Gründe
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Nach §
73a Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in Verbindung mit §
114 Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Die abschließende
Klärung der Sach- und Rechtslage darf nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren, in dem nur eine summarische Prüfung erfolgt,
vorverlagert werden. Letzte Zweifel an der rechtlichen Beurteilung müssen nicht ausgeschlossen sein, denn eine endgültige
und abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten ist in der Regel weder möglich noch notwendig (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage 2012, §
73a Rn. 7, 7a, 7b). Es reicht für die Bejahung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich
hat (BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R). Diese ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn der Rechtsstandpunkt des Klägers vertretbar ist und die behaupteten anspruchsbegründenden
Tatsachen nachweisbar erscheinen (Hdb
SGG - Udsching, VI Rn. 60; Leitherer, a.a.O., Rn. 7).
Die Klage vom 16.02.2012 gegen den Bescheid vom 14.10.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2011 hat hinreichende
Aussicht auf Erfolg. Hinreichende Erfolgsaussicht ist auch dann anzunehmen, wenn der Ausgang eines Verfahrens von einer schwierigen,
bislang nicht geklärten Rechtsfrage abhängt. Eine Erfolgsaussicht in diesem Sinne ist auch nicht deswegen zu verneinen, weil
die Klärung der Verfassungskonformität der Neuregelung des Regelbedarfs nicht die Verurteilung des Leistungsträgers zur Gewährung
eines höheren, genau bezifferten Regelbedarfs bedingt (so LSG NRW, Beschluss vom 15.12.2011 - L 2 AS 1928/11 B). Dies ergibt sich auch mittelbar aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ([BVerfG], Urteile vom 09.02.2010
- 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09). Denn das BVerfG bestimmt genau in dieser Konstellation, dass "die Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Vorschriften und
ihrer Nachfolgeregelungen bei Kostenentscheidungen zugunsten der klagenden Hilfebedürftigen angemessen zu berücksichtigen
seien, soweit dies die gesetzlichen Bestimmungen ermöglichen" (BVerfG, a.a.O., Rn. 219). Die Frage der hinreichenden Erfolgsaussicht
der Klage ist somit davon abhängig, ob eine gute Möglichkeit des Obsiegens in Bezug auf die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit
besteht (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.10.2011 - L 7 AY 3538/11 B; Düring in Jansen,
SGG, §
73a Rn. 12).
Diese gute Möglichkeit des Obsiegens ist unter Beachtung des Vortrages der Klägerin, die mit Bescheid vom 14.10.2011 für die
Zeit von Dezember 2011 bis Juni 2012 berücksichtigten Regelbedarfe seien der Höhe nach verfassungswidrig festgesetzt, zu bejahen.
Es handelt sich nach Auffassung des Senats um die bisher nicht geklärte Rechtsfrage, ob das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen
und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (RBEG SGB II, SGB XII ÄndG) die vom BVerfG aufgezeigten Anforderungen erfüllt (BVerfG, a.a.O., Rn. 139 ff.).
Ausgehend vom dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art.
1 Abs.
1 i.V.m. Art.
20 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) obliegt es dem Gesetzgeber, dem das BVerfG insoweit einen Gestaltungsspielraum mit eingeschränkter Überprüfbarkeit zubilligt,
das physische und soziokulturelle Existenzminimum zu ermitteln und dem Leistungsberechtigten zur Verfügung zu stellen (BVerfG,
a.a.O., Rn. 138). Dabei hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 09.02.2010 klargestellt, dass der Gesetzgeber durch die
Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II das Ziel, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten, dem Grunde nach zutreffend definiert hat und es sich auch
nicht feststellen lässt, dass der Gesamtbetrag der festgesetzten Leistungen zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums
evident unzureichend ist. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber attestiert, dass dieser ein grundsätzlich geeignetes Berechnungsverfahren
zur Bemessung des Existenzminimums gewählt hat. Jedoch ergibt sich die Verfassungswidrigkeit von § 20 Abs. 2 1. Halbsatz, Abs. 3 S. 1 SGB II a.F. i.V.m. § 20 Abs. 1 SGB II a.F. daraus, dass der Gesetzgeber bei der Bemessung der Regelleistung das von ihm gewählte Verfahren nicht stringent beibehalten
hat, sondern von den Strukturprinzipien des Statistikmodells ohne sachliche Rechtfertigung abgewichen ist, ohne diese durch
andere, erkennbare und tragfähige Kriterien zu ersetzen (BVerfGE, a.a.O., Rn. 139, 173 ff.). Das BVerfG erstreckt den Grundrechtsschutz
der Neuregelung der Regelbedarfe auf das Verfahren zur Ermittlung des Grundrechtsschutzes, d.h. auf die Frage, ob der Gesetzgeber
im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren
gewählt, die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und in allen Berechnungsschritten
mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb des gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren
gehalten hat (BVerfG, a.a.O., 141 ff.).
Inwieweit der Gesetzgeber diese Anforderungen des BVerfG (vgl. insoweit BVerfG, a.a.O., 3. Leitsatz) erfüllt hat, war zumindest
zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, zu dem die Entscheidung des Bundessozialgerichts
vom 12.07.2012, Az.: B 14 AS 153/11 R noch nicht vorlag, umstritten (zum damaligen Meinungsstand: Gutachten Dr. Becker, Sonderheft Soziale Sicherheit, September
2011, 7 ff.; Prof. Dr. Münder, ebenda, 63 ff.; Rixen, Sozialrecht aktuell, 4/11, 121 ff.; Helga Spindler, info also 6/2011, 243 ff.;
Prof. Dr. Lenze, NVwz 2011, 1104 ff.; Ute Kötter, info also 3/2011, 99 ff; LSG NRW, Beschluss vom 16.11.2011 - L 12 AS 1526/11 B; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2011 - L 12 AS 3445/11; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11.10.2011 - L 2 AS 99/11 B). Beispielhaft wird zu klären sein, ob die Abgrenzung der Referenzgruppen sowie die Nichtberücksichtigung von Verbrauchspositionen
den Kriterien eines methodisch korrekten Verfahrens genügen. In diesem Zusammenhang ist fraglich, ob der Ausschluss von Ausgaben
als nicht regelsatzrelevant (z.B. Tabakwaren, Alkohol) nicht zu einer Vermischung der Statistik- und Warenkorbmethode und
schließlich dazu führt, dass die vom BVerfG geforderte Möglichkeit eines internen Ausgleichs zwischen unter- und überdurchschnittlichen
Bedarfen (BVerfG, a.a.O., Rn. 205) nicht mehr garantiert wird. Bei der Bestimmung der Referenzhaushalte kommt es zudem darauf
an, ob die unterschiedliche prozentuale Berücksichtigung von 20% (Familien) bzw. 15% (Alleinstehende) aller Haushalte als
Referenzgruppe schlüssig und nachvollziehbar vom Gesetzgeber begründet worden ist. Zudem bedarf es der Beurteilung, ob die
Regelung des § 3 RBEG den Anforderungen des BVerfG an den Gesetzgeber, diejenigen aus der Referenzgruppe herauszunehmen, deren
Nettoeinkommen unter dem Niveau der Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII incl. der Leistungen für Unterkunft und Heizung liegen (BVerfG, a.a.O., Rn. 169), Rechnung trägt, um Zirkelschlüsse zu vermeiden
(Lenze in LPK-SGB II, Anh. zu § 20, § 3 RBEG Rn. 1).
Des Weiteren weist der Senat darauf hin, dass auch bereits aus der besonderen damaligen Fallkonstellation heraus die Erfolgsaussicht
der Klage zu bejahen war. Denn die gesetzlichen Neuregelungen über die Regelbedarfe und damit die Problematik der Verfassungsmäßigkeit
des dem Einzelnen vom Staat zur Verfügung zu stellenden Existenzminimums wurden erneut zur Überprüfung gestellt, nachdem das
BVerfG im Februar 2010 die gesetzlichen Regelungen über die Regelleistungen mit dem
Grundgesetz als unvereinbar erklärt hat. In dieser Entscheidung hat das BVerfG zum einen dem Gesetzgeber einen weiten, nur eingeschränkt
überprüfbaren Gestaltungsspielraum zugebilligt, zum anderen aber die Obliegenheit auferlegt, die "zur Bestimmung des Existenzminimums
im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen", wobei "das
GG dem Gesetzgeber keine bestimmte Methode vorschreibe, sondern im Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit die Wahlmöglichkeit
erlaube, wobei Abweichungen der gewählten Methode allerdings der sachlichen Rechtfertigung bedürfen" (BVerfG, a.aO. Rn. 139).
Damit wird die gesetzgeberische Neufassung an den Vorgaben des BVerfG gemessen und erst im Anschluss an einen Abgleich mit
diesen Anforderungen und unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraumes kann letztlich die (erneute) Entscheidung des BVerfG
Klarheit hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen der Regelbedarfe bringen. Das BVerfG wird letztendlich zu entscheiden
haben, ob der Gesetzgeber den von ihm postulierten hohen Anforderungen an die Ermittlung und Begründung unter Berücksichtigung
des Gestaltungsspielraumes gerecht geworden ist. Alleine die Rechtshängigkeit dieser Rechtsfrage beim Bundessozialgericht
(BSG) als dem ranghöchsten Instanzgericht in der Sozialgerichtsbarkeit hätte die Klärung dieser Rechtsfrage im Hinblick auf die
hier bestehenden Besonderheiten indessen nicht herbeiführen können. Zwar ist es bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende
unabdingbar, dass bei den Sozialgerichten eine tatsächliche und rechtliche Prüfung sowie eine Überprüfung der Bestimmungen
des SGB II auf die Vereinbarkeit mit der Verfassung erfolgt (BVerfG, Beschluss vom 18.01.2006 - 1 BvR 2675/05). Jedoch war in dieser besonderen Konstellation, in der das BVerfG bereits die Rahmenbedingungen für die Herleitung und Bestimmung
der Regelbedarfe ab Januar 2011 aufgezeigt und skizziert hat, davon auszugehen, dass nur das BVerfG abschließend über die
Vereinbarung der gesetzlichen Regelungen mit der Verfassung würde befinden können.
Auf die Frage, ob zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife über den Antrag auf Prozesskostenhilfe beim BSG Verfahren betreffend die Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfe ab Januar 2011 anhängig waren (11.07.2011 - B 14 AS 131/11 R; 22.08.2011 - B 14 AS 153/11 R), kommt es daher aus den vorgenannten Gründen nicht an (a.A. LSG NRW, Beschluss vom 15.12.2011 - L 2 AS 1774/11 B).
Der Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe besteht für das erste gerichtliche Verfahren, mit dem die Verfassungswidrigkeit
der Regelbedarfe geltend gemacht wird. Für weitere Zeiträume besteht für denselben Leistungsberechtigten bei Parallelität
der Fallgestaltung grundsätzlich kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe (BVerfG, Beschluss vom 30.05.2011 - 1 BvR 3151/10 Rn. 12; Beschluss vom 02.09.2010 - 1 BvR 1974/08 Rn. 13 ff.).
Die Klägerin ist nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Rechtsverfolgung aufzubringen.
Kosten werden im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§
73a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
127 Abs.
4 ZPO).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§
177 SGG).