Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach SGB VI
Feststellung einer Leistungsfähigkeit des Versicherten von sechs Stunden und mehr durch die medizinischen Sachverständigen
Prüfung einer Berufsunfähigkeit
Eingruppierung in Stufe 4 bzw. in den unteren Bereich der Stufe 3 nach dem vom BSG entwickelten Mehrstufenschema (bei einer letzten Tätigkeit als Lagerarbeiter)
Fehlender Berufsschutz von Ungelernten
Gründe
I.
Der am 00.00.1959 geborene Kläger absolvierte nach seinen Angaben von September 1976 bis Februar 1978 eine Ausbildung als
Heizungs- und Sanitärbauer. Danach übte er nach seinen Angaben diverse Tätigkeiten als Hausmeister, Baumaschinist, Gabelstaplerfahrer
und zuletzt (01.08.2000 bis 01.02.2001) als Lagerarbeiter aus.
Am 21.06.2010 beantragte er bei der Beklagten die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte ein Gutachten
der Fachärztin für Innere Medizin Dr. N vom 26.11.2010 ein, die den Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für vollschichtig
erwerbsfähig ansah. Entsprechend wurde der Antrag des Klägers mit Bescheid vom 01.12.2010 abgelehnt. Trotz der bei ihm vorliegenden
Gesundheitsstörungen könne der Kläger noch mindestens 6 Stunden täglich arbeiten, so dass die Voraussetzungen einer Rente
wegen Erwerbsminderung nicht gegeben seien. Da dies auch im bisherigen Beruf als ungelernter/angelernter Arbeiter möglich
sei, komme eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ebenfalls nicht in Betracht.
Auf den Widerspruch des Klägers vom 22.12.2010 beauftragte die Beklagte den Neurologen und Psychiater Dr. S mit der Erstellung
eines weiteren Gutachtens. Ihm angebotene Untersuchungstermine hier nahm der Kläger eben so wenig wahr wie anschließend angebotene
Termine bei dessen Fachkollegen Dr. O. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Der Kläger hat am 22.08.2011 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben und weiter die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente begehrt.
Das SG hat Befundberichte der behandelnden Orthopädin S1 vom 30.12.2011 und des Orthopäden Dr. A vom 03.01.2012 sowie anschließend
ein internistisches Gutachten des Dr. L vom 26.11.2012 eingeholt. Dr. L hat
1. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit muskulärer Dysbalance und Fehlhaltung, leichte skoliotische Seitverbiegung,
Bandscheibenschädigungen im Lendenwirbelsäulenbereich ohne motorisch neurologische Ausfallserscheinungen, vorbewertet Knochendichteminderung
ohne Fraktur.
2. Ein Immundefizit-Syndrom erworben seit 2005, unter entsprechender antiviraler Therapie und derzeit ohne Hinweis auf opportunistische
Infektionen oder neurologische Komplikationen.
3. Belastungsbezogene Beschwerden linkes Knie mit geringgradiger Bandinstabilität.
4. Wiederkehrende bronchitische Infekte bei zwischenzeitlich eingestelltem Nikotinabusus.
diagnostiziert. Unter Berücksichtigung der hierdurch bedingten Einschränkungen seien leichte bis zeitweise mittelschwere Tätigkeiten
6 Stunden und mehr möglich, schwere Tätigkeiten unter 3 Stunden. Die Wegstrecke sei nicht eingeschränkt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18.04.2013 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser
Erwerbsminderung oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Er sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert
(§
43 SGB VI), da er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein könne.
Dies ergebe sich aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Die Kammer schließe sich der sozialmedizinischen Beurteilung des Dr.
L an, der nach umfassender körperlicher Untersuchung keine Funktionsbeeinträchtigungen habe feststellen können, die Einschränkungen
des quantitativen Leistungsvermögens des Klägers rechtfertigen könnten. Die vorliegenden Leistungseinschränkungen würden nicht
dazu führen, den Arbeitsmarkt als verschlossen anzusehen. Weder liege ein sogenannter Katalogfall nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsminderung
vor. Ob dem Kläger ein entsprechender leistungsgerechter Arbeitsplatz vermittelt werden könne, habe die Kammer nicht zu prüfen.
Dieses Risiko falle nicht in den Bereich der Renten-, sondern der Arbeitslosenversicherung. Der Kläger sei auch nicht teilweise
erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit (§
240 Abs.
1 SGB VI), da er keinen Berufsschutz genieße. Aufgrund seiner letzten Tätigkeit als Lagerarbeiter sei er in Stufe 4 (Ungelernte Arbeiter),
allenfalls in den unteren Bereich der Stufe 3 (Angelernte Arbeiter, die einen Ausbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen
Regelausbildungszeit bis zu 2 Jahren ausüben) des vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschemas einzugruppieren und
ihm damit eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumutbar, für die er wie ausgeführt als vollschichtig erwerbsfähig
angesehen werde.
Gegen das ihm am 26.04.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.05.2013 Berufung eingelegt. In keiner der ärztlichen Untersuchungen
sei auf seine Bandscheibenvorfälle näher eingegangen worden. Darüber hinaus bestehe bei ihm seit kurzem auch eine psychische
Erkrankung. Soweit im Berufungsverfahren Gutachten eingeholt worden seien, würden diese sich nicht von den vorausgegangenen
unterscheiden. Er habe eine eigenständige Begutachtung erwartet. Bei einer starken Erkrankung wie seiner, den chronisch starken
Magen- und Rückenschmerzen als Folge von Magengeschwüren und Bandscheibenvorfällen sowie den Problemen mit der Kniescheibe
müsse eine Erwerbsminderungsrente zugestanden werden. Die starke Schmerzmittelmedikation bestätige dies. Trotz jahrelanger
physiotherapeutischer Maßnahmen seien die Schmerzen nach wie vor da. Ergänzend hat der Kläger einen Bericht des Neurologen
Dr. X (27.05.2013) und des Prof. Dr. X1 (08.04.2014) übersandt.
Dem Vorbringen des Klägers lässt sich sinngemäß der Antrag entnehmen,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 18.04.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 01.12.2010
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2011 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser
Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und sieht sich durch das Ergebnis der Beweiserhebung im Berufungsverfahren
in ihrer Auffassung bestätigt.
Der Senat hat Befundberichte des Orthopäden Dr. M (27.08.2013), des Anästhesisten Dr. G (23.08.2013) und der Hausärztin des
Klägers, Dr. W (26.09.2013), sowie anschließend ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. H vom 21.01.2014 mit orthopädischem
Zusatzgutachten des Dr. T vom 18.02.2014 eingeholt. Die Sachverständigen haben auf ihren Fachgebieten degenerative Veränderungen
des Bewegungsapparats sowie eine chronische Schmerzstörung und eine Fuß- und Zehenheberparese links festgestellt. Der Kläger
könne vollschichtig leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung durchführen, die Wegstrecke sei nicht eingeschränkt.
Das Gericht hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung gemäß §
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten
verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält
der Senat nicht für erforderlich. Das Rechtsmittel wird daher ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen, nachdem
die Beteiligten dazu gehört worden sind (§
153 Abs.
4 SGG).
Das SG hat die auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente gerichtete Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 18.04.2013 zu Recht
abgewiesen Der Bescheid der Beklagten vom 01.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2011 ist rechtmäßig
und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§
54 Abs.
2 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung gem. §§
43,
240 SGB VI, da er weder teilweise (§
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI) noch voll (§
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI) erwerbsgemindert ist noch einen Berufsschutz gem. §
240 SGB VI genießt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil vom 18.04.2013 Bezug genommen (§
153 Abs.
2 SGG). Diese sind durch die im Berufungsverfahren ergänzend eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. T und Dr. H vollumfänglich
bestätigt worden.
Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren bietet keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Die bei ihm bestehenden
Erkrankungen, insbesondere die Bandscheibenvorfälle und Magengeschwüre mit erheblicher Schmerzsymptomatik und hohem Schmerzmittelkonsum
sind entgegen seiner Auffassung von den begutachtenden Ärzten berücksichtigt und ihrer Leistungsbeurteilung zugrunde gelegt
worden. So haben die Sachverständigen sowohl in der Anamnese die Beschwerden des Klägers und die von ihm eingenommene Medikation
entsprechend seinen Angaben aufgenommen als auch diese und die diagnostizierten Erkrankungen in der Beurteilung berücksichtigt.
Allein dass der Kläger subjektiv seine Erkrankungen wesentlich einschränkender beurteilt, als dies die sachverständigen Ärzte
tun, vermag nicht als objektive Grundlage für den Nachweis eines Versicherungsfalls auszureichen. Soweit der Kläger die im
Berufungsverfahren ergänzend eingeholten Gutachten als nicht "eigenständig" rügt, fehlt es dieser von ihm vorgenommenen Bewertung
an einem sachlichen Hintergrund. Ausweislich des Inhalts der Gutachten hat jeder Sachverständige auf seinem Fachgebiet eine
von vorigen Gutachten unabhängige Befragung, Untersuchung und Bewertung durchgeführt. Allein dass die Gutachten zu einem -
den Kläger nicht zufriedenstellenden - gleichen Ergebnis einer Leistungsfähigkeit von 6 Stunden und mehr auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt gelangen, vermag nicht zu der Schlussfolgerung zu führen, die Gutachten seien nicht nach eigenständiger bester
Überzeugung des jeweiligen Sachverständigen erstellt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG) nicht als gegeben angesehen.