Tatbestand:
Streitig ist die Zahlung von 2560,- nebst Zinsen für die vollstationäre Pflege der 1925 geborenen Beigeladenen C in dem Zeitraum
von September 2005 bis Juni 2006.
Die Klägerin ist Trägerin des N-hauses in F, in dem sich die bei der Beklagten pflegeversicherte Beigeladene seit dem 18.02.2005
in vollstationärer Pflege befindet und zunächst Leistungen nach der Pflegestufe I bezog.
Auf Aufforderung der Klägerin vom 15.03.2005 stellte die Beigeladene am 18.03.2005 einen Höherstufungsantrag. Auf Veranlassung
der Beklagten stellte der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) mit Gutachten vom 25.04.2005 einen Hilfebedarf in der
Grundpflege von 50 Minuten täglich (Körperpflege 32, Mobilität 19) fest. Mit Bescheid vom 24.05.2005 lehnte die Beklagte den
Höherstufungsantrag ab. Zur Begründung des hiergegen namens der Beigeladenen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor,
der Pflegezeitaufwand betrage entgegen den Feststellungen des MDK 229 Minuten täglich. Nach Einholung eines weiteren Gutachtens
des MDK, in dem ein täglicher Hilfebedarf in der Grundpflege von 98 Minuten täglich (Körperpflege 58, Mobilität 40) festgestellt
wurde, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.03.2006 als unbegründet zurück.
Bereits mit Schreiben vom 08.09.2005 hatte die Klägerin bei der Beklagten die Einstufung der Beigeladenen in eine Pflegeklasse
nach §
84 Abs
2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) beantragt, ohne hierzu weitergehende Angaben zu machen oder diesen Antrag zu begründen.
Mit Schreiben vom 26.06.2006 forderte die Klägerin die Beklagte zur Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe II für die
Beigeladene auf, da seit März 2005 ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 229 Minuten täglich bestehe. Aus der Differenz der
Zahlungen zwischen der Pflegestufe I und Pflegestufe II errechne sich für den Zeitraum von März 2005 bis Juni 2006 ein Zahlungsanspruch
von insgesamt 4096,- Euro (16 x 256,- Euro), der innerhalb einer Zahlungsfrist zum 10.07.2006 geltend gemacht werde. Nach
Einholung eines Gutachtens des MDK, in welchem der Hilfebedarf der Beigeladenen nunmehr mit täglich 92 Minuten (Körperpflege
52, Ernährung 2, Mobilität 38) festgestellt wurde, teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 24.07.2006 mit, dass
es bei der Einstufung der Beigeladenen in die Pflegestufe I bleibe.
Mit der am 05.09.2006 bei dem Sozialgericht (SG) Duisburg (Az: S 15 P 167/06) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr vorprozessuales Vorbringen gegenüber der Beklagten wiederholt und den Differenzbetrag
zwischen der Pflegestufe I und II für die Zeit von März 2005 bis August 2006 in Höhe von 4608,- Euro nebst Zinsen geltend
gemacht. Ein eigener Leistungsanspruch der Klägerin ergebe sich aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil
vom 01.09.2005, B 3 P 9/04, USK 2005-86).
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für die Versorgung der Versicherten C 9472,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem
geltenden Basiszinssatz aus 4608,00 Euro ab dem 05.09.2006 sowie 5 % Zinsen über dem geltenden Basiszinssatz aus 2560,00 Euro
ab dem 09.07.2007 und 5 % Zinsen über dem geltenden Basiszinssatz aus 2304,00 Euro ab dem 18.03.2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat unter Bezugnahme auf die Gutachten des MDK die Auffassung vertreten, dass bei der Beigeladenen lediglich die Voraussetzungen
der Pflegestufe I vorliegen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Beigeladenen sowie zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ein Gutachten des
Pflegesachverständigen T vom 07.05.2007 sowie ergänzende Stellungnahmen vom 03.07. und 11.12.2007 eingeholt. Der Sachverständige
hat, ohne den Gesamthilfebedarf konkret festgestellt zu haben, die Auffassung vertreten, dieser habe im Zeitraum von September
2005 bis Juni 2006 in der Grundpflege täglich mehr als 120 Minuten betragen. Nach erfolgreicher Hirntumoroperation im Juni
2006 sei der Hilfebedarf unter die Voraussetzungen der Pflegestufe II abgesunken und habe zum Zeitpunkt der Begutachtung nur
noch 30 Minuten täglich betragen (Körperpflege 17, Mobilität 13). Dabei hat der Sachverständige einen Mindestzeitwert für
die Durchführung einer Verrichtung nach Maßgaben der Begutachtungsrichtlinien von 1 Minute zugrunde gelegt.
Mit Urteil vom 18.03.2008 hat das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin für die Versorgung der Beigeladenen für die Zeit vom September 2005 bis Juni 2006
2560,- Euro nebst Zinsen zu zahlen und die weitergehende Klage abgewiesen. Der Hilfebedarf habe in dieser Zeit über 120 Minuten
gelegen. Es hat sich in seiner Begründung den Ausführungen des Sachverständigen T angeschlossen und ebenfalls die Auffassung
vertreten, der Mindestzeitwert für die Durchführung einer Verrichtung nach Maßgabe der Begutachtungsrichtlinien betrage 1
Minute.
Gegen das am 01.04.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30.04.2008 Berufung eingelegt zu deren Begründung sie im Wesentlichen
ausführt, dass zu Unrecht für jede Inanspruchnahme von Hilfe pauschalierend 1 Minute angerechnet worden sei. Aus dem Kontext
der gesamten Begutachtungsrichtlinien und deren Anlage ergebe sich, dass die Angaben des Hilfebedarfs in Minuten lediglich
in der letzten Spalte des Gutachtenformulars zu erfolgen habe. Diese Angabe könne sich nur auf die Summe des Hilfebedarfs
bei den einzelnen Verrichtungen beziehen. Auf der Basis des Urteils des BSG vom 10.03.2010 (B 3 P 10/08 R, SozR 4-3300 § 15 Nr 4) sei das Gutachten des Sachverständigen T nicht verwertbar, da dieser eigene sachfremde Beurteilungsmaßstäbe
verwandt habe. Schließlich seien auch die Voraussetzungen einer Leistungsklage nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom
07.10.2010, B 3 P 4/09 R, SozR 4-3300 § 87a Nr 1) nicht erfüllt, da die Beigeladene durch die Klägerin nicht schriftlich und begründet aufgefordert
worden sei, einen Höherstufungsantrag zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 18.03.2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, aufgrund des Antrags gem §
84 Abs
2 SGB XI mit Schreiben vom 08.09.2005 könne ihr nicht vorgehalten werden, sie habe keine außergerichtliche Klärung versucht. Das Urteil
des BSG vom 07.10.2010 (aaO.) sei als verbraucherfreundliche Entscheidung dahingehend zu werten, dass der Senat eine Regelung
dafür habe schaffen wollen, dass die Einrichtungsträger nicht jede ihnen vermeintlich zustehende Vergütung sofort einklagen
können, sondern zunächst von den beiden Möglichkeiten, nämlich denen des §
87a Abs
2 oder des §
84 Abs
2 S 3
SGB XI außergerichtlich Gebrauch machen müssen. Die Beklagte habe auf das Schreiben der Klägerin vom 08.09.2005 nicht reagiert.
Dies gehe zu ihren Lasten. Schließlich sei die Beigeladene aufgrund ihres Gesundheitszustandes im Jahre 2006 in ihrer Gehfähigkeit
derart beeinträchtigt gewesen, dass die vorhandenen Bewegungseinschränkungen und partiellen Standunsicherheiten einen besonders
hohen Zeitaufwand bedingt hätten. Ein Gang zur Toilette sei der Beigeladenen erst nach Aufrichten und Zusprechen durch die
Pflegekräfte überhaupt möglich gewesen. Sie habe mehr als 1 Minute pro Weg zur Toilette benötigt. Der entsprechende Zeitansatz
in dem Gutachten des Sachverständigen T sei jedenfalls gerechtfertigt gewesen.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie auf den Inhalt der von der Beklagten beigezogenen
Verwaltungsakten verwiesen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat die Streitsache entschieden, obwohl die Klägerin in der mündlichen Verhandlung um Schriftsatznachlass gebeten
und diesen förmlich beantragt hatte. Es bestand für die Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausreichend
Gelegenheit, zu der ihr in dem Termin zur mündlichen Verhandlung erläuterten Rechtsauffassung des Senats zu den Voraussetzungen
einer hinreichenden Antragstellung gemäß §
84 Abs
2 S 3
SGB XI Stellung zu nehmen. Hiervon hat der Bevollmächtigte der Klägerin auch Gebrauch gemacht. Damit ist dem in §
62 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) geregelten und verfassungsrechtlich verbrieften Anspruch auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG) im vorliegendem Verfahren hinreichend Rechnung getragen worden. Die Vorschrift soll verhindern, dass die Beteiligten durch
eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich
nicht äußern konnten. Zudem soll die Regelung sicherstellen, dass das Vorbringen der Beteiligten vom Gericht zur Kenntnis
genommen und in seine Erwägungen mit einbezogen wird (vgl BSG, Beschluss vom 01.10.2009, B 3 P 13/09 B, JURIS RdNr 4 mwN). Eine entsprechende Möglichkeit zur Äußerung hatte der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen
Verhandlung und hat diese nach dem oben Gesagten auch genutzt. Überdies hat bereits das BSG in seinem Urteil vom 07.10.2010
(B 3 P 4/09 R, JURIS RdNr 18) auf die Problematik der formellen Voraussetzungen eines die Leistungsklage des Heimträgers begründenden Antrages
gem §
84 Abs
2 S 3 2. Halbsatz
SGB XI hingewiesen, ohne hierzu abschließend Stellung zu nehmen. Auch vor diesem Hintergrund bestand Anlass und hinreichende Gelegenheit,
zu dieser Frage Stellung zu nehmen.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Das SG hat die Zahlungsklage richtigerweise als echte Leistungsklage (BSG, Urteile vom 07.10.2010, aaO., JURIS RdNr 9 und vom 01.09.2005,
B 3 P 4/04 R, JURIS RdNr 13 ff; Urteil des erkennenden Senats vom 25.03.2009, L 10 B 27/08) gemäß §
54 Abs
5 SGG beurteilt und als zulässig angesehen. Wegen des auf dem abgeschlossenen Versorgungsvertrag beruhenden Gleichordnungsverhältnisses
des Klägers als Heimbetreiber sowie der Beklagten als zuständige Pflegekasse kommt eine Regelung durch Verwaltungsakt und
damit eine Anfechtungs- und Leistungsklage nach §
54 Abs
4 SGG nicht in Betracht. Ein Vorverfahren war deshalb nicht durchzuführen.
Die Berufung ist jedoch begründet, da die Klage unbegründet ist. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch
auf Zahlung der durch das SG zugesprochene Summe von 2560,- Euro für die Zeit von September 2005 bis Juni 2006.
Für den streitbefangenen Zeitraum fehlt es bereits an der im Vorfeld des Klageverfahrens notwendigen Durchführung des gesetzlich
vorgesehenen Anpassungsverfahrens gem §
87a Abs
2 SGB XI (1); auch hat die Klägerin einen förmlichen Antrag gem §
84 Abs
2 S 3 2. Halbsatz
SGB XI nicht gestellt (2).
(1) Der Anspruch auf den Differenzbetrag zur Pflegestufe II besteht für die Zeit von September 2005 bis Juni 2006 bereits
deshalb nicht, weil es insofern an einer schriftlichen und begründeten Aufforderung des Versicherten sowie der Zuleitung an
die Pflegekasse und ggf den Sozialhilfeträgers gemäß §
87a Abs
2 S 1 u. 2
SGB XI (vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2010, aaO., JURIS RdNr 15) fehlt. Zahlungsansprüche und die Durchbrechung einer bestandkräftigen
Pflegestufenzuordnung können dem Heimträger nur zustehen, wenn er zuvor das zur Überprüfung der Pflegeklasse vorgesehen Verfahren
nach §
87a Abs
2 S 1
SGB XI eingeleitet und durchgeführt hat. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf seine Rechtssprechung vom 25.03.2009 (L 10 B 27/08), bestätigt durch BSG, Urteil vom 07.10.2010 (aaO., JURIS RdNr
8 ff). Der Gesetzgeber hat mit §
87a Abs
2 SGB XI eine eigenständige Regelung getroffen, mit der dem Träger eines Pflegeheims zunächst die Möglichkeit eingeräumt werden soll,
einem Heimbewohner unter bestimmten Voraussetzungen vorläufig den Pflegesatz einer höheren Pflegekasse zu berechnen. Andererseits
enthält die Vorschrift aber auch Verfahrensgarantien für den Versicherten, die im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens zur
Korrektur von Pflegestufenzuordnungen zu beachten sind. Es bedarf insofern der schriftlichen und begründeten Aufforderung
des Versicherten, einen Höherstufungsantrag zu stellen. Mit dem aus Art
19 Abs
4 GG ableitbaren Klagerecht des Heimträgers gegen die Pflegekasse korrespondiert das Recht der Heimbewohner, einem Anspruch auf
Vergütungserhöhung schon im vorprozessualen Bereich nicht schutzlos ausgeliefert zu sein. Deshalb ist die Forderung gerechtfertigt,
dass im Vorfeld des Klageverfahrens zwischen Heimträger und Pflegekasse zunächst das in §
87a Abs
2 SGB XI gesetzlich vorgesehenen Anpassungsverfahren durchgeführt werden muss (BSG, aaO., JURIS RdNr
15). Die Regelung des §
87a Abs
2 S 1 bis 3
SGB XI bezweckt einen nicht voll zu Ende geführten Ausgleich zwischen den Interessen der Einrichtungsträger und der versicherten
Heimbewohner, der einerseits der Antragsabhängigkeit von Sozialleistungen und andererseits dem Anspruch der Einrichtung auf
leistungsgerechte Vergütung Rechnung tragen soll. Dieser Ausgleichsmechanismus wäre obsolet, wenn ein Heimträger seine Ansprüche
unter Verzicht auf das förmliche Anpassungsverfahren nach §
87a Abs
1 S 1 u 2
SGB XI unmittelbar durch Klage gegen die Pflegekasse verfolgen könnte. Der Vorrang der in Bestandkraft erwachsenen Entscheidung
zur Höhe der Pflegestufe kann nur dann entfallen, wenn der Heimträger das Verfahren nach §
87a Abs
2 SGB XI durchläuft und den Versicherten schriftlich und begründet auffordert, einen Höherstufungsantrag zu stellen. Erst bei dessen
Weigerung greift die Fiktion des §
87a Abs
2 S 3
SGB XI ein und zugunsten des Heimträgers wird unterstellt, dass der Versicherte einen begründeten Antrag auf Höherstufung gestellt
hat. Fehlt es hieran, kann der Heimträger weder im Verhältnis zum Versicherten noch in Bezug auf die Pflegekasse erfolgreich
Klage auf höhere Vergütung erheben (BSG aaO., JURIS RdNr 16). Eine schriftliche und begründete Aufforderung der Beigeladenen
zur Stellung eines Höherstufungsantrags ist bereits nach eigener Einlassung der Klägerin nicht erfolgt. Damit sind die Voraussetzungen
gem §
87a Abs
2 S 1 u 2
SGB XI nicht erfüllt, sodass die Leistungsklage unter diesem Gesichtspunkt unbegründet ist.
(2) Die begründete Aufforderung gem §
87a Abs
2 S 1 u 2
SGB XI wird auch nicht durch das Schreiben der Klägerin an die Beklagte vom 08.09.2005, mit welchem ein "Antrag auf Einstufung durch
Frau C in eine Pflegeklasse" gestellt worden ist, ersetzt.
Der Senat ist der Auffassung, dass eine begründete Leistungsklage des Heimträgers über den Umweg des §
84 Abs
2 S 3
SGB XI im Regelfalle nicht erhoben werden kann. Diese Vorschrift beinhaltet eine besondere Regelung für die Fälle, in denen aufgrund
außergewöhnlicher Umstände der Pflegeaufwand des Heimträgers durch die Vergütung nach der an sich zutreffenden Pflegestufe-/Klasse
nicht gedeckt ist, bzw dieser nicht entspricht (vgl BSG Urteil vom 07.10.2010, aaO., JURIS RdNr
18). Nach §
84 Abs
2 S 3 Hs 1
SGB XI ist die leistungsrechtliche Einteilung in Pflegestufen bei der vergütungsrechtlichen Zuordnung der Pflegebedürftigen als
"generelle Richtschnur" heranzuziehen (vgl Vogel/Schmäing in Klie,
SGB XI, 3. Auflage, §
84 RdNr 13 mwN). Erst wenn der tatsächliche Pflegeaufwand eines bestimmten Bewohners dem typischen Bedarf in einer anderen Pflegeklasse
entspricht, kann nach § 84 Abs 2 S 3 Hs 2 eine von der Pflegestufe abweichende Pflegeklassenzuordnung erfolgen. Hierdurch
soll sich die von der Pflegekasse festgestellte Pflegestufe jedoch nicht verändern (Vogel/Schmäing, aaO., RdNr 14 mwN). Ergänzt
und abgerundet wird die Regelung des Halbsatzes 2 durch §
87a Abs
2 SGB XI, der auf Anhaltspunkte für einen dauerhaft erhöhten Hilfebedarf abstellt, so dass der Pflegebedürftige einer anderen Pflegestufe
zugeordnet werden muss und der Einrichtung ausdrücklich Handlungsoptionen einräumt (Vogel/Schmähing aaO., RdNr
14). §
84 Abs
2 S 3 2. Hs
SGB XI betrifft damit nicht den Regelfall, in dem Pflegestufe-/Klasse auch zu einer leistungsgerechten Vergütung des Pflegeheims
führen, sondern die Fallkonstellation eines untypisch hohen stationären Versorgungsaufwandes, der durch die - an sich zutreffende
- Pflegestufenzuordnung nicht abgedeckt wird. Zur Überzeugung des Senats kann eine begründete Leistungsklage des Heimträgers
über den Umweg des §
84 Abs
2 S 3
SGB XI damit nur in entsprechenden Konstellationen, nicht aber - in dem auch im vorliegendem Fall vorgetragenen - Regelfall des
bloßen Streites um die zutreffende Pflegestufe-/klasse erhoben werden.
Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, da die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 08.09.2005 jedenfalls keinen Antrag
gem §
84 Abs
2 S 3 2. Hs
SGB XI gestellt hat. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 08.09.2005 lediglich einen Antrag gemäß §
84 Abs
2 SGB XI auf Einstufung der Beigeladenen in eine Pflegeklasse gestellt. Für die Beklagte bestand insofern kein Anlass für ein weitergehendes
Tätig- werden, da Leistungen nach der der Pflegestufe I entsprechenden Pflegeklasse I bereits erbracht wurden. Dem Schreiben
der Klägerin ist gerade nicht zu entnehmen, dass der bei der Beigeladenen erforderliche Pflegeaufwand der der Pflegestufe
entsprechenden Pflegeklassenzuordnung nicht entspricht und dass deshalb die Zuordnung zu einer höheren Pflegeklasse begehrt
wird. Insbesondere ist in keiner Weise dargelegt worden, inwieweit der Versorgungsaufwand im vorliegenden Einzelfall von dem
pflegeklassentypischen Aufwand (nach oben) abweicht. Eine gemeinsame Beurteilung des Medizinischen Dienstes und der Pflegeleitung
des Pflegeheimes hinsichtlich der Zuordnung zu einer anderen Pflegeklasse lag zum Zeitpunkt dieses Schreibens ebenfalls nicht
vor. Auch kann dem Schreiben nicht entnommen werden, dass eine entsprechende gemeinsame Beurteilung über die Vermittlung der
Beklagten herbeigeführt werden sollte. Vielmehr ergab sich aufgrund der Formulierung des Schreibens für die Beklagte in keiner
Weise, dass und inwiefern sie hinsichtlich einer abweichenden Pflegeklassenzuordnung tätig werden sollte.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund des Vorbringens des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung,
die Beklagte habe aufgrund des parallel laufenden Widerspruchsverfahrens der Beigeladenen zur Pflegestufe erkennen müssen,
dass es sich bei dem Schreiben um einen Antrag gem §
84 Abs
2 S 3 2. Hs
SGB XI gehandelt habe. Die Klägerin war an dem Widerspruchsverfahren nicht unmittelbar beteiligt. Aufgrund des Schreibens vom 08.09.2005
ist in keiner Weise ersichtlich, inwieweit sie sich die Argumentation der Beigeladenen aus dem Widerspruchsverfahren zu Eigen
machen wollte. Darüber hinaus betraf das Widerspruchsverfahren der Beigeladenen lediglich die Frage der zutreffenden Pflegestufe
und nicht eines atypischen - von der an sich zutreffenden Pflegestufe abweichenden - Versorgungsaufwandes, welcher ausnahmsweise
die Zuordnung zu einer abweichenden Pflegeklasse zulässt. Insofern bot der Vortrag der Beigeladenen im Rahmen des Widerspruchsverfahrens
gerade keinen Anlass zur Prüfung einer abweichenden Pflegeklassenzuordnung gem §
84 Abs
2 S 3 2. Hs
SGB XI.
Darüber hinaus geht der Senat davon aus, dass nach Einführung des §
87a Abs
2 SGB XI dessen Rechtsgedanke und Verfahrensgrundsätze auch bei Klagen von Einrichtungsträgern auf Zuordnung der Pflegeklasse nach
§
84 Abs
2 S 3 2. Hs
SGB XI entsprechend anzuwenden sind (vgl hierzu BSG, Urteil vom 07.10.2010 aaO., JURIS RdNr
18). Auch im Rahmen des §
84 Abs
2 S 3 2. Hs
SGB XI bedarf es einer schriftlichen und begründeten Aufforderung an die Beigeladene, den MDK mit der Herbeiführung einer gemeinsamen
Stellungnahme zu beauftragen. Diese Aufforderung ist sowohl den Versicherten als auch ggf den Sozialhilfeträgern entsprechen
§
87a Abs
2 S 1 u 2
SGB XI zuzuleiten. Denn die Zuordnung zu einer anderen Pflegeklasse hat für den Zahlungsanspruch des Pflegeheims gegen den Versicherten
unmittelbare Auswirkungen (vgl Vogel/Schmäing, aaO., RdNr 14). Insofern ist der Versicherte in die angestrebte Entscheidung
gem §
84 Abs
2 S 3 2. Hs
SGB XI einzubeziehen. Auch insofern korrespondiert das Klagerecht des Heimträgers gegen die Pflegekasse mit dem Recht der Heimbewohner,
einem Anspruch auf Vergütungserhöhung schon im vorprozessualen Bereich nicht schutzlos ausgeliefert zu sein (s.o.).
Auch diese Frage kann letztlich offen bleiben, da dem Schreiben vom 08.09.2005 nach dem oben gesagten ein Antrag im Sinne
des §
84 Abs
2 S 3 2. Hs
SGB XI bereits seinem Inhalt nach nicht entnommen werden kann.
Ohne dass es nach dem Vorstehenden darauf ankommt, weist der Senat schließlich darauf hin, dass dem im Klageverfahren eingeholten
Gutachten des SV T ein konkreter, zeitlich gefasster Hilfebedarf nicht zu entnehmen ist. Der Feststellung "mehr als 120 Minuten"
ist für sich insoweit nicht geeignet, die Voraussetzungen der Pflegestufe II überzeugend zu begründen. Es bedarf vielmehr
einer konkreten zeitlichen Fixierung der jeweiligen Inanspruchnahme durch die Pflegeperson. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
des erkennenden Senates in seiner Entscheidung vom 13.08.2006, L 10 (6) P 108/07, bestätigt durch Urteil des BSG vom 10.03.2010,
B 3 P 10/08, sind die einzelnen Verrichtungen, anders als dies der SV T und mit ihm das SG in der angefochtenen Entscheidung meinen, nicht pauschal auf eine Minute aufzurunden. Es besteht Einigkeit, dass auch nach
den Feststellungen des SV T die Schnittstelle zur Stufe II insoweit dann doch nicht erreicht worden wäre. Soweit der Bevollmächtigte
der Klägerin angedeutet hat, die Klägerin behalte sich einen Antrag nach §
109 SGG vor, so ist ihr als juristische Person diese Möglichkeit im Rahmen des §
109 SGG gerade nicht gegeben. Antragsberechtigt sind nur Versicherte, Behinderte und Versorgungsberechtigte. Dazu gehört die Einrichtung
der Klägerin nicht. Ein konkreter (weiterer) Beweisantrag ist schließlich weder im Klageverfahren noch im Berufungsverfahren
förmlich gestellt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 SGG in Verbindung mit §
154 Abs
1 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Die Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, weil dies nicht der Billigkeit entspricht (§
162 Abs
3 VwGO); diese hat weder erfolgreiche Anträge gestellt, noch das Verfahren gefördert.
Die Streitwertfestsetzung mit 2560,- Euro beruht auf §§ 52 Abs 1 und 3, 63 Abs 2 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen (§
160 Abs
1, Abs
2 S 1
SGG).