Gründe
I.
Mit der am 10.01.2012 beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen den
Bescheid der Beklagten vom 02.11.2011, mit dem diese die Schließung der BKK I mit Sitz in E zum 31.12.2011 verfügt hat.
Die Klägerin macht geltend, als Arbeitnehmerin der BKK I Drittbetroffene und daher klagebefugt zu sein. Mit der Schließung
der BKK I ende auch ihr Arbeitsverhältnis. Der Schließungsbescheid sei formell und materiell unwirksam (wird ausgeführt).
Für die Klage gegen den Schließungsbescheid seien die Landessozialgerichte funktionell zuständig, denn aufgrund des mit der
Schließung einhergehenden Arbeitsplatzverlustes sei sie als Arbeitnehmerin beschwert, sodass es sich um eine Aufsichtsangelegenheit
i.S.v. §
29 Abs.
2 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) handele.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Klägerin sei nicht klagebefugt (wird ausgeführt). Die Bestimmungen des Aufsichtsrechts
hätten keinen drittschützenden Charakter. Der Verlust des Arbeitsplatzes resultiere nicht aus dem Schließungsbescheid, sei
vielmehr eine Fernwirkung. Insoweit habe die Kläger bereits Klage vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf erhoben. Die Zuständigkeit
des LSG sei nicht gegeben sei, da §
29 Abs.
2 Nr.
2 SGG nur Streitigkeiten zwischen Krankenkassen und der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde erfasse. Allein die Tatsache, dass
sich die Klägerin als Beschäftigter der BKK I gegen den Schließungsbescheid wende, führe nicht dazu, dass es sich um eine
Aufsichtsangelegenheit i.S.v. §
29 Abs.
2 Nr.
2 SGG handele. Daraus folge, dass das Sozialgericht Duisburg sachlich und örtlich zuständig sei.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, den Rechtsstreit an das Sozialgericht Duisburg zu
verweisen.
Die Klägerin hat in der Klageschrift (hilfsweise) beantragt,
den Rechtsstreit an das Sozialgericht Duisburg zu verweisen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Streitakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten
verwiesen.
II.
Das LSG ist sachlich und örtlich unzuständig. Der Senat hat dies nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen gemäß §
98 Satz 1
SGG i.V.m. §
17a Abs.
2 Satz 1
Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG) auszusprechen und den Rechtsstreit zugleich an das sachlich und örtlich zuständige Sozialgericht Duisburg zu verweisen.
Das angerufene Gericht hat von Amts wegen seine sachliche und örtliche Zuständigkeit zu prüfen und festzustellen (Eschner
in Jansen,
SGG, 3. Auflage, 2009, §
98 Rdn. 5; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage, 2012, §
98 Rdn. 4). Nach §
29 Abs.
2 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII vom 24.03.2011(BGBl. I 453) entscheiden das Landessozialgericht im ersten Rechtszug als sachlich zuständiges Gericht über
2. Aufsichtsangelegenheiten gegenüber Trägern der Sozialversicherung und ihren Verbänden, gegenüber den Kassenärztlichen und
Kassenzahnärztlichen Vereinigungen sowie der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, bei denen die Aufsicht
von einer Landes- oder Bundesbehörde ausgeübt wird,
3. Klagen in Angelegenheiten der Erstattung von Aufwendungen nach § 6b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch,
Das LSG Nordrhein-Westfalen entscheidet gemäß §
29 Abs.
3 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der Unfallversicherung vom 30.10.20089 (BGBl. I 2130) überdies im ersten Rechtszug
über
1. Streitigkeiten zwischen gesetzlichen Krankenkassen oder ihren Verbänden und dem Bundesversicherungsamt betreffend den Risikostrukturausgleich,
die Anerkennung von strukturierten Behandlungsprogrammen und die Verwaltung des Gesundheitsfonds,
2. Streitigkeiten betreffend den Finanzausgleich der gesetzlichen Pflegeversicherung und
§
29 Abs.
2 Nr.
2 SGG begründet vorliegend keine Zuständigkeit des LSG. Eine Aufsichtsangelegenheit i.S.d. genannten Vorschrift liegt nicht schon
deshalb vor, weil sich die Klage gegen eine Maßnahme bzw. einen Bescheid der Aufsichtsbehörde richtet. Schon der Wortlaut
der Norm verbietet eine dermaßen weite Auslegung. Zuständigkeitsbestimmend ist hiernach Zweierlei. So muss Streitgegenstand
eine Aufsichtsangelegenheit sein. Hinzu kommen muss, dass diese &8243;gegenüber&8243; Trägern der Sozialversicherung und ihren
Verbänden (usw.) ausgeübt wird. Durch diese Wortwahl bezeichnet das Gesetz die Hauptbeteiligten des Verfahrens, nämlich den
Sozialversicherungsträger und die Aufsichtsbehörde (§
69 Nr. 1 und Nr. 2
SGG). Demzufolge muss die Klage von einer Körperschaft erhoben werden, die der Aufsicht unterliegt oder unterliegen könnte (vgl.
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.08.2011 - L 11 KR 2269/11 KL -). Daran fehlt es. Bei der von Klägerin erfolgten Anfechtung des Schließungsbescheides vom 02.11.2011 handelt es sich
ihr gegenüber nicht um eine Aufsichtsangelegenheit. Streitgegenstand des Rechtsstreits bildet allein die Schließungsverfügung,
die die beklagte Aufsichtsbehörde in dem Sonderrechtsverhältnis gegen die ihrer Staatsaufsicht nach §§
87 ff. Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (
SGB IV) unterliegende BKK I erlassen hat. Die durch den Schließungsbescheid vom 02.11.2011 erfolgte Ausübung der Staatsaufsicht
erschöpft sich regelmäßig allein in der Wahrung des Gleichgewichts zwischen Staat und Selbstverwaltungskörperschaft (vgl.
BSG, Urteil vom 14.02.2007- B 1 A 3/06 R -). An dem Rechtsverhältnis zwischen Aufsichtsbehörde und Selbstverwaltungsträger sind ausschließlich die aufsichtsführende
Körperschaft (hier die Beklagte) und der beaufsichtigte Selbstverwaltungsträger (hier die BKK I) beteiligt; denn die Rechtskontrolle
ist ein interner Vorgang innerhalb der öffentlichen Verwaltung, bei der über Rechte und Pflichten nur des Selbstverwaltungsträgers
entschieden wird (BSG, Urteil vom 18.05.1988 - 1/8 RR 36/83 -). Das Aufsichtsrecht ist nicht dazu bestimmt, dem Individualinteresse Einzelner zu dienen (BSG, Urteile vom 14.02.2007 - B 1 A 3/06 R - und 10.05.2000 - B 6 KA 20/99 R -). Ebenso wenig wie ein Dritter daher Ansprüche gegen eine Aufsichtsbehörde auf ein aktives Einschreiten gegen den der Aufsicht
unterstellten Sozialleistungsträger daraus ableiten kann, dass über den Inhalt materiell-rechtlicher Normen gestritten wird,
die (möglicherweise) auch den Schutz des Dritten zum Gegenstand haben, kann sich der Dritte gegen einen Bescheid der Aufsichtsbehörde
wenden (BSG, Urteil vom 14.02.2007 - B 1 A 3/06 R -). Diese Sichtweise ist auch deshalb geboten, weil im sozialversicherungsrechtlichen Aufsichtsverhältnis grundsätzlich ein
anderer Maßstab für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer angegriffenen Aufsichtsmaßnahme anzulegen ist, als er für die
gerichtliche Kontrolle von Verwaltungshandeln im Verhältnis zwischen Bürger und Staat allgemein gilt (BSG, Urteil vom 14.02.2007 - B 1 A 3/06 R -); denn Prüfungsmaßstab der Aufsichtsbehörde ist nach dem Grundsatz der maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht (lediglich),
ob allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe überschritten worden sind, wobei der beaufsichtigten Behörde ein gewisser, von
der Aufsicht zu beachtender Bewertungsspielraum zusteht, sofern sich das Handeln oder Unterlassen des Beaufsichtigten im Bereich
des rechtlich noch Vertretbaren bewegt (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 14.02.2007 - B 1 A 3/06 R - m.w.N.). Daraus ergibt sich, dass eine sachliche Zuständigkeit nach §
29 Abs.
2 Nr.
2 SGG nicht dadurch begründet werden kann, dass ein Dritter (hier die Klägerin) behauptet, durch eine gegenüber der BKK I vorliegende
Aufsichtsangelegenheit in ihren Rechten betroffen zu sein. Grundsätzlich wollte der Gesetzgeber mit der Einführung der erstinstanzlichen
Zuständigkeit der Landessozialgerichte durch das SGGArbGGÄnG vom 26.03.2008 (BGBl I, 444) den Instanzenzug in der Sozialgerichtsbarkeit
nämlich nicht in Frage stellen, sondern die Landessozialgerichte nur in den Fällen für erstinstanzlich zuständig erklären,
in denen es vorwiegend um die Klärung von Rechtsfragen geht. Er hat hierbei insbesondere an die Prozessökonomie und die Rechtssicherheit
für die "Sozialverwaltungen" (und nicht für potentiell Drittbetroffene) gedacht (BR-Drs 820/07, Seite 17 f). Vor diesem Hintergrund
sieht der Senat - insbesondere auch im Hinblick auf Art.
101 Grundgesetz (
GG) und §
59 SGG - keinen Bedarf für eine erweiternde oder analoge Anwendung der Ausnahmevorschrift (hierzu eingehend Senat, Beschlüsse vom
29.05.2012 - L 11 KR 206/12 B und L 11 KR 299/12 B - sowie 07.05.2012 - L 11 SO 108/12 B -) des §
29 Abs.
2 Nr.
2 SGG für Fälle, in denen ein Dritter behauptet, von einer Aufsichtsangelegenheit betroffen zu sein. Auch die weiteren Vorschriften
des §
29 Abs.
2 und
3 SGG finden erkennbar, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedarf, keine Anwendung. Damit verbleibt es gemäß §
8 SGG bei der sachlichen Zuständigkeit der Sozialgerichte.
Gemäß §
57 Abs.
1 Satz 1
SGG ist für Sozialrechtsstreitigkeiten das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung
seinen Sitz oder Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthaltsort hat; steht er in einem Beschäftigungsverhältnis,
so kann er auch vor dem für den Beschäftigungsort zuständigen Sozialgericht klagen. Ausgehend hiervon ist das Sozialgericht
Duisburg örtlich zuständig, denn die Klägerin hat ihren Wohnsitz in Essen. Der Rechtsstreit war daher gemäß §
98 Satz 1
SGG i.V.m. §
17a Abs.
2 Satz 1
GVG nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen an das sachlich und örtlich zuständige Sozialgericht Duisburg verweisen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Nach §
98 Satz 1
SGG i.V.m. §
17b Abs.
2 Satz 1
GVG werden die Kosten im Verfahren vor dem angegangenen Gereicht als Teil der Kosten behandelt, die bei dem Gericht entstehen,
an das der Rechtsstreit verwiesen wird. Sie bleibt mithin der Schlussentscheidung vorbehalten.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§§
98 Satz 2,
177 SGG).