Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II
Ermittlung der Angemessenheitsgrenze von Wohnkosten
Produkttheorie
Tatbestand
Der Kläger begehrt höhere Unterkunftskosten vom 31.07.2015 bis zum 31.10.2015.
Der am 00.00.1982 geborene Kläger bezog von 2012 bis 2017 von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II. Der Beklagte berücksichtigte zunächst die vollen Unterkunfts- und Heizbedarfe für die vom Kläger bei Antragstellung bewohnten
Unterkunft in der I-straße 00 in E. Mit Schreiben vom 22.11.2012 beantragte der Kläger bei dem Beklagten eine Umzugszusicherung
für eine Mietwohnung in der C-straße 00, E. Es handelt sich um eine 70 m² große Wohnung, für die insgesamt 500 EUR zu zahlen
sind (320 EUR Grundmiete, 105 EUR Betriebskostenvorschuss, 75 EUR Heizkostenabschlag). Dies lehnte der Beklagte mit bestandskräftigem
Bescheid vom 10.12.2012 ab, weil der Umzug nicht erforderlich und die Kosten für die neue Wohnung für eine alleinstehende
Person unangemessen seien. Im Falle eines Umzugs ohne Zusicherung könnten nur die bis dahin gewährten Unterkunftskosten berücksichtigt
werden.
Der Kläger mietete die Wohnung zum 01.12.2012 dennoch an. Weil der Kläger seine bis dahin bei der Mutter lebende, am 00.00.2011
geborene Tochter ab dem 01.01.2013 bei sich aufnahm, erkannte der Beklagte unter dem 23.01.2013 nachträglich die Notwendigkeit
des Umzugs an. In der Folgezeit übernahm der Beklagte die tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten für die Wohnung.
Ab November 2013 lebte die Tochter wieder bei ihrer Mutter (Entfernung zur Wohnung des Klägers rund 1,8 km). Der Kläger betreut
seine Tochter seitdem im Rahmen des mit der Mutter vereinbarten Umgangsrechts im Wesentlichen an jedem zweiten Wochenende
und unregelmäßig in den Ferien und an Feiertagen. Die Tochter bezog im streitigen Zeitraum in Bedarfsgemeinschaft mit ihrer
Mutter ebenfalls Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Mit Schreiben vom 24.02.2014 forderte der Beklagte den Kläger auf, seine Unterkunftskosten bis zum 31.08.2014 zu reduzieren.
Diese seien nach den kommunalen Mietobergrenzen für Grundsicherungsempfänger um 96 EUR zu hoch. Nach dieser Frist könnten
nur noch Bruttokaltmietkosten von 329 EUR (6,58 EUR x 50 m²) nebst Heizkosten von 75 EUR, insgesamt 404 EUR, übernommen werden.
Ab dem 01.09.2014 berücksichtigte der Beklagte bei dem Kläger nur noch Unterkunfts- und Heizbedarfe in Höhe von monatlich
404 EUR. Mit Bescheid vom 14.10.2014 und Änderungsbescheid vom 01.12.2014 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum vom 01.11.2014
bis 31.10.2015 weiterhin Unterkunfts- und Heizbedarfe in Höhe von monatlich 404 EUR.
Mit Schreiben vom 22.07.2015, dem Beklagten am 12.10.2015 zugegangen, beantragte der Kläger die Übernahme der tatsächlichen
Unterkunfts- und Heizkosten. Der Beklagte habe bei dem Wohnflächenbedarf nicht berücksichtigt, dass seine Tochter regelmäßig
an den Wochenenden und in den Ferien bei ihm sei. Da er für seine Tochter Wohnraum vorhalte, sei der Wohnflächenbedarf für
einen Zweipersonenhaushalt, jedenfalls aber der für 1,5 Personen zu berücksichtigen.
Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 27.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2016 ab.
Die Angemessenheit der Wohnfläche bestimme sich nach der Zahl der tatsächlich dauerhaft in der Unterkunft wohnenden Personen.
Zusätzlicher Wohnbedarf im Rahmen des Umgangsrechts für ein Kind könne nur berücksichtigt werden, wenn das Kind sich mindestens
zur Hälfte in dieser Wohnung aufhält.
Hiergegen hat der Kläger am 11.03.2016 bei dem Sozialgericht Duisburg Klage erhoben. Der räumliche Mehrbedarf aufgrund des
Umgangsrechts mit einem Kind sei in der Rechtsprechung bereits anerkannt und auch vom Gesetzgeber in Form des § 22b Abs. 3
Satz 2 Nr. 2 SGB nachvollzogen worden. Die Berücksichtigung eines höheren Wohnflächenbedarfs sei auch verfassungsrechtlich
im Lichte von Art.
6 GG geboten.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 27.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2016 zu verpflichten,
ihm für den Zeitraum 01.07.2015 bis 31.10.2015 um 96 EUR monatlich höhere Leistungen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung
zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat gemeint, die Ausübung des Umgangsrechts werde auch bei Anerkennung eines Wohnflächenbedarfs von 50 m² ermöglicht.
Das Sozialgericht hat eine Aufstellung über die Besuchskontakte des Klägers mit seiner Tochter aus den Jahren 2015 und 2016
eingeholt. Hiernach war die Tochter von Juli 2015 bis Oktober 2015 an 23 Tagen in der Obhut des Klägers.
Mit Urteil vom 24.03.2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Ein räumlicher Mehrbedarf
für ein unterhälftiges Umgangsrecht komme grundsätzlich - von Behinderungen oder sonstigen Besonderheiten abgesehen - erst
mit Eintritt der Schulpflicht in Betracht. Der vom Beklagten nach Maßgabe der Firma Analyse und Konzepte berücksichtigte Quadratmeterpreis
für die Bruttokaltmiete sei nicht zu beanstanden.
Gegen das am 29.03.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.04.2017 Berufung eingelegt. Entgegen der Rechtsauffassung
des Sozialgerichts sei ein erhöhter räumlicher Unterkunftsbedarf nicht an den Beginn der Schulpflicht geknüpft. Auch Klein-
und Kindergartenkinder, jedenfalls ab Beendigung des Säuglingsalters, bedürften größerer Wohnflächen als Spielfläche und Rückzugsräume.
Außerdem sei gerade Kleinkindern eine kindgerechte Schlafsituation zu bieten, die weder in einem Erwachsenenbett noch mithilfe
einer Wohnzimmercouch hergestellt werden könne. Für die Durchführung des grundgesetzlich geschützten Umgangsrechts und insbesondere
für den Aufbau der notwendigen Bindung zum umgangsberechtigten Elternteil bedürfe es einer räumlichen Geborgenheit und einer
festen, kindgerechten räumlichen Situation, welche dem Kind das Gefühl gebe, "nach Hause zu kommen" und nicht lediglich "zu
Besuch".
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 24.03.2017 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides
vom 27.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2016 sowie Änderung des Bewilligungsbescheides vom 14.10.2014
und des Änderungsbescheides vom 01.12.2014, für den Zeitraum 01.07.2015 bis 31.10.2015 um 96 EUR monatlich erhöhte Leistungen
für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Aus dem Urteil des BSG vom 17.02.2016 - B 4 AS 2/15 R lasse sich nicht ableiten, dass sowohl bei der Mutter als auch bei dem Vater jeweils ein Kinderzimmer vorgehalten werden
müsse. Hierauf laufe die Argumentation des Klägers aber hinaus.
Die Beteiligten haben am 05.04.2018 folgenden schriftlichen Teilvergleich geschlossen:
"1. Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit, dass bei der Ermittlung der abstrakt angemessenen Wohnraumkosten (Grundmiete
+ "kalte" Betriebskosten) für den Zeitraum 01.07.2015 bis 31.10.2015 folgende im "schlüssigen Konzept" (Mietwerterhebung E
2013) des Beklagten zugrunde gelegten Werte maßgeblich sind:
- Wohnungen bis 50 m²: Bruttokaltmiete 6,58 EUR/m²- Wohnungen bis 65 m²: Bruttokaltmiete 6,21 EUR/m²- Wohnungen bis 80 m²:
Bruttokaltmiete 6,15 EUR/m².
2. Außerdem besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit, dass die Heizkosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen sind und von
dem Beklagten im Zeitraum 01.07.2015 bis 31.10.2015 erstattet worden sind.
3. Eine Regelung zu den Kosten des Verfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des Senats vorbehalten."
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten
und die Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch
auf höhere Unterkunftskosten unter entsprechender Änderung der Bewilligungsbescheide.
Streitgegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens sind höhere Unterkunftskosten für Juli 2015 bis Oktober 2015. Der Kläger
hat den Klageanspruch zulässig auf die Unterkunftskosten beschränkt (hierzu nur BSG Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 37/14 R). Da eine isolierte Ablehnung einzelner Berechnungselemente eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
losgelöst von einem bestimmten Bewilligungsabschnitt im Übrigen nicht statthaft ist (BSG Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 30/13 R) sind das Schreiben des Klägers vom 22.07.2015 als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X im Hinblick auf den Bewilligungsbescheid vom 14.10.2014 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 01.12.2014 und die angefochtenen
Bescheide als Ablehnung der entsprechenden Rücknahme der Leistungsbewilligung zu werten, so dass grundsätzlich der Leistungszeitraum
01.11.2014 bis 31.10.2015 zur Überprüfung stand. Gleichwohl ist lediglich der Leistungszeitraum vom 01.07.2015 bis 31.10.2015
streitgegenständlich, da der Kläger sein Begehren schon erstinstanzlich auf diesen Zeitraum beschränkt hat (§
123 SGG).
Nicht Streitgegenstand sind die Höhe des angemessenen Bruttokalt-Quadratmeterpreises sowie die Heizkosten. Die Beteiligten
haben sich insoweit zulässig verglichen und den Streit auf die Höhe der sich unter Zugrundelegung der im Vergleich vereinbarten
Werte beschränkt. Zwar ist die rechtliche Einschränkung des Prüfungsumfangs durch das Unstreitigstellen bestimmter unselbstständiger
Berechnungselemente innerhalb eines einheitlichen Anspruchs nach der Rechtsprechung des BSG nicht möglich. Das Unstreitigstellen solcher Teilaspekte hat nicht zur Folge, dass das Gericht unter Abweichung von der ansonsten
gegebenen Amtsermittlungspflicht hieran gebunden ist (BSG Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R). Indes ist eine Beschränkung des Streitgegenstandes durch Teilvergleich bezogen auf einzelne Berechnungselemente, wenn
diese - wie vorliegend - konkret bezeichnet und beziffert werden, ungeachtet dessen möglich und zulässig. Ein Rechtssatz,
der einen Vergleich über Berechnungselemente ausschließen würde, existiert nicht (BSG Urteil vom 20.09.2012 - B 8 SO 4/11 R; Urteil des Senats vom 22.02.2018 - L 7 AS 2042/15). Es steht den Beteiligten offen, sich insgesamt auf die Höhe der angemessenen Unterkunftskosten zu einigen. Damit geht einher,
auch über einzelne konkret bezeichnete Faktoren des Gesamtprodukts - wie hier die Höhe des angemessenen Quadratmeterpreises
- einen Teilvergleich schließen zu können. Sind die Beteiligten berechtigt, über das Gesamtprodukt gemäß §
101 Abs.
1 SGG einen Vergleich zu schließen, so ist es im Rahmen eines Erst-recht-Schlusses auch möglich, einzelne Faktoren dieses Produkts
durch Vergleich zu regeln (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig,
SGG, 12. Aufl., §
101 Rn. 4 mwN). Der Entscheidung sind damit hinsichtlich der für die insgesamt zustehenden Unterkunftskosten maßgeblichen Berechnungselemente
Brutto-Quadratmeterpreis und Heizkosten die Werte aus dem Vergleich vom 05.04.2018 zugrunde zu legen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Änderung der Leistungsbescheide und höhere Unterkunftskosten für den streitigen Zeitraum.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder
Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für
die Vergangenheit zurückzunehmen, § 44 Abs. 1 SGB X. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Beklagte ist bei Festsetzung der Höhe der Unterkunftskosten im streitgegenständlichen
Zeitraum weder von einem falschen Lebenssachverhalt ausgegangen noch hat er das Recht falsch angewandt. Der Kläger hat keinen
Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II für den Zeitraum vom 01.07.2015 bis 31.10.2015.
Der Kläger ist für den geltend gemachten Anspruch aktivlegitimiert. Inhaber des Individualanspruchs auf Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts (grundlegend hierzu BSG Urteil vom 07.11.2016 - B 7b AS 8/06 R), einschließlich des Anspruchs auf Leistungen für Unterkunft und Heizung, ist derjenige, bei dem der notwendige Bedarf
in eigener Person vorliegt. Dies ist hier für den räumlichen Wohnflächenmehrbedarf der Kläger, denn die Tochter hat ihren
Lebensmittelpunkt bei ihrer Mutter, so dass ein Unterkunftsbedarf der Tochter nur bei der Mutter und nicht ergänzend bei dem
umgangsberechtigten Vater geltend gemacht werden kann. Soweit dem umgangsberechtigten Elternteil wegen der Wahrnehmung des
Umgangsrechts zusätzliche oder höhere Wohnkosten entstehen, stellen diese - ebenso wie andere ihm entstehende Kosten im Zusammenhang
mit dem Umgangsrecht, beispielsweise Fahrtkosten (vgl. dazu BSG Urteile vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R und vom 11.02.2015 - B 4 AS 27/14 R) - einen zusätzlichen Bedarf des umgangsberechtigten Elternteils dar. Besteht - wie es hier vom Kläger geltend gemacht
wird - wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts ein zusätzlicher Wohnraumbedarf, kann dieser im Rahmen der konkreten Angemessenheit
der Unterkunfts- und Heizaufwendungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen sein (BSG Urteil vom 17.02.2016 - B 4 AS 2/15 R).
Die Kläger hat in dem zu überprüfenden Zeitraum dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II. Leistungen erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht vollendet haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt
in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Der Kläger erfüllt, wie vom Beklagten in den zur Überprüfung stehenden Leistungsbescheiden
zutreffend festgestellt wird, diese Voraussetzungen.
Rechtsgrundlage für die Übernahme der Unterkunftskosten ist § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Hiernach werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit diese angemessen sind. Der
Begriff der Angemessenheit unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Nach gefestigter
Rechtsprechung des BSG ist auf die Bruttokaltmiete als einheitliche Angemessenheitsgrenze abzustellen (zusammenfassend BSG Beschluss vom 02.04.2014 - B 4 AS 17/14 B). Die Bruttokaltmiete ist aus einer abstrakt angemessenen Grundmiete und abstrakt angemessenen Betriebskosten zu bilden.
Die abstrakte Angemessenheitsgrenze ist nach der "Produkttheorie" durch Multiplikation der abstrakt angemessenen Wohnfläche
mit der abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete je Quadratmeter im örtlichen Vergleichsraum zu ermitteln (vgl. nur BSG Urteile vom 12.12.2017 - B 4 AS 33/16 R und vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R; Urteile des Senats vom 22.02.2018 - L 7 AS 2042/15, vom 29.10.2015 - L 7 AS 1310/11 und vom 24.11.2016 - L 7 AS 723/16).
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, es sei ihm nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen, seine Wohnungskosten zu senken.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind die Aufwendungen für die Unterkunft, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen,
als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein
stehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel,
durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Subjektiv
möglich im Sinne dieser Regelung sind einem Hilfebedürftigen Kostensenkungsmaßnahmen nur dann, wenn er Kenntnis davon hat,
dass ihn die Obliegenheit trifft, derartige Maßnahmen zu ergreifen (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R). Diese Voraussetzung ist bei dem Kläger erfüllt. Denn der Beklagte hat ihn mit dem Bescheid vom 10.12.2012 und dem Schreiben
vom 24.02.2014 darauf hingewiesen, dass die Aufwendungen für die Wohnung nicht angemessen sind. Gesichtspunkte, die einer
Kostensenkung durch einen Wohnungswechsel entgegenstehen, sind nicht ersichtlich.
Für einen Ein-Personen-Haushalt in Nordrhein-Westfalen ist eine Wohnfläche von 50 m² angemessen (ständige Rechtsprechung des
Senats und der übrigen Fachsenate des LSG Nordrhein-Westfalen, vgl. nur Urteil des Senats vom 22.02.2018 - L 7 AS 2042/15; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 12.10.2017 - L 19 AS 502/16). Diese angemessene Wohnungsgröße ist nicht aufgrund der Umgangskontakte des Klägers mit seiner Tochter im streitigen Zeitraum
zu erhöhen. Zwar kommt ein erhöhter Raumbedarf wegen der Ausübung des Umgangsrechts mit Kindern nach Trennung/Scheidung der
Eltern in Einzelfällen in Betracht. Dies folgt bereits aus § 22b Abs. 3 SGB II. § 22b Abs. 3 Satz 1 SGB II bestimmt, dass bei Erlass einer Satzung über die angemessenen Wohnkosten für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft
und Heizung eine Sonderregelung getroffen werden soll. Als Beispiel für einen solchen besonderen Bedarf wird ausdrücklich
auch ein erhöhter Raumbedarf wegen der Ausübung des Umgangsrechts genannt (§ 22b Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB II). Zwar handelt es sich insoweit nur um eine normative Vorgabe für den Inhalt von Satzungen gem. § 22a SGB II. Die Regelung weist jedoch darauf hin, dass der Gesetzgeber diesen Bedarf grundsätzlich anerkennt und dem umgangsberechtigten
Elternteil und dessen Unterkunftsbedarf zuordnet. Damit ist aber lediglich klargestellt, dass Fälle denkbar sind, in denen
grundsätzlich ein erhöhter Raumbedarf des umgangsberechtigten Elternteils berücksichtigt werden muss. Unbeantwortet bleibt
die Frage, in welchen Fällen und in welchem Umfang ein solcher Raumbedarf anerkannt werden kann. Die Frage des erhöhten Raumbedarfs
ist im Einzelfall zu klären, so dass sich pauschale Lösungen verbieten (so schon LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 17.06.2008
- L 20 B 225/07 AS ER; LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 04.08.2010 - L 11 AS 105/10 B; für § 22b Abs. 3 SGB II Luik, in: Eicher, SGB II, 4. Aufl., § 22b Rn. 14).
Fehl geht die Auffassung des Klägers, der räumliche Mehrbedarf müsse eine Ausgestaltung wie in der Hauptwohnung des Kindes,
hier der Wohnung der Mutter, ermöglichen. Richtig ist zwar, dass das durch Art.
6 Abs.
2 GG geschützte Umgangsrecht es dem Elternteil, bei dem das Kind nicht überwiegend wohnt, ermöglichen soll, sich von dem körperlichen
und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Aussprache fortlaufend zu überzeugen,
die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten und einer Entfremdung vorzubeugen sowie dem Liebesbedürfnis
beider Teile Rechnung zu tragen (vgl. zusammenfassend BVerwG Urteil vom 22.08.1995 - 5 C 15/94). Allerdings sind staatliche Leistungen zur Existenzsicherung im Rahmen familienrechtlicher Beziehungen nicht dazu bestimmt,
eine fehlende Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu ersetzen. Die Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums
müssen die Ausübung des Umgangsrechts bei Bedürftigkeit ermöglichen, aber nicht optimieren (vgl. BSG Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R).
Die Wahrnehmung des Umgangs- und Elternrechts des Klägers ist durch die Finanzierung angemessenen Wohnraums von maximal 50
m² möglich. Die vierjährige Tochter hat den Kläger im Wesentlichen nur an zwei Wochenenden je Monat, im streitigen Zeitraum
insgesamt an 23 Tagen, besucht. Ein Mehrbedarf hinsichtlich der Wohnungsgröße folgt in dieser Konstellation nicht daraus,
dass für das Kind ein eigenes Kinderzimmer bereitgehalten werden müsste. Gerade bei jüngeren Kindern beschränkt sich die Notwendigkeit
einer räumlichen Trennung des Elternteils von dem Kind bei Besuchskontakten auf die Abend- und Nachstunden, wenn das Kind
schläft. Die Nachtruhe des Kindes kann ohne weiteres im Schlafzimmer des Elternteils gewährleistet werden. Es ist weder üblich,
noch würde es dem Kindeswohl entsprechen, dass sich das Kind tagsüber alleine in einem eigenen Kinderzimmer aufhält. Besonderer
Stauraum ist nicht erforderlich, da Wechselbekleidung und Waschutensilien für Wochenendbesuche eines Kleinkindes ohne weiteres
im Schlafzimmer und Bad untergebracht werden können. Sperrige Gegenstände, wie ggf. Fahrräder, Musikinstrumente etc. können
ebenfalls regelmäßig übers Wochenende auch in einem Singlehaushalt untergebracht werden bzw. bei Bedarf in der naheliegenden
Wohnung der Kindesmutter abgeholt und untergebracht werden (zum Entfernungskriterium der Wohnung des anderen Elternteils schon
LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 17.06.2008 - L 20 B 225/07 AS ER; ebenso LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 04.08.2010 - L 11 AS 105/10 B PKH). Ein evtl. erhöhter Raumbedarf wegen Schulbesuchs oder wegen Behinderungen bestand nicht. Rückzugsräume, wie sie im
Rahmen der Pubertät oder bei kritischen Eltern/Kind-Beziehungen erforderlich sein können, sind hier ebenfalls nicht erforderlich.
Multipliziert mit einem angemessenen Einzelquadratmeterpreis für die Bruttokaltmiete von 6,58 EUR für Wohnungen bis 50 m²,
auf den sich die Beteiligten mit dem Teilvergleich geeinigt haben, sowie zuzüglich der tatsächlichen Heizkosten von 75 EUR
monatlich, errechnen sich zustehende Unterkunfts- und Heizkosten von monatlich 404 EUR (50 x 6,58 EUR + 75 EUR).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits Rechnung.
Die Revision war gemäß §
160 Abs.
1,
2 Nr.
1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.