Krankengeld
Einstweiliger Rechtsschutz
Anordnungsgrund zum Zeitpunkt der Entscheidung
Rückwirkende Feststellung einer besonderen Dringlichkeit
1. In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem
Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung.
2. Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist,
welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann.
3. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich
möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen; denn die prozessuale Funktion
des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Art.
19 Abs.
4 GG darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen
- Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden,
zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
Gründe
Die statthaften Beschwerden sind nicht zulässig. Sie sind überdies nicht begründet.
1.
Die Beschwerden sind nicht zulässig, weil das Rechtsschutzinteresse fehlt. Jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis
voraus (vgl. Senat, Beschluss vom 16.03.2011 - L 11 KA 96/10 B ER -). Daran fehlt es. Gerichtlicher Rechtsschutz ist hier entbehrlich, weil der Antragsteller sein Ziel, weiterhin Krankengeld
zu erhalten, auf anderem Wege einfacher und schneller erreichen könnte. Die Antragsgegnerin hatte den Antragsteller bereits
mit Schreiben vom 30.12.2016 darüber informiert, dass aufgrund des Ruhens des Leistungsanspruchs Krankengeld nur gezahlt werden
kann, wenn ohne die Krankengeldzahlung Hilfebedürftigkeit eintrete. Sie hat wiederholt bekundet, dass sie Krankengeld zahle,
sobald der Antragsteller die notwendige Bescheinigung zur Hilfebedürftigkeit des Jobcenters oder Sozialamtes vorlege. Der
Antragsteller hat aber weder die Bescheinigung beigebracht noch vorgetragen, dass (und ggf. aus welchen Gründen) ihm eine
solche vom Jobcenter oder Sozialamt nach entsprechendem Antrag verweigert worden wäre.
2.
Die Beschwerden sind auch unbegründet.
a) Nach §
86b Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt
das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller
das Bestehen eines Rechtsverhältnisses glaubhaft macht, aus dem er eigene Ansprüche ableitet. Maßgeblich sind in erster Linie
die Erfolgsaussichten der Hauptsache. Ein Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass
ihm unter Berücksichtigung der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht
zuzumuten ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 12.08.2013 - L 11 KA 92/12 - B ER, 08.07.2013 - L 11 KR 536/12 B ER -, 25.01.2012 - L 11 KA 77/11 B ER - und 29.06.2011 - L 11 KA 2/11 B ER -).
Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Die einstweilige Anordnung erscheint nicht nötig, um
wesentliche Nachteile abzuwenden (§
86b Abs.
2 Satz 2
SGG). Weder liegen dem Gericht aktuelle ärztliche Bescheinigungen von Arbeitsunfähigkeit vor noch hat der Antragsteller glaubhaft
gemacht, dass derzeit der Unterhalt seiner Familie nicht sichergestellt ist. Jedenfalls seit Februar 2017 erzielt seine Ehefrau
nach seinen Angaben monatliche Einkünfte in Höhe von (netto) 1286,69 EUR.
In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem
Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung.
Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches
im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum
betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung
eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund
des Artikels 19 Abs. 4
Grundgesetz (
GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen
- Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden,
zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht,
Beschlüsse vom 22.11.2002 - 1 BvR 1586/02 - und vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes
in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn
insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache
über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 05.02.2008 - L 26 B 2321/07 AS ER -; Frehse in Jansen,
Sozialgerichtsgesetz, 4. Auflage, §
86b Rdn. 101).
Auch für einen Ausnahmefall, in dem das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel
19 Abs.
4 Grundgesetz auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren
der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich nicht oder nicht hinreichend
rückgängig machen lassen, hat der Antragsteller nichts vorgetragen.
Darüber hinaus wirkt der Antragsteller am Verfahren nicht mehr mit. Er ist seit Monaten weder für seine Verfahrensbevollmächtigten
erreichbar noch hat er sich direkt an das Gericht gewandt. Damit dokumentiert er, dass keinerlei Eilbedürftigkeit (mehr) besteht.
b) Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Prozesskostenhilfe ist mangels jeglicher Erfolgsaussicht zurückzuweisen.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 Abs.
1 Satz 1
SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§
177 SGG).