Vertragsarztrecht
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen
Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, Daten zu löschen bzw. Bestandteile aus den über ihn geführten Akten zu
entfernen.
Dem Kläger, der in E als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen war, wurde wegen Nichtausübung
der vertragsärztlichen Tätigkeit mit Bescheid vom 25.10.2012 die Zulassung entzogen. In den Jahren 2011 und 2012 bemühte sich
der Kläger mehrfach in anderen KV-Bezirken, etwa in Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Oberfranken und Karlsruhe, erfolglos
um Zulassungen. Im Rahmen der entsprechenden Verfahren stellte der Beklagte die ihm vorliegenden Akten den auswärtigen Zulassungsgremien
zur Verfügung. Die Akten des Beklagten enthalten unter anderem Informationen aus mehreren Strafverfahren sowie aus Verfahren
über die Anordnung des Ruhens der Approbation und Entscheidungen des Zulassungs- und des Berufungsausschusses aus den Jahren
ab 2000. Darunter befinden sich Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, dass der Kläger mehrfach bzw. kontinuierlich
seine vertragsärztlichen Pflichten verletzt habe.
Am 13.11.2012 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben und zunächst schriftsätzlich die Feststellung begehrt, dass es dem Beklagten nicht erlaubt sei, persönliche
Daten, die älter als zehn Jahre seien, an andere gleichartige Institutionen des öffentlichen Rechts weiter zu geben. Er hat
die Auffassung vertreten, Akten über Sachverhalte, die mehr als zehn Jahre zurück lägen, dürften innerhalb der vertragsärztlichen
Institutionen nicht weiter gegeben werden. Auch für Ärzte dürfe die Aktenführung und Weitergabe von Akten nicht über die in
anderen Lebensbereichen üblichen Bestimmungen hinausgehen. Die Weiterleitung nicht mehr aktueller Vorwürfe gleiche einer üblen
Nachrede oder einer falschen Verdächtigung. Er habe in mehr als 20 Jahren vertragsärztlicher Tätigkeit keine vertragsärztlichen
Pflichten verletzt.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, Daten aus berufsrechtlich relevanten Verfahren, die nicht unmittelbar mit der Ausübung des
ärztlichen Berufs in Zusammenhang stehen, in Fällen ohne Gerichtsverhandlung nach vier Jahren und in Fällen mit Gerichtsverhandlung
nach zehn Jahren zu löschen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er vorgetragen, die vom Kläger zunächst erhobene Feststellungsklage sei unzulässig, da er die Klärung abstrakter
Rechtsfragen begehre. Im Übrigen sei die Verwertung von Tatsachen aus rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zulässig und unterliege keinen Einschränkungen. Das gleiche gelte für die Feststellungen
der Bezirksregierung in Verfahren über den Widerruf der Approbation.
Mit Urteil vom 12.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung auf eine isolierte Leistungsklage umgestellte Klage sei
unzulässig. Die Entscheidung über die Löschung von Daten stelle einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar, weshalb nicht die allgemeine Leistungsklage statthaft, sondern eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß
§
54 Abs.
1 und
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zu erheben sei. Hierfür fehle es an einem abgeschlossenen Verwaltungs- und Vorverfahren als notwendiger Prozessvoraussetzung.
Ob die ursprünglich formulierte Feststellungsklage zulässig gewesen wäre, könne dahin gestellt bleiben, weil der Kläger trotz
entsprechender Hinweise auf den in der mündlichen Verhandlung formulierten Antrag bestanden habe. Jedenfalls sei die allgemeine
Leistungsklage unbegründet, da das Begehren des Klägers einer rechtlichen Grundlage entbehre. Weder die für die Aktenführung
des Beklagten in erster Linie maßgebliche Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) noch das SGB X oder das Datenschutzgesetz NRW enthielten Regelungen, die nach Ablauf bestimmter Fristen einen Anspruch auf Löschung von
Daten vorsähen. Die Begründung von Mindestaufbewahrungsfristen in § 43 Ärzte-ZV sei nicht gleichzusetzen mit einer Verpflichtung zur Löschung von Daten bzw. Vernichtung von Akten nach Fristablauf. Auch
§ 84 SGB X sowie § 19 Datenschutzgesetz NRW enthielten keine Regelung, nach der Daten oder Aktenbestandteile nach Ablauf konkreter Fristen auf
Antrag zu löschen wären. Aus den beiden Vorschriften ergebe sich allein, dass die speichernde Stelle Daten dann zu löschen
habe, wenn sie die Kenntnis zur Aufgabenerfüllung nicht mehr benötige. Zulassungsgremien müssten jederzeit in der Lage sein,
das Vorliegen bzw. Fortbestehen der Zulassungsvoraussetzungen, namentlich der Geeignetheit des Vertragsarztes, zu überprüfen.
Dabei seien sie auf die möglichst umfassende Kenntnis aller relevanten Umstände angewiesen. Ein Rechtssatz, dass einzelne
Informationen nach Ablauf bestimmter Fristen für diese Beurteilung keine Relevanz mehr hätten, existiere nicht. Ob und welche
rechtlich vertretbaren Schlüsse aus länger zurück liegenden Sachverhalten gezogen werden könnten, sei vielmehr in Abhängigkeit
von den konkreten Umständen des Einzelfalles zu beurteilen und daher Gegenstand des jeweiligen, die Zulassung betreffenden
Verfahrens. Auch § 58a Heilberufsgesetz NRW begründe den geltend gemachten Anspruch des Klägers nicht. Die Regelung beziehe
sich allein auf die Verfahren zur Ahndung berufsrechtswidrigen Verhaltens von Angehörigen der Kammern für Heilberufe. Die
spezialgesetzliche Regelung beanspruche keine Allgemeingültigkeit und könne nicht auf andere Rechtsbereiche übertragen werden.
Entsprechendes gelte auch für die weiteren vom Kläger herangezogenen Vorschriften.
Der Kläger hat gegen das ihm am 09.12.2016 zugestellte Urteil am 15.01.2017 (Faxaufdruck) oder 16.01.2017 (Eingangsstempel
des SG) Berufung eingelegt. Er sei von Mitte Dezember bis etwa 10. Januar arbeitsunfähig erkrankt und insbesondere auch daran gehindert
gewesen, seine Geschäfte zu besorgen. Auf den Hinweis des Senats, dass die Berufungsschrift zu spät eingegangen und Wiedereinsetzungsgründe
nicht ausreichend vorgetragen seien, hat er geltend gemacht, dass die Berufung fristgerecht erfolgt sei, weil er "nachweislich
in Berlin im Dezember 2016 verhindert war." Das Urteil des SG sei rechtswidrig. Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des SG Düsseldorf vom 12.10.2016 zu ändern und gemäß dem Klageantrag zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Berufung für unzulässig, weil sie nicht fristgerecht eingelegt worden sei. Im Übrigen sei sie auch unbegründet.
Das erstinstanzliche Urteil sei rechtmäßig.
II.
Der Senat kann nach Anhörung der Beteiligten gemäß §
158 Satz 2
SGG durch Beschluss entscheiden, denn die Berufung ist gemäß §
158 Satz 1
SGG als unzulässig zu verwerfen. Sie ist nicht innerhalb der gesetzlichen Frist erhoben worden. Eine Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand kommt nicht in Betracht.
Gemäß §
151 Abs.
1 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Das Urteil des SG ist dem Kläger am 09.12.2016 mit Postzustellungsurkunde durch Einlegen in den Briefkasten (§
63 SGG i.V.m. §§
176,
180 Zivilprozessordnung (
ZPO)) zugestellt worden. Somit begann die Monatsfrist am 10.12.2016 (§
64 Abs.
1 SGG) und endete am Montag, dem 09.01.2017 (§
64 Abs.
2 SGG). Diese Frist hat der Kläger nicht eingehalten.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §
67 SGG kommt nicht in Betracht. Nach §
67 Abs.
1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche
Verfahrensfrist einzuhalten. Hinsichtlich der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen genügt nach §
67 Abs.
2 Satz 2
SGG die Glaubhaftmachung. Der Kläger kann sich hierbei aller Beweismittel bedienen, die geeignet sind, die Wahrscheinlichkeit
der festzustellenden entscheidungserheblichen Tatsachen in einem ausreichendem Maße dar zu tun, also auch des Verfahrens der
Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung (§
202 SGG i.V.m. §
294 Abs.
1 Zivilprozessordnung -
ZPO -). Einen solchen Nachweis hat der Kläger trotz gerichtlicher Nachfrage nicht erbracht. Aus der pauschalen Angabe, er sei
"von Mitte Dezember bis etwa 10. Januar arbeitsunfähig erkrankt", ergibt sich kein Hinweis auf die gesundheitliche Unfähigkeit,
eine Berufung einzulegen. Jedenfalls hat der Kläger eine Erkrankung nicht glaubhaft gemacht. Ebenso wenig ist der weitere
Vortrag, er sei "nachweislich in Berlin im Dezember 2016 verhindert" gewesen, geeignet zu erklären, aus welchen Gründen er
daran gehindert war, bis zum 09.01.2017 Berufung einzulegen. Nachweise hat er nicht vorgelegt und hierzu auch nichts weiter
vorgetragen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG).