Krankenversicherung
Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Der bei der klagenden Krankenkasse Versicherte S litt seit Februar 2004 an einer chronisch lymphatischen Leukämie und zusätzlich
ab November 2004 an einem Plattenepithelkarzinom der Haut im Bereich der linken Schläfe. Am 19.12.2005 wurde er mit fieberhaften
Temperaturen und zunehmender Somnolenz im Krankenhaus der Beklagten aufgenommen; es wurde eine beiderseitige Lungenentzündung
festgestellt. Der Versicherte wurde bis zum 27.12.2005 stationär behandelt.
Für diese Behandlung berechnete die Beklagte unter dem 11.01.2006 unter Zugrundelegung der Diagnosis Related Groups (DRG)
R03 Z 5.206,76 EUR. Dabei kodierte sie als Hauptdiagnose eine chronisch lymphatische Leukämie (ICD (International Classification
of Diseases) C91.10).
Die Klägerin beglich die Rechnung und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Begutachtung
des Behandlungsfalls. Mit Schreiben vom 24.04.2009 teilte sie der Beklagten mit, dass diese die angeforderten Fallunterlagen
noch nicht zur Prüfung überreicht habe; sie verrechne deshalb aus dem Behandlungsfall S einen Betrag i.H.v. 2.468,42 EUR mit
dem unstreitigen Behandlungsfall der Versicherten K.
In seinem Gutachten vom 29.06.2009 gelangte der MDK zu dem Ergebnis, dass die stationäre Aufnahme des Versicherten wegen einer
beidseitigen Bronchopneumonie erfolgt und diese als Hauptdiagnose mit dem Kode ICD J18.0 (Bronchopneumonie, nicht näher bezeichnet)
zu verschlüsseln sei. Der in Ansatz gebrachte Kode ICD C91.10 sei nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) D003d (Nebendiagnosen)
ausschließlich als Nebendiagnose relevant. Die Prozedur OPS 5-389.0x (Anderer operativer Verschluss an Blutgefäßen: Arterien
Kopf, extrakraniell, und Hals) könne nicht berücksichtigt werden, weil die Durchführung der Operation nicht belegt sei.
Der Aufforderung der Klägerin, ihre Rechnung entsprechend zu berichtigen, kam die Beklagte nicht nach. Sie hat vielmehr am
29.12.2009 beim Sozialgericht (SG) Dortmund auf Zahlung von 2.468,42 EUR gerichtete Klage gegen die Klägerin erhoben - S 8 KR 419/09 -. Die Klägerin hat den Anspruch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu der Thematik "Aufrechnung" anerkannt und gleichzeitig
auf Rückerstattung von 2.468,42 EUR gerichtete Widerklage erhoben.
Das SG hat das fortan unter dem Aktenzeichen S KR 739/10 geführte Verfahren über die Widerklage abgetrennt (Beschluss vom 24.06.2010).
Die Klägerin, die ihren Anspruch mit der Begründung, Zu- und Abschläge seien zu berücksichtigen, nunmehr mit 2.661,96 EUR
bezifferte, hat zur Begründung ihrer Klage auf weitere Gutachten des MDK vom 18.03.2011 und 10.10.2013 Bezug genommen. In
diesen Gutachten hat der MDK hinsichtlich der Kodierung der Hauptdiagnose an der Auffassung aus den Vorgutachten festgehalten
und ausgeführt, dass der stationäre Aufenthalt durch die Pneumonie verursacht worden sei. Im Übrigen hat der MDK ergänzend
angegeben, dass ausweislich des Operationsberichts der am 22.12.2005 durchgeführte Eingriff wegen einer "relativ harmlosen
Sickerblutung" am äußeren Ohr erfolgt sei. Es sei eine lokale Blutstillung mittels Koagulation und leichter Fingerkompression
durchgeführt worden. Es habe sich um nicht um eine Gefäßblutung gehandelt, ein Eingriff an den Gefäßen sei nicht erforderlich
gewesen. Der Vorgang sei anstelle der Prozedur OPS 5-389.0x mit der OPS 5-183.x (Wundversorgung am äußeren Ohr) zu verschlüsseln.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.661,96 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat unter Bezugnahme auf Stellungnahmen des Chefarztes der Medizinschen Klinik II ihres Krankenhauses, Dr. Dr. E, vom
14.10.2011 und 13.08.2012 vorgetragen, der Versicherte habe nach Erstdiagnose im Jahr 2004 an einer lymphatischen Leukämie
und nachfolgend zusätzlich an einem Plattenepithelkarzinom gelitten. Diese seien seit Oktober 2005 mit einer cisplatinhaltigen
Chemotherapie, zuletzt im dritten Zyklus vom 08.12. bis zum 13.12.2005, behandelt worden. Da sowohl Leukämie als auch Plattenepithelkarzinom
einen Progress aufgewiesen hätten, sei eine cisplatinhaltige Chemotherapie gewählt worden. Es sei nämlich erwartet worden,
dass diese im Gegensatz zu einer leukämietypischen Chemotherapie auf beide Erkrankungen wirke. Die durchgeführte Behandlung
bzw. die beiden Erkrankungen seien für die Abwehrschwäche, die dann zu der Pneumonie geführt habe, ursächlich gewesen. Ohne
die Leukämie wäre diese Abwehrschwäche nicht entstanden; Pneumonien seien die häufigste Todesursache der Leukämie. Das Plattenepithelkarzinom
sei hingegen für die Neutropenie nicht ursächlich gewesen; es habe sich dabei um ein Zweitkarzinom nach hämatologischer Systemerkrankung
gehandelt. Mithin sei als Hauptdiagnose für die Behandlung vom 19. bis zum 27.12.2005 die chronisch lymphatische Leukämie
und nicht das Plattenepithelkarzinom anzusetzen.
Das SG hat von dem Facharzt für Innere Medizin Dr. E, C, ein Gutachten (14.08.2011) nebst ergänzenden Stellungnahmen eingeholt.
Der Sachverständige hat ausgeführt, als Hauptdiagnose sei die Pneumonie zu verschlüsseln. Die Aufnahme des Versicherten am
19.12.2005 sei elf Tage nach einer Chemotherapie und drei Tage nach der Entlassung aus dem Aufenthalt anlässlich dieser Chemotherapie
zur Behandlung einer Lungenentzündung erfolgt. Es sei auch der Aufnahmediagnose "Grad 4 Neutropenie bei V.a. Pneumonie" entsprechend
eine klassische Behandlung einer medikamentös induzierten febrilen Neutropenie durchgeführt worden. Eine Behandlung der Leukämie
im eigentlichen Sinne habe während des streitgegenständlichen Krankenhausaufenthalts nicht stattgefunden. Die zuvor durchgeführte
Chemotherapie sei zur Behandlung des Plattenepithelkarzinoms erforderlich gewesen, zur Behandlung einer Leukämie sei die eingesetzte
Therapie nur bedingt geeignet. Die Neutropenie sei infolge der Chemotherapie zu sehen; eine Lungenentzündung könne sich aber
auch unabhängig davon entwickeln. Auch die Leukämie stelle insoweit einen Risikofaktor dar. Die Prozedur "Verschluss an Blutgefäßen"
sei nicht nachvollziehbar und habe nach dem Operationsprotokoll auch nicht stattgefunden; für die durchgeführte Wundversorgung
sei die OPS 5-183.x zu kodieren.
Das SG hat der Klage mit Urteil vom 06.11.2014 i.H.v. 2.468,42 EUR stattgegeben. Die Klägerin habe einen öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruch gegen die Beklagte, weil die mit der Zahlung der von der Beklagten abgerechneten Vergütung eingetretene
Vermögensverschiebung zum Teil ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Die Beklagte habe nämlich keinen Anspruch auf die über 2.738,34
EUR hinaus erhaltene Vergütung. Das Krankenhaus der Beklagten unterliege dem DRG-Vergütungssystem, so dass die Krankenhausleistungen
nach den dort aufgestellten Regeln abzurechnen seien. Vorliegend sei die Abrechnung des Behandlungsfalls nach der DRG-Fallpauschale
E77 B vorzunehmen. Denn als Hauptdiagnose sei die Pneumonie zu verschlüsseln, nicht aber die Leukämie. Für die Bestimmung
der Hauptdiagnose sei die Diagnose maßgebend, die nach Analyse, d.h. nach Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthalts,
als diejenige festgestellt werde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalts verantwortlich
gewesen sei. Die Einweisung, der zumindest eine gewisse Indizwirkung zukomme, sei zur Behandlung der Pneumonie des Versicherten
erfolgt. Während des Aufenthalts sei die Leukämie nicht spezifisch behandelt worden, so dass es nicht auf die Frage ankomme,
ob die von den Beteiligten konträr erörterte Chemotherapie auch zur Behandlung der Leukämie geeignet gewesen sei und ob es
sich bei dem Plattenepithelkarzinom um ein Zweitkarzinom gehandelt habe. Die spezielle Kodierrichtlinie DKR 0201d finde keine
Anwendung. Zwar sei danach der Malignom-Kode als Hauptdiagnose für jeden Krankenhausaufenthalt zur Behandlung der bösartigen
Neubildung und notwendigen Folgebehandlungen anzugeben, eine solche Situation habe aber nicht vorgelegen. Denn der Krankenhausaufenthalt
sei nicht zur Behandlung der Leukämie und auch nicht zur Behandlung einer unmittelbaren Folge der Krebserkrankung erfolgt,
sondern zur Behandlung der Pneumonie, deren Entstehung durch die Leukämie und deren spezifische Behandlung begünstigt worden,
die aber nicht zwangsläufig entstanden sei. Auch wenn es sich bei der Pneumonie um kein Symptom der Leukämie handele, sei
für die Frage der Veranlassung des Krankenhausaufenthalts der in der DKR 0201d aufgestellte Grundsatz heranzuziehen, dass
ein Symptom als Hautdiagnose zu verschlüsseln sei, wenn ausschließlich das Symptom und nicht die Grunderkrankung behandelt
werde. Die Wundversorgung am Ohr des Versicherten sei mit der OPS 5-183.x zu berücksichtigen, da kein Verschluss von Blutgefäßen
habe durchgeführt werden müssen, sondern eine oberflächliche Sickerblutung behandelt worden sei. Die Beklagte habe somit den
sich aus der Differenz der DRG R03 Z zur DRG E77 B ergebenden Betrag zu erstatten. Der darüber hinausgehende Betrag sei von
der Klägerin weder schlüssig begründet worden noch aus den beigezogenen Akten nachvollziehbar.
Gegen das am 11.12.2014 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom Montag, dem 12.01.2015.
Zu deren Begründung trägt die Beklagte vor, das SG gehe zu Unrecht davon aus, dass als Hauptdiagnose die Pneumonie zu verschlüsseln sei. Hauptdiagnose i.S.d. DKR sei diejenige
Diagnose, die bei retrospektiver Betrachtung am Ende der Krankenhausbehandlung objektiv nach medizinisch-wissenschaftlicher
Erkenntnis die Aufnahme zur stationären Behandlung erforderlich gemacht habe. Das sei hier nach der spezielleren Regelung
in der DKR 0201d die Leukämie. U.a. aus dem Zusatz, dass auch stationäre Aufenthalte, die z.B. auf die chirurgische Entfernung
eines Malignoms folgten, dennoch mit dem Malignom als Hauptdiagnose zu verschlüsseln seien, ergebe sich, dass jedwede Art
von Folgebehandlung, die allerdings in einem kausalen Zusammenhang mit der ursprünglichen Malignomerkrankung stehen müsse,
unter die Malignomerkrankung unterzuordnen bzw. entsprechend zu verschlüsseln sei. Dementsprechend könne der Einweisung des
Versicherten auch keine Indizwirkung zukommen. Entscheidend sei, dass es sich bei der Pneumonie um eine notwendige Folgebehandlung
der Leukämie in Form einer sonstigen Therapie gehandelt habe; es müsse keine unmittelbare Folge, sondern vielmehr eine notwendige
Folgebehandlung vorliegen. Aufgrund der chronischen lymphatischen Leukämie und des Plattenepithelkarzinoms sowie der deshalb
vom 07. bis zum 16.12.2005 erfolgten Chemotherapie habe sich eine Neutropenie und konsekutiv daraus die hoch fieberhafte Pneumonie
entwickelt. Es sei also eine Folgeerkrankung der Leukämie behandelt worden; mithin sei die Leukämie als Hauptdiagnose zu verschlüsseln.
Darüber hinaus sei auch ein operativer Verschluss an Blutgefäßen in Ansatz zu bringen. Es sei eine Revision unter sterilen
Bedingungen erfolgt; die Blutung habe mit Koagulation und Kompression zum Stehen gebracht werden können. Die Durchführung
einer Koagulation sei ein operativer Eingriff, da sie mit einem Kauter vorgenommen worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.11.2014 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Berufung der Beklagten zurückweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der stationäre Aufenthalt des Versicherten durch eine Pneumonie hauptsächlich veranlasst worden
sei. Der Krankenhausaufenthalt sei nicht zur Behandlung der Leukämie und auch nicht zur Behandlung einer unmittelbaren Folge
der Krebserkrankung erfolgt. Während des streitgegenständlichen Krankenhausaufenthalts sei die Pneumonie behandelt worden;
es seien nur für die Behandlung der Pneumonie Ressourcen verbraucht worden. Eine unmittelbare Behandlung der Leukämie habe
hingegen nicht stattgefunden. Der von der Beklagten herangezogene Malignom-Kode komme nicht in Betracht, weil er nur auf Krankenhausaufenthalte
angewandt werden könne, bei denen tatsächlich eine bösartige Neubildung behandelt werde bzw. notwendige Folgebehandlungen
stattfänden. Auch wenn bei dem Versicherten aufgrund der Leukämie eine allgemeine Abwehrschwäche vorgelegen habe, so sei die
beidseitige Bronchopneumonie der tatsächliche Anlass für die Krankenhausaufnahme, also der Einweisungsanlass, -grund bzw.
-auslöser gewesen. Die Pneumonie sei auch kein Symptom der Leukämie, sondern ein eigenständiges Krankheitsbild. Es handele
sich um eine eigenständige Diagnose (ICD J18.0). Da allein die Pneumonie der Aufnahmeanlass gewesen sei, bedürfe es keiner
Vertiefung in spezielle Kodierrichtlinien. Die Beurteilung der Hauptdiagnose könne bereits unter den Passus DKR D002 subsumiert
werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge
der Klägerin und die von der Beklagten überreichte Krankendokumentation Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagte ist nicht begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Recht zur Rückzahlung von 2.468,42 EUR verurteilt. Die von der Klägerin im Gleichordnungsverhältnis erhobene
echte Leistungsklage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen öffentlich-rechtlichen Anspruch
auf Erstattung überzahlter Vergütung. Der Differenzbetrag zwischen der allein abrechenbaren DRG-Fallpauschale E77 B und der
von der Klägerin zu Unrecht vergüteten DRG R03 Z beträgt 2.468,42 EUR.
Hinsichtlich der Anspruchsgrundlagen im Einzelnen nimmt der Senat auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug, die der
ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (z.B. BSG, Urteile vom 21.04.2015 - B 1 KR 9/15 R - und vom 19.04.2016 - B 1 - KR 34/15 R -) entsprechen (§
153 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)). Gleiches gilt auch hinsichtlich der Subsumtion des SG. Einwendungen bzw. Einreden der Beklagten gegen den Erstattungsanspruch greifen nicht. Dazu führt der Senat ergänzend aus:
Auf der Grundlage der vom SG zutreffend dargestellten Regeln ist die Abrechnung des streitgegenständlichen Behandlungsfalls nach der DRG-Fallpauschale
E77 B vorzunehmen. Denn als Hauptdiagnose war die Bronchopneumonie (ICD J18.0) zu verschlüsseln, nicht aber die chronisch
lymphatische Leukämie (ICD C91.10). Dies ergibt sich aus den schlüssigen Ausführungen des von der Klägerin beauftragten MDK
und des Sachverständigen E, die die Vorgaben der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR - Version 2005) zutreffend beachtet und
angewandt haben.
Die Hauptdiagnose ICD J18.0 (Bronchopneumonie, nicht näher bezeichnet) ist für die Kodierung der Behandlung des Versicherten
S zutreffend. Der Senat macht sich zunächst nach eingehender Prüfung die Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 21.04.2015 a.a.O. zu eigen:
"Denn sie veranlasste objektiv nach dem Kenntnisstand am Ende der Krankenhausbehandlung die Aufnahme des Versicherten in das
Krankenhaus der Beklagten. Hauptdiagnose im Sinne der DKR (2005) D002d als Teil der Allgemeinen Kodierrichtlinien ist die
Diagnose, die bei retrospektiver Betrachtung objektiv nach medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis die Aufnahme zur stationären
Behandlung erforderlich machte. Es ist für die Bestimmung der Hauptdiagnose ohne Belang, wenn innerhalb eines abrechenbaren
Behandlungsfalls nach der Aufnahme ins Krankenhaus weitere Krankheiten oder Beschwerden auftreten die ebenfalls für sich genommen
stationäre Behandlung bedingen, selbst wenn die stationäre Behandlungsbedürftigkeit aufgrund der ersten Diagnose wegfällt.
Bestehen bei der Aufnahme ins Krankenhaus zwei oder mehrere Krankheiten oder Beschwerden, die jeweils für sich genommen bereits
stationärer Behandlung bedurften, kommt es darauf an, welche von ihnen bei retrospektiver Betrachtung objektiv nach medizinisch-wissenschaftlicher
Erkenntnis hauptsächlich die stationäre Behandlung erforderlich machte. Das ist die Diagnose mit dem größten Ressourcenverbrauch.
Dies folgt aus Wortlaut (dazu 1) und System der DKR (dazu 2). Dabei kommt auch den in den DKR (2005) enthaltenen Erläuterungen
zu den einzelnen Kodierrichtlinien normative Wirkung zu, soweit sie ergänzende Regelungen enthalten.
(1) DKR (2005) D002d definiert die Hauptdiagnose wie folgt: "Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde,
die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist." Zentraler
Begriff ist für die DKR (2005) D002d die "Veranlassung" des stationären Krankenhausaufenthalts. Sie meint die ursächliche
Auslösung des stationären Behandlungsgeschehens. Das zeitliche Moment als ein wesentliches Definitionsmerkmal grenzt dabei
von später hinzugetretenen Diagnosen ab, die ebenfalls stationäre Behandlungsbedürftigkeit bedingen. Ein bereits - objektiv
zutreffend - veranlasster stationärer Krankenhausaufenthalt kann nicht später, nach Aufnahme in das Krankenhaus nochmals veranlasst,
sondern allenfalls aufrechterhalten werden. Diagnosen, die erst nachfolgend Behandlungsbedürftigkeit begründen, sind irrelevant.
Insbesondere kommt es nicht darauf an, dass die den stationären Krankenhausaufenthalt veranlassende Diagnose zugleich den
größeren Anteil am Ressourcenverbrauch hat. Dies belegt Anmerkung 1 zu DKR (2005) D002d: "Es ist nicht auszuschließen, dass
diese Definition der Hauptdiagnose vereinzelt im DRG-System keine adäquate Abbildung der Krankenhausleistung erlaubt. Im Rahmen
der Entwicklung und Pflege des Entgeltsystems werden solche Fälle verfolgt und auf ggf. notwendige Maßnahmen geprüft." Der
Normgeber war sich bewusst, dass Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalts nicht notwendig Veranlassung des überwiegenden
Teils des Ressourcenverbrauchs bedeutet.
Die Hauptdiagnose - als Singular formuliert - impliziert, dass es überhaupt nur eine, nicht aber zugleich mehrere "Hauptdiagnosen"
geben kann. Dies steht in Einklang mit der Eingabemaske der zertifizierten, in das Normanwendungsprogramm mit normativer Wirkung
einbezogenen Grouper. Hiernach ist die ersteinzutragende Diagnose immer die Hauptdiagnose (vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 42). Bedingen gleichzeitig anfänglich zwei oder mehrere Diagnosen den stationären Krankenhausaufenthalt,
sieht die Erläuterung zu DKR (2005) D002d - vorbehaltlich spezieller Regelungen - eine Auffangregelung vor. Sie stellt ausnahmsweise
auf den quantitativen Aspekt des Ressourcenverbrauchs ab: "Wenn zwei oder mehrere Diagnosen in Bezug zu Aufnahme, Untersuchungsbefunden
und/oder der durchgeführten Therapie gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose erfüllen und ICD-10-Verzeichnisse und
Kodierrichtlinien keine Verschlüsselungsanweisungen geben, ist diejenige auszuwählen, die für Untersuchung und/oder Behandlung
die meisten Ressourcen verbraucht hat. Hierbei ist es unerheblich, ob die Krankheiten verwandt sind oder nicht."
Soweit die Erläuterung hierbei darauf verweist, dass "der behandelnde Arzt" die Hauptdiagnose auszuwählen hat, ist dies -
entgegen der Meinung der Beklagten - nur in einem tatsächlichen Sinn zu verstehen. Die Beurteilung, ob eine Diagnose als Hauptdiagnose
zu kodieren ist, bemisst sich nach objektiven Maßstäben. Sie erfordert kein an eine bestimmte Person gebundenes höchstpersönliches
Fachurteil, sondern kann jederzeit durch einen unabhängigen Sachverständigen nachvollzogen werden. Sie unterliegt im Streitfall
der vollen richterlichen Nachprüfung (vgl zu den Grundsätzen auch BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 30 f). Ein anderes Verständnis widerspräche höherrangigem Recht. Der Große Senat hat früheren
Versuchen, die im Ergebnis dazu führten, dass im Vergütungsstreit die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit zugunsten des Krankenhauses
vermutet wird (vgl BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 29), eine klare Absage erteilt. Nichts anderes gilt, wenn der Vergütungsanspruch nicht dem
Grunde, sondern der Höhe nach streitig ist. Aus den Vorschriften, welche die Stellung und die Funktion der Krankenhäuser innerhalb
des Versorgungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung regeln, lässt sich ein solcher Vorrang nicht herleiten. Die zugelassenen
Krankenhäuser erbringen kraft gesetzlicher Aufgabenzuweisung die den Versicherten von den KKn als Naturalleistung geschuldete
Krankenhausbehandlung; sie sind gemäß §
109 Abs
4 S 2
SGB V im Rahmen ihres Versorgungsauftrags zur Behandlung der Versicherten nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften verpflichtet.
Vereinbarungen in Normsetzungsverträgen können nicht bewirken, dass die Vergütungshöhe entgegen dem Gesetz nicht nach objektiven
Maßstäben festgelegt wird, sondern nach der subjektiven Einschätzung des Krankenhausarztes. Soweit sich - wie die Beklagte
meint - aus der Rechtsprechung des früher auch für das Leistungserbringungsrecht der Krankenhäuser zuständigen 3. Senats des
BSG etwas hiervon Abweichendes ergibt (BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 16 RdNr 25), gibt der erkennende Senat diese Rechtsprechung aus den dargelegten Gründen klarstellend auf.
Das zweite wesentliche Definitionsmerkmal der Hauptdiagnose ist der Begriff "nach Analyse". Er verdeutlicht, dass es weder
auf die subjektive oder objektiv erzielbare Einweisungs- oder Aufnahmediagnose ankommt, sondern allein auf die objektive ex-post-Betrachtung
der Aufnahmegründe am Ende der Krankenhausbehandlung. Es ist für die Bestimmung der Hauptdiagnose ohne Belang, dass die Diagnose
des einweisenden Arztes und des aufnehmenden Krankenhausarztes unter Berücksichtigung der ex ante vorhandenen Informationen
objektiv lege artis erfolgte. Maßgeblich ist allein die objektiv zutreffende ex-post-Betrachtung.
(2) Dieser sich aus der Wortlautauslegung ergebende Regelungsgehalt der Definition der Hauptdiagnose steht auch in Einklang
mit der Systematik. Denn DKR (2005) D003d definiert die Nebendiagnose als: "Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig
mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt." Eine Diagnose, die sich während des
Krankenhausaufenthalts entwickelt, ist ungeachtet des damit verbundenen Ressourcenverbrauchs zwingend keine Hauptdiagnose.
Im Übrigen verweisen die Erläuterungen zur DKR (2005) D003d darauf, dass für Kodierungszwecke Nebendiagnosen als Krankheiten
interpretiert werden müssen, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren
erforderlich ist: therapeutische Maßnahmen, diagnostische Maßnahmen oder erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand.
Sie erfordern einen solchen Ressourcenverbrauch. Eine Krankheit oder Beschwerde, die gleichzeitig mit anderen Krankheiten
oder Beschwerden die Aufnahme in das Krankenhaus veranlasst, ist Nebendiagnose, wenn sie nicht für Untersuchung und/oder Behandlung
die meisten Ressourcen verbraucht hat."
Davon ausgehend war als Hauptdiagnose die ICD J18.0 (Bronchopneumonie, nicht näher bezeichnet) zu kodieren (dazu 2.). Eine
speziellere Kodierregel besteht nicht (dazu 1.).
1.
Als spezielle Kodierregel war entgegen der Auffassung der Beklagten nicht die DKR 0201d heranzuziehen. Diese bestimmt:
0201d Auswahl und Reihenfolge der Kodes
Die Reihenfolge der anzugebenden Kodes hängt von der Behandlung während des betreffenden Krankenhausaufenthaltes ab.
Erfolgt die Aufnahme zur Diagnostik/Behandlung des primären Malignoms, ist das primäre Malignom als Hauptdiagnose-Kode zuzuweisen.
Der Malignom-Kode ist als Hauptdiagnose für jeden Krankenhausaufenthalt zur Behandlung der bösartigen Neubildung und zu notwendigen
Folgebehandlungen (z.B. Operationen, Chemo-/Strahlentherapie, sonstige Therapie) (siehe Beispiel 2) sowie zur Diagnostik (z.B.
Staging) (siehe Beispiel 3) anzugeben, bis die Behandlung endgültig abgeschlossen ist, also auch bei den stationären Aufenthalten,
die beispielsweise auf die chirurgische Entfernung eines Malignoms folgen. Denn obwohl das Malignom operativ entfernt worden
ist, wird der Patient nach wie vor wegen des Malignoms behandelt."
Die am 19.12.2015 erfolgte Aufnahme des Versicherten erfolgte weder zur Behandlung bzw. Diagnostik eines primären Malignoms
noch zur Behandlung einer bösartigen Neubildung bzw. von Metastasen (s. dazu nach Beispiel 3 in DKR 0201d) und zu notwendigen
Folgebehandlungen wie z.B. Operationen, Chemo-/Strahlentherapien, sonstigen Therapien oder zur Diagnostik.
Die Aufnahme erfolgte nach den schlüssigen und von der Beklagten auch insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen
Dr. E wegen einer u.a. anhand der Symptome Fieber und somnolenter Zustand zu diagnostizierenden beidseitigen Bronchopneumonie.
Der Umstand, dass der Versicherte an einer chronisch lymphatischen Leukämie und an einem Plattenepithelkarzinom litt, spielte
außer dem Umstand der Aufnahme der Diagnosen bei der Behandlung während des stationären Aufenthalts in der Zeit vom 19. bis
zum 27.12.2015 keine Rolle. Es erschließt sich im Übrigen auch im Rahmen einer Kontrollüberlegung nicht einmal ansatzweise,
dass die stationäre Aufnahme ohne die beidseitige Lungenentzündung bzw. deren Symptome überhaupt erforderlich gewesen wäre.
Soweit die Beklagte dennoch einen Zusammenhang zu begründen sucht, indem sie eine Verursachungskette Leukämie - Chemotherapie
- Neutropenie - Pneumologie anführt, mag eine solche mittelbare Verursachungskette ggf. möglich sein, dies führt indes nicht
weiter. Hierauf kommt es nämlich schon deshalb nicht an, weil die DKR 2005 nicht auf einen Ursachenzusammenhang abstellen,
sondern allein darauf, ob, vorliegend bezogen auf die DKR 0201d, die Tumorerkrankung behandelt bzw. die Aufnahme zur Behandlung
wegen der Tumorerkrankung veranlasst worden ist. Eine Vergütungsregelung wie die DKR, die für die routinemäßige Abwicklung
von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen kann, wenn sie allgemein streng nach ihrem
Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen
belässt (BSG, Urteil vom 21.04.2015 a.a.O.). Diesem Zweck läuft das Verständnis der Beklagten zuwider, wenn sie die Vergütung auf der
Grundlage der DKR von der teils sehr diffizilen Beurteilung eines Ursachenzusammenhangs abhängig macht. Dementsprechend ist
die Behandlung der Pneumologie auch nicht unter "notwendige Folgebehandlung" im Sinne der o.a. DKR 0201d zu subsumieren. Eine
solche Behandlung muss sich nämlich, wie auch das SG zutreffend ausgeführt hat, auf die unmittelbaren Folgen einer bösartigen Neubildung bzw. einer Metastase und ggf. auch des
primären Malignoms beziehen. Dies folgt bereits aus den o.a. Feststellungen, ergibt sich aber auch aus den in der DKR 0201d
aufgeführten Fallbeispielen 1 bis 5 (Unterstreichungen seitens des Senats):
Beispiel 1
Ein Patient wird zur Behandlung eines malignen Gehirntumors im Frontallappen stationär aufgenommen. Hauptdiagnose: C71.1 Bösartige
Neubildung des Gehirns, Frontallappen
Beispiel 2
Eine Patientin wird bei vorangegangener Mastektomie bei Mammakarzinom (oberer äußerer Quadrant) anschließend erneut für drei
Tage zur Strahlentherapie stationär aufgenommen. Hauptdiagnose: C50.4 Bösartige Neubildung der Brustdrüse, oberer äußerer
Quadrant
Beispiel 3
Ein Patient wird zum Staging eines Morbus Hodgkin (lymphozytenreiche Form) nach vorangegangener Chemotherapie stationär aufgenommen.
Hauptdiagnose: C81.0 Hodgkin-Krankheit, lymphozytenreiche Form
Beispiel 4
Ein Patient wird zur Resektion von Lebermetastasen stationär aufgenommen. Drei Monate zuvor war ein Karzinom am Colon transversum
operativ entfernt worden. Hauptdiagnose: C78.7 Sekundäre bösartige Neubildung der Leber
Beispiel 5
Ein Patient wird zur systemischen Chemotherapie von Lebermetastasen stationär aufgenommen. Drei Monate zuvor war ein Karzinom
am Colon transversum operativ entfernt worden. Hauptdiagnose: C18.4 Bösartige Neubildung des Kolons, Colon transversum
Etwas Anderes ergibt sich schließlich auch nicht aufgrund des Hinweises der Beklagten auf die der chirurgischen Entfernung
eines Malignoms folgende Behandlung, die in den DKR 201d erfasst ist mit:
"Sofern ein Patient eine auf mehrere Eingriffe verteilte chirurgische Behandlung eines Malignoms/von Metastasen benötigt,
ist jedem weiteren Krankenhausaufenthalt, bei dem eine Folge-Operation durchgeführt wird, das Malignom/die Metastasen ebenfalls
als Hauptdiagnose-Kode zuzuweisen. Obwohl das Malignom/die Metastasen möglicherweise durch die erste Operation entfernt worden
ist/sind, wird der Patient während des darauf folgenden Krankenhausaufenthaltes nach wie vor wegen der Folgen des Malignoms/der
Metastasen behandelt, d.h. das Malignom/die Metastasen ist/sind auch der Anlass zur Folge-Operation."
Bereits der Eingangshalbsatz "Sofern ein Patient eine auf mehrere Eingriffe verteilte chirurgische Behandlung eines Malignoms/von
Metastasen benötigt, " belegt, dass es sich um eine vollständig andere Fallkonstellation handelt, bei der im Übrigen ebenfalls
auf die unmittelbare Behandlung des Malignoms / der Metastase, nur verteilt auf mehrere Eingriffe, abgestellt wird (s.o.).
Schließlich ist auch der von der Beklagten angeführte Ursachenzusammenhang nicht feststellbar. Nach den Ausführungen des Sachverständigen
Dr. E können zwar Plattenepithelkarzinom und / oder Leukämie das Entstehen einer Bronchopneumonie begünstigen, eine Lungenentzündung
kann sich aber auch unabhängig davon entwickeln.
2.
Hauptdiagnose ist die ICD J18.0 (Bronchopneumonie, nicht näher bezeichnet), da diese - wie bereits unter 1. ausgeführt - bei
retrospektiver Betrachtung objektiv nach medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis die Aufnahme zur stationären Behandlung
erforderlich gemacht hat.
Unerheblich ist, dass die Klägerin zumindest zunächst davon ausgegangen ist, dass die chronisch lymphatische Leukämie als
Nebendiagnose angesehen werden kann, weil dies letztlich für die Gesamt-Bewertung nicht entscheidend ist. Im Übrigen ist aber
auch nicht zu erkennen, dass der Leukämie ein Ressourcenverbrauch zuzusprechen sein könnte. Für die chronisch lymphatische
Leukämie ist nämlich, da das o.a. Verständnis der Beklagten nicht greift, überhaupt kein Behandlungsaufwand angefallen.
3.
Die OPS 5-389.0x ist nicht zu verschlüsseln, da ein operativer Verschluss an Blutgefäßen nicht festgestellt werden konnte.
Der Sachverständige hat durchaus berücksichtigt, dass eine Elektrokoagulation durchgeführt worden ist, hat aber keinen operativen
Verschluss von Arterien Kopf, extrakraniell, und Hals feststellen können. Von seiner Bewertung des Vorgangs als Wundversorgung
abzuweichen, gibt der auch von dem Sachverständigen ausgewertete Operationsbericht vom 22.12.2005 keinen Anlass.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG).