Gewährung von Prozesskostenhilfe und vorläufige Verpflichtung zur Gewährung eines Darlehens zur Begleichung von Mietschulden
Gründe
Die zulässigen Beschwerden sind begründet. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig zur Begleichung
der Mietschulden ein Darlehen zu gewähren. Zudem war der Antragstellerin für beide Verfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Gemäß §
86 b Absatz
2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die
Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers
vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dies ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung
schwere, unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache
nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25.10.1988, Az.: 2 B vR 174/88). Der Erlass einer einstweiligen
Anordnung setzt voraus, dass der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit
der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden, §
86 b SGG in Verbindung mit den §§
920 Absatz
2,
294 ZPO. Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens
einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter
mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit
spricht (Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.08.2001, Az.: B 9 V 23/01 B). Die mit einer einstweiligen Anordnung auf die Durchführung einer Maßnahme in der Regel zugleich verbundene Vorwegnahme
der Entscheidung in der Hauptsache erfordert darüber hinaus erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches
und des Grundes, da der einstweilige Rechtsschutz trotz des berechtigten Interesses des Rechtssuchenden an unaufschiebbaren
gerichtlichen Entscheidungen nicht zu einer Verlagerung in das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes führen darf. Erforderlich
ist mithin das Vorliegen einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht. Soweit
es um die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz geht, müssen die Gerichte die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen
bzw. wenn dies nicht möglich ist, auf der Basis einer Folgenabwägung auf Grundlage der bei summarischen Prüfung bekannten
Sachlage entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, 830 ff. mit weiteren Nachweisen, Keller in: Meyer-Ladewig u.a.,
SGG, 10. Auflage 2012 zu §
86 b Rdnr. 29 a).
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Entgegen der Einschätzung des SG ist die Übernahme der rückständigen Mieten geeignet, schwere, unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile, zu deren
Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, abzuwenden. Dem SG ist zwar zuzustimmen, dass die Frist des §
569 Abs.
3 Nr.
2 S. 1
BGB zwischenzeitlich verstrichen ist und das Amtsgericht C zudem am 02.06.2014 ein Versäumnisurteil erlassen hat. Daraus folgt
jedoch nicht, dass die Unterkunft nicht mehr gesichert werden kann. Denn zum einen hat die Antragstellerin Einspruch gegen
das Versäumnisurteil eingelegt und das Amtsgericht C im Anschluss daran Termin zur mündlichen Verhandlung für den 08.09.2014
bestimmt. Zum anderen hat der Bevollmächtigte der Vermieterin auf Hinweis und auf Nachfrage des Senats in Ergänzung seines
Schreibens vom 22.05.2014 am 30.06.2014 mitgeteilt, dass die Vermieterin sich verpflichtet, aus dem Versäumnisurteil keine
Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten, wenn der rückständige Mietzins - innerhalb von zwei Monaten vom Datum der Rechtskraft
des Titels an gerechnet - gezahlt wird bzw. die entsprechende Zahlungsverpflichtung vorliegt. Darüber hinaus hat sich die
Vermieterin bereit erklärt, für den Fall, dass der Antragsgegner die Bedarfe für Unterkunft und Heizung im aktuellen Bewilligungsabschnitt
nicht übernimmt, auf drei Monate begrenzt die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren abzuwarten, wenn gewährleistet
wird, dass der rückständige Mietzins bis zur Rechtskraft des Titels gezahlt wird. Damit kann der Verlust der Wohnung einerseits
durch die Verpflichtung des Antragsgegners im einstweiligen Rechtsschutzverfahren abgewendet werden. Andererseits kann die
Entscheidung in dem beim SG anhängigen Klageverfahren, auch unter Berücksichtigung des beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängigen Verfahrens (BSG, Beschluss vom 12.12.2013 - B 4 AS 9/13 R) nicht abgewartet werden. Denn ohne eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren droht Wohnungslosigkeit.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach § 22 Abs. 8 SGB II können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung
der Unterkunft oder Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt
und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden (§ 22 Abs. 8 SGB II). Die Antragstellerinnen haben dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung. Insoweit wird auf die
Ausführungen im Beschluss in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren L 7 AS 1218/14 B ER verwiesen. Der Bevollmächtigte der Vermieterin hat am 30.06.2014 mitgeteilt, dass der derzeitige Stand der Mietschulden
5400,00 EUR beträgt. Diese Schulden resultieren vollumfänglich aus dem Mietverhältnis. Die Schuldenübernahme ist geeignet,
die Unterkunft der Antragstellerinnen zu sichern und die Gefahr der Wohnungslosigkeit zu beseitigen iSv § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II. Anhaltspunkte dafür, dass ein atypischer Fall vorliegt und die Übernahme abgelehnt werden kann, liegen nicht vor. Denn zum
einen ist bereits die Räumungsklage anhängig. Zum anderen besteht die gegenseitige Bereitschaft, das Mietverhältnis fortzusetzen.
Schließlich besteht im Hinblick auf die beim EuGH anhängigen Vorlageverfahren zur europarechtlichen Gültigkeit des Leistungsausschlusses
nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eine gute Aussicht, dass das JobCenter Arbeit für C zur Zahlung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung verpflichtet ist.
Die Kosten der zu sichernden Unterkunft incl. Heizung sind auch angemessen. Nach summarischer Prüfung unter Berücksichtigung
des "Merkblattes Wohnungswechsel/Umzug in das Stadtgebiet C" beträgt die angemessene Kaltmiete für einen Zwei-Personen-Haushalt
307,00 EUR monatlich. Unabhängig davon, ob die vom Antragsgegner nach diesem Merkblatt in Ansatz gebrachten Beträge von 1,25
EUR/m2 als Heizkosten und 1,70 EUR/m2 als Betriebskosten unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des LSG NRW (Urteil vom 28.11.2013 - L 7 AS 1121/13) und des BSG (Beschluss vom 02.04.2014 - B 4 AS 17/14) zutreffend ermittelt wurden, handelt es sich bei der Miete, wie sie sich aus der Klageschrift an das Amtsgericht C vom 04.12.2013
ergibt, um angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung (368,20 EUR = 196,20 EUR [KM] + 72,00 EUR [BK] + 100,00 EUR [HK]).
Ein vorrangiger Vermögenseinsatz nach § 22 Abs. 8 S. 3 SGB II kommt nach summarischer Prüfung nicht in Betracht. Das Einkommen wurde bereits vom JobCenter im Bescheid über die vorläufige
Leistungsgewährung vom 10.07.2014 berücksichtigt. Da der Antrag in der Hauptsache Aussicht auf Erfolg hat, war der Antragstellerin
für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren (§§ 73a
SGG, 114
ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Im Prozesskostenhilfe - Beschwerdeverfahren werden Kosten nicht erstattet (§
73a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
127 Abs.
4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§
177 SGG).