Vertragsarztrecht
Rechtmäßigkeit einer Disziplinarmaßnahme wegen nicht nachgewiesener Fortbildungen
Pflicht des Vertragsarztes zur Fortbildung und zum Nachweis der Fortbildung
Auswahl der Disziplinarmaßnahme
Ermessensentscheidung
Eingeschränkte gerichtliche Kontrolldichte
Gründe
I.
Strittig ist die Rechtmäßigkeit einer Disziplinarmaßnahme wegen nicht nachgewiesener Fortbildungen.
Der Kläger war ab 1984 als Praktischer Arzt tätig und nahm ab 1996 als solcher an der hausärztlichen Versorgung in E teil.
Mit Schreiben vom 19.03.2009 erinnerte die Beklagte den Kläger an seine Pflicht zur fachlichen Fortbildung gemäß §
95d Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V). Bis spätestens zum 30.06.2009 müsse er nachweisen, in der Zeit ab dem 01.01.2002 250 Fortbildungspunkte erworben zu haben.
Ein entsprechendes Fortbildungszertifikat erstelle auf Antrag die Ärztekammer Nordrhein. Dieses sei in digitaler oder in Papierform
an sie, die Beklagte, weiterzuleiten.
Hierauf reagierte der Kläger nicht. Die Beklagte machte ihn deshalb mit Schreiben vom 25.11.2009 darauf aufmerksam, dass sie
nun gesetzlich verpflichtet sei, das vertragsärztliche Honorar in den ersten vier Quartalen, die auf den von der Nachweispflicht
umfassenden Fünfjahreszeitraum folgen, um 10 % zu kürzen. Sollte der Nachweis hinreichender Fortbildung nachträglich erbracht
werden, so ende die Honorarkürzung in dem Quartal, das auf den Nachweis folge. Werde der Nachweis jedoch weiterhin nicht erbracht,
müsse ab dem fünften Quartal das Honorar um 25 % gekürzt werden.
Nachdem der Kläger auch hierauf nicht reagierte, teilte die Beklagte ihm mit (Schreiben vom 21.03.2011), dass aufgrund weiterhin
fehlenden Nachweises über die Erfüllung der gesetzlichen Fortbildungspflicht das Honorar um 25 % zu kürzen sei. Auch hierauf
sowie auf die nachfolgenden Honorarkürzungen reagierte der Kläger nicht.
Mit Schreiben vom 01.09.2011 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Einleitung eines Disziplinarverfahrens an, da
er fortgesetzt gegen seine Pflicht zum Fortbildungsnachweis verstoße. Weder hierauf noch auf das Erinnerungsverfahren vom
28.09.2011 reagierte der Kläger.
Daraufhin beantragte der Vorstand der Beklagten im November 2011 die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens. Diesem Antrag
gab der Disziplinarausschuss mit Eröffnungsbeschluss vom 21.11.2011 statt und forderte den Kläger auf, zu dem ihm vorgeworfenen
Verstoß Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 10.11.2011 führte der Kläger als Grund für sein Verhalten die schlechte wirtschaftliche
Situation seiner Praxis an. Er habe Kosten reduzieren müssen, davon seien auch die Fortbildungen betroffen gewesen. Wegen
der finanziellen Probleme habe er sich durch die Beklagte intensiv beraten lassen, jedoch ohne Erfolg. Einen Nachfolger für
seine Praxis habe er nicht gefunden. Mündlich vom Disziplinarausschuss am 29.02.2012 angehört gab der Kläger an, ca. 60-100
Fortbildungspunkte statt der erforderlichen 250 Punkte gesammelt zu haben.
Der Disziplinarausschuss setzte als Disziplinarmaßnahme eine Geldbuße i.H.v. 5.000,00 EUR fest (Beschluss vom 29.02.2012,
ausgefertigt am 04.04.2012). Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe gegen seine vertragsärztlichen Pflichten verstoßen,
indem er sich nicht hinreichend fortgebildet habe. Bei der Auswahl der Maßnahme und der Höhe der festgesetzten Geldbuße habe
der Ausschuss einerseits den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt und andererseits dem Umstand Rechnung getragen,
dass der Kläger selbst durch Honorarkürzungen in Höhe von insgesamt 26.963,42 EUR bisher nicht zu pflichtgemäßem Verhalten
zu bewegen gewesen sei. Die fehlende Bereitschaft, sich ausreichend fortzubilden, könne nicht dadurch entschuldigt werden,
dass der Kläger seine Praxis in einer sozial schwierigen Umgebung betreibe. Der Disziplinarausschuss hoffe, dass die relativ
hohe Geldbuße den Kläger endlich dazu bewege, seine Einstellung zur Fortbildung von Vertragsärzten zu überdenken, und sich
künftig um ordnungsgemäße Nachweise zu bemühen.
Die Beklagte versuchte mehrfach, den Beschluss dem Kläger zuzustellen, zuletzt am 25.05.2012. Der Kläger hat am 25.06.2012
Klage erhoben und vorgetragen: Der Gesetzgeber habe die Ärzteschaft zur Fortbildung verpflichtet. Grundlage jeder professionellen
Arzt-Patienten-Beziehung sei hohe Wissenskompetenz und medizinische Erfahrung. Reines Punktesammeln, wie es im gesetzlichen
Fortbildungsverfahren vorgesehen sei, diene nicht diesen Zwecken, sondern allein dazu, dem Arzt industrielle Interessen näherzubringen.
Ungünstigerweise sei in Deutschland der international anerkannte Fortbildungsnachweis mittels Selbstdeklaration unbekannt.
Seine eigenen Fortbildungsaktivitäten seien fest verbunden mit den Patienten. Konkrete Beratungsanlässe motivierten ihn dazu,
Kollegen zu konsultieren und sich eingehend mit neuen Diagnostik- und Behandlungsmethoden zu beschäftigen. Hierzu lese er
in Universitätsbibliotheken einschlägige Literatur, nehme an Fallkonferenzen und Seminaren teil. Nachweise erstellten Universitäten
über diese Art der Fortbildung jedoch nicht. Im Übrigen habe er hohe finanzielle Verluste erlitten. Die Weiterführung der
Arztpraxis sei infrage gestellt. Insgesamt sei der angefochtene Beschluss nicht angemessen.
Der im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.01.2016 nicht erschienene Kläger hat schriftsätzlich erstinstanzlich sinngemäß
beantragt,
den Beschluss des Disziplinarausschusses der Beklagten vom 29.02.2012 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, es sei nicht in das Belieben des Klägers gestellt, über den Nachweis einer Fortbildung zu entscheiden.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.01.2016). Sie sei zulässig und insbesondere fristgerecht erhoben worden.
Zu Gunsten des Klägers unterstelle die Kammer den Zugang des angefochtenen Bescheides jedenfalls nicht vor dem 25.05.2012.
Die Klage sei jedoch nicht begründet und der Kläger durch den angefochtenen Disziplinarbescheid nicht rechtswidrig beschwert.
Es sei zutreffend festgestellt worden, dass er gegen die ihn treffenden vertragsärztlichen Pflichten zur Fortbildung und zum
Fortbildungsnachweis verstoßen habe. Nach §
95d SGB V in Verbindung mit den Bestimmungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Fortbildungsverpflichtung der Vertragsärzte
sei der Kläger verpflichtet gewesen, bis zum 30.06.2009 mindestens 250 Fortbildungspunkte zu erwerben und dies durch ein Fortbildungszertifikat
der Ärztekammer nachzuweisen. Diese Verpflichtung stehe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und verschiedener Landessozialgerichte (LSG) mit höherrangigem und insbesondere mit Verfassungsrecht in Einklang. Zutreffend
habe der Disziplinarausschuss festgestellt, dass es die wirtschaftliche Situation des Klägers nicht zu rechtfertigen vermöge,
über Jahre gegen seine Fortbildungsverpflichtung zu verstoßen. Schließlich seien nach der Fortbildungsordnung für die nordrheinischen
Ärzte auch kostenneutrale Fortbildungsveranstaltungen wählbar. Die verhängte Disziplinarmaßnahme in Form einer Geldbuße mittlerer
Höhe sowie ihre Begründung seien nicht zu beanstanden. Nicht erheblich sei schließlich, ob der Kläger noch über eine vertragsärztliche
Zulassung verfüge. Nach der Rechtsprechung des BSG führe die Beendigung einer Zulassung zwar grundsätzlich zur Erledigung des Verfahrens über die Rechtmäßigkeit einer festgesetzten
Disziplinarmaßnahme. Dies gelte indes nicht für den vorliegenden Fall einer nicht nur drohenden, sondern bereits verhängten
Geldbuße (BSG, Urteil vom 08.03.2000 - B 6 KA 62/98 R -).
Das Urteil ist dem Kläger am 09.03.2016 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 11.04.2016, einem Montag, Berufung eingelegt
und vorgetragen: Das Gericht berücksichtige nicht die Brennpunktlage der Praxis und die existenzbedrohenden ökonomischen Auswirkungen
seiner Entscheidung. Die Verpflichtung der Beklagten, eine flächendeckende vertragsärztliche Versorgung sicher zu stellen,
werde gefährdet. Der Disziplinarausschuss habe den ihm zustehenden Ermessensspielraum missachtet. In 30 Jahren Praxistätigkeit
habe es keine Beschwerden bezüglich der Qualität der Versorgung geben. Inzwischen sei er in der Schweiz tätig. Dort werde
seine langjährige Berufserfahrung geschätzt.
Der Kläger hat ein Fortbildungszertifikat der Ärztekammer Nordrhein vom 28.11.2014 zu den Akten gereicht. Danach "gilt" seine
Fortbildungsverpflichtung nach §§ 95d bzw. 137
SGB V "bis 30.6.2009" als erfüllt. Weiter hat er ein Schreiben der Ärztekammer Nordrhein vorgelegt, hiernach war er vom 01.01.2011
bis zum 29.01.2015 zur Fortbildung anderer Ärzte befugt.
Er beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichtes Düsseldorf vom 13.01.2016 abzuändern und den Beschluss des Disziplinarausschuss vom 29.02.2012
aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Disziplinarmaßnahme sei zu Recht ergangen. Insbesondere habe sie die dauerhafte Weigerung des Klägers, sich ausreichend
fortzubilden und dies nachzuweisen, zutreffend gewürdigt. Daran änderten die erst jetzt, d.h. über vier Jahre später, vorgelegten
Bescheinigungen nichts.
Der Senat hat die Beteiligten zu seiner Absicht angehört, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss
gemäß §
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge
der Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Senat kann über die Berufung des Klägers durch Beschluss entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet
hält und eine mündliche Verhandlung entbehrlich ist (§
153 Abs.
4 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG)). Die Beteiligten sind zu diesem Vorgehen angehört worden (Satz 2).
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die (Anfechtungs-)Klage mit Urteil vom 13.01.2016 zu Recht abgewiesen, denn der Beschluss des Disziplinarausschusses
vom 29.02.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§
54 Abs.
2 Satz 1
SGG).
Zur Begründung nimmt der Senat auf die Gründe des Disziplinarbeschlusses vom 29.02.2012 (§
153 Abs.
1 i.V.m. §
136 Abs.
3 SGG) und des angefochtenen Urteils vom 13.01.2016 Bezug (§
153 Abs.
2 SGG), die er sich nach eingehender Prüfung zu Eigen macht. Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen
Entscheidung. Ergänzend wird ausgeführt:
Der Kläger hatte gegen seine Verpflichtung zur fachlichen Fortbildung (§
95d Abs.
1 Satz 1
SGB V) und zum Nachweis dieser Fortbildung (§
95d Abs.
3 Satz 1
SGB V) seit 01.06.2009 fortlaufend verstoßen. Rechtsgrundlage für die daraufhin mit Beschluss vom 29.02.2012 gegen den Kläger verhängte
Geldbuße i.H.v. 5.000,00 EUR ist § 19 Abs. 1c Disziplinarordnung der Beklagten. Dieser lautet: "Hält der Disziplinarausschuss
eine Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten für erwiesen, so kann er folgende Maßnahmen aussprechen: a) Verwarnung, b)
Verweis, c) Geldbuße bis zu 10.000,00 EUR, d) Anordnung des Ruhens der Zulassung/vertragsärztlichen Beteiligung bis zu zwei
Jahren.". Gegen den Kläger wurde damit nicht die stärkste (Anordnung des Ruhens der Zulassung), sondern die zweitstärkste
Sanktion (Geldbuße) verhängt und zwar in Höhe der Hälfte des im Zeitpunkt der Verhängung gültigen Höchstbetrages von 10.000,00
EUR.
1. Die Entscheidung war rechtmäßig.
a) Im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung
abzustellen (BSG, Urteil vom 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R -; Senat, Urteil vom 28.06.2006 - L 10 KA 36/05 -). Der Beschluss des Disziplinarausschusses vom 29.02.2012 hielt sich im Rahmen der bei seinem Erlass gültigen einfach-
und untergesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen. So regelte §
81 Abs.
5 SGB V in der Fassung vom 26.03.2007 (a.F.): "Die Satzung der kassenärztlichen Vereinigungen müssen ferner die Voraussetzungen und
das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder bestimmen, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht
ordnungsgemäß erfüllen. Maßnahmen nach Satz 1 sind je nach Schwere der Verfehlung Verwarnung, Verweis, Geldbuße oder die Anordnung
des Ruhens der Zulassung oder der vertragsärztlichen Beteiligung bis zu zwei Jahren. Das Höchstmaß der Geldbuße kann bis zu
10.000,00 EUR betragen. Ein Vorverfahren (§
78 des
Sozialgerichtsgesetzes) findet nicht statt.". §
4 Abs.
9 Satzung der Beklagten vom 08.06.2011 lautete: "Mitglieder, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß
erfüllen, insbesondere gegen die für sie verbindlichen vertraglichen Bestimmungen und Richtlinien verstoßen oder unrichtige
Bescheinigungen oder Berichte erstellen, können je nach Schwere der Verfehlung mit einer in der Disziplinarordnung vorgesehenen
Maßnahmen belegt werden. Das Gleiche gilt gegenüber Mitgliedern, welche die Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen,
die ihnen im Rahmen der sonstigen von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein übernommenen Aufgaben der ärztlichen Versorgung
obliegen. Ein Ausschluss von diesen Aufgaben regelt sich nach den gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen. Die Durchführung
eines entsprechenden Verfahrens wird durch die von der Vertreterversammlung zu beschließende Ordnung zur Ausübung der Befugnisse
gemäß §
81 Abs.
5 SGB V geregelt (Disziplinarordnung)."
b) Die Geltung des Disziplinarrechts im Vertragsarztrecht war und ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Die gesetzlichen
Vorgaben für die Festsetzung von Disziplinarmaßnahmen sind hinreichend bestimmt (BSG, Urteil vom 08.03.2000 - B 6 KA 62/98 R -; Senat, Urteil vom 18.02.2015 - L 11 KA 39/12 -). Die Pflicht des Vertragsarztes zur Fortbildung und zum Nachweis der Fortbildung dienen der Sicherung der Qualität der
vertragsärztlichen Versorgung; die für den Fall der Verletzung dieser Verpflichtung vorgesehenen Sanktionen bis hin zur Zulassungsentziehung
stehen im Einklang mit der Berufsfreiheit aus Art.
12 Abs.
1 GG (BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 19/14 R - und Beschluss vom 28.10.2015 - B 6 KA 36/15 B -). Ein vom Kläger nicht weiter konkretisierter Verstoß gegen "internationale Vereinbarungen" liegt nicht vor.
2. Die Beklagte hat gegen den Kläger die Geldbuße i.H.v. 5.000,00 EUR rechtmäßig verhängt.
Die gerichtliche Überprüfung von Disziplinarmaßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigungen beschränkt sich auf die Prüfung,
ob der Disziplinarausschuss von einem richtigen und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und sich von sachgerechten
Überlegungen hat leiten lassen, also ob rechtlich zutreffend eine schuldhafte Nichterfüllung vertragsärztlicher Pflichten
angenommen und die verhängte Maßnahme ermessensfehlerfrei ausgewählt wurde (hierzu BSG, Urteil vom 03.09.1987 - 6 RKa 30/86 -; Senat, Urteile 13.03.2013 - L 11 KA 144/11 - , vom 15.12.2010 - L 11 KA 100/08 - und 07.06.2000 - L 11 KA 29/99 -).
Davon ausgehend erweist sich der Beschluss des Disziplinarausschusses vom 29.02.2012 als rechtmäßig.
a) Anders als der Kläger behauptet, hat die Beklagte den entscheidungserheblichen Sachverhalt vollständig ermittelt. Nicht
entscheidungsrelevant für die Frage nach der Rechtmäßigkeit der verhängten Geldbuße i.H.v. 5.000,00 EUR ist, ob er über eine
Befugnis zur Weiterbildung von Ärzten verfügte (dazu aa)), warum er das bis dato fehlende Fortbildungszertifikat nach der
Entscheidung des Disziplinarausschusses doch noch hat vorlegen können (dazu bb)) und ob sich Patienten konkret über die Qualität
seiner Arbeit beschwert haben (dazu cc)).
aa) Auf die Befugnis des Klägers, selbst andere Ärzte weiterzubilden, kam und kommt es nicht an, da ein Vertragsarzt seiner
verfassungsgemäßen, in §
95d Abs.
1 SGB V normierten Pflicht zur eigenen Fortbildung nicht durch das (reine) Innehaben einer Weiterbildungsbefugnis nachkommt. Zudem
hat der Kläger erst rund vier Jahre nach Erlass des Beschlusses des Disziplinarausschusses auf seine Befugnis, andere Ärzte
weiterzubilden, hin- und diese nachgewiesen. Im Rahmen der strittigen reinen Anfechtungsklage ist jedoch allein der Sach-
und Streitstand zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich, mithin der Sach- und Streitstand vom 29.02.2012
(BSG, Urteile vom 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R - und 22.03.1995 - 10 RKg 10/89 - sowie Beschlüsse vom 16.05.1995 - 9 BVs 54/94 - und 17.08.2011 - B 6 KA 18/11 B -).
bb) Aus demselben Grund kommt es nicht darauf an, dass der Kläger - ebenfalls erst vier Jahre nach der angegriffenen Verwaltungsentscheidung
- erstmals behauptet, doch bis zum 30.06.2009 seiner Fortbildungsverpflichtung nachgekommen zu sein. Das entsprechende Fortbildungszertifikat
stammt nicht aus der Zeit vor Verhängung der Geldbuße i.H.v. 5.000,00 EUR, sondern erst vom 28.11.2014. Es wurde erstmals
Ende 2016 dem Gericht und der Beklagten vom Kläger vorgelegt. §
95d Abs.
3 SGB V begründet jedoch nicht nur die allgemeine vertragsärztliche Pflicht zur Fortbildung, sondern auch zum (rechtzeitigen) Nachweis
der Fortbildung (Pawlita in jurisPK-
SGB V, 3. Auflage, 2016, §
95d Rn. 11). Dieser Nachweispflicht ist der Kläger bis zur Verhängung der Disziplinarmaßnahme am 29.02.2012 nicht nachgekommen.
Daher kann der Senat offenlassen, wie es dazu kommt, dass der Kläger entgegen seines eigenen Vortrags im Disziplinarverfahren
nun nicht mehr nur 60-100 Fortbildungspunkte gesammelt haben will, sondern nach dem nun überreichten Fortbildungszertifikat
sogar die benötigten 250 Punkte.
cc) Ebenfalls unerheblich ist, ob Patienten sich über die Qualität der Arbeit des Vertragsarztes beschwert haben. Genau solche
Beschwerden sollen durch die rechtzeitige und regelmäßige Fortbildungsverpflichtung möglichst vermieden werden (Bundestagsdrucksache
15/1525 S. 109; BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 19/14 R -).
b) Die gewählte Sanktion war verhältnismäßig.
Bei der Auswahl der Disziplinarmaßnahme und bei der Festsetzung ihrer Höhe ist der Disziplinarausschuss grundsätzlich ermächtigt,
nach seinem Ermessen zu handeln, sodass die Entscheidung nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist (BSG, Urteil vom 30.11.2016 - B 6 KA 38/15 R - m.w.N.). Nach diesen Maßstäben ist der Bescheid der Beklagten rechtmäßig.
Der Disziplinarausschuss hat das ihm zustehende Ermessen erkannt und fehlerfrei ausgeübt. Insbesondere hat er das ihm eingeräumte
Ermessen nicht mit der Erwägung überschritten, der Kläger könne seine Weigerung zur Fortbildung bzw. zum Fortbildungsnachweis
aufgrund einer Geldbuße i.H.v. 5.000,00 EUR überdenken, so dass noch schwerwiegendere Disziplinarmaßnahmen obsolet würden.
Vielmehr zeigt die Regelung des §
95d Abs.
3 SGB V in der Fassung vom 22.12.2011 ("Erbringt ein Vertragsarzt den Fortbildungsnachweis nicht spätestens zwei Jahre nach Ablauf
des Fünfjahreszeitraums, soll die kassenärztliche Vereinigung unverzüglich gegenüber dem Zulassungsausschuss einen Antrag
auf Entziehung der Zulassung stellen."), dass der Gesetzgeber sogar den Entzug der Zulassung des Vertragsarztes bei einer
Verhaltensweise wie der des Klägers als zulässig erachtet. Die gesetzliche Regelung geht davon aus, dass ein Vertragsarzt
seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt, wenn er über einen Zeitraum von fünf Jahren seiner Fortbildungs(nachweis)pflicht
nicht oder nur unzureichend nachkommt, sich auch durch empfindliche Honorarkürzungen nicht beeindrucken lässt und sich damit
hartnäckig der Fortbildungsverpflichtung verweigert. Das Verhalten eines Vertragsarztes, der - wie der Kläger - insgesamt
etwa sieben Jahre (nahezu) ungenutzt verstreichen lässt, um seiner Fortbildungs(nachweis)pflicht nachzukommen, und der in
dieser Zeit alle Hinweise und Anfragen der kassenärztlichen Vereinigung ignoriert, lässt somit nur den Schluss auf eine Verantwortungslosigkeit
beim Umgang mit den vertragsärztlichen Pflichten zu (BSG, Beschluss vom 28.10.2015 - B 6 KA 36/15 B - und vom 08.10.2015 - B 6 KA 02/15 BH -; Senat, Urteil vom 08.02.2015 - L 11 KA 39/13 -).
Nicht erheblich ist, dass und seit wann genau der Kläger über keine Zulassung als Arzt mehr verfügt. Auf die Ausführungen
des SG wird Bezug genommen (§
153 Abs.
2 SGG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 Satz 1
SGG).