Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes in der vertragsärztlichen Versorgung
Zulässigkeit der Rücknahme eines Antrags auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes bis zur Auswahlentscheidung des Zulassungsausschusses
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Verfahren zur Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes beendet ist.
Der Beigeladene zu 8) war als Facharzt für Augenheilkunde in F niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Nachdem der Beklagte dem Antrag des Beigeladenen zu 8) gemäß §
103 Abs.
3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens mit Beschluss vom 23.04.2014 entsprochen hatte, schrieb die Beigeladene
zu 7) dessen Vertragsarztsitz gemäß §
103 Abs.
4 SGB V im Rheinischen Ärzteblatt 6/2014 aus. Für die Nachbesetzung bewarb sich unter anderem der ebenfalls als Facharzt für Augenheilkunde
in F vertragsärztlich zugelassene Kläger, verbunden mit dem Antrag, die Beschäftigung einer angestellten Ärztin zur Weiterführung
der Praxis zu genehmigen. Im Nachbesetzungsverfahren fand sodann am 20.08.2014 vor dem Beklagten ein Termin statt, in dem
die Sache vertagt wurde. Nachfolgend nahm der Beigeladene zu 8) mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 04.11.2014 den Antrag
auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes zurück, worauf hin der Beklagte das Verfahren als erledigt behandelte und einen für
den 12.11.2014 angesetzten neuen Termin absagte. Dem widersprach der Kläger.
Im Februar 2015 beantragte das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) der Klinik E die Genehmigung der Beschäftigung des Beigeladenen
zu 8) als angestellten Arzt. Dieser erklärte den Verzicht auf seine Zulassung unter dem Vorbehalt, dass die beantragte Anstellung
bestandskräftig genehmigt werde.
Der Kläger, der weiterhin die Übernahme des Vertragsarztsitzes des Beigeladenen zu 8) im Wege der Nachbesetzung anstrebt,
hat am 16.03.2015 Klage erhoben. Zu deren Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, das eingeleitete Nachbesetzungsverfahren
sei nicht erledigt, da der Beigeladene zu 8) nach der bestandskräftigen Entscheidung des Beklagten über die Durchführung des
Nachbesetzungsverfahrens den Antrag nicht mehr wirksam habe zurücknehmen können. Die bisherige Rechtsprechung, nach der der
Vertragsarzt seinen Antrag auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes und Auswahl eines geeigneten Bewerbers bis zur Auswahlentscheidung
des Zulassungsausschusses bzw. bis zur Bestandskraft des dem Ausschreibungsantrag stattgebenden Verwaltungsakts wirksam zurücknehmen
könne, entspreche nach der zum 01.01.2012 eingeführten Neuregelung des §
103 Abs.
3a SGB V nicht mehr der Rechtslage. Denn der nach §
103 Abs.
3a Satz 1
SGB V statthafte Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens richte sich allein auf die Ausschreibung selbst. Sei diesem
bestandkräftig stattgegeben worden, könne er nicht mehr zurück genommen werden. Den schützenswerten Interessen des Vertragsarztes
sei bereits genüge getan. Berechtigte Belange, den Antrag nach bestandskräftiger Bescheidung über die Durchführung des Ausschreibungsverfahrens
zurückzunehmen, seien nicht erkennbar. Während des Ausschreibungsverfahrens seien zunächst die Rechte der Bewerber im Lichte
von Art.
3 Grundgesetz (
GG) zu wahren. Die Chancengleichheit werde unterlaufen, wenn der abgebende Vertragsarzt nach positiver Bescheidung seines Ausschreibungsantrags
diesen wieder zurücknehmen könnte, um - wie hier - zu verhindern, dass der Zulassungsausschuss einem anderen als seinem Wunschnachfolger
die Zulassung erteile, und sodann versuche, auf einem anderen Weg seinen präferierten Kandidaten durchzusetzen.
Der Kläger hat beantragt,
1.
festzustellen, dass sich das Nachbesetzungsverfahren für den Vertragsarztsitz des Beigeladenen zu 8) nicht durch die Rücknahme
des Antrags mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 04.11.2014 erledigt hat,
2.
dem Beklagten zu untersagen, aufgrund einer von Herrn Dr. G außerhalb des zu 1. genannten Nachbesetzungsverfahrens abgegebenen
Verzichtserklärung auf dessen Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung die Beendigung von dessen Zulassung zur vertragsärztlichen
Versorgung festzustellen, oder die Wirksamkeit einer solchen Verzichtserklärung sonst wie anzuerkennen, solange das zu 1.
angegebene Nachbesetzungsverfahren nicht beendet ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, der Beigeladene zu 8) habe den Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens für seinen
Vertragsarztsitz vor der Auswahlentscheidung wirksam zurücknehmen können. Dass das Nachbesetzungsverfahren seit 01.01.2013
zweistufig erfolge, ändere an der rechtlichen Bewertung einer möglichen Rücknahme des Ausschreibungsantrags nichts. Die Bewerber
auf den Vertragsarztsitz erhielten vor der Auswahlentscheidung weiterhin keine eigenen Rechte. Die nun vorgeschaltete Prüfung
bewirke bei positiver Entscheidung lediglich den Zustand wie er vor Inkrafttreten des Versorgungsstrukturgesetzes aufgrund
der Ausschreibung des Sitzes bestanden habe. Der Gesetzgeber habe die erste Stufe einer Entscheidung über das Ob des Ausschreibungsverfahrens
nicht zum Schutz der Bewerber eingeführt, sondern einzig aus Versorgungsgesichtspunkten zum Abbau der bestehenden Überversorgung.
Rechte Dritter seien unberührt geblieben. Daher sei die Verfügungsbefugnis des Vertragsarztes über seinen gestellten Antrag
nicht eingeschränkt worden. Einzuräumen sei, dass die Möglichkeit der Antragsrücknahme dazu führe, dass der Praxisinhaber
es in der Hand habe, einen ihm nicht genehmen Nachfolger zu verhindern. Diese Möglichkeit stehe jedoch im Einklang mit dem
Sinn und Zweck der in §
103 SGB V eingeräumten Rechtsposition des Praxisinhabers.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Klage durch Urteil vom 12.10.2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Zulässigkeit der
Klage ergebe sich aus §
103 Abs.
3a Satz 11
SGB V. Sie sei jedoch nicht begründet. Denn das Nachbesetzungsverfahren habe mit der Rücknahme des Antrags des Beigeladenen zu
8) seine Erledigung gefunden. Insbesondere habe der Kläger keine Rechte erworben, die dem entgegenstehen könnten. Auch nach
der ab 01.01.2012 geltenden Fassung des §
103 Abs.
4 SGB V könne der Antrag auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet
sind, jedenfalls bis zur Auswahlentscheidung des Zulassungsausschusses zurückgenommen werden. Aus dem Umstand, dass der Antrag
nicht wie nach der alten Rechtslage auf eine Ausschreibung durch die Kassenärztliche Vereinigung zum Zwecke der Nachbesetzung
beschränkt sei, sondern ein Antrag an den Zulassungsausschuss auf Entscheidung über die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens
erforderlich geworden sei, ergäben sich keine weitergehenden Rechte der Bewerber. Die Rechtsänderung ziele allein darauf ab,
das Instrumentarium zum Abbau von Überversorgungen zu erweitern. Bei positiver Entscheidung des Zulassungsausschusses trete
der Zustand ein, der vor der Rechtsänderung bestanden habe. Soweit der Rücknahme des Antrags auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens
keine schutzwürdigen Motive zugrunde gelegen haben sollten, könnten sich hieraus allenfalls Auswirkungen auf einen Anspruch
des Beigeladenen zu 8) auf ein erneutes Nachbesetzungsverfahren oder gegebenenfalls auch auf den Anspruch des MVZ der Klinik
E auf eine eventuelle Nachbesetzung der Angestelltenstelle des Beigeladenen zu 8) ergeben.
Gegen das am 25.11.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.12.2016 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, der
Beigeladene zu 8) habe am 24.06.2014 alle Bewerber mit Ausnahme seines Wunschkandidaten Dr. T aufgefordert, ihre Bewerbung
zurückzuziehen. Denn er habe bereits einen Kollegen gefunden, der die Praxis übernehmen solle. Die Bewerber hätten sich dadurch
aber nicht abhalten lassen. Nach der erneuten Verzichtserklärung des Beigeladenen zu 8) zugunsten einer Anstellung im MVZ
der Klinik E GmbH im Februar 2015 sei (nach einem ER-Verfahren vor dem SG Düsseldorf - S 33 KA 314/15 ER -) im März 2016 die Anstellung genehmigt worden. Bereits im Juni 2016 sei nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses
mit dem Beigeladenen zu 8) dem MVZ die Anstellung von Dr. T auf dieser Arztstelle genehmigt worden.
Seit dem 01.01.2012 beziehe sich der Antrag des Verzichtenden ausschließlich auf die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens
und nicht mehr auf die Ausschreibung des Vertragsarztsitzes. Der Antrag des Beigeladenen zu 8) vom 30.03.2014 sei mit Durchführungsbeschluss
vom 23.04.2014 vom Beklagten positiv beschieden worden. Es gebe daher nichts, was zurückgenommen werden könne. Wenn der Praxisinhaber
mit dem ausgewählten Bewerber keinen Vertrag abschließen wolle, bedeute dies nicht, dass der von ihm bevorzugte Kandidat auszuwählen
sei. Eine dahingehende Einflussnahme des Praxisinhabers sei missbräuchlich. Nachdem seine Aufforderung vom 24.06.2014 zur
Bewerbungsrücknahme erfolglos gewesen sei, habe der Beigeladene zu 8) seinen Antrag zurückgenommen und zugunsten eines MVZs
auf die Zulassung verzichtet. Dort sei er nur ein Quartal als angestellter Arzt tätig gewesen. Deutlicher könne nicht zum
Ausdruck kommen, dass nur der Wunschkandidat habe durchgesetzt werden sollen. Der spätere, erneute Zulassungsverzicht (zugunsten
der Anstellung im MVZ) sei unwirksam. Ein bereits erklärter (bedingter) Zulassungsverzicht könne nicht nachträglich durch
einen unbedingten Verzicht zu Gunsten einer Anstellung überholt werden. Es bestehe kein berechtigtes Interesse für eine weitere
Verzichtserklärung. Zudem stelle es einen unzulässigen Eingriff in den Gang einer Bedingung dar (§§
162,
242 Bürgerliches Gesetzbuch).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.10.2016 abzuändern und festzustellen, dass sich das vom Beklagten unter der
Chiffre Nr. 000 geführte Nachbesetzungsverfahren (ehemalige Praxis Dr. G) nicht durch die Rücknahme des Antrags auf Durchführung
des Nachbesetzungsverfahrens vom 04.11.2014 oder anderweitig erledigt hat.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Das Recht auf Rücknahme des Antrags auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens
habe durch das Versorgungsstrukturgesetz keine Einschränkung erfahren. Insbesondere habe durch das Einführen einer Entscheidung
über das Ob eines Nachbesetzungsverfahrens nicht der Drittschutz erweitert werden sollen. Drittschutzwirkung für konkurrierende
Bewerber trete erst ein, nachdem der Zulassungsausschuss abschließend über das Nachbesetzungsverfahren entschieden habe, also
über die Frage, wer Nachfolger sein solle. Das Bundessozialgericht (BSG) habe im Urteil vom 23.06.2016 - B 6 KA 9/15 R - klargestellt, dass das Nachbesetzungsverfahren mit der Rücknahme des Antrags beendet sei. Stelle der Praxisabgeber allerdings
einen erneuten oder sogar einen dritten Antrag, müsse er ein berechtigtes Interesse hierfür sowie die Gründe für die vorherige
Rücknahme nachvollziehbar gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung und den Zulassungsgremien darlegen.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten
Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
1. Dabei kann dahinstehen, ob die vom Kläger gewählte Feststellungsklage zulässig ist (zur Subsidiarität vgl. BSG, Urteil vom 26.01.2000 - B 6 KA 47/98 R -; Frehse in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 3. Auflage, 2017, §
21 Rn. 40) oder die Untätigkeitsklage nach §
88 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) richtige Klageart gewesen wäre. Grundsätzlich können nach §§
96,
97 SGB V nur die Entscheidungen des Berufungsausschusses gerichtlich überprüft werden, so dass alle Rechtsbehelfe, die die Zulassung
zur vertragsärztlichen Versorgung zum Gegenstand haben, gegen den Berufungsausschuss zu richten sind (BSG, Urteil vom 27.01.1993 - 6 RKa 40/91 -; Senat, Beschluss vom 05.12.2012 - L 11 KA 121/12 B ER -; Frehse, a.a.O. § 21 Rn. 48). Zulassungsbewerber müssen sich aber gegen rechtswidrige oder gar willkürliche Verzögerungen
einer Entscheidung über Zulassungsanträge zur Wehr setzen können. In diesen Fällen sind "Bescheidungserzwingungsentscheidungen"
der Sozialgerichte nötig aber auch ausreichend (vgl. zum einstweiligen Rechtsschutz: Senat a.a.O.).
2. Jedenfalls ist die Klage unbegründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe
des angefochtenen Urteils des SG Düsseldorf, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§
153 Abs.
2 SGG). Das Berufungsvorbringen des Klägers führt zu keinem anderen Ergebnis.
a) Das Nachbesetzungsverfahren hat sich dadurch erledigt, dass der Beigeladene zu 8) seinen Antrag zurückgenommen hat. Dieser
war darauf gerichtet, ein solches Verfahren durchzuführen (§
103 Abs.
3a Satz 1 und 7, Abs.
4 Satz 1
SGB V). Dafür sind mehrere (mindestens zwei) Stufen zu durchlaufen: Liegt dem Zulassungsausschuss ein Antrag auf Durchführung eines
Nachbesetzungsverfahrens vor, hat er zu prüfen, ob auf eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen verzichtet
werden kann (1. Stufe). Ist das der Fall, kann er den Antrag ablehnen (§
103 Abs.
3a Satz 3
SGB V). Entscheidet sich der Zulassungsausschuss - wie hier - für die Einleitung eines Nachbesetzungsverfahrens, so ist die frei
werdende Zulassung nach §
103 Abs.
4 Satz 1 und Satz 2
SGB V von der Kassenärztliche Vereinigung (KV) auszuschreiben, die Liste der Bewerber zu übersenden und der Nachfolger vom Zulassungsausschuss
auszuwählen (Stufen zwei bis vier). Andernfalls schließt sich die Entschädigung durch die KV nach §
103 Abs.
3a Satz 8
SGB V an (2. Stufe).
38 Nach der Antragsrücknahme ist kein Verwaltungsverfahren i.S.d. § 8 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mehr anhängig, das abgeschlossen werden könnte. Insbesondere ist die Auffassung des Klägers unzutreffend, dass mit der Entscheidung
des Zulassungsausschusses, ein Nachbesetzungsverfahren durchzuführen, also mit der ersten Stufe, bereits der Antrag des Praxisabgebers
(vollständig) beschieden und daher nach dessen Bestandskraft keine Rücknahme des Antrags mehr möglich sei. Der Wortlaut von
§
103 Abs.
3a und
4 SGB V besagt, dass der Praxisabgeber die "Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens" beantragt, mithin alle Stufen (für dieses
Verständnis auch Pawlita in jurisPK-
SGB V, 3. Auflage, 2016, §
103 Rn. 39). Der Antrag ist damit erst vollständig beschieden, wenn alle erforderlichen Entscheidungen getroffen sind. Wieviele
das im Einzelfall sind, hängt von der Weichenstellung auf der ersten Stufe ab. Beendet ist das Verfahren jedenfalls nicht
mit der Entscheidung auf der ersten Stufe, sondern erst entweder mit der Festsetzung der Entschädigung oder der Auswahl des
Nachfolgers. Auch nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht steht somit einer Rücknahme des Antrags nichts entgegen.
Ein Verständnis des "Antrags auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens" dahingehend, dass der Antragsteller nur die Entscheidung
des Zulassungsausschusses über das Ob der Nachbesetzung nicht aber zugleich die nachfolgenden Stufen beantragt, entspricht
weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des Antrags.
Es besteht auch kein Grund, das Nachbesetzungsverfahren durch eine Entscheidung der Zulassungsgremien zu beenden, wenn der
ausscheidende Arzt zwischenzeitlich durch Antragsrücknahme verdeutlicht hat, dass er seine Praxis nicht mehr verkaufen möchte.
Denn ein Nachfolger kann ohne Kauf der Praxis nicht tätig werden. Zum Abschluss eines Praxiskaufvertrags kann der Praxisabgeber
(auch nach Abschluss des Nachbesetzungsverfahrens) aber nicht gezwungen werden (dazu b).
b) Selbst wenn der Beigeladene zu 8) den Antrag nicht hätte zurücknehmen können, hat der Kläger jedenfalls keinen Anspruch
auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens. Er hat keine Rechtsposition inne, die verletzt sein könnte. Die Nachbesetzung
schützt das Verwertungsinteresse des ausscheidenden Vertragsarztes bzw. seiner Erben. Ein Bewerber hat nur einen Anspruch
auf Gleichbehandlung im Rahmen einer Auswahlentscheidung, nicht jedoch auf Ausschreibung des Sitzes und Durchführung eines
Nachbesetzungsverfahrens (Pawlita in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 3. Auflage, 2016, §
103 Rn. 40). Dies ergibt sich nicht allein aus dem Wortlaut von §
103 Abs.
4 SGB V (Senat, Beschluss vom 16.11.2015 - L 11 KA 42/15 B ER -), sondern folgt auch daraus, dass selbst ein vom Zulassungsausschuss ausgewählter Bewerber seine Zulassung nicht gegen
den Willen des abgebenden Vertragsarztes durchsetzen kann. Die Entscheidung des Zulassungsausschusses über den Nachfolger
hat nur zum Inhalt, dass der ausgewählte Arzt für einen bestimmten Vertragsarztsitz zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen
wird. Der Nachfolger wird nicht automatisch Inhaber der Praxis des ausscheidenden Vertragsarztes. Dies setzt vielmehr einen
privatrechtlichen Übernahmevertrag mit dem ausscheidenden Vertragsarzt bzw. seinen Erben voraus (BSG, Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 39/10 R -; Pawlita in jurisPK-
SGB V, 3. Auflage, 2016, §
103 Rn. 126). Lehnen der Vorgänger bzw. seine Erben einen Vertragsschluss ab, so kommt eine Praxisnachfolge nicht zustande. Es
ist Ausfluss der Vertragsfreiheit und Verfügungsbefugnis über das Eigentum an der Praxis, diese nicht an einen zugelassenen
Bewerber zu übergeben (BSG, Urteil vom 23.03.2016 - B 6 KA 9/15 R -; Pawlita in jurisPK-
SGB V, 3. Auflage, 2016, §
103 SGB V, Rn. 128.1). Selbst wenn ein Bewerber also vom Zulassungsausschuss ausgewählt wird, kann er den Praxisabgeber nicht zur Praxisübergabe
an ihn zwingen. Kommt eine Einigung nicht zustande, steht der Abgebende zwar "mit leeren Händen" da, der Bewerber kann die
Übereignung aber nicht erwirken. Ohne Inhaber der Praxis zu werden kann der ausgewählte Bewerber auch von seiner Zulassung
keinen Gebrauch machen, da sie an den Sitz gebunden ist. Wenn der ausgewählte Bewerber also letztlich seine Zulassung nicht
gegen den Willen des abgebenden Vertragsarztes durchsetzen kann, hat er während des Auswahlverfahrens erst recht keinen sicherungsfähigen
Anspruch hinsichtlich des frei werdenden Arztsitzes (zur Rechtslage bis 31.12.2012 BSG, Urteile vom 23.03.2016 - B 6 KA 9/15 R - und vom 05.11.2003 - B 6 KA 11/03 R -; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30.08.2012 - L 7 KA 41/12 B ER -). 11 Die Frage, ob der Beigeladene zu 8) in unzulässiger Weise auf das Nachbesetzungsverfahren einwirken wollte, und
etwaiger Konsequenzen stellt sich im vorliegenden Rechtsstreit nicht. Im Fall einer unzulässigen Einflussnahme auf das Nachbesetzungsverfahren
wird das erste Verfahren nicht gegen den Willen des Antragstellers fortgeführt. Vielmehr verliert der Praxisabgeber das "Nachbesetzungsrecht".
Er kann keine weiteren (zulässigen) Anträge nach §
103 Abs.
3a und
4 SGB V stellen (vgl. BSG, Urteil vom 23.03.2016 - B 6 KA 9/15 R -).
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).