Behandlungssicherungspflege
Schlafapnoe-Syndrom
Umfang der Hilfeleistungen
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die vorläufige Gewährung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege (Behandlungssicherungspflege)
für eine Sitzwache an sieben Nächten pro Woche.
Der am 00.00.1923 geborene Antragsteller leidet unter diversen Erkrankungen. Zufolge des Gutachtens des Medizinischen Dienstes
der Krankenversicherung (MDK) vom 20.04.2010 liegen die Voraussetzungen für die Pflegestufe III mit einem grundpflegerischen
Hilfebedarf von 259 Minuten aufgrund eines schwergradigen Schlafapnoe-Syndroms, Erstdiagnose 11/2009, nächtlicher Apnoe-Phasen,
von Tagesmüdigkeit und pulmonaler Minderbelastbarkeit, nächtlicher nicht-invasiver Beatmung, eines Parkinsonsyndroms mit allgemeiner
Bewegungseinschränkung, von Tremor der Hände sowie fortschreitender Demenz mit aufgehobener Alltagskompetenz, Stuhl- und Harnteilinkontinenz,
Zustand nach Apoplex, Zustand nach Prostata-Operation, Arrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern und Diabetes mellitus Typ 2
vor. Der Antragsteller wird beatmet mit "Biphasic Positive Airway Pressure" (BIPAP), einem Verfahren der druckkontrollierten
Beatmung - kombiniert mit Spontanatmung - durch ein Beatmungsgerät.
Der Antragsteller ist seither vielfach in Krankenhausbehandlung gewesen, teils wurde er wegen nächtlicher Luftnot mit einem
Notfallrettungswagen eingeliefert. Vom 09.08. bis 13.08.2014 befand er sich stationär im Knappschaftskrankenhaus C wegen Zustand
nach Lungenarterien-Embolie, chronischer Herzinsuffizienz, NYHA Heart Association Grad III, kombiniertem Aortenklappenvitium,
absoluter Arrhythmie bei chronischem Vorhofflimmern, art. Hypertonus, Diabetes mellitus, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung
Stadium II nach GOLD mit Langzeit-Sauerstoff-Therapie, obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom mit BIPAP-Therapie sowie nächtlichem
Cheyne-Stokes-Atemmuster ohne Sättigungsabfälle. Eine nächtliche BIPAP-Betreuung wurde als notwendig gesehen.
Im Jahr 2014 hat der Antragsteller über seine bevollmächtigte Tochter beantragt, die Kosten für eine Sitzwache pro Nacht zur
Überwachung der BIPAP-Atmung zu übernehmen. Er sei nicht in der Lage, in irgendeiner Weise einzugreifen, z.B. die Maske zu
richten oder auf Meldungen des Geräts zu reagieren. Auch seine Tochter kenne sich mit dem Gerät nicht aus. Sie pflege ihn
den ganzen Tag, sei daher körperlich nicht mehr in der Lage, auch noch Nachtwachen zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 11.09.2014). Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 05.02.2015).
Hiergegen richtet sich die zum Az. S 49 KN 172/15 KR vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund anhängig gemachte Klage. Mit weiterem Bescheid vom 05.01.2015 wurde die beantragte Sitzwache neuerlich abgelehnt.
Der Widerspruch vom 13.01.2015 blieb wiederum erfolglos (Bescheid vom 19.02.2015). Die Klage ist zum Az. S 49 KN 267/15 KR vor dem SG Dortmund anhängig.
Die behandelnde Ärztin verordnete eine Sitzwache zur Überwachung der BIPA-Beatmung für die Zeit vom zunächst 02.12.2014 bis
16.12.2014 und seither fortlaufend.
Die Antragsgegnerin holte eine Stellungnahme des Knappschaftskrankenhauses C vom 01.10.2014 ein. Danach war eine betreute
BILEVEL-Beatmungstherapie (Synonym für eine Beatmung mittels BIPAP) indiziert.
Der Antragsteller hat am 20.01.2015 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er hat darauf verwiesen, neuerlich vom 29.01.2015
bis 30.01.2015 stationär im St. K-Hospital C-M behandelt worden zu sein. Ausweislich des Arztbriefs vom 02.02.2015 sei ein
konsequenter und regelmäßiger Einsatz der BIPAP-Therapie auch nachts notwendig. Eine weitere stationäre Behandlung habe sich
vom 04.02. bis 10.02.2015 im Knappschaftskrankenhaus C angeschlossen. Wiederum habe man eine kontinuierliche BIPAP-Heimbeatmung
als indiziert angesehen. Seine Ärztin habe erklärt, auch über den 06.06.2015 hinaus Folgeverordnungen auszustellen. Die zuvor
zuständige Techniker Krankenkasse habe die Kosten für eine nächtliche Sitzwache bis zum 28.09.2013 übernommen.
Der Antragsteller hat beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Kosten für eine Sitzwache für die Nacht zur Überwachung der Maskenbeatmung im Rahmen
der häuslichen Krankenpflege ab sofort für die Dauer der ärztlichen Verordnung zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Eine Leistungsanordnung sei nur begründet, wenn ein wirksamer und effektiver Rechtsschutz wegen der langen Dauer des Hauptsacheverfahrens
nicht rechtzeitig erlangt werden könne und dies für den Antragsteller zu schlechthin unzumutbaren Nachteilen führe, die bei
einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr ausgeglichen werden könnten. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben.
So sei nicht erkennbar, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit" obsiegen werde.
Streitgegenständlich sei die Übernahme der Kosten einer nächtlichen Überwachung der Maskenbeatmung im Rahmen der häuslichen
Krankenpflege. Ausweislich der Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) vom 28.08.2014 sei eine qualifizierte
nächtliche Behandlungspflege nicht erforderlich. Auch bei längerer Nichtnutzung der Überdruckatmung bestehe keine vitale Bedrohung.
Das SG hat Beweis erhoben durch Beiziehung eines Befundberichts der behandelnden Ärztin vom 22.01.2015. Nach deren Auffassung sei
eine kontinuierliche Beatmungspflege notwendig, allerdings nicht sichergestellt und von der Tochter auch nicht zu gewährleisten.
Mit Beschluss vom 10.03.2015 hat das SG den Antrag abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Die Klage sei offensichtlich unbegründet. Der Antragsteller
habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Sitzwache zur Überwachung der Maskenbeatmung. Die Voraussetzungen des
§
37 Abs.
2 Satz 1 Halbs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) seien nicht erfüllt. Es habe sich nicht feststellen lassen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit sofortige pflegerische/ärztliche
Interventionen bei lebensbedrohlichen Situationen täglich erforderlich seien und nur die genauen Zeitpunkte und das genaue
Ausmaß nicht im Voraus bestimmt werden könnten. Schon lebensbedrohliche Situationen würde nicht auftreten. Auf die von der
verordnenden Ärztin geäußerten Ansicht könne der Antragsteller sich nicht berufen. Die Ärztin verkenne, dass die vitale Bedrohung
als Voraussetzung der Verordnungsfähigkeit der speziellen Krankenbeobachtung nicht nach längerer Nicht-Nutzung als eine Langzeitfolge
eintrete, sondern täglich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ausbleiben der Beatmung entstehen müsse. Ungewiss müssten
lediglich die genauen Zeitpunkte sowie das Ausmaß der lebensbedrohlichen Situationen sein. Derartiges lasse sich aus dem Krankenhausbericht
vom 03.02.2015 nicht entnehmen, da dort ausgeführt werde, dass der Antragsteller unter einer schweren schlafbezogenen Atmungsstörung
mit Cheyne-Stokes-Atmung leide, welche aktuell unter BIPAP-ST mit 8/14 mbar gut eingestellt sei. Die stationäre Behandlung
sei zur elektiven polysomnographischen Kontrolluntersuchung der BIPAP-ST-Therapie erfolgt, wobei sich eine effiziente Therapieeinstellung
gezeigt habe. Zahlreiche Phasen mit Cheyne-Stokes-Atmung seien durch die BIPAP-ST-Therapie effektiv kupiert worden. Aus dem
Bericht folge entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht, dass lebensbedrohliche Situationen drohten. Statt dessen werde
ausgeführt, dass mit Blick auf die schwere Linksherzinsuffizienz ein konsequenter und regelmäßiger, d.h. jede Nacht erfolgter
Einsatz der Therapie für dringend geboten gehalten werde, sofern hierzu Unterstützung durch eine Pflegekraft erforderlich
sei, wäre dies zu befürworten. Der Krankenhausarzt stelle damit gerade nicht die Notwendigkeit einer nächtlichen Sitzwache
fest, sondern lediglich eine Erforderlichkeit der konsequenten und regelmäßigen Nutzung der BIPAP-Beatmung. Eine medizinische
Notwendigkeit lasse sich hieraus nicht herleiten. Die Feststellungen des SMD bestätigten dies. Der SMD habe nach einem Hausbesuch
in seiner Stellungnahme vom 28.08.2014 ausgeführt, dass eine qualifizierte nächtliche Behandlungspflege nicht erforderlich
sei, weil auch bei längerer Nicht-Nutzung der Überdruckbeatmung keine vitale Bedrohung entstehe. Die weitere Stellungnahme
vom 17.12.2014 stimme damit überein: Die aktuelle Therapieform mit BIPAP-ST erfülle zwar die formalen Definitionskriterien
einer Beatmung in Anlehnung an die Definition der Deutschen Kodier-Richtlinien, allerdings keinesfalls im Sinne einer unmittelbar
lebenserhaltenden "Heimbeatmung". Vielmehr werde eine schlafbezogene Atmungsstörung behandelt und somit allein eine Therapie
unter prognostischen Gesichtspunkten i.S.e. positiven Beeinflussung kardiovaskulärer Risikofaktoren bzw. einer symptomatischen
Besserung der Tagesmüdigkeit vorgenommen. Die Behandlung sei einschließlich der zum Einsatz gebrachten Medizinprodukte explizit
für die nicht-überwachte, eigenständige, häusliche/nächtliche Behandlung ausgelegt. Eine unmittelbare Lebensgefahr sei weder
bei Diskonnektion des Schlauchsystems, noch bei Verrutschen der Maske oder Ausfall des Atemtherapiegerätes zu befürchten.
Auch ergebe sich keinerlei Notwendigkeit, Beatmungsparameter im Verlauf einer Nacht anzupassen, die verwendeten Geräte würden
im Gegenteil nicht einmal über die Möglichkeit der Veränderung von Beatmungsparametern durch den Patienten und/oder Angehörige
verfügen.
Diese Entscheidung greift der Antragsteller fristgerecht mit der Beschwerde an. Das SG stütze sich darauf, dass der SMD eine lebensbedrohliche Situation verneint habe. Allerdings habe der SMD zugestanden, dass
es durch die falsche Anwendung, durch das Verrutschen der Maske oder ähnliches zu einer lebensbedrohlichen Situation kommen
könne. Die Schlafapnoe führe dazu, dass eine Sauerstoffentsättigung eintrete. Deswegen müsse mittels der BIPAP-Therapie die
nächtliche Sauerstoffversorgung sichergestellt sein. Die Maske könne verrutschen. Sie könne abgenommen und dann nicht wieder
aufgesetzt werden. Die Schläuche könnten verknoten. Die Stellungnahme des SMD sei deshalb nicht so zu verstehen, wie das SG unterstellt habe. Im Übrigen habe sich das Gericht auf die Bescheinigung von Dr. L in seinem Arztbericht vom 02.02.2015 gestützt.
Hiermit konfrontiert habe dieser Arzt in seiner Stellungnahme vom 25.03.2015 klargestellt, dass aus seiner Sicht eine nächtliche
Betreuung durch eine geschulte Pflegekraft erforderlich sei, da nur so ein maximaler Therapieerfolg erreichbar sei. Bis er
- der Antragsteller - die Krankenkasse gewechselt habe, sei ihm über Jahre hinweg eine Sitzwache finanziert worden. Sein Zustand
habe sich verschlechtert. Im Übrigen habe sich das SG nicht mit der Stellungnahme von Prof. Dr. T, Knappschaftskrankenhaus C, vom 01.10.2014 auseinandergesetzt, welcher die Durchführung
einer betreuten BILEVEL-Beatmungstherapie zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung als indiziert angesehen habe
Der Antragsteller hat mit der Beschwerdeschrift zunächst beantragt,
unter Abänderung des Beschluss S 49 KN 81/15 KR ER des SG Dortmund vom 10.03.2015 die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten
für die Sitzwache für die Nacht zur Überwachung der Maskenbeatmung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege für die Zeit vom
20.10.2015 bis zum 31.03.2015 und darüber hinaus zu übernehmen.
Auf Hinweis des Senats vom 13.05.2015 hat er den Antrag abgeändert. Er beantragt nunmehr
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm eine Sitzwache für die Zeit von 22.00 Uhr abends bis 8.00 Uhr morgens, soweit verordnet,
zu stellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Entscheidung des SG entspreche der Sach- und Rechtslage. Eine vitale Bedrohung bei längerer Nichtnutzung sei nicht nachgewiesen. Eine zwingende
medizinische Notwendigkeit für eine nächtliche Sitzwache sei nicht belegt.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den in Kopie vorliegenden Verwaltungsvorgang
der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
1. Der Antrag ist auszulegen.
a) Ursprünglicher Antrag
aa) Erstinstanzlich hat der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Kosten für eine Sitzwache für
die Nacht zur Überwachung der Maskenbeatmung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege ab sofort für die Dauer der ärztlichen
Verordnung zu übernehmen. Der Antrag wurde am 20.01.2015 rechtshängig. Die Sitzwache war bis zum 31.03.2015 verordnet. Der
Beschluss des SG erging am 10.03.2015. Zu diesem Zeitpunkt war der Antrag nicht überholt. Die beim SG erhobene Beschwerde ging dort am 02.04.2015 ein und wurde am 07.04.2015 (Eingang) an das Landessozialgericht (LSG) weitergeleitet.
Zu diesem Zeitpunkt war das Rechtsschutzbedürfnis für den erstinstanzlich gestellten Antrag entfallen. Soweit zunächst beantragt
wurde, die Kosten für die Sitzwache für die Zeit vom 20.01.2015 bis 31.03.2015 zu übernehmen, wäre die Beschwerde mithin unzulässig.
bb) Anders verhält es sich mit dem Antrag, die Kosten "darüber hinaus zu übernehmen".
(1) Dieser Antrag ist unbestimmt und zu präzisieren. Der Antragsteller hat die von ihm angestrebte Dauer der Verpflichtung
der Antragsgegnerin, die Kosten für eine Sitzwache zu übernehmen, erstinstanzlich davon abhängig gemacht, dass die behandelnde
Ärztin entsprechende Verordnungen ausgestellt hat. Auch im Beschwerdeverfahren hat er sich hierauf bezogen. So hat er in der
Beschwerdeschrift darauf verwiesen, dass diese Ärztin am 16.03.2015 eine weitere Sitzwache bis zum 13.04.2015 verordnet habe.
Dies deutet darauf hin, dass der Antragsteller die Kostenübernahmeverpflichtung von jeweils einer Verordnung der Ärztin abhängig
macht. Indessen war dieser Zeitraum vom Antrag nicht erfasst und damit nicht streitbefangen. Mit der Beschwerde wird mithin
der Streitgegenstand verändert. Das ist rechtlich unproblematisch, sofern hierin keine Antragsänderung gesehen wird. Wird
hingegen angenommen, dass der Antragsgrund geändert wird, wäre dies nur unter den Voraussetzungen des auch im Beschwerdeverfahren
anwendbaren §
99 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig. Die Voraussetzungen dieser Norm wären erfüllt. Die Antragsgegnerin hat sich mit ihrem Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen,
auf den geänderten Antrag eingelassen (§
99 Abs.
2 SGG). Dennoch müsste die Beschwerde scheitern. Denn auch dieser Zeitraum (bis 31.03.2015) wäre überholt. Es würde das Rechtsbedürfnis
fehlen.
(2) Ungeachtet dessen war dieser Antrag aus anderem Grund problematisch. So wie vom Antragsteller formuliert, fehlt ihm jegliche
zeitliche Begrenzung. Die Wortfolge "darüber hinaus" hat einen unendlichen Zukunftsbezug. Das ist nicht Aufgabe des einstweiligen
Rechtsschutzverfahrens. Mit Schriftsatz vom 13.05.2015 hat der Antragsteller sein Vorbringen ergänzt und nunmehr darauf hingewiesen,
dass die behandelnde Ärztin für die Zeit vom 08.05.2015 bis 08.06.2015 eine neue Verordnung ausgestellt habe und weitere Verordnungen
ausstellen werde. Bei sachgerechter Auslegung dieses Vorbringens anhand der durch §
133 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) vorgegebenen Kriterien erfasst die Wendung "darüber hinaus zu übernehmen" daher jede Folgeverordnung. Der Antrag war daher
darauf gerichtet, die Antragsgegnerin zur Kostenübernahme zu verpflichten, solange und soweit die behandelnde Ärztin entsprechende
Verordnungen ausstellt. Ihm geht es trotz des ursprünglichen Kostenübernahmeantrags allerdings letztlich um die aktuelle Sicherung
der nächtlichen Sitzwache. Er hat dieserhalb das Hauptsacheverfahren anhängig gemacht. Die vorläufige Regelung kann sich deswegen
allenfalls auf die Dauer des Hauptsacheverfahrens richten. Da das Ergebnis ggf. von einer noch durchzuführenden Beweisaufnahme
bestimmt wird, muss der Antrag sinnvollerweise auf die Dauer des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren beschränkt bleiben.
Mit dessen Abschluss wird die Sach- und Rechtslage vertieft geprüft worden sein. In der Folge wird sich eine neue Bewertung
zu Gunsten oder zu Lasten des Antragstellers eröffnen. Ein über diesen Zeithorizont hinausgehender Antrag hätte spekulativen
Charakter und kann nicht ohne weiteres unterstellt werden. Demnach war der Antrag dahin auszulegen, dass der Antragsteller
eine Kostenübernahme für die Sitzwachen bis längstens zum Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren begehrt, allerdings
abhängig davon, dass die behandelnde Ärztin entsprechende Verordnungen ausstellt.
cc) Der ursprüngliche Antrag leidet unter einem weiteren Mangel.
(1) Eine Kostenübernahme für die Vergangenheit ist dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren fremd. Stattgebende Entscheidungen
im vorläufigen Verfahren sind grundsätzlich erst vom Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an möglich, weil nur solche
Gefahren für Rechte und Ansprüche des Betroffenen noch gegenwärtig und damit durch den gerichtlichen Eilrechtsschutz abwendbar
sind, die zu diesem und nach diesem Zeitpunkt noch bestehen. Für den Sachleistungsanspruch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung
ergibt sich dies auch daraus, dass der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die materiell-rechtliche Grenze zwischen Sachleistungsanspruch
(nur für Zeiträume ab der gerichtlichen Entscheidung möglich) und Kostenerstattungsanspruch (vergangene Zeiträume) bildet
(z.B. LSG Sachsen, Beschluss vom 13.11.2014 - L 1 KR 260/14 B ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.01.2011 - L 9 KR 283/10 B ER -). Hieraus folgt, dass die Beschwerde insoweit keinen Erfolg hätte.
(2) Der Senat hat den Antragsteller unter dem 13.05.2015 auf diese Rechtslage hingewiesen und angeregt, einen sachdienlichen
Antrag zu stellen (§
106 Abs.
1 SGG). Dem ist der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27.05.2015 nachgekommen. Der Senat hat vorsorglich darauf hingewiesen, dass
ein geänderter Antrag an der auch im Beschwerdeverfahren (§
153 Abs.
1 SGG) anwendbaren Regelung des §
99 SGG zu messen ist.
(3) Die Prüfung führt zu folgendem Ergebnis: Der Antragsteller hat ursprünglich einen Antrag auf Kostenübernahme gestellt.
Nunmehr ist der Antrag darauf gerichtet, eine Sitzwache zur Verfügung zu stellen. Dabei handelt es sich um unterschiedliche
Streitgegenstände. Der jeweilige Lebenssachverhalt und die Anträge weichen voneinander ab. Damit ist der geänderte Antrag
nur zulässig, wenn die Antragsgegnerin einwilligt oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält (§
99 Abs.
1 SGG). Die Antragsgegnerin hat sich hierzu aus Zeitgründen bislang nicht äußern können. Das ist entbehrlich, denn der Senat erachtet
die Antragsänderung als sachdienlich. Maßgebend hierfür sind die Interessen der Beteiligten und die Prozessökonomie (Eschner,
in: Jansen,
SGG, 4. Auflage, 2012, §
99 Rdn. 99; Hommel, in: Peters/Sautter/Wolff,
SGG, 4. Auflage, 33. Nachtrag, §
99 II/61-32). Die prekäre gesundheitliche Situation des Antragstellers verlangt wegen Art.
2 Abs.
2 Satz 1
Grundgesetz (
GG) eine großzügige Interpretation des unbestimmten Rechtsbegriffs "sachdienlich". Auch unter prozessökonomischen Gesichtspunkten
erscheint es sinnwidrig, die Beschwerde zurückzuweisen, weil der Antragsteller zunächst einen Kostenübernahmeantrag gestellt
hat, um ihn dann auf ein neues Antragsverfahren zu verweisen, nunmehr gerichtet auf die entsprechende Sachleistung.
2. In der Sache erweist sich die Beschwerde als begründet. Zur Überzeugung des Senats ist die in der Hauptsache anhängig gemachte
Klage entgegen der Rechtsmeinung des SG nicht offensichtlich unbegründet. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind gegeben.
a) Nach §
86b Abs.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung nach
Maßgabe der in Absatz 1 bzw. Absatz 2 genannten Voraussetzungen treffen. Danach ist zwischen Sicherungs- (§
86b Abs.
2 Satz 1
SGG) und Regelungsanordnung (§
86b Abs.
2 Satz 2
SGG) zu unterscheiden. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der
Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs
(Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen
(§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 der
Zivilprozessordnung (
ZPO)). Die in tatsächlicher (Glaubhaftmachung) wie in rechtlicher Hinsicht (grundsätzlich summarische Prüfung) herabgesetzten
Anforderungen für die Annahme eines Anordnungsanspruchs korrespondieren mit dem Gewicht der glaubhaft zu machenden wesentlichen
Nachteile. Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende
Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls
unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger
Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -; Senat, Beschluss vom 12.08.2013 - L 11 KA 92/12 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER -), es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfG, Beschluss vom
16.05.1995 - 1 BvR 1087/91 -). Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung
zu entscheiden. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen, da sich
die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte zu stellen haben (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 und 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -; hierzu auch Senat, Beschlüsse vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER - (Morbus Pompe) und 19.11.2012 - L 11 KR 473/12 B ER - (Hyperthermie)). Dabei darf die einstweilige Anordnung grundsätzlich die endgültige Entscheidung in der Hauptsache
nicht vorwegnehmen. Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen
nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (Senat,
Beschlüsse vom 12.08.20313 - L 11 KA 92/12 B ER - und 12.10.2009 - L 11 B 17/09 KA ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 15.11.2006 - L 10 B 14/06 KA ER - und 14.12.2006 - L 10 B 21/06 KA ER -). Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen
für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren
einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen
würde (vgl. Senat, Beschlüsse vom 14.01.2015 - L 11 KA 44/14 B ER -, 12.08.2013 - L 11 KA 92/12 B ER - und 21.01.2012 - L 11 KA 77/11 B ER -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.04.2007 - L 5 KR 518/07 ER-B -).
b) Ausgehend von diesen Maßstäben kann die Beschwerde für die Zeit bis zum 08.06.2015 (Entscheidung des Senats) schon wegen
Zeitablaufs keinen Erfolg haben. Es fehlt an dem für einen Anordnungsgrund erforderlichen Regelungsbedürfnis. Dieses besteht
grundsätzlich nur für die Zukunft. In einem Verfahren, das auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet ist, beurteilt
sich das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nach demjenigen Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet.
Dies bedeutet, dass ein Anordnungsgrund grundsätzlich ausscheidet, soweit Leistungen für die Vergangenheit begehrt werden
(z.B. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.11.2011 - L 9 KR 284/11 B ER -).
Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art.
19 Abs.
4 GG) kann zwar in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume gebieten,
wenn andernfalls bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen
würden, die sich durch eine stattgebende Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen
ließen. Derartige Umstände sind jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere würden gegenüber dritten Personen eingegangene Verbindlichkeiten
nicht ausreichen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.01.2008 - L 9 B 600/07 KR ER -).
Stattgebende Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sind demnach grundsätzlich erst vom Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung an möglich, weil nur solche Gefahren für Rechte und Ansprüche des Betroffenen noch gegenwärtig und damit durch
den gerichtlichen Eilrechtsschutz abwendbar sind, die zu diesem und nach diesem Zeitpunkt noch bestehen. Für den Sachleistungsanspruch
im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt sich dies auch daraus, dass der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung
die materiell-rechtliche Grenze zwischen Sachleistungsanspruch (nur für Zeiträume ab der gerichtlichen Entscheidung möglich)
und Kostenerstattungsanspruch (vergangene Zeiträume) bildet (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.01.2011 - L 9 KR 283/10 B ER -).
c) Hinsichtlich der Zeit ab 09.06.2015 ist die Beschwerde begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen
Anordnung sind erfüllt. Die Folgenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache
sind offen.
Nach §
37 Abs.
2 Satz 1 Halbs. 1
SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege,
wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (sog. Behandlungssicherungspflege). Der krankenversicherungsrechtliche
Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungssicherungspflege besteht neben dem Anspruch auf Leistungen bei
häuslicher Pflege aus der sozialen Pflegeversicherung (vgl. §
13 Abs.
2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI)). Zur Behandlungssicherungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell
auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung
zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem
Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden. Die Hilfeleistungen umfassen Maßnahmen
verschiedenster Art, insbesondere Kriseninterventionen. Auch die Beobachtung eines Versicherten durch eine medizinische Fachkraft
wird grundsätzlich von dem Anspruch auf Behandlungssicherungspflege erfasst, wenn die medizinische Fachkraft wegen der Gefahr
von ggf. lebensgefährdenden Komplikationen jederzeit einsatzbereit sein muss (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 10.11.2005 - B 3 KR 38/04 R -; Senat, Beschluss vom 18.11.2012 - L 11 KR 179/12 B ER -).
Ob die Voraussetzungen der das Gesetz konkretisierenden Nr. 24 der Anlage zur Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie (HKP-Richtlinie)
i.d.F. vom 17.09.2009 (letzte Änderung: 17.07.2014, BAnz AT 06.10.2014 B2; in Kraft getreten am 07.10.2014) vorliegen, kann
jedenfalls dann dahinstehen, wenn medizinisch notwendige Maßnahmen im Streit stehen. Zwar handelt es sich bei den Richtlinien
nach §
92 Abs.
1 SGB V um untergesetzliche Normen, die grundsätzlich auch innerhalb des Leistungsrechts zu beachten sind, sie verstoßen aber gegen
höherrangiges Recht, soweit sie einen Ausschluss der im Einzelfall gebotenen Krankenbeobachtung aus dem Katalog der verordnungsfähigen
Leistungen enthalten. Ebenso wenig wie der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) ermächtigt ist, den Begriff der Krankheit in §
27 Abs.
1 SGB V hinsichtlich seines Inhalts und seiner Grenzen zu bestimmen, ist er befugt, medizinisch notwendige Maßnahmen von der häuslichen
Krankenpflege auszunehmen. Die HKP-Richtlinien binden die Gerichte insoweit nicht (BSG, Urteil vom 10.11.2005, a.a.O.; vgl. auch LSG Sachsen, Beschluss vom 13.11.2014 - L 1 KR 260/14 B ER -).
Nach den eingeholten medizinischen Stellungnahmen spricht einiges dafür, dass der Antragsteller einen Anspruch auf 10 Stunden
täglich an sieben Tagen pro Woche Behandlungssicherungspflege hat. Dies beruht auf einer Auswertung der Einschätzungen
- des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. I - vom 18.08.2014, worin eine 10stündige Behandlungs- und Intensivpflege täglich
bescheinigt wird, - vom 01.12.2014, wonach eine Sitzwache für die Nacht zur Überwachung der BIPAP-Beatmung erforderlich ist;
- des Thoraxzentrums Ruhrgebiet, derzufolge der Antragsteller nicht in der Lage ist, sich die Maske selbst auf- und abzusetzen
und das Gerät zu bedienen (Entlassungsbrief vom 08.07.2014); - des Knappschaftskrankenhauses C - vom 13.08.2014, wonach wegen
der nächtlich notwendigen BIPAP-Beatmung eine Hilfs-/Betreuungsnotwendigkeit besteht; - vom 01.10.2014, derzufolge eine betreute
BILEVEL Beatmungstherapie zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung und zur Vermeidung stationärer Aufenthalte indiziert
ist; - vom 06.02.2015, derzufolge die Indikation für eine kontinuierliche BIPAP-Heimbeatmung gegeben ist; - der behandelnden
Ärztin Dr. N - in der Bescheinigung vom 25.09.2014, wonach der Patient infolge des dementiellen Syndroms nicht in der Lage
ist, sich selbst zu helfen; - im Befundbericht vom 22.01.2015, nach dem eine kontinuierliche Beatmungspflege notwendig, aber
nicht gewährleistet ist; - von Dr. L (St. K-Hospital C) in der Stellungnahme vom 25.03.2015, nach der eine nächtliche Betreuung
durch eine geschulte Pflegekraft erforderlich ist.
Die Vitalfunktion kann möglicherweise lebensbedrohlich gestört werden. Dies folgt aus - dem Entlassungsbrief des Thoraxzentrums
Ruhrgebiet vom 08.07.2014, wonach es dem Patienten bei Panikattacken physisch nicht möglich ist, sich selbst von der Maske
zu befreien; - der Bescheinigung der behandelnden Ärztin Dr. N vom 25.09.2014, derzufolge es ohne Fremdhilfe zu einer Verschlechterung
der respiratorischen und kardialen Situation mit Dekompensation und rascher notärztlicher und stationärer Versorgungsnotwendigkeit
kommen kann.
Die Stellungnahmen bzw. Gutachten des SMD vom 28.08.2014 und 17.12.2014 überzeugen demgegenüber nicht vollends, da sie die
insoweit nicht verbindliche HKP-Richtlinie ihrer Prüfung zugrunde legen und ihre Argumentation an die Voraussetzungen von
Nr. 24 des Leistungsverzeichnisses (spezielle Krankenbeobachtung) geknüpft haben. Die HKP-Richtlinie stellt keinen abschließenden
Leistungskatalog über die zu erbringenden Leistungen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege dar (hierzu auch BSG, Urteil vom 17.03.2005 - B 3 KR 35/04 R -; LSG Sachsen, Beschluss vom 13.11.2014 - L 1 KR 260/14 B ER -). Dies folgt aus §
92 Abs.
7 Satz 1
SGB V, wonach in den Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 SGB V u.a. "insbesondere" die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzungen zu regeln sind. Der Auftrag
an den GBA beschränkt sich damit auf die Konkretisierung und Interpretation des Wirtschaftlichkeitsgebots für die Regelfälle
der häuslichen Krankenpflege, schließt aber ein Abweichen davon im Einzelfall nicht aus (ebenso LSG Sachsen, Beschluss vom
13.11.2014 - L 1 KR 260/14 B ER -).
Weitere Ermittlungen sind im Eilverfahren nicht geboten. Der Senat hat nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden,
ob im konkreten Eilverfahren der Eilbedürftigkeit oder der Amtsermittlung Vorrang einzuräumen ist. Da dem Hauptsacheverfahren
nicht jegliche Erfolgsaussichten abgesprochen werden können, ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dazu sind vor
allem die Folgen zu berücksichtigen, die die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes für den Antragsteller hätte. Je schwerer
die Belastungen hieraus wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache
rückgängig gemacht werden können, umso weniger kann das Interesse an einer vorläufigen Regelung zurückgestellt werden. Angesichts
der überragend hohen Bedeutung, die dem Leben als Rechtsgut in der grundgesetzlichen Ordnung zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss
vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 -), sind in Verfahren wie dem vorliegenden an die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes hohe Anforderungen zu stellen (hierzu
Senat, Beschlüsse vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER - (Morbus Pompe) und 19.11.2012 - L 11 KR 473/12 B ER - (Hyperthermie)). Sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass - was auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen
möglich erscheint - der Antragsteller in der Zeit von 22.00 Uhr bis 08.00 Uhr auf eine jederzeitige Interventionsmöglichkeit
einer dritten Person angewiesen ist, käme der Rechtsschutz in der Hauptsache, sofern zwischenzeitlich eine lebensbedrohliche
Situation auftreten sollte, zu spät. Das Unterliegen der Antragsgegnerin hat demgegenüber allenfalls wirtschaftliche Auswirkungen.
In Anwendung dieser Kriterien fällt die Abwägung vorliegend wegen des möglicherweise bedrohten Rechtsguts Leben (Art.
2 Abs.
2 Satz 1
GG) zu Gunsten des Antragstellers aus. Das gegenläufige finanzielle Risiko für die Antragsgegnerin erachtet der Senat derzeit
als hinnehmbar (hierzu Senat, Beschlüsse vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER - (Morbus Pompe) und 19.11.2012 - L 11 KR 473/12 B ER - (Hyperthermie)).
Die Folgenabwägung führt daher zu dem Ergebnis, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, dem Antragsteller vorläufig Leistungen
der Behandlungspflege in Form der Krankenbeobachtung in einem Umfang von 10 Stunden täglich in der Zeit von 22.00 Uhr bis
08.00 Uhr an sieben Tagen pro Woche bis zum Abschluss des Hauptsachverfahrens, längstens bis zum 31.12.2015 zu gewähren. Diese
Begrenzung beruht auf der Erwägung, dass eine im Hauptsacheverfahren ggf. erforderlich werdende Beweisaufnahme den entscheidungserheblichen
Sachverhalt weiter erhellen wird. Sollte das Hauptsachverfahren vor dem 31.12.2015 aufgrund von Prozesserklärungen der Beteiligten
oder durch Urteil des SG abgeschlossen (abzustellen wäre dann auf die Zustellung des Urteils beim Antragssteller) werden, endet die Wirkung der vorläufigen
Regelung. Für den Fall, dass das Hauptsacheverfahren nicht bis zum 31.12.2015 abgeschlossen wird, könnte eine im Laufe des
Jahres 2015 erforderlich werdende Beweisaufnahme eine neue Einschätzung der Sach- und Rechtslage erforderlich machen. Die
vorläufige Regelung ist daher auf den Ablauf des 31.12.2015 zu begrenzen. Nötigenfalls wird zeitig neuerlich um einstweiligen
Rechtsschutz nachgesucht werden müssen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Sie berücksichtigt, dass der Antragsteller mit seinem eigentlichen Anliegen nach Umstellung des Antrags weitgehend durchgedrungen
ist.
Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).