Entschädigung von im sozialgerichtlichen Verfahren; Zulässigkeit der Kostenerstattung für eine Wochenkarte des öffentlichen
Nahverkehrs
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt eine Entschädigung wegen der Wahrnehmung eines Gerichtstermins nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG), zu dem sein persönliches Erscheinen angeordnet worden ist.
In dem am Bayerischen Landessozialgericht (Bayer. LSG) anhängig gewesenen Rechtsstreit des Antragstellers unter den Aktenzeichen
L 9 AL 119/08 WA fand am 14.11.2011 eine mündliche Verhandlung statt; das persönliche Erscheinen des Antragstellers war angeordnet. Die
mündliche Verhandlung dauerte von 14.45 Uhr bis 16.10 Uhr.
Noch am 14.11.2011 beantragte der Antragsteller die Entschädigung für das Erscheinen bei der mündlichen Verhandlung. Der Antragsteller
gab an, um 12.30 Uhr von zu Hause losgefahren und um ca. 18.00 Uhr zurückgekommen zu sein. Er sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln
gefahren und habe eine Wochenkarte benutzt. Er machte eine Entschädigung wegen Zeitversäumnis geltend.
Am 14.11.2011 erfolgte eine Barauszahlung in Höhe von 9,- EUR für Zeitversäumnis, wobei die Zeit von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr
der Zeitversäumnis zugrunde gelegt wurde. Eine Entschädigung für Fahrtkosten für die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln
wurde nicht gewährt.
Mit Schreiben vom 23.11.2011 hat sich der Antragsteller gegen die Ablehnung der Erstattung von Fahrtkosten gewandt. Er habe
die Wochenkarte ausschließlich zu Gerichtszwecken angeschafft.
II.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom 23.11.2011 die gerichtliche Festsetzung beantragt.
Die Entschädigung für die Wahrnehmung des Termins vom 14.11.2011 ist auf 18,- EUR festzusetzen. Ein weitergehender Anspruch,
insbesondere auf Erstattung der Kosten für eine Wochenkarte, besteht nicht, auch nicht anteilsmäßig.
Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige
Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die
durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof - BGH -, Entscheidung vom 05.11.1968,
Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungswege sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis
gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl. 2011, Rdnr. 4.12 - m.w.N.). Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungsanspruchs vorzunehmen,
ohne auf Einwände gegen die Kostenfestsetzung im Verwaltungsweg beschränkt zu sein.
Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens sind gemäß §
191 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) wie Zeugen zu entschädigen, sofern es sich - wie hier - um ein gerichtskostenfreies Verfahren im Sinne des §
183 SGG handelt. Die Entschädigung ergibt sich aus dem JVEG. Die Entschädigungstatbestände (für einen Zeugen) sind in § 19 JVEG aufgelistet.
1.
Fahrtkosten
Für Fahrtkosten ist keine Entschädigung zu leisten.
Zu entschädigen sind gemäß § 5 JVEG die objektiv durch die Wahrnehmung des gerichtlich festgesetzten Termins erforderlich gewordenen Fahrtkosten. Was objektiv
erforderlich ist, ist unter Berücksichtigung der im gesamten Kostenrecht geltenden Kostenminimierungspflicht zu ermitteln
(vgl. Beschluss des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12).
Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller angegeben, mit öffentlichen Verkehrsmitteln bei Benutzung einer Wochenkarte angereist
zu sein. Kosten für die Anschaffung einer Wochenkarte können aber weder vollständig noch anteilsmäßig noch in Form der fiktiven
Kosten für eine Fahrkarte, die nur für die Fahrt zum Gerichtstermin und zurück gilt, ersetzt werden (vgl. die Senatsentscheidung
vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, in einem weiteren Verfahren des Antragstellers).
2.
Entschädigung für Zeitversäumnis
Für Zeitversäumnis im Sinne des § 20 JVEG ist eine Entschädigung in Höhe von 18,- EUR zu gewähren.
Wegen der zugrunde liegenden Problematik wird auf den Beschluss des Senats vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, verwiesen. Dieser Beschluss ist in einem weiteren, Verfahren des Antragstellers ergangen, das einen im Wesentlichen gleichgelagerten
Sachverhalt betroffen hat.
Dem Antragsteller ist eine Zeitversäumnis von sechs Stunden zu entschädigen.
Die Dauer der zu entschädigenden Zeit ergibt sich aus § 19 Abs. 2 JVEG. Danach ist die gesamte Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten zu berücksichtigen. Begrenzt
ist die Dauer auf zehn Stunden je Tag. Die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet.
Im hier zu entscheidenden Fall ist der Antragsteller um 12.30 Uhr von zu Hause weggefahren und um 18.00 Uhr wieder zurückgekommen.
Diese Angaben hält der Senat mit Blick auf den Gerichtstermin von 14.45 Uhr bis 16.10 Uhr, die Fahrtdauer der Züge und den
Fahrplan für plausibel. Damit war der Antragsteller infolge des Gerichtstermins 5,5 Stunden von zu Hause abwesend. Gemäß §
19 Abs. 2 Satz 2 JVEG ist die letzte bereits begonnene Stunde aufzurunden, sodass sich eine zu entschädigende Zeit von sechs Stunden ergibt. Für
einen Abzug für eine fiktive Mittagspause bis 13.00 Uhr und eine zeitliche Begrenzung der zu entschädigenden Zeit bis 16.00
Uhr fehlt die gesetzliche Grundlage.
Dem Antragsteller ist daher für die Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 14.11.2011 eine Entschädigung in
Höhe von insgesamt 18,- EUR zu gewähren.
Das Bayer. LSG hat über den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt; der Senat in voller Besetzung hat einen gleichgelagerten Fall bereits mit Beschluss
vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, entschieden.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).