Streitwertbeschwerde
Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit
Lediglich informativer Charakter
Gründe
I.
Die Beschwerdeführer sind die Prozessbevollmächtigten des Klägers. Sie wenden sich im eigenen Namen gegen einen Beschluss
des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf, mit welchem dieses den Streitwert für die Klage auf eine Anstellungsgenehmigung auf 60.000,00 EUR festgesetzt
hat.
Der Kläger ist Facharzt für Pathologie und sowohl in L als auch in H jeweils mit dem Anrechnungsfaktor 0,5 zur vertragsärztlichen
Versorgung zugelassen. Am 27.03.2013 beantragte er die Genehmigung der Anstellung von Frau K X, Fachärztin für Pathologie,
mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von jeweils 20 Stunden sowohl in L als auch in H. Der Beklagte bestätigte mit Blick auf
die zum 01.01.2013 beschlossene Zulassungssperre den ablehnenden Beschluss des Zulassungsausschusses (Beschluss vom 04.12.2013).
Hiergegen richtete sich die Klage vom 16.01.2014. Die Aufnahme der Arztgruppe der Pathologen in die Bedarfsplanung sei rechtswidrig.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 30.11.2016 abgewiesen.
Mit Beschluss vom 29.07.2017 hat das SG den Streitwert für das Verfahren auf 60.000,00 EUR festgesetzt. Gegenstand des Verfahrens sei ein nicht bezifferbarer Anspruch
des Klägers auf Erteilung einer Anstellungsgenehmigung gewesen. In Anlehnung an den in Zulassungssachen für die Streitwertbestimmung
zu Grunde zu legenden Zeitraum von drei Jahren ergebe sich ein Streitwert von 12 Quartalen x 5.000,00 EUR = 60.000,00 EUR.
Gegen den Streitwertbeschluss richtet sich die am 12.09.2017 eingelegte Beschwerde. Zur Begründung führen die Beschwerdeführer
aus, vorliegend ergäben sich genügend Anhaltspunkte für die genaue Quantifizierung des Streitwerts. Der Kläger begehre die
Genehmigung zur Anstellung einer Fachärztin für Pathologie ohne Leistungsbegrenzung mit einem jeweiligen Anrechnungsfaktor
von 0,5 im Sonderbedarf an den beiden Standorten in H und L. Eine Sonderbedarfsanstellung stehe einer Sonderbedarfszulassung
gleich. In derartigen Teilnahmesachen orientiere sich das wirtschaftliche Interesse am erzielbaren Gewinn der zusätzlichen
Zulassung für den Kläger. Entsprechend der Streitwertfestsetzungen im Fall von Erstzulassungen sei der durchschnittliche Umsatz
pro Pathologe im Bundesdurchschnitt abzüglich einer anzunehmenden fünfzigprozentigen Kostenquote bezogen auf drei Jahre zugrunde
zu legen (hier 473.418,00 EUR).
Die Beschwerdeführer beantragen sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.07.2017 abzuändern und den Streitwert auf 473.418,00 EUR festzusetzen.
Die Beigeladene zu 7) beantragt,
die Beschwerde abzuweisen.
Der Beschwerdeführer verkenne, dass es sich nicht um einen Rechtsstreit über eine Zulassung, sondern lediglich über eine Anstellung
handele. Er vergesse, dass nach seinem Ansatz zusätzlich die Kosten der Anstellung berücksichtigt werden müssten und die Tatsache,
dass angestellte Ärzte weniger "erarbeiteten" als ein Praxisinhaber.
II.
Die Streitwertbeschwerde ist zulässig (§ 68 Gerichtskostengesetz (GKG), 32 Abs. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) aber unbegründet.
Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit aufgrund richterlichen Ermessens nach der sich
aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen, soweit nichts anderes geregelt ist. Maßgeblich
ist grundsätzlich dessen wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens (vgl. Senat, Beschlüsse vom 23.10.2017 - L 11 KA 30/17 B ER und L 11 KA 31/17 B ER -).
Es ist zu erwägen, den Streitwert für Verfahren, in denen um die Anstellungsgenehmigung gestritten wird, entsprechend der
Vorgehensweise in Zulassungssachen von den zusätzlichen Einnahmen des Vertrags(zahn)arztes aus einer Tätigkeit des Angestellten
im vertrags(zahn)ärztlichen Bereich unter Zugrundelegung eines Zeitraums von drei Jahren abhängig zu machen, es sei denn,
die Genehmigung wurde lediglich für einen kürzeren Zeitraum beantragt. Von den auf diese Weise zu ermittelnden potenziellen
Einnahmen wären dann die durchschnittlichen Praxiskosten und das für den Angestellten zu zahlende Gehalt abzuziehen (zur Vorbereitungsassistentin:
Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 27.11.2006 - B 6 KA 38/06 B -).
Ein solches Vorgehen erweist sich jedoch als untauglich. Schon die Klärung, welche zusätzlichen Einnahmen der Kläger in einem
zu definierenden Zeitraum geniert hätte, würde allenfalls zu einem spekulativen Ergebnis führen. Denn die Ärztin sollte erst
angestellt und deren Stelle geschaffen werden. Im Übrigen ist es weder geboten noch sachgerecht, aus Anlass einer Streitwertfestsetzung
die Kosten anhand der individuellen Praxisverhältnisse zu ermitteln, denn ihre Aufklärung wäre anders als die Feststellung
des Praxisumsatzes aus vertragsärztlicher Tätigkeit nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich. Zum einen bestimmt sich das
wirtschaftliche Interesse eines Arztes oder Medizinischen Versorgungszentrums an einer Anstellungsgenehmigung nicht nur danach,
welche Umsätze der angestellte Arzt zu generieren vermag, sondern auch danach, welche Umsätze die übrigen in der Praxis tätigen
Ärzte bspw. aufgrund der internen Zuständigkeitsverteilung aufgrund der streitbefangenen Anstellungsgenehmigung zusätzlich
zu generieren vermögen. Darüber hinaus sind die individuellen Praxiskosten von zahlreichen vorgegebenen (etwa der Fallzahl
der Praxis) oder steuerbaren Umständen (z.B. Investitionsentscheidungen des Arztes) abhängig und können daher von Jahr zu
Jahr stark schwanken (BSG, Beschluss vom 07.01.1998 - 6 RKa 84/95 -). Eine Beweisaufnahme verbietet sich (hierzu Kothe in Redeker/von Oertzen,
VwGO, 16. Auflage, 2014, §
161 Rn. 5). Infolgedessen fehlen jegliche Grundlagen für eine näherungsweise verlässliche Schätzung (vgl. auch Senat, Beschluss
vom 13.02.2018 - L 11 KA 33/17 B ER -).
Der Streitwert kann auch nicht entsprechend der Kriterien für den Fall einer (Erst )Zulassung berechnet werden. Das wirtschaftliche
Interesse eines Praxisinhabers an einer Anstellungsgenehmigung entspricht nicht demjenigen, das ein Arzt hat, der eine Zulassung
begehrt. Neben den Praxiskosten, die ein zugelassener Arzt zu tragen hat, treffen den anstellenden Arzt die Kosten der Anstellung.
Außerdem kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein angestellter Arzt den gleichen Umsatz erwirtschaftet wie ein für eigene
Rechnung tätiger zugelassener Arzt.
Demzufolge kann auf die Kriterien des § 52 Abs. 2 GKG zurückgegriffen werden. Hiernach ist ein Streitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung
des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet. Da die Bedeutung der Klage erkennbar über diesem Wert liegt, ist der
Streitwert angemessen zu erhöhen (vgl. Senat, Beschluss vom 27.07.2010 - L 11 B 16/09 KA ER -). In Anlehnung an den in Zulassungssachen für die Streitbestimmung zugrunde zulegenden Zeitraum von drei Jahren (BSG, Beschluss vom 12.10.2005 - B 6 KA 47/04 B -; Urteil vom 01.09.2005 - B 6 KA 41/04 R -) ergibt sich ein Streitwert von 12 Quartale x 5.000,00 EUR = 60.000,00 EUR (hierzu u.a. Senat, Beschlüsse vom 25.04.2018
- L 11 KA 84/15 -, 09.03.2018 - L 11 KA 21/17 B ER -, 13.02.2018 - L 11 KA 33/17 B ER - und 16.10.2017 - L 11 KA 27/17 B ER -).
Soweit die Beschwerdeführerin auf den Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit (abgedruckt für 2009 z.B. bei Jansen,
SGG, 4. Auflage, 2012, S. 1627 ff.) Bezug nimmt, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass dieses von den Präsidentinnen und
Präsidenten der Landessozialgerichte verantwortete und als "Empfehlung" titulierte Werk mit Art.
97 Abs.
1 GG i.V.m. §
25,
26 Deutsches Richtergesetz kollidiert und insoweit rechtswidrig sein dürfte (hierzu Senat, Beschluss vom 13.09.2016 - L 11 KA 78/15 -; Beschluss vom 27.07.2010 - L 11 B 16/09 KA ER -; vertiefend Frehse in Schnapp/Wigge, Handbuch für das Vertragsarztrecht, 3. Auflage, 2017, § 21 Rn. 170 m.w.N.).
Der Streitwertkatalog hat somit lediglich informativen Charakter. Der Katalog ist ohnehin unvollständig und damit wenig brauchbar,
wenn lediglich punktuelle Entscheidungen zu einzelnen Komplexen aufgegriffen werden (so schon LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss
vom 20.11.2006 - L 10 B 34/06 KA -). Hieraus folgt, dass der Streitwert von vornherein nicht mit einem schlichten Hinweis auf im Katalog gelistete tabellarische
Werte festgesetzt werden kann. Dies gilt umso mehr, als die auf eine Streitwertbeschwerde ergehende gerichtliche Entscheidung
nachvollziehbar zu begründen ist (Senat, Beschluss vom 23.10.2017 - L 11 KA 30/17 B ER -; Hartmann, Kostengesetze, 44. Auflage, 2014, GKG, § 68 Rn. 21).
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten sind nicht zu erstatten (§ 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 68 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, §
177 SGG).