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LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.08.2015 - 8 R 488/14
Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen von einem Personaldienstleistungsunternehmen nach der Entscheidung des BAG zur Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft CGZP Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Nachzahlungsbescheid Zulässigkeit der Geltendmachung der Beitragsnachforderung auf der Basis einer Schätzung des equal-pay-Lohnes Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers im Falle der Nichtigkeit eines Tarifvertrages wegen fehlender Tariffähigkeit der Gewerkschaft Kein Entgegenstehen von Vertrauensschutzgesichtspunkten im Hinblick auf die Beitragsnachforderung auf der Grundlage des geschuldeten equal-pay-Lohnes wegen der Unwirksamkeit der von der CGZP geschlossenen Tarifverträge Prüfung der Verjährung von Beitragsansprüchen
1. § 9 Nr. 2 AÜG setzt für den Fall einer Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien einen wirksamen Tarifvertrag voraus. Das gilt auch, wenn die Anwendung der tariflichen Regelungen arbeitsvertraglich vereinbart wird.
2. Die CGZP war im Streitzeitraum (hier 1.1.2006 bis 31.12.2009) weder eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) noch eine tariffähige Spitzenorganisation im Sinne von § 2 Abs. 2 und 3 TVG. Das hat zur Folge, dass die mit der CGZP geschlossenen, im maßgeblichen Zeitraum geltenden Haustarifverträge unwirksam sind. Die vom Arbeitgeber für den Leiharbeitnehmer zu entrichtenden Beiträge sind damit nach dem Arbeitsentgelt zu berechnen, das vergleichbaren Arbeitnehmern in den Betrieben der jeweiligen Entleiher gezahlt wurde.
3. Für die Entstehung der Beitragsansprüche des Rentenversicherungsträgers kommt es nicht darauf an, ob die nach dem equal-pay-Prinzip geschuldeten Arbeitsentgelte den Arbeitnehmern tatsächlich zugeflossen sind. Der Anspruch auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag entsteht, wenn der Arbeitsentgeltanspruch entstanden ist, selbst wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt nicht oder erst später gezahlt hat.
4. Erweist sich ein Tarifvertrag wegen fehlender Tariffähigkeit einer Gewerkschaft als von Anfang an nichtig, sind die Entgeltunterlagen des Arbeitgebers objektiv unvollständig, wenn z.B. Angaben über die wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgeltes vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers fehlen.
5. Es ist vorliegend nicht zu beanstanden, wenn sich der Rentenversicherungsträger als Anhaltspunkt seiner Schätzung auf eine Veröffentlichung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vom 14.4.2011 beruft und davon ausgehend ein Lohndifferenzial von 24% annimmt (Schätzung nach Variante 3a).
Normenkette:
SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2
,
SGG § 86a Abs. 2 Nr. 1
,
SGG § 86a Abs. 3 S. 2
,
SGB IV § 28p Abs. 1 S. 5
,
SGB IV § 28e Abs. 1 S. 1
,
AÜG § 10 Abs. 4
,
AÜG § 9 Nr. 2 S. 1-2
,
TVG § 2
,
AÜG § 12 Abs. 1
,
SGB IV § 22 Abs. 1 S. 1
,
SGB IV § 25 Abs. 1 S. 1-2
,
SGB IV § 28f Abs. 2 S. 1 und S. 3
Vorinstanzen: SG Dortmund 05.06.2014 S 61 R 837/13 ER
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des SG Dortmund vom 5.6.2014 geändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 22.4.2014 gegen den Betriebsprüfungsbescheid vom 7.4.2014 angeordnet, soweit die Antragsgegnerin darin Nachforderungen für den Zeitraum vom 1.1.2006 bis zum 31.12.2006 geltend macht. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt in beiden Rechtszügen die Kosten zu 3/4 und die Antragsgegnerin zu 1/4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.887,67 Euro festgesetzt.

Entscheidungstext anzeigen: