LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.12.2015 - 11 KA 14/14
Vorinstanzen: SG Köln 18.02.2014 S 26 KA 15/12
Tenor
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird
nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe dem Beigeladenen zu 7) in einem Vorverfahren entstandene Kosten zu erstatten
sind.
Der Beigeladene zu 7) begehrte eine Zulassung nach § 101 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ( SGB V). Die Teilung des Vertragsarztsitzes sollte mit Dr. D erfolgen. Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag durch Beschluss
vom 25.08.2010 ab. Gegen diesen Beschluss wandte sich der anwaltlich vertretene Beigeladene zu 7) mit seinem Widerspruch vom
30.09.2010 und legte dar, aus welchen Gründen der Anwendungsbereich von § 20 Abs. 2 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) nicht eröffnet sei, jedenfalls aber keine Gefahr einer Interessen- und Pflichtenkollision bestehe. Ebenfalls läge kein Verstoß
gegen § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV vor (wird näher ausgeführt). Das in Sachverhalt und rechtliche Würdigung unterteilte Schreiben vom 04.01.2011 umfasste fünf
Seiten. Im Übrigen beantragte er mit einem ca. einseitigen Schriftsatz vom 12.01.2011 den Sofortvollzug der Entscheidung des
Beklagten anzuordnen. Der Beigeladene zu 7) nahm zusammen mit seinem Rechtsbeistand an der Sitzung des Beklagten vom 12.01.2011
teil. Der Beklagte half dem Widerspruch in dieser Sitzung ab.
Der Beigeladene zu 7) beantragte die ihm durch das Widerspruchsverfahren einschließlich der anwaltlichen Vertretung entstandenen
Kosten zu erstatteten, die er unter Vorlage der Gebührenrechnung seiner Bevollmächtigten vom 22.03.2011 wie folgt bezifferte:
Gegenstandswert:
|
284.000,00 EUR
|
2,0 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG
|
4.340,00 EUR
|
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG
|
20,00 EUR
|
Zwischensumme netto
|
4.360,00 EUR
|
19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG
|
828,40 EUR
|
Gesamtbetrag:
|
5.188,40 EUR
|
Die Klägerin erkannte eine Kostentragungspflicht dem Grunde nach an, vertrat jedoch die Auffassung, der Gegenstandswert sei
zu hoch bemessen. Bei der Zulassung des Beigeladenen zu 7) handele es sich um eine Job-Sharing-Zulassung, mit der für einen
3-Jahres-Zeitraum ein Gewinn i.H.v. 284.000,00 EUR nicht zu erzielen sei. Es sei darzulegen, welchen Gewinn die überörtliche
Berufsausübungsgemeinschaft durch die Zulassung nach § 101 Abs. 1 Satz 4 SGB V voraussichtlich erzielen könne. Falls dies nicht zu beziffern sei, komme nur die Festsetzung des Auffangstreitwerts von 4.000,00
EUR (§ 23 Abs. 3 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der bis zum 31.07.2013 gültigen Fassung) in Betracht. Auch die in Ansatz gebrachte zweifache Geschäftsgebühr sei überhöht.
Eine Gebühr von mehr als 1,3 könne nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Davon
ausgehend überwies die Klägerin entsprechend ihrer Berechnung dem Beigeladenen zu 7) 402,82 EUR.
Dem trat der Beigeladene zu 7) entgegen. Durch seine Tätigkeit seien erhebliche Honorarausweitungen der Berufsausübungsgemeinschaft
möglich, welche ohne einen weiteren Operateur nicht erzielt werden könnten. Der Auffangstreitwert könne nicht angesetzt werden.
Sofern der Auffangstreitwert Grundlage der Berechnungen sei, müsse dieser zumindest für jedes Quartal zugrunde gelegt werden.
Daher sei angesichts des bei Zulassungssachen üblichen 3-Jahres-Zeitraums vom 12-fachen Auffangstreitwert auszugehen. Bezüglich
der Geschäftsgebühr übersehe die Klägerin, dass es sich beim Vertragsarztrecht grundsätzlich um eine schwierige Rechtsmaterie
handele, welche die Überschreitung des 1,3-fachen Gebührenrahmens rechtfertige. Darüber hinaus sei es zu einem Termin vor
dem Beklagten gekommen, der mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden gewesen sei. Es sei in Verwaltungsverfahren nicht
üblich, durch mündliche Verhandlung zu entscheiden. Schließlich sei zu bedenken, dass der Zulassungsausschuss für Ärzte Köln
die Rechtsfrage für so schwierig gehalten habe, dass er rechtlich habe prüfen lassen, ob die vom Beigeladenen zu 7) angegebenen
Nebentätigkeiten mit einer Tätigkeit als niedergelassener Vertragsarzt kompatibel seien. Hilfsweise werde die Kostenfestsetzung
nach einem Gegenstandswert von 48.000,00 EUR und einer 2,0-fachen Geschäftsgebühr beantragt.
In seiner Sitzung vom 25.04.2012 setzte der Beklagte die an den Beigeladenen zu 7) zu erstattenden Kosten des Widerspruchsverfahrens
einschließlich der anwaltlichen Vertretung auf 2.513,28 EUR abzüglich bereits gezahlter 402,82 EUR fest. Es entspreche billigem
Ermessen, der Kostenberechnung entsprechend dem Hilfsantrag des Beigeladenen zu 7) einen Gegenstandswert i.H.v. 48.000,00
EUR zu Grunde zu legen. Sein wirtschaftliches Interesse lasse sich nicht mit demjenigen gleichsetzen, wie es für Vollzulassungen
angenommen werde. Bei diesen werde regelmäßig der Streitwert anhand der konkreten bzw. perspektivischen Umsätze der Fachgruppe
abzüglich Betriebskosten für einen Zeitraum von drei Jahren errechnet. Gegenstand des Widerspruchsverfahrens sei jedoch eine
Zulassung nach § 101 Abs. 1 Satz 4 SGB V (Job-Sharing-Zulassung) zur Bildung einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft gewesen. Das wirtschaftliche Interesse
orientiere sich an damit im Zusammenhang stehenden Gewinnerwartungen. Da weder der Vortrag des Beigeladenen zu 7) noch der
Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Gegenstandswertes genügend Anhaltspunkte biete, sei der Gegenstandswert gemäß
§ 23 Abs. 3 Satz 2 RVG mit 4.000 EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, anzunehmen. Der Auffangstreitwert sei hier angemessen zu erhöhen,
weil die Bedeutung der Sache erkennbar höher liege. In Anlehnung an den in Zulassungssachen für die Streitwertbestimmung zugrundezulegenden
Zeitraum von drei Jahren ergebe sich ein Gegenstandswert von 12 Quartalen x 4.000 EUR = 48.000 EUR. Der Ansatz einer Geschäftsgebühr
von 2,0 entspreche ebenfalls billigem Ermessen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG). Nach gefestigter Rechtsprechung gehörten Zulassungsfragen zu den schwierigen Rechtsfragen innerhalb des Vertragsarztrechts.
Der Ansatz einer Geschäftsgebühr von 1,3 komme mithin nur in einfacher gelagerten Fällen in Betracht. Hier rechtfertigten
sowohl der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit als auch die Bedeutung der Angelegenheit für den Beigeladenen
zu 7) einen darüber hinausgehenden Steigerungssatz auf eine 2,0-fache Geschäftsgebühr. Die Kostenerstattungsforderung errechne
sich mithin wie folgt:
Gegenstandswert:
|
48.000,00 EUR
|
2,0 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG
|
2.092,00 EUR
|
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG
|
20,00 EUR
|
Zwischensumme netto
|
2.112,00 EUR
|
19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG
|
401,28 EUR
|
Gesamtbetrag:
|
2.513,28 EUR.
|
Abzüglich der bereits gezahlten 402,82 EUR verbleibe mithin ein Restbetrag von 2.110,46 EUR.
Die Klägerin hat gegen diesen ihr am 11.05.2012 zugestellten Beschluss am 11.06.2012 Klage erhoben. Zu deren Begründung hat
sie im wesentlichen vorgetragen, die Erhöhung des Auffangstreitwerts sei vorliegend nicht angemessen. Das wirtschaftliche
Interesse im Rahmen einer Job-Sharing-Zulassung sei aufgrund eingeschränkter Honorarzuwachsbegrenzung (3 %) weitaus geringer
zu bewerten. Nennenswerte Honorarausweitungen seien nicht realisierbar und könnten keine Berücksichtigung finden. Der Gegenstandswert
sei daher niedriger anzusetzen gewesen. Auch die Anerkennung einer Geschäftsgebühr von 2,0 sei nicht gerechtfertigt. Die Tätigkeit
der Bevollmächtigten sei nicht umfangreich oder schwierig gewesen. Insbesondere könne die Tatsache, dass es sich bei dem zu
behandelnden Rechtsgebiet um Vertragsarztrecht handele, nicht regelhaft zu einer Erhöhung des Gebührensatzes führen. Hier
habe die Zulassung im Rahmen eines Job-Sharing nach § 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB V, die Interessenkollision dieser Zulassung aufgrund zeitgleicher Geschäftsführungstätigkeit in einer Privatklinik sowie die
Zulässigkeit einer solchen Tätigkeit vor dem Hintergrund der zeitlichen Vereinbarkeit zur Entscheidung angestanden. Die Bearbeitung
der zu Grunde liegenden Rechtsfragen könne dabei nicht als so schwierig bewertet werden, dass der Ansatz einer 2,0-fachen
Gebühr gerechtfertigt erscheine. Es sei allenfalls der 1,5-fache Gebührensatz in Ansatz zu bringen. Einkunftsmöglichkeiten
außerhalb der Teilnahme an der Gesamtvergütung könnten bei der Streitwertfestsetzung keine Berücksichtigung finden.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 25.04.2012, zugestellt am 11.05.2012, aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und in Ergänzung zu seinem angefochtenen Beschlusses ausgeführt, für die Berechnung des Gegenstandswertes sei nicht von Bedeutung,
ob durch die Job-Sharing-Zulassung nennenswerte Honorarausweitungen realisierbar seien. Das wirtschaftliche Interesse eines
Arztes im Rahmen einer Job-Sharing-Zulassung sei vielmehr auf einen Zugang in das System der vertragsärztlichen Versorgung
und damit auf eine entsprechende persönliche Gewinnerwartung im Rahmen der Berufsausübungsgemeinschaft gerichtet. Nicht anders
als bei einer Vollzulassung sei daher für die Streitwertbestimmung ein Zeitraum von drei Jahren zu Grunde zu legen. Dementsprechend
sei der Auffangstreitwert um den Faktor 12 zu erhöhen.
Der Beigeladene zu 7) hat ausgeführt, bei der Festsetzung des Streitwerts müsse berücksichtigt werden, dass die Zulassung
beispielsweise auch Teilnahmevoraussetzung für Verträge über die integrierte Versorgung sei. Seine Berufsausübungsgemeinschaft
nehme in erheblichem Umfang an entsprechenden Verträgen teil. Es gehe daher nicht nur um etwaige Honorarausweitungen im Kollektivvertragssystem,
sondern auch um sonstige mögliche Honorarzuwächse. Im Übrigen komme es auf sein eigenes wirtschaftliches Interesse an. Seine
GKV-Umsätze abzüglich Kosten seien allein relevant. Er habe zumindest 1/4 des Gewinns erwarten dürfen, so dass unter Berücksichtigung
des durchschnittlichen Einkommens von Orthopäden - hochgerechnet auf drei Jahre - der zutreffende Gegenstandswert bei rund
400.000,00 EUR liege. Der vom Beklagten festgesetzte Gegenstandswert sei daher nicht zu hoch, sondern bei weitem zu niedrig
angesetzt. Hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Gebühr müsse berücksichtigt werden, dass es sich um eine umfangreiche und
schwierige Angelegenheit gehandelt habe. Der erhöhte Umfang ergebe sich bereits daraus, dass ein fünf- und ein eineinhalbseitiger
Schriftsatz an den Beklagten übermittelt worden seien. Er ergebe sich auch daraus, dass - anders als sonst in Verwaltungsverfahren
üblich - eine mündliche Verhandlung vor dem Beklagten stattgefunden habe. Die Aspekte der Unvereinbarkeiten mit der vertragsärztlichen
Tätigkeit gehörten zu den anspruchsvolleren Tätigkeiten im Rahmen des Vertragsarztrechts, die ohnehin regelmäßig besondere
Rechtskenntnisse erforderten. Allein der Umstand, dass der Zulassungsausschuss sich ohne rechtliche Stellungnahme der Klägerin
nicht zu einer Entscheidung in der Lage gesehen habe, bezeuge die besondere Schwierigkeit der Sache. Die Bearbeitung der Angelegenheit
sei hier sowohl schwierig als auch umfangreich gewesen, so dass im Ergebnis der Ansatz der 2,0-fachen Geschäftsgebühr nicht
zu beanstanden sei.
Das Sozialgericht (SG) Köln hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.02.2014 abgewiesen. Der Beigeladene zu 7) habe mindestens Anspruch auf Erstattung
von weiteren 2.110,46 EUR, welche ihm als angemessene Anwaltskosten im Widerspruchsverfahren entstanden seien. Die Streitwertfestsetzung
durch den Beklagten stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; z.B. Urteil vom 28.11.2007 - B 6 KA 26/07 R -). Auch der Ansatz einer Geschäftsgebühr von 2,0 entspreche in diesem Fall billigem Ermessen. Die anwaltliche Tätigkeit
sei hier als überdurchschnittlich anzusehen. Bei der Beurteilung dieser Frage sei von den Rechtskenntnissen eines durchschnittlichen
Anwalts auszugehen. Das Vertragsarztrecht sei ein Spezialgebiet. Dies zeige sich schon daran, dass es relativ wenige Kanzleien
gebe, die sich auf dieses Gebiet spezialisiert hätten, obwohl es unter finanziellen Gesichtspunkten attraktiv sei. Zulassungsangelegenheiten
im Vertragsarztrecht gehörten grundsätzlich zu den schwierigen Rechtsfragen, die nur von wenigen Rechtsanwälten beherrscht
würden. Hier sei zudem zu berücksichtigen gewesen, dass eine der Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen zu 7) an der Sitzung
des Beklagten vom 12.01.2011 teilgenommen habe.
Das am 25.02.2014 zugestellte Urteil greift die Klägerin mit ihrer Berufung vom 10.03.2014 an und trägt vor, Honorarausweitungen,
die den festgesetzten Streitwert rechtfertigen könnten, seien vor dem Hintergrund, dass es um eine Job-Sharing-Zulassung mit
einhergehender Leistungsbegrenzung gegangen sei, nicht möglich gewesen. Auch sei der Ansatz der 2,0-fachen Geschäftsgebühr
nicht gerechtfertigt, da es sich um eine einfache Rechtsfrage mit einem überschaubaren Sachverhalt gehandelt habe. Dass es
sich um Vertragsarztrecht handele, könne nicht regelhaft zu einer Erhöhung des Gebührensatzes führen.
Die Klägerin, die ebenso wie der Beklagte und die Beigeladenen einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zustimmt,
beantragt schriftsätzlich,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 18.02.2014 und den Beschluss des Beklagten vom 25.04.2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid sowie seinen Beschluss vom 25.04.2012 für zutreffend.
Der Beigeladene zu 7) beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung werde auf den erstinstanzlichen Vortrag verwiesen. Die Klägerin übersehe, dass schon der erhöhte Zeitaufwand
für sich genommen die Abrechnung einer erhöhten Geschäftsgebühr rechtfertige.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge
des Beklagten einschließlich der Arztregisterakte des Beigeladenen zu 7) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ( SGG)).
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Beschluss des Beklagten vom 25.04.2012 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin
nicht (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Beklagte hat zu Recht den Gegenstandswert auf 48.000,00 EUR festgesetzt. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Entscheidungsgründe
des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG) und führt ergänzend aus:
Für die Höhe der Vergütung eines Rechtsanwalts gibt § 2 RVG vor, dass die Gebühren nach dem Wert berechnet werden, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (§ 2 Abs. 1; Gegenstandswert)
und dass sich die Höhe der Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu diesem Gesetz bestimmt (§ 2 Abs.
2). Der Gegenstandswert richtet sich auch im Widerspruchsverfahren grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers
bzw. im Verwaltungsverfahren des Widerspruchsführers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache. Abzustellen ist auf das wirtschaftliche
Interesse des Klägers an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen (BSG, Beschluss vom 19.02.1996 - 6 RKa 40/93 -, std. Rspr. des Senats, vgl. Urteil vom 14.05.2014 - L 11 KA 43/12 -, Beschlüsse vom 29.08.2011 - L 11 KA 27/11 B - und vom 18.09.2013 - L 11 KA 138/11 -).
Für die Ermittlung des wirtschaftlichen Interesses stellt § 23 Abs. 3 RVG letztlich zwei Verfahren zur Verfügung. Steht der Wert des Streitgegenstandes nicht fest, ist er nach § 23 Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Dabei ist auch eine Schätzung zulässig, soweit sich dafür hinreichende tatsächliche
Anhaltspunkte ergeben. Ist eine solche Festsetzung nicht möglich, ist auf den Auffangstandswert von 4.000,00 EUR bzw. auf
einen nach oben durch den Betrag von 500.000,00 EUR begrenzten Wertrahmen zurückzugreifen (§ 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz RVG). Der Rückgriff ist indessen nur statthaft, wenn sich ausreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung nicht finden lassen.
Der Ansatz des Auffangstreitwerts je Quartal für insgesamt drei Jahre entspricht der Rechtsprechung des BSG in Zulassungs- und zulassungsähnlichen Angelegenheiten, in denen die Anknüpfung an andere Werte nicht angemessen erscheint
(BSG, Urteil vom 28.11.2007 - B 6 KA 26/07 R -). Dafür, dass das für die Festsetzung des Gegenstandswerts entscheidende wirtschaftliche Interesse des Beigeladenen zu
7) geringer ausgeprägt sein könnte, hat keiner der Beteiligten hinreichende Gesichtspunkte benennen können. Davon ausgehend
ergibt sich ein Gegenstandswert von 48.000,00 EUR.
Die Nr. 2300 VV RVG, die die Geschäftsgebühr für die Vertretung durch einen Anwalt im Verwaltungsverfahren (ohne nachfolgendes Gerichtsverfahren)
regelt, gibt einen Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 vor. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt insoweit der Rechtsanwalt die (Rahmen-)Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des
Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit, sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisses
des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Dabei kann allerdings nach der amtlichen Anmerkung zu Nr. 2300 VV eine Gebühr von
mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der
Begriff "oder" nahelegt, dass die Voraussetzungen "umfangreich" und "schwierig" nicht kumulativ vorliegen müssen, sondern
es ausreicht, dass sie alternativ gegeben sind, also die Tätigkeit entweder umfangreich oder schwierig war (Senat, Urteil
vom 14.05.2014 - L 11 KA 43/12 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.2006 - L 5 KA 5567/05 -). Die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr ist verbindlich, wenn sie billigem Ermessen entspricht. Ob dies der Fall ist, unterliegt
der Wertung. Billiges Ermessen ist nicht positiv zu bestimmen, sondern lässt sich nur negativ abgrenzen, indem festgestellt
wird, dass eine konkret bestimmte Gebühr außerhalb des Bereichs liegt, der vom billigen Ermessen abgedeckt ist. Maßgebend
können nur die Umstände des Einzelfalls sein. Dabei ist zu beachten, dass das grundsätzliche Gebührenbestimmungsrecht des
Anwalts nicht dadurch ausgehöhlt werden darf, dass eine Gebührenbemessung schon dann als unbillig korrigiert wird, wenn sie
lediglich "gut bemessen" ist. Jede Ermessensausübung bewegt sich innerhalb eines durch die Umstände bestimmten Rahmens und
eine Ermessensausübung ist auch dann noch billig, wenn sie an den oberen Rand des durch die Umstände bestimmten Rahmens geht.
Erst dann, wenn dieser obere Rand überschritten wird, ist die Gebühr unbillig. Dann erst ist für das Gericht der Weg frei,
das anwaltliche Ermessen durch eigenes Ermessen zu ersetzen (Senat, Urteil vom 14.05.2014 - L 11 KA 43/12 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.11.2007 - L 10 KA 24/07 -; Hartmann, Kostengesetze, 44. Auflage, 2014, § 14 RVG Rdn. 23). Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass die Korrektur nicht auf grobe Unbilligkeit beschränkt ist, sonst
hätte der Gesetzgeber sich des Begriffs der offenbaren Unbilligkeit, wie sie z.B. in § 319 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch formuliert ist, bedient. Unbilligkeit kann dann vorliegen, wenn der Rechtsanwalt einen auf der Hand liegenden Faktor überhaupt
nicht beachtet oder einen offensichtlich völlig abwegigen Faktor zum Maßstab gemacht hat. Ist die Gebühr von einem Dritten
zu ersetzen, wobei Dritter u.a. auch die Staatskasse ist, muss ausdrücklich festgestellt werden, dass die bestimmte Gebühr
unbillig hoch ist. Zweifel gehen zu Lasten des Dritten. Im Allgemeinen werden Abweichungen von bis zu 20% noch als verbindlich
angesehen (BSG, Urteil vom 26.02.1992 - 9a RVs 3/90 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.08.2006 - L 10 B 7/06 SB - und Urteil vom 14.11.2007, a.a.O.).
Ausgehend von den in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG aufgeführten Grundsätzen ist vorliegend im Ergebnis mit der Beurteilung des SG der Ansatz eines Gebührensatzes von 2,0 angemessen. Die Voraussetzungen der amtlichen Anmerkung zur Nr. 2300 VV RVG liegen vor, da die anwaltliche Tätigkeit auf jeden Fall überdurchschnittlich umfangreich, aber auch schwierig war. Bei dieser
Bewertung kommt es allerdings, wie sich schon aus dem Wortlaut der Nr. 2300 VV RVG ergibt, nicht auf die individuellen Fähigkeiten des eingeschalteten Rechtsanwalts an (vgl. dazu auch im Einzelnen LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 13.12.2006, a.a.O.). Ebenso ist nicht entscheidend, welcher Rechtsmaterie der Streitgegenstand zuzuordnen ist.
Wenn auch vielfach vertreten wird, dass "Probleme des Kassenarztrechts" "als schwierige Rechtsmaterien" einzustufen seien
(vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.2006, a.a.O. zur Sonderbedarfszulassung von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten),
existiert kein gefestigter Rechtsgrundsatz, dass Angelegenheiten des Vertragsarztrechts regelhaft mit der Folge als schwierig
einzustufen sind, dass stets ein höherer bzw. der höchste Gebührensatz nach Nr. 2300 VV RVG in Ansatz zu bringen ist (Urteil des Senats vom 14.05.2014, a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.11.2007, a.a.O.).
Nach den Erfahrungen des Senats erfordert die richterliche Bearbeitung von Angelegenheiten des Vertragsarztrechts gerade in
Berufungsverfahren zumindest ein Vielfaches an Zeit und sonstigem Aufwand im Vergleich zu nahezu allen anderen dem LSG anfallenden
Berufungsangelegenheiten. In der Regel ist der anwaltliche Aufwand spiegelbildlich. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass
die Anforderungen im Berufungsverfahren nicht selten schon wegen der Zuspitzung der angetragenen Rechtsproblematik höher als
im reinen (Massen-)Verwaltungsgeschäft sein können. Zum anderen gibt es auch im Vertragsarztrecht Rechtsbereiche von unterschiedlicher
Schwierigkeit. Entscheidend bleibt daher unabhängig von der insoweit grundsätzlich vorgegebenen Tendenz die Beurteilung des
Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im Einzelfall (Urteil des Senats vom 14.05.2014, a.a.O.). Davon ausgehend
ist jedenfalls im vorliegenden Fall der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit als eine erheblich über dem Durchschnitt liegende
Leistung zu werten. Dabei ist nicht nur auf das umfassende schriftliche Vorbringen abzustellen, sondern es ist auch zu berücksichtigen,
dass zur Erfassung des Sachverhalts Besprechungen bzw. Rücksprachen mit dem Beigeladenen zu 7) erforderlich waren und dass
eine mündliche Verhandlung vor dem Beklagten stattgefunden hat. Auch hat bereits der Beklagte die anwaltliche Leistung als
schwierig eingestuft. Um in Verfahren, die die Job-Sharing-Zulassung zum Gegenstand haben, eine zuverlässige Beurteilung der
Rechtslage vornehmen zu können, muss der Rechtsanwalt umfassende Kenntnis von den Grundsätzen des Zulassungsrechts haben.
Er muss sich dazu insbesondere in die höchst umfangreiche Rechtsprechung bzw. Literatur einlesen bzw. diese verfolgen und
die dort aufgestellten Rechtssätze auf den konkreten Fall anwenden. Neben dieser unbedingt erforderlichen eingehenden Rechtskenntnis
erfordert die fallbezogene Umsetzung tiefgehendes Verständnis über die relevanten Zusammenhänge. All dies ist schließlich
auch in dem Vorbringen im Widerspruchsverfahren mehr als hinreichend zum Ausdruck gekommen, so dass die von den Rechtsanwälten
des Beigeladenen zu 7) in Ansatz gebrachte Geschäftsgebühr mit 2fachem Satz gerechtfertigt ist.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
|