unbeweglichkeit der Hände zu leiden. Er hat den Entlassungsbericht der BG Klinik
für Berufskrankheiten S vom 07.12.2016 über eine stationäre Heilbehandlung vom 09.11.2016 bis 10.11.2016 und 18.11.2016 bis
07.12.2016 sowie ein Zusammenhangsgutachten vom Facharzt für Innere Medizin Prof. Dr. Q für die Berufsgenossenschaft vom 08.06.2017
vorgelegt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 31.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.02.2018 zu verurteilen,
ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, ausgehend von einem Leistungsfall am
13.02.2017 (Antragstellung) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides verwiesen.
Das Sozialgericht (SG) hat Befundberichte von der Ärztin für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. P vom 25.02.2018 und vom Facharzt
für Allgemeinmedizin Dipl. Ing. R vom 01.09.2018 beigezogen. Weiter hat das SG Beweis erhoben nach §
106 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) durch Einholen eines Sachverständigengutachtens vom Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. T vom
20.12.2018. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung vom 19.12.2018 die Auffassung vertreten, der Kläger könne trotz chronisch
einengender Lungenfunktionsstörung, Sauerstoffuntersättigung des Blutes, allergischem Bronchialasthma bei Sensibilisierung
durch Waschmittelenzyme und Chlor (anerkannte Berufskrankheit mit einer MdE von 30 von 100), Belastungskurzluftigkeit, insulinpflichtiger
Zuckerstoffwechselstörung, Verschleißleiden der Wirbelsäule bei Fehlhaltung mit wiederkehrenden Reizerscheinungen, Hörminderung,
Verschleißleiden der Kniegelenke, Fußfehlform und Bluthochdruck noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten wechselweise
im Gehen, Stehen und/oder Sitzen und auch überwiegend im Sitzen in geschlossenen Räumen verrichten. Arbeiten unter Zeitdruck,
in Nachtschicht, in Zwangshaltungen, mit Bücken oder Knien, unter Absturzgefahr, an gefährdenden Maschinen, mit besonderen
Anforderungen an das Tastgefühl oder Hörvermögen, mit regelmäßigen Überstunden und unter widrigen Umweltbedingungen (Kälte,
Hitze, starke Temperaturschwankungen, Zugluft, Nässe, Staub, Gas, Dampf, toxische oder allergisierend wirkende Substanzen)
seien zu vermeiden.
Mit Urteil vom 15.02.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei trotz der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen noch in der Lage, mindestens sechs
Stunden täglich körperlich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Dies folge insbesondere aus dem
Gutachten des Sachverständigen Dr. T. Aus dessen Untersuchungsbefund ergebe sich, dass der Kläger die Anreise zur Begutachtung
zu Fuß bewältigt habe. Er habe damit trotz seines Lungenleidens eine Wegstrecke von 4.6 Kilometern (laut Google Maps) fußläufig
bewältigen können. Auch sei er in der Lage gewesen, die Treppen zur Praxis des Gutachters zu ersteigen, ohne unter Luftnot
(Dyspnoe) zu leiden. Schließlich habe der Gutachter bei dem Kläger weder im Gespräch noch beim An- und Ausziehen Sprechdyspnoe
oder Kurzluftigkeit konstatieren können. Angesichts dieser Feststellungen und Beobachtungen des Sachverständigen erscheine
es schlüssig, dass der Kläger zwar atemwegsbelastende Tätigkeiten (z.B. unter ungünstigen Witterungsbedingungen und unter
Einwirkung allergisierend wirkender oder reizender Substanzen) nicht mehr ausüben könne, eine Einschränkung des quantitativen
Leistungsvermögens hingegen nicht anzunehmen sei.
Gegen das am 04.03.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.03.2019 Berufung eingelegt. Der bei ihm bestehenden Diabetes
mellitus Typ 2 und die Epilepsie seien erstinstanzlich nicht berücksichtigt worden. Er habe einen Grad der Behinderung von
80.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.02.2019 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 31.03.2017
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.02.2018 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise
wegen teilweiser Erwerbsminderung, ausgehend von einem Leistungsfall am 13.02.2017 (Antragstellung) nach Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat Befundberichte eingeholt vom Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. U vom 16.05.2019 (unauffälliges
EEG ohne Hinweis auf epilepsietypische Potentiale), von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. P vom 25.05.2019 (letzte Vorstellung
21.06.2016), von der Fachärztin für Innere Medizin und Diabetologie Dr. V vom 29.05.2019 (nur zweimalige Vorstellung im 1.
Quartal 2019, Verlauf nicht zu beurteilen) und vom Facharzt für Allgemeinmedizin Dipl. Ing. R vom 04.09.2019 (deutliche Besserung
seit Anfang 2019, Blutzucker gut eingestellt, Blutdruck normal). Weiter hat der Senat die Schwerbehindertenakte der Stadt
E und die Verwaltungsakte der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie beigezogen. Sodann hat der Senat Beweis
erhoben durch Einholen eines Sachverständigengutachtens vom Facharzt für Innere Medizin und Psychotherapie Dr. L. Der Kläger
ist zu vier angesetzten Terminen zur ambulanten Untersuchung durch den Sachverständigen nicht erschienen. Auf Nachfrage des
Senats hat er mit Schreiben vom 07.07.2020 erklärt, er müsse sich nicht untersuchen lassen; es könne ein Gutachten bei seiner
behandelnden Ärztin angefordert werden. Auf die nochmalige gerichtliche Aufforderung, sich mit einer Untersuchung durch den
neutralen Sachverständigen bereit zu erklären, hat er nicht reagiert. Im daraufhin nach Aktenlage erstellten Gutachten vom
04.08.2020 hat Dr. L ausgeführt, bei dem Kläger bestehe eine Lungenfunktionseinschränkung, obstruktive Atemwegserkrankung
durch Waschmittelenzyme, allergisches Asthmaleiden, Diabetes mellitus, Bluthochdruckleiden mit wiederkehrenden Synkopen, Verschleißerscheinungen
der Wirbelsäule in mehreren Abschnitten, muskuläre Dysbalance und Verschleißerscheinungen im Bereich der Kniegelenke, Chondropathie
patellae, Fußfehlform. Daraus resultierten qualitative Leistungseinschränkungen, so dass der Kläger nur noch leichte Tätigkeiten
primär in sitzender Position mit gelegentlichem Gehen und Stehen mit Heben und Tragen von Lasten unter 10 kg primär in geschlossenen
Räumen unter Meidung exogener Einflussfaktoren wie Stäuben, Dämpfen und anderer Stoffe, die zu einer Verschlechterung der
Atmung führten, ausüben könne. Eine quantitative Leistungseinschränkung bestehe nicht. Ergänzend könne noch der Bericht über
die für November 2019 geplante Rehabilitationsmaßnahme beigezogen werden.
Ergänzend hat der Senat ein für die Berufsgenossenschaft erstelltes pneumologisches und allergologisches Gutachten vom Facharzt
für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Prof. Dr. O vom 19.03.2019 nach ambulanter Untersuchung vom 12.03.2019
(geringe Besserung der obstruktiven Ventilationsstörung gegenüber 2016) und den Entlassungsbericht der BG Klinik für Berufskrankheiten
S vom 15.11.2019 über die stationäre Heilbehandlung vom 16.10.2019 bis 13.11.2019 (stabiler respiratorischer Lungenfunktionsbefund)
beigezogen.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 09.11.2020 zu einer Entscheidung nach §
153 Abs.
4 SGG angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge
der Beklagten Bezug genommen. Dieser war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Gemäß §
43 Abs.
2 SGB VI haben Versicherte bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §
43 Abs.
2 S. 1 Nr.
2 und
3 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind
(§
43 Abs.
2 S. 1 Nr.
1 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§
43 Abs.
2 S. 2
SGB VI). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs
Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§
43 Abs.
3 SGB VI). Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung besteht für Versicherte gemäß §
43 Abs.
1 SGB VI, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§
43 Abs.
1 S. 2
SGB VI).
Im Berufungsverfahren haben sich keine Erkenntnisse ergeben, die zu einer abweichenden Beurteilung führen. Das vom Senat nach
Aktenlage eingeholte Gutachten von Dr. L bestätigt vielmehr in sich schlüssig und nachvollziehbar die Einschätzung des erstinstanzlich
gehörten Sachverständigen, dass der Kläger noch körperlich leichte Tätigkeiten mit weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen
vollschichtig ausüben kann. Das für die Berufsgenossenschaft erstellte pneumologisch-allergologische Gutachten vom Facharzt
für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Prof. Dr. O vom 19.03.2019 stellt sogar eine geringe Besserung der obstruktiven
Ventilationsstörung gegenüber 2016 fest. Auch der Entlassungsbericht der BG Klinik für Berufskrankheiten S vom 15.11.2019
über die stationäre Heilbehandlung vom 16.10.2019 bis 13.11.2019 beschreibt einen stabilen respiratorischen Lungenfunktionsbefund.
Auch aus den von den behandelnden Ärzten eingeholten aktuellen Befundberichten ergeben sich weder Hinweise auf eine wesentliche
Verschlimmerung des Gesundheitszustands des Klägers noch auf im Klageverfahren unberücksichtigt gebliebene Aspekte.
Da der Kläger an der durch das Gericht eingeleiteten Begutachtung durch den Arzt für Innere Medizin Dr. L nicht mitgewirkt
hat, sind die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen einer Erwerbsminderung nicht feststellbar, was sich nach
dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Ungunsten des Klägers auswirkt. In Anbetracht der Weigerung des Klägers zur - zumutbaren
- Mitwirkung an der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme ist auch kein Raum zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts.