Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung
Anforderungen an die Begutachtung einer Fibromyalgie-Erkrankung
Tatbestand
Die am 00.00.1969 geborene Klägerin, die den Beruf der Arzthelferin erlernt und zuletzt ausgeübt hat, begehrt Rente wegen
Erwerbsminderung.
Vom 4.6.2014 bis zum 2.7.2014 unterzog die Klägerin sich einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik X in Bad
B, aus der sie u.a. mit den Diagnosen Fibromyalgiesyndrom/chronisches Schmerzsyndrom als aufgrund des psychischen Leistungsbildes
(Verdacht auf eine Anpassungsstörung bzw. depressive Störung) arbeitsunfähig entlassen wurde. Sie sei aber noch in der Lage,
leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend in sitzender, gehender und stehender Körperhaltung in Tagesschicht, ohne
Zwangshaltungen der Wirbelsäule und andauernde Arbeiten in vorgebeugter Körperhaltung sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten.
Aufgrund der Selbsteinschätzung der Klägerin bestehe jedoch eine ungünstige sozialmedizinische Prognose.
Am 11.12.2014 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte holte einen Befundbericht von Dr. S, Zentrum für seelische Gesundheit - Klinik N - in X ein und ließ die Klägerin
sodann begutachten: Die Chirurgin Dr. W kam nach ambulanter Untersuchung am 20.2.2015 zu den Diagnosen Hallux valgus beidseits
mit Arthrose der Großzehengrundgelenke und chronisches Schmerzsyndrom mit Verdacht auf Fibromyalgie. Sie äußerte zudem den
Verdacht auf eine Somatisierungsstörung. Die Klägerin könne noch alle leichten körperlichen Tätigkeiten in Tagesschicht und
wechselnder Körperhaltung ohne schweres Tragen und Heben, Bücken, Überkopfarbeiten oder Besteigen von Leitern sechs Stunden
und mehr ausüben. Der Neurologe Dr. M und der Facharzt für Nervenheilkunde I kamen nach Untersuchung der Klägerin am 7.4.2015
zu den Diagnosen generalisiertes Schmerzsyndrom betont der Gelenke, aber auch der Muskeln, sowie Panikattacken. Unter Einsatz
aller Behandlungsoptionen bleibe die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte bis gelegentlich mittelschwere
Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, überwiegend sitzend, vollschichtig ohne Nachtschichten belastbar. Die Beklagte lehnte
den Rentenantrag der Klägerin daraufhin mit der Begründung ab, diese sei noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich erwerbstätig zu sein (Bescheid v. 4.5.2015).
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, zu dessen Begründung sie u.a. einen Bericht des sie behandelnden psychologischen
Psychotherapeuten N1 vorlegte, der sie als nicht arbeitsfähig und auch in der allgemeinen Alltagsbewältigung deutlich eingeschränkt
beschrieb. Der die Klägerin ebenfalls behandelnde Internist und Rheumatologe Dr. I1 bescheinigte anhaltende Beschwerden mit
dem klinisch typischen Befund einer Fibromyalgie. Die Leitende Ärztin der Klinik für Allgemeinpsychiatrie und Psychotherapie
I des Klinikums P - Kreiskrankenhaus X - nahm aufgrund der Diagnosen Fibromyalgie, Angst- und Panikstörung, mittelgradige
depressive Episode und chronische Schmerzstörung mit organischen und psychischen Faktoren gleichfalls Arbeitsunfähigkeit und
erhebliche Einschränkungen der Klägerin in ihren körperlichen, psychischen und sozialen Funktionen an (ärztliche Stellungnahme
zur Vorlage bei der Beklagten v. 27.7.2015). Ergänzend legte die Klägerin einen Bericht des Krankenhauses St. K in X über
ihren dortigen stationären Aufenthalt vom 24.8 bis 9.9.2015 vor.
Die Beklagte holte eine Arbeitgeberauskunft des Internisten Dr. E ein und wies den Widerspruch der Klägerin sodann zurück
(Widerspruchsbescheid v. 28.12.2015).
Die Klägerin hat am 27.1.2016 Klage zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben und zur Begründung ihres Rentenbegehrens auf das Vorliegen einer chronischen Depression mit Panikattacken sowie
ein somatoformes Schmerzsyndrom bei Fibromyalgie verwiesen. Sie sehe sich nicht in der Lage, auch die leichtesten Tätigkeiten
des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr zu verrichten. Sie leide täglich unter dauerhaften Muskelschmerzen mit
Muskelkrämpfen in wechselnder Lokalisation vor allem in Armen und Beinen. Die Schmerzen nähmen im Laufe des Tages je nach
Schwere der körperlichen und seelischen Belastung zu. Während der Hausarbeit lege sie immer wieder Pausen von einer Dreiviertel-
bis zu einer vollen Stunde ein, in denen sie meditiere oder Entspannungsmusik höre. Zwar tue ihr Bewegung gut, aber nur bei
niedriger Belastung. Ein stärkeres Training überfordere sie und wirke sich nachteilig aus. Längeres Stehen oder Sitzen verursache
ebenso Schmerzen wie längeres Halten. Ihre Konzentration sei eingeschränkt. Auch ihre Augenmuskulatur ermüde rasch. Überforderung
führe zu Erschöpfung an den Folgetagen. Nachts habe sie Ein- und Durchschlafprobleme. Schmerzmittel würden nur kurz oder gar
nicht helfen. Bei erhöhter Belastung komme es zu Panikattacken.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 4.5.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.12.2015 aufzuheben und die Beklagte
zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Verwaltungsentscheidungen verteidigt und sich durch die gerichtliche Beweisaufnahme bestätigt gesehen.
Das SG hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte und Therapeuten, nämlich der Psychiaterin Dr. N, des Diplompsychologen
N1, des Orthopäden Dr. L, des Internisten und Rheumatologen Dr. I1 sowie des Arztes für Allgemeinmedizin X eingeholt. Auf
den Inhalt dieser Befundberichte wird Bezug genommen.
Sodann hat das SG Beweis erhoben durch medizinisches Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. O unter Berücksichtigung
eines orthopädischen Zusatzgutachtens von Dr. L1. Auf den Inhalt dieser Gutachten nebst den ergänzenden Stellungnahmen (Dr.
O v. 11.12.2016 sowie Dr. L1 v. 15.12.2016), auf die gegen die Gutachten erhobenen Einwände der Klägerin (Schriftsatz v. 27.9.2016)
und die weiteren Einwände der Klägerin gegen die ergänzenden Stellungnahme (Schriftsatz v. 7.3.2017) wird Bezug genommen.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil v. 16.3.2017, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird).
Gegen das ihr am 24.3.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24.4.2017 Berufung eingelegt. Sie trägt umfangreich Erkenntnisse
zum Fibromyalgiesyndrom vor und wiederholt bzw. vertieft ihren bisherigen Sachvortrag. Sämtliche behandelnden Ärzte seien
sich darin einig, dass mit einer Besserung des Beschwerdebildes bei ihr insoweit nicht zu rechnen sei. Zwar habe die Folgeerkrankung
einer mittelschweren Depression erfolgreich therapiert und die Fähigkeit zum Umgang mit Stress verbessert werden können. An
der Grunderkrankung der Fibromyalgie habe dies jedoch nichts geändert. Entgegen der Annahme der gerichtlichen Sachverständigen
seien ihre Schmerzen labortechnisch nachweisbar und nicht bloß subjektiv empfunden. Dass sie nicht in ihrer Beweglichkeit
eingeschränkt sei, ändere nichts an den durch die bei ihr bestehende schwere Form der Fibromyalgie verursachten Leistungseinschränkungen,
die ein sechsstündigen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausschlössen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.3.2017 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 4.5.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 28.12.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für richtig und findet es durch die berufungsgerichtliche Beweisaufnahme bestätigt.
Der Senat hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte Dr. F, Schmerzambulanz der Kreiskliniken H-X GmbH, Dr. N,
Dr. L2, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, und T, Fachärztin für Allgemeinmedizin, eingeholt, auf die
Bezug genommen wird.
Sodann hat der Senat Beweis erhoben durch medizinisches Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie
Dr. P unter Berücksichtigung eines Zusatzgutachtens der Fachärztin für Orthopädie und Rheumatologie Dr. C. Die Sachverständigen
haben zuvor mitgeteilt, aus welchen Gründen sie sich zur Begutachtung einer unter Fibromyalgie leidenden Probandin für befähigt
halten. Auf die betreffenden Ausführungen sowie die im Anschluss erstatteten Gutachten wird Bezug genommen. Auf die hiergegen
mit Schriftsatz vom 24.8.2018, auf den ebenfalls verwiesen wird, erhobenen Einwände der Klägerin haben die Sachverständigen
gemäß Senatsbeschluss vom 4.12.2018 ergänzend Stellung genommen (Dr. C am 2.1.2019, Dr. P am 30.1.2019; hierauf wird Bezug
genommen). Wegen der gegen diese ergänzenden Stellungnahmen erhobenen weiteren Einwände der Klägerin wird auf deren Schriftsatz
vom 10.4.2019 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung
vom 16.5.2019. Die Verwaltungsakte der Beklagten ist beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 4.5.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.12.2015
nicht rechtswidrig ist und die Klägerin nicht im Sinne von §
54 Abs.
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beschwert. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung aus §§
43,
240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI).
1. Da die Klägerin am 16.1.1969 und damit nicht vor dem 2.1.1961 geboren ist, scheidet ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bereits aus Altersgründen aus (§
240 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI).
2. Nach §
43 Abs.
1 Satz 1
SGB VI haben Versicherte nur dann Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert (§
43 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI), d.h. wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI). Diese Voraussetzung ist bei der Klägerin nicht erfüllt. Denn trotz der bei ihr bestehenden gesundheitlichen Störungen [dazu
unter a)] und den sich daraus ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen [dazu unter b)] ist sie nicht außerstande, mindestens
sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein [dazu unter c)].
a) Bei der Klägerin bestehen folgende Krankheiten, die Auswirkungen auf ihr Funktionsniveau haben: Fibromyalgiesyndrom mit
großflächiger Schmerzchronifizierung, vegetativer Zusatzsymptomatik und Minderbelastbarkeit des Bewegungs- und Haltungsapparates;
anhaltendes Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit Beinausstrahlung beidseits ohne klinisch erfassbare nervenbedingte Ausfälle
oder Nervenwurzelreizungen mit muskulär statischer Fehlhaltung, Wirbel- und Kreuzdarmgelenkdysfunktionen sowie Minderbelastbarkeit
der Wirbelsäule und der Lenden-/Beckenregion; Schulterengpasssyndrom links bei Sehnenansatzverkalkung und Schleimbeutelentzündung
mit geringen Funktionsstörungen und Minderbelastbarkeit der linken Schulter; klinische Zeichen eines sog. Tennisarmes links
ohne wesentliche Funktionsstörungen mit Minderbelastbarkeit des linken Armes und der linken Hand; gering erhöhte Entzündungswerte
(BSG und CRP) ohne weitere Hinweise auf entzündlich-rheumatische Erkrankungen; anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit somatischen
und psychischen Faktoren; eine im Alltag weitgehende kompensierte Panikstörung.
aa) Diese Feststellungen beruhen insbesondere auf den Sachverständigengutachten von Dr. P und Dr. C. Die Sachverständigen
haben ihre Gutachten unter Auswertung sämtlicher vorliegender Arzt- und Befundberichte sowie Vorgutachten erstattet. Sie haben
eingehende Anamnesen erstattet und die Klägerin sorgfältig und gewissenhaft untersucht. Die aus diesen Feststellungen abgeleiteten
Diagnosen und die sich hieraus ergebenden quantitativen und qualitativen Funktionseinschränkungen haben sie eingehend und
überzeugend begründet. Dabei haben sie insbesondere den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand der Zustandsbegutachtung
beachtet, wie er sich aus der Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen (4. Akt. 2017,
https://www.awmf.org/uploads/tx szleitlinien/094-003l S2k Schmerzbegutachtung 2018-01.pdf) ergibt. Die Feststellungen der
Sachverständigen stehen in allen wesentlichen Punkten in Übereinstimmungen mit den erstinstanzlich erstatteten Gutachten von
Dr. O und Dr. L1. Aus welchen Gründen abweichend vom Gutachten von Dr. O von einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung
auszugehen ist, hat der Sachverständige Dr. P in seinem Gutachten eingehend dargelegt.
bb) Die dagegen erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch.
(1) Zu Unrecht meint die Klägerin, zur sachgerechten Begutachtung der Fibromyalgie bedürfe es eines (einzigen) Gutachtens
eines Sachverständigen mit fachübergreifenden dieses Krankheitsbild betreffenden Erfahrungen.
In seiner Entscheidung vom 3.7.2002 (B 5 RJ 18/01 R, juris) hat das BSG darauf hingewiesen, dass ein zur Begutachtung von Fibromyalgie zu bestellender Sachverständiger über "fachübergreifende"
Erfahrungen hinsichtlich der Diagnostik und der Beurteilung dieses Krankheitsbildes besitzen müsse, unabhängig davon, ob er
von Haus aus als Internist, Rheumatologe, Orthopäde, Neurologe oder Psychiater tätig sei. Es hat sich hierfür auf die einschlägige
gutachterliche Fachliteratur bezogen (vgl. hierzu auch BSG, Beschluss v. 9.4.2003, B 5 RJ 80/02 B, juris). Daraus kann allerdings nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Begutachtung von Probanden mit dem Krankheitsbild
Fibromyalgie durch zwei Fachärzte auf ihren jeweiligen Fachgebieten unstatthaft wäre, soweit beide über Erfahrungen mit diesem
Krankheitsbild verfügen und einer der beiden Sachverständigen die Verantwortung einer Gesamtbeurteilung übernimmt:
(a) Aus §
407a Abs.
1 Satz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO), der über §
118 Abs.
1 Satz 1
SGG im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar ist, ergibt sich, dass ein Sachverständiger Gutachten nur innerhalb seines Fachgebietes
erstatten darf. Bei medizinischen Sachverständigen ergeben sich die Fachgebietsgrenzen in der Regel aus den Facharztbezeichnungen.
Ein Sachverständiger ist daher gehalten, bei Fragestellungen, die sein Fachgebiet überschreiten, auf die Notwendigkeit einer
Zusatzbegutachtung hinzuweisen (§
407a Abs.
1 Satz 2
ZPO). Hieraus und aus dem Umstand, dass sich gerade bei Schmerzerkrankungen somatische und psychische Faktoren und Beeinträchtigungen
oftmals überschneiden, trägt die Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen dadurch Rechnung,
dass sie neben einer organmedizinischen Begutachtung (hier auf orthopädisch-rheumatologischem Gebiet durch Dr. C) eine psychiatrische
Begutachtung (hier durch Dr. P) für erforderlich hält. Damit wird der Anforderung des BSG, fachübergreifende Erfahrungen für die Begutachtung fruchtbar zu machen, in besonderer Weise bei gleichzeitiger Einhaltung
der jeweiligen Fachgebietsgrenzen Rechnung getragen. Dass die Sachverständigen in der Begutachtung von Menschen mit der Erkrankung
Fibromyalgie erfahren sind, haben sie auf Befragen des Senates ausdrücklich mitgeteilt. Anhaltspunkte, hieran zu zweifeln,
sind weder ersichtlich noch vorgetragen worden.
(b) Ein "fachübergreifendes" Gutachten im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BSG ist dabei eingeholt worden, indem der Sachverständige Dr. P zum Hauptsachverständigen und Dr. C zur Zusatzgutachterin ernannt
worden ist. Dr. P hat dabei auftragsgemäß die Erkenntnisse von Dr. C in seine Gesamtbeurteilung einfließen lassen, sodass
dahingestellt bleiben kann, ob es einer solchen im vorliegenden Fall bedurfte (vgl. hierzu BSG, Beschluss v. 6.9.2017, B 5 R 51/17 B; zur Fibromyalgie im dortigen Einzelfall bejahend BSG, Beschluss v. 12.2.2009, B 5 R 48/08 B; jeweils juris). Dabei kann keine Rede davon sein, dass Dr. P die Beurteilung, insbesondere die Diagnosen, von Dr. C als
"Fremddiagnosen" übernommen habe. Zwar hat er in seinem Gutachten - erkennbar zur Vermeidung von Redundanzen - auf dasjenige
von Dr. C verwiesen. Ungeachtet dessen hat er jedoch - worauf es entscheidend ankommt - die Wechselwirkungen zwischen seinen
Feststellungen und denjenigen von Dr. C ausdrücklich berücksichtigt (vgl. S. 42 seines Gutachtens, Bl. 542 Gerichtsakten [GA]).
Soweit er dabei neben der von der Zusatzgutachterin Dr. C bereits diagnostizierten Fibromyalgie die ergänzende Diagnose einer
somatoformen Schmerzstörung gestellt hat, bedeutet dies entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass er das Krankheitsbild
der Fibromyalgie bei der Klägerin nicht selbst festgestellt und in seine Überzeugungsbildung einbezogen hätte. Um sich vom
Vorliegen einer Krankheit zu überzeugen, braucht ein Sachverständiger nicht sämtliche Untersuchungen selbst vorzunehmen, soweit
diese - wie hier durch Dr. C - bereits fachgerecht und zur ärztlichen Überzeugungsbildung ausreichend vorgenommen worden sind.
Im Übrigen handelt es sich um unterschiedliche Krankheitsbilder, deren Diagnosen einander nach der ICD-10-Kodifizierung nicht
ausschließen und die im Gegenteil dem von der Klägerin selbst überreichten Auszug aus der Behandlungsleitlinie Fibromyalgiesyndrom
zufolge im Einzelfall nebeneinander vorliegen können (vgl. Bl. 570 GA).
(2) Soweit die Klägerin den Einsatz des Funktionsfragebogens Hannover (FFbH) durch Dr. C beanstandet, hat die Sachverständige
überzeugend dargelegt, dass dieser Fragebogen auch zur Begutachtung von Fibromyalgieerkrankten geeignet ist. Die dagegen von
der Klägerin erhobenen Einwände überzeugen nicht. Es kann dahingestellt bleiben, ob der FFbH zur Diagnostik oder Therapieplanung
der Fibromyalgie leitliniengerecht einzusetzen ist. Denn jenseits dessen war es Aufgabe der Sachverständigen Dr. C, schmerzbedingte
Funktionsbeeinträchtigungen festzustellen und ggf. Diskrepanzen zwischen vorgetragenem subjektiven Schmerzerleben und erhaltener
Funktionalität festzustellen. Hierzu ist, wie die Sachverständige erläutert hat, der FFbH als orientierendes strukturelles
diagnostisches Instrument entwickelt und von ihr eingesetzt worden. Im Übrigen stellen die Angaben und Ergebnisse derartiger
Fragebögen stets nur Indizien dar, die von den Sachverständigen in die von ihnen zu verantwortende eigenständige Leistungsbeurteilung
eingeordnet werden müssen (vgl. BSG, Beschluss v. 9.4.2003, a.a.O.). Genau dies hat die Sachverständige Dr. C jedoch geleistet.
(3) Ebenso fehl gehen die Einwände der Klägerin zur Konsistenzprüfung durch die Sachverständigen.
(a) Zunächst hat die Sachverständige Dr. C in ihrer ergänzenden Stellungnahme klargestellt, dass sie eine solche Konsistenzprüfung
vorgenommen hat. Dass sich die von ihr dabei herangezogene Veröffentlichung (Widder/Aschoff, Somatoforme Störungen und Rentenantrag:
Erstellen einer Indizienliste zur quantitativen Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens, MedSach 91 (1995), 14 ff.)
auf somatoforme Störungen bezieht, ist unerheblich. Das BSG hat diese Veröffentlichung zutreffend ausdrücklich als für die - im Rahmen der Schmerzbegutachtung unverzichtbare - Konsistenzprüfung
auch beim Krankheitsbild der Fibromyalgie geeignet zitiert (Beschluss v. 9.4.2003, a.a.O., juris-Rdnr. 8).
(b) Soweit der Sachverständige Dr. P im Rahmen der von ihm durchgeführten Konsistenzprüfung ausgeführt hat, die Klägerin habe
ihr angebotene therapeutische Möglichkeiten nicht ausgeschöpft, hat er sich ersichtlich auf Angaben gestützt, welche die Klägerin
dem Befundbericht von Dr. F vom 14.3.2017 (Bl. 340 f. GA) zufolge dort gemacht hat. Danach hat sie das - leitliniengemäß geeignete
- Medikament Amitriptylin wegen der damit verbundenen Gewichtszunahme nicht weiter eingenommen und an einer Selbsthilfegruppe
in H nicht teilgenommen, weil ihr die Gruppenmitglieder dort zu alt gewesen seien. Der Klägerin war der Befundbericht von
Dr. F bekannt. Sie ist seinem Inhalt nicht entgegengetreten. Infolgedessen begegnet es keinen Bedenken, dass der Sachverständige
ihre dort wiedergegebenen Angaben im Rahmen der Konsistenzprüfung verwertet hat.
Nichts anderes gilt, soweit der Sachverständige Dr. P - gestützt auf Angaben der Klägerin bei der Anamnese - ausgeführt hat,
die Klägerin habe die ihr im Entlassungsbericht des Krankenhauses St. K vom 5.7.2017 erteilten Empfehlungen nicht vollständig
umgesetzt. So hat die Klägerin dem Gutachten von Dr. P zufolge diesem gegenüber angegeben, sie führe weder Reha-Sport noch
Funktionstraining durch. Auch Entspannungsverfahren würden nicht konsequent angewandt. Zusätzliche Schmerzmittel nehme sie
nicht, weil sie ihr nicht helfen würden. Demgegenüber war im o.g. Entlassungsbericht die zusätzliche Einnahme des zur Behandlung
von Nervenschmerzen zugelassenen Medikamentes Pregabalin empfohlen worden.
(c) Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin schließlich gegen das Argument der Sachverständigen, eine regelrechte Muskulatur
und Beschwielung spreche dagegen, dass sie ihren Alltag (lediglich) passiv lebe. Unabhängig von der Frage, dass die Beweglichkeit
bei Fibromyalgie nicht beeinträchtigt ist, sprechen beide Kriterien für eine regelmäßige Bewegung und Aktivität. Bei weitestgehender
körperlicher Inaktivität müsste dagegen eine deutliche Muskelatrophie feststellbar sein, die bei der Klägerin nicht bestand
(vgl. zur Bedeutung der Hand- und Fußbeschwielung als Konsistenzkriterium in der Schmerzbegutachtung vgl. auch Leitlinie zur
ärztlichen Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen, a.a.O., Tabelle 3.2).
cc) Weitergehende Ermittlungen von Amts wegen waren nicht veranlasst.
(1) Soweit die behandelnden Ärzte Dr. L2 und T darüber hinaus auf das Bestehen einer arteriellen Hypertonie und einer Refluxkrankheit
hingewiesen haben, ist nicht ersichtlich, inwieweit das Leistungsvermögen der Klägerin hierdurch weitergehend als von den
im gerichtlichen Verfahren gehörten Sachverständigen beschrieben reduziert werden könnte. Der Sachverständige Dr. P als Hauptgutachter
hat in Kenntnis der betreffenden Befundberichte die Frage nach der Notwendigkeit einer weiteren Begutachtung verneint.
(2) Der Senat hat sich nicht gedrängt gesehen, den Ehemann der Klägerin als präsenten Zeugen zu vernehmen. Abgesehen davon,
dass es an einem darauf gerichteten konkreten Beweisantrag gefehlt hat, hat der Senat auch nach seinem persönlichen Eindruck
von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung keine Bedenken, zu ihren Gunsten zu unterstellen, dass sie ihre subjektiv empfundenen
Beschwerden und Leistungsbeeinträchtigungen auch im häuslichen und familiären Bereich nachdrücklich darzustellen vermag. Entscheidend
für die Beurteilung des Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung ist jedoch die Feststellung der objektiv vorhandenen Funktionseinschränkungen.
Hierzu bedarf es medizinischen Sachverstandes, und es ist weder ersichtlich noch vorgetragen worden, dass der Ehemann der
Klägerin hierüber verfügt.
b) Aufgrund der von den Sachverständigen festgestellten Gesundheitsstörungen ist die Klägerin nur noch in der Lage, körperlich
leichte Arbeiten ständig zu verrichten. Lasten von bis zu 5 kg kann sie gelegentlich heben und tragen, wobei die Tragedauer
fünf Minuten nicht übersteigen soll. Die Arbeiten können nur in wechselnder Körperhaltung ausgeübt werden. Dabei sind überwiegend
sitzende Tätigkeiten möglich, wenn ein regelmäßiger Haltungswechsel gewährleistet ist. Treppenstufen und Regalleitern kann
die Klägerin gelegentlich besteigen. Trotz leichter Einschränkung der Kraftentfaltung durch Auswirkungen der Fibromyalgie
ergeben sich - unter Beachtung der Vorgaben hinsichtlich der Arbeitsschwere - keine wesentlichen Einschränkungen für die Gebrauchsfähigkeit
der Hände. Arbeiten mit Publikumsverkehr sind möglich, wenn dabei auf ein weitgehend konfliktfreies Umfeld geachtet wird.
Auch Arbeiten an laufenden Maschinen sind unter Beachtung der genannten Leistungseinschränkungen möglich, wobei aufgrund subjektiv
bestehender Konzentrationsmängel eine vermehrte Unfallgefährdung ausgeschlossen werden sollte. Festgelegte Termine kann die
Klägerin einhalten, soweit dadurch keine Belastungsspitzen entstehen. Einschränkungen im Seh- oder Hörvermögen bestehen ebenso
wenig wie im Verantwortungsbewusstsein oder der geistigen Beweglichkeit. Die Klägerin kann auch durchschnittliche Anforderungen
an Konzentrationsvermögen, Reaktionsfähigkeit und Aufmerksamkeit bewältigen. Ihre durchschnittliche Umstellungsfähigkeit reicht
aus, um eine ungelernte Tätigkeit innerhalb von drei Monaten vollwertig auszuüben. Ausgeschlossen sind dagegen Arbeiten im
Knien, Hocken und Bücken, Überkopf- und Überschulterarbeiten sowie Arbeiten in Zwangshaltungen, auf Gerüsten und Leitern.
Ebenso darf die Klägerin nicht im Freien oder mit Exposition gegenüber Kälte, Hitze, Nässe, Zugluft oder Temperaturschwankungen
arbeiten. Wechsel- oder Nachtschichttätigkeiten sind ihr ebenfalls verschlossen. Unter Beachtung dieser Einschränkungen kann
sie noch vollschichtig und ohne betriebsunübliche Pausen arbeiten. Mit objektiv begründbaren größeren Ausfallzeiten ist nicht
zu rechnen. Wesentliche Einschränkungen der Wegefähigkeit bestehen nicht. Das so festgestellte Leistungsvermögen besteht ohne
wesentliche zwischenzeitliche Änderungen seit 2014.
Diese Feststellungen beruhen wiederum auf den Sachverständigengutachten von Dr. P und Dr. C, denen aus den genannten Gründen
zu folgen ist. Die Sachverständigen befinden sich auch hinsichtlich der Leistungsbeurteilung in den wesentlichen Punkten in
Übereinstimmung mit den Vorgutachten erster Instanz. Soweit sich die behandelnden Ärzte Dr. N und Dr. L zum Leistungsvermögen
der Klägerin geäußert haben, stehen ihre Annahmen den Feststellungen der Sachverständigen nicht entgegen. Gegenüber der Einschätzung
von Dipl.-Psych. N1, der Klägerin sei die Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt verschlossen, ist dem Sachverständigengutachten
von Dr. P aufgrund der dort vorgenommenen eingehenden, mit einer Konsistenzprüfung verbundenen epikritischen Überlegungen
der Vorzug zu geben.
c) Mit diesem Leistungsvermögen ist die Klägerin nicht außerstande, sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.
aa) In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG (Beschluss v. 19.12.1996, GS 2/95, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8; Urteil v. 19.10.2011, B 13 R 78/09 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 16; Urteil v. 9.5.2012, B 5 R 68/11 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 18) geht der Senat davon aus, dass Zweifel an der diesbezüglichen Fähigkeit einer/eines Versicherten
ausgeräumt sind, wenn sie/er mit dem vorhandenen Restleistungsvermögen noch in der Lage ist, ohne zeitliche Einschränkungen
körperlich leichte Arbeiten wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren,
Verpacken oder Zusammensetzen von Teilen zu verrichten. Verbleiben hieran hingegen ernste Zweifel, so ist weiter zu bewerten,
ob eine sog. "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder eine "schwere spezifische Leistungsbehinderung" vorliegt.
Erst wenn dies zu bejahen ist, muss der/dem Versicherten eine konkrete geeignete Verweisungstätigkeit benannt werden.
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen bestehen für den Senat keine Zweifel, dass die Klägerin, deren zeitliches Leistungsvermögen
bei Beachtung der von den Sachverständigen festgestellten qualitativen Einschränkungen nicht beeinträchtigt ist, die genannten
Tätigkeitsfelder noch ausfüllen kann.
(1) Die Klägerin ist noch in der Lage, körperliche leichte Tätigkeiten zu verrichten. Zweifel hieran ergeben sich auch nicht
mit Rücksicht auf die Einschränkung, lediglich 5 kg gelegentlich zu heben und zu tragen und nicht länger als 5 Minuten zu
tragen, mit der im Übrigen dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie sehe sich zu länger andauernden statischen
Belastungen und sich ständig wiederholenden Tätigkeiten nicht in der Lage, Rechnung getragen wird. In der Beschränkung auf
Lasten von maximal 5 kg liegt nämlich keine wesentliche Beeinträchtigung für Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (vgl.
BSG, Urteil v. 14.9.1995, 5 RJ 50/94, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50). Hieran ist festzuhalten. Es ist nicht ersichtlich, dass Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen, Verpacken oder Zusammensetzen
von Teilen häufiger als gelegentlich mit dem Tragen von Lasten über 5 kg geschweige denn entsprechenden Haltearbeiten über
eine Dauer von mehr als 5 Minuten verbunden wären.
(2) Etwas anderes folgt auch nicht aus der Einschränkung, Termine nur insoweit einhalten zu können, als dies nicht zu Belastungsspitzen
führe. Da im Rahmen des Anforderungsprofils "übliche Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" ohnehin nur einfache Handreichungen
und Bedienungsschritte erforderlich sind, ist nicht erkennbar inwiefern die hierbei einzuhaltenden terminlichen Vorgaben besondere
Belastungen auslösen könnten.
(3) Anderweitige qualitative Einschränkungen, die der Annahme eines für körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes
entgegenstehen könnten, sind zumal angesichts der erhaltenen Gebrauchsfähigkeit der Hände nicht ersichtlich. Entsprechend
haben die Sachverständigen auf ausdrückliches Befragen keine Bedenken geäußert, dass die Klägerin Tätigkeiten wie Sortieren,
Verpacken, Zusammensetzen von Teilen oder Empfangen von Besuchern noch vollschichtig verrichten könne.
cc) Anhaltspunkte für eine Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes aus anderen Gründen bestehen nicht: Die Wegefähigkeit
ist erhalten. Die Klägerin bedarf keiner betriebsunüblichen Pausen oder sonstiger betriebsunüblicher Arbeitsbedingungen. Mit
wesentlichen objektiv begründbaren Ausfallzeiten ist zur Überzeugung der Sachverständigen nicht zu rechnen.
3. Da die Klägerin nicht teilweise erwerbsgemindert ist, ist sie auch nicht voll erwerbsgemindert im Sinne von §
43 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1, Abs.
2 Satz 2
SGB VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG.
Anlass, gemäß §
160 Abs.
2 SGG die Revision zuzulassen, besteht nicht.