Vergütung stationärer Krankenhausbehandlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung nach Fallpauschalen
Ermittlung der Vergütung unter Berücksichtigung fiktivem wirtschaftlichen Alternativverhaltens bei unwirtschaftlicher Behandlungsweise
– hier im Falle der ungenutzten Option einer Beurlaubung des Versicherten
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Vergütung für Krankenhausleistungen in Höhe von zuletzt noch 3.795,64 Euro
nebst Zinsen in Höhe von 2% über den Basiszinssatz seit dem 3. April 2015.
Die Beklagte ist Trägerin des F-Krankenhauses I, einem für die Behandlung gesetzlich Krankversicherter zugelassenen Krankenhaus
gemäß §
108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V). Dort wurde der am 00.00.1960 geborene Herr T S (nachfolgend Versicherter) aufgrund eines zytologisch gesicherten Lungenkarzinoms
(C34.1) im linken Oberlappen behandelt (Aufnahme Nr.: 000).
Vor einer ersten stationären Aufnahme wurden bei dem Versicherten zur Ausbreitungsdiagnostik am 22. September 2014 eine Magnetresonanztomografie
(MRT) des Schädels und am 1. Oktober 2014 eine Positronen-Emmissons-Tomografie zuzüglich Computertomografie (PET-CT) durchgeführt.
Nach der PET-CT ergab sich der Verdacht für das Vorliegen einer mediastinalen Lymphknotenmetastasierung des Tumors. Ebenfalls
am 1. Oktober 2014 (Mittwoch) wurde der Behandlungsfall des Versicherten im Krankenhaus der Beklagten erstmalig im Rahmen
der dortigen interdisziplinären Tumorkonferenz vorgestellt und die Indikation zum chirurgisch-operativen Lymphknotenstaging
durch eine videoassistierte mediastinoskopische Lymphadenektomie (VAMLA) gestellt.
Am Montag, den 6. Oktober 2014 wurde der Versicherte im Krankenhaus stationär zum Ausschluss einer M2/M3 Situation bei zytologisch
gesichertem nicht kleinzelligem Lungenkarzinom im linken Oberlappen aufgenommen. Als Aufnahmeuntersuchungen wurden u.a. eine
Spiroergometrie, eine Lungenperfusionszintigrafie und eine Echokardiografie durchgeführt. Es erfolgte am selben Tag die zweite
Vorstellung des Versicherten in der interdisziplinären Tumorkonferenz, ebenfalls mit dem Ergebnis der Durchführung einer VAMLA,
welche am 7. Oktober 2014 (Videobronchoskopie und VAMLA) mit komplikationslosem operativem Verlauf durchgeführt wurde. Das
abgenommene Bronchial- bzw. Trachialsekret wurde bakteriologisch untersucht. Zudem kam es zur Beauftragung einer histologischen
Untersuchung durch Prof. Dr. O, Institut für Pathologie an der B-Krankenanstalt-Bochum. Der im Krankenhaus der Beklagten ausweislich
des Eingangsstempels am 10. Oktober 2014 eingegangene schriftliche Bericht über den histologischen Befund trägt den Hinweis:
"Der Befund wurde vorab elektronisch übermittelt." Auf den weiteren Inhalt wird Bezug genommen.
Am 10. Oktober 2014 entließ das Krankenhaus den Versicherten, dem zuvor - nach der Aussage des Chefarztes der Klinik für Thoraxchirurgie,
Dr. J (Stellungnahme vom 30. März 2015) - bereits die Möglichkeit einer thoraxchirurgischen operativen Versorgung im Rahmen
einer Oberlappenmanschettenresektion links in Aussicht gestellt worden war. Ausweislich des sich in der beigezogenen Patientenakte
befindlichen Entlassungsbriefs vom 10. Oktober 2014 (Ausdruck 10. Oktober 2014, 7:49 Uhr) wurde bei dem Versicherten ein nicht-kleinzelliges
Lungenkarzinom linker Oberlappen (Stadium IB, cT2a cN0) diagnostiziert. Bezüglich der durchgeführten Histologie referierte
der Entlassungsbrief bereits die Beurteilung des Prof. Dr. O.
Für den 15. Oktober 2014 wurden mit dem Versicherten ein ambulanter Termin zur Verlaufskontrolle und Besprechung des weiteren
Procedere vereinbart und durchgeführt. In diesem Rahmen wurde der histologische Befund und der Ausschluss einer N2/N3 Situation
erläutert, die weiteren OP-Schritte mit dem Versicherten erörtert und seine Einwilligung für die geplante Operation eingeholt,
wobei als erneuter Aufnahmetermin der 22. Oktober 2014 festgelegt wurde. Ebenfalls am 15. Oktober 2014 (Mittwoch) fand die
dritte Vorstellung des Versicherten in der interdisziplinären Tumorkonferenz mit dem Ergebnis einer OL-Ektomie ggf. mit Manschettenresektion
statt. Am 21. Oktober 2014 (Mittwoch) wurde der Fall des Versicherten zum vierten Mal in der interdisziplinären Tumorkonferenz
vorgestellt und der Versicherte am 22. Oktober 2014 erneut stationär aufgenommen. Am 23. Oktober 2014 fanden bei ihm eine
Videobronchoskopie und diagnostische Aspiration, laterale Thorakotomie links mit dorsaler Kostomie der fünften Rippe, intraderikardiale
Oberlappenektomie mit Bronchusmanschette sowie eine Gefäßmanschettenresektion mit Rekonstruktion durch Perikard-Interponat
statt. Am 4. November 2014 wurde der Versicherte zur ambulanten Weiterbehandlung mit der Diagnose eines nicht-kleinzelligen
Lungenkarzinoms linker Oberlappen (Stadium IIA, pT2a pN1MO) entlassen; am 10. November 2014 (Montag) fand die fünfte Vorstellung
in der interdisziplinären Tumorkonferenz statt.
Für die Behandlung des Versicherten stellte die Beklagte der Klägerin zunächst am 29. Oktober 2014 eine Rechnung über 3.795,64
Euro für den ersten Aufenthalt unter Zugrundelegung der Diagnosis Related Group (DRG) E02C (andere OR-Prozeduren an den Atmungsorganen
ohne aufwendigen Eingriff, Alter > 9 Jahre). Für den zweiten Aufenthalt richtete die Beklagte am 26. November 2014 eine Rechnung
über 12.777,31 Euro unter Zugrundelegung der DRG E05A (andere große Eingriffe am Thorax mit äußerst schweren Komplikationen
oder Komorbiditäten) an die Klägerin. Diese beglich zunächst beide Rechnungsbeträge. Am 4. Dezember 2014 beauftragte sie den
Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) und teilte dies der Beklagten mit. In seiner gutachterlichen Stellungnahme vom
10. März 2015 ging der MDK davon aus, dass ein durchgehender Behandlungsfall über die beiden Verweildauerzeiträume vorgelegen
habe. Die Wiederaufnahme sei für die geplante Oberlappenmanschettenresektion links und somit zur Fortsetzung der Behandlung
erfolgt. Medizinische Gründe für die zwischenzeitlich erfolgte Entlassung des Versicherten hätten nicht vorgelegen. Angesichts
dessen forderte die Klägerin die Beklagte unter dem 12. März 2015 zur Rechnungskorrektur auf. Es ergebe sich ein Differenzbetrag
in Höhe von 12.777,31 Euro. Die Beklagte werde gebeten, diesen Betrag bis zum 2. April 2015 zu überweisen.
Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach, sondern erhob Einwände gegen das Gutachten des MDK durch den Chefarzt der
Klinik für Thoraxchirurgie, Herrn Dr. J (Stellungnahme vom 30. März 2015). Auf den Inhalt der Stellungnahme wird Bezug genommen.
Die Klägerin legte die Angelegenheit daher erneut dem MDK vor, welcher in seinem zweiten Gutachten bei seiner früheren Auffassung
verblieb (Gutachten vom 23. Juni 2015). Auch unter Würdigung der dargelegten Einwände komme es zu keinem anderen Ergebnis.
Diagnose und Therapie gehörten zu einem Fall und könnten nicht getrennt abgerechnet werden. Die Wiederaufnahme sei innerhalb
der oberen Grenzverweildauer (oGVD) zum ersten Aufenthalt zur weiteren operativen Therapie erfolgt.
Nochmalige Zahlungsaufforderungen der Klägerin (Schreiben vom 24. August und 21. September 2015) gegenüber der Beklagten unter
Fristsetzung bis letztlich zum 21. Oktober 2015 blieben ergebnislos.
Am 28. November 2015 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhoben. Es sei eine Fallzusammenführung durchzuführen (Verweis auf BSG, Urteil vom 1. Juli 2014 - B 1 KR 62/12 R - BSGE 116, 138; BSG, Urteil vom 10. März 2015 - B 1 KR 3/15 R - juris; BSG, Urteil vom 28. März 2017 - B 1 KR 29/16 R - BSGE 123, 15; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen [LSG NRW], Urteil vom 6. Dezember 2016 - L 1 KR 358/15 - juris). Es handele sich um einen durchgehenden Behandlungsfall. Bei dem ersten Aufenthalt habe die notwendige Diagnostik
stattgefunden und bei dem zweiten Aufenthalt sei die erforderliche Therapie in Form einer Operation durchgeführt worden. Bereits
am 10. Oktober 2014 habe festgestanden, dass eine Operation notwendig sei. Medizinische Gründe dafür, diese erst im Rahmen
eines weiteren Aufenthaltes durchzuführen, hätten nicht vorgelegen. Insbesondere rechtfertige eine etwaige dem Versicherten
gewährte bzw. von diesem geforderte Bedenkzeit kein solches Vorgehen. Bedenkzeit hätte auch im Rahmen eines einheitlichen
Aufenthalts, ggf. unter Überschreitung der oGVD, gewährt werden können. Im vorliegenden Fall sei die Wiederaufnahme innerhalb
der oGVD erfolgt. Eine Bedenkzeit von ein bis zwei Tagen habe dem Versicherten insofern eingeräumt werden können. Dies rechtfertige
jedoch nicht seine Entlassung. Es habe durchgehend Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit bestanden. Diese Frage hänge auch nicht
von dem Willen des Patienten ab.
Ein künstliches Fallsplitting sei nach der Rechtsprechung nicht möglich, da es - unabhängig von den in der Vereinbarung zum
Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2014 (Fallpauschalenvereinbarung 2014 [FPV 2014]) geregelten Fallgestaltungen
- gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot des §
12 Abs.
1 SGB V verstoße. Ein Krankenhaus habe im Fall einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise nur Anspruch auf diejenige Vergütung, welche
dem fiktivem wirtschaftlichen Alternativverhalten entspreche. Ein etwaiger oGVD-Zuschlag sei grundsätzlich die günstigere
Alternative gegenüber der Abrechnung einer eigenständigen Fallpauschale. Alternativ hätte von der in § 1 Abs. 7 FPV 2014 vorgesehenen
Möglichkeit Gebrauch gemacht werden können, den Versicherten zu beurlauben.
Nachdem die Klägerin zunächst die Zahlung von 12.777,31 Euro nebst Zinsen begehrt hat, hat sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung
vor dem SG die Klage in Höhe von 8.981,67 Euro zurückgenommen und zuletzt beantragt,
die Beklagte zur verurteilen, an die Klägerin 3.795,64 Euro nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über den jeweiligen Basiszinssatz
seit dem 3. April 2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Rahmen des stationären Aufenthaltes zur VAMLA sei zunächst die funktionelle Operabilität des Versicherten geklärt worden.
Dem Versicherten sei am Entlassungstag, dem 10. Oktober 2014, die Möglichkeit der operativen Versorgung aus thoraxchirurgischer
Sicht in Aussicht gestellt worden. Er habe sich hinsichtlich der Durchführung eines solchen Eingriffs Bedenkzeit gewünscht.
Erst nach Festlegung des onkologischen Konzepts, dessen Bestätigung in der interdisziplinären onkologischen Konferenz, erfolgter
Aufklärung des Versicherten hierüber und über die weiteren Therapieoptionen sowie letztlich vorliegender Einwilligung des
Versicherten in die operative Maßnahme habe die Aufnahme zur geplanten thoraxchirurgischen Intervention erfolgen können. Die
Behandlung sei daher (zunächst) abgeschlossen gewesen. Der Versicherte habe sich bei seiner Entlassung am 10. Oktober 2014
in einem stabilem Allgemeinzustand befunden. Dies belege die Stellungnahme des Herrn Dr. J. Sie - die Beklagte - sei danach
gehalten gewesen, eine Entscheidung des Versicherten über das weitere Vorgehen abzuwarten. Es habe sich um ein schweres Erkrankungsbild
gehandelt, und der als Therapieoption in Aussicht gestellte Eingriff sei von immenser Tragweite gewesen.
Die Voraussetzungen einer Fallzusammenführung nach § 2 FPV 2014 hätten nicht vorgelegen. Die dortigen Tatbestände stellten
Ausnahmen der ansonsten geltenden Regel dar, dass jeder Einzelaufenthalt getrennt abzurechnen sei (Verweis auf LSG NRW, Urteil
vom 23. August 2012 - L 16 KR 168/08; SG Mainz, Urteil vom 22. Oktober 2014 - S 3 KR 438/12, Rn. 37 - jeweils juris). Auch das BSG habe einer analogen Auslegung der FPV 2014 hinsichtlich der Frage, ob zwei stationäre Krankenhausbehandlungen wegen derselben
Grunderkrankung nach § 2 Abs. 2 FPV 2014 zusammenzuführen seien, trotz Überschreitung der dort maßgeblichen 30-Tage-Regelung,
(zunächst) eine Absage erteilt (Verweis auf BSG, Urteil vom 28. November 2013 - B 3 KR 33/12 R - juris). Soweit der nunmehr allein zuständige 1. Senat des BSG eine Fallzusammenführung in Abkehr von dieser Rechtsprechung für möglich halte, sei dies mangels gesetzlicher Grundlage abzulehnen.
Die sozialgerichtliche Rechtsprechung sei diesem "Postulat des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens" bereits entgegengetreten,
soweit hier an den Richtlinien und Leitlinien - respektive an den Patientenrechten und dem klinischen Alltag - vorbei entschieden
worden sei. Es zeige sich, dass insbesondere unter Berücksichtigung schwerer Krankheitsverläufe eine umfassende Prüfung des
Einzelfalles geboten sei (Verweise auf LSG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 5. November 2015 - L 5 KR 252/14, vom 19. November 2015 - L 5 KR 39/15 und vom 2. Juni 2016 - L 5 KR 38/16). Krankenhäuser seien nicht grundsätzlich verpflichtet, Diagnostik und operative Behandlung innerhalb eines einzigen Krankenhausaufenthaltes
durchzuführen. Bei Vorliegen sachgerechter Gründe (Kapazitätsgründe, Umstände des Einzelfalles, Möglichkeit für den Patienten,
Behandlungsalternativen in Ruhe zu prüfen, Unklarheit bzgl. des weiteren Vorgehens, etc.) sei weder eine Beurlaubung angezeigt
noch liege ein unzulässiges Fallsplitting vor, welches nach der Rechtsprechung des BSG lediglich zu einem Anspruch auf die Vergütung für ein fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten führe. Auch die Voraussetzungen
einer Beurlaubung hätten nicht vorgelegen. Diesbezüglich werde auf die Entscheidung des BSG vom 10. März 2015 (B 1 KR 3/15 R) verwiesen, in der das BSG die Voraussetzungen einer Beurlaubung umrissen und auf die landesvertraglichen Regelungen gestützt habe. Sie komme dann nicht
in Betracht, wenn zum Zeitpunkt der Untersuchung im Rahmen der Diagnostik noch nicht feststehe, ob und wann die Behandlung
fortgesetzt werde.
Der Versicherte sei nicht etwa aus betriebswirtschaftlichem Eigeninteresse der Beklagten vorzeitig entlassen worden ("blutige
Entlassung"). Insbesondere habe zum Zeitpunkt der Entlassung noch nicht festgestanden, ob und wann die Behandlung fortgesetzt
werde. Ein konkreter Therapieplan habe nicht erstellt werden können, bevor nicht in der prätherapeutischen Tumorkonferenz
nach Bestätigung der Histologie am 15. Oktober 2014, d.h. nach der Entlassung des Versicherten, die therapeutischen Optionen
patientenbezogen erörtert worden seien. Die prätherapeutische Tumorkonferenz sei in der S3-Leitlinie zur Prävention, Diagnostik,
Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms vorgeschrieben und könne erst nach Abschluss der Diagnostik erfolgen. Der 15. Oktober
2014 sei der nächstmögliche Termin für diese Tumorkonferenz gewesen, denn diese würde insbesondere eine Expertise verschiedener
notwendiger Fachabteilungen in Anspruch nehmen. Die Beklagte treffe vor diesem Hintergrund keine Pflicht zur Fallzusammenführung.
Ein wirtschaftliches Alternativverhalten habe es schlichtweg nicht gegeben.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eins medizinischen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Innere Medizin, Sozialmedizin
Dr. R (Gutachten vom 4. November 2016). Dieser hat im Wesentlichen zunächst ausgeführt, dass die Entlassung für zwölf Tage
nach Kenntnis der Therapieoptionen medizinisch nicht verständlich sei. Am 10. Oktober 2014 habe diagnostische Klarheit hinsichtlich
des operativen Vorgehens bestanden. Der Patient habe sich in einem guten Allgemeinzustand befunden. Es sei eine DRG-Neueinstufung
erforderlich und es werde die DRG-Fallpauschale E05A CCL 4 mit einer Pauschale in Höhe von 14.654,90 Euro angesteuert.
Zur Untermauerung ihrer Ansicht hat die Beklagte eine fachmedizinische Stellungnahme des Herrn Dr. U, Facharzt für Chirurgie,
Thoraxchirurgie, Spezielle Thoraxchirurgie, FEBTS, vorgelegt (Stellungnahme vom 12. Januar 2017), auf deren Inhalt Bezug genommen
wird.
Im Rahmen einer durch das SG beauftragten ergänzenden Stellungnahme hat der Sachverständige zu der Intervention des Herrn Dr. U Stellung bezogen (Stellungnahme
vom 13. Februar 2017). Dieser sei insofern zuzustimmen, als eine Fallzusammenführung nach der FPV 2014 nicht möglich sei.
Das Gutachten sei insofern zu revidieren. Die Krankenhausverweildauern würden akzeptiert, da sie nunmehr medizinisch begründet
seien. Im Rahmen einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 3. Juni 2017 hat der Sachverständige ferner ausgeführt, dass
die stationäre Behandlung des Versicherten am 10. Oktober 2014 zunächst abgeschlossen gewesen sei, ohne dass bereits eine
abschließende Entscheidung über die weitere Therapie bestanden hätte. Eine Beurlaubung sei nicht vereinbart worden.
Zu dem durch das SG eingeholten Sachverständigengutachten hat die Beklagte wie folgt Stellung genommen: Die Auffassung des Gutachters eine Beurlaubung
des Versicherten von ein bis zwei Tagen sei möglich und ausreichend gewesen, sei unzutreffend. Zudem sei es auch unzutreffend,
dass eine Fallzusammenführung auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 FPV 2014 habe stattfinden können.
Mit Urteil vom 14. Mai 2018 hat das SG der Klage stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das der Beklagten am 23. Mai 2018 zugestellte Urteil hat sich diese am 15. Juni 2018 mit ihrer Berufung gewandt. Zur
Begründung wiederholt und vertieft sie ihren bisherigen Vortrag und führt ergänzend aus: Sie sei zu einer Fallzusammenführung
nicht verpflichtet gewesen, da im Entlassungszeitpunkt am 10. Oktober 2014 (noch) kein weiterer Behandlungsplan festgestanden
habe, denn dafür habe nicht nur die Durchführung einer weiteren Tumorkonferenz ausgestanden, sondern auch die Einwilligung
des Patienten. Die Voraussetzungen einer Beurlaubung hätten nicht vorgelegen. Bei dieser gehe die Initiative vom Patienten
aus und es existiere zum Zeitpunkt der Unterbrechung eine Einbindung des Patienten in eine konkret laufende Behandlung, die
regelhaft ohne Nachteile für den Patienten aus medizinischen Gründen nicht unterbrochen werden sollte.
Es sei bereits auf den fachmedizinischen Behandlungsstandard verwiesen worden, der sich aus der S3-Leitlinie ergebe. Danach
sei das Behandlungsmanagement der onkologisch schwer erkrankten Patienten wöchentlich - stets mittwochs - in der interdisziplinären
Tumorkonferenz zu besprechen und die bestehenden Optionen festzulegen gewesen. Eine Erhöhung der Frequenz überstiege die personellen
und zeitlichen Kapazitäten, da eine Beteiligung der Bereiche Pneumologie, Onkologie, Thoraxchirurgie und Radiologie stattfinde.
Zudem hätten die externen Kooperationspartner nur mittwochs mit einem Facharzt an der Konferenz teilnehmen können. Soweit
in der mündlichen Verhandlung durch Dr. U erklärt worden sei, dass die Konferenz zweimal wöchentlich stattfinde, stelle dies
den aktuellen Stand, nicht aber den Stand im Jahr 2014 dar. Zudem ergebe sich aus der Protokollierung, dass die Tumorkonferenz
für den nächstmöglichen Zeitpunkt anberaumt worden sei, so dass eine Terminierung vor dem 15. Oktober 2014 offensichtlich
nicht möglich gewesen sei. Die mögliche Option einer Operation sei mit dem Patienten bereits am 10. Oktober 2014 besprochen
worden, um in der Tumorkonferenz seine grundsätzliche Haltung dazu bereits miteinfließen lassen zu können. Der Versicherte
habe angegeben, dass er sich zunächst mit seinen Angehörigen besprechen wollte.
Letztlich sei die Berufung auch unter Anwendung der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG begründet (Verweis auf BSG, Urteil vom 28. März 2017 - a.a.O., Rn. 22), denn auch dieser erachte eine Indikationsstellung für eine definitive Wiederaufnahme
als erforderlich, für die es vorliegend an ausreichenden Erkenntnisgrundlagen fehle. Ein konkreter Therapieplan habe ebenso
wenig erstellt werden können wie ein Termin zur Wiederaufnahme bereits vereinbart gewesen sei, bevor nicht in der Tumorkonferenz
am 15. Oktober 2014 nach Bestätigung der Histologie die therapeutischen Optionen patientenbezogen erörtert worden sei und
eine konsensbasierte Therapieempfehlung hinsichtlich der operativen Resektion habe empfohlen werden können. Die histologischen
Ergebnisse hätten jedenfalls zum Entlassungszeitpunkt noch nicht vorgelegen. Aber auch mit ihnen hätte zunächst die Tumorkonferenz
tagen müssen.
Der Gesetzgeber habe - insofern sehe sich sie sich in ihrer Ansicht bestätigt - im Rahmen des Pflegepersonalstärkungsgesetzes
(PpSG), welches am 11. Dezember 2018 verkündet worden sei (BGBl I, 2394), u.a. eine Ergänzung von § 8 Abs. 5 Satz 3 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz [KHEntgG], in der Fassung ab dem 1. Januar 2019) verabschiedet. Die Regelung sei klarstellend und damit als rückwirkend anzusehen,
wie sich aus der Begründung des Gesetzgebers ergebe (Bundestags-Drucksache [BT-Drs.] 19/5593, S. 124). Eine parallele Änderung
finde sich in § 17b Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz [KHG]) als Ermächtigungsgrundlage für die Fallpauschalenvereinbarung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Gelsenkirchen vom 14. Mai 2018 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf das erstinstanzliche Urteil des SG Bezug und trägt ergänzend vor: Soweit die Beklagte darauf verweise, dass eine akutstationäre Behandlungsbedürftigkeit des
Versicherten im Entlassungszeitpunkt mangels konkretisierten weiteren Behandlungsplans nicht gegeben gewesen sei und das weitere
Vorgehen erst nach stattgefundener Tumorkonferenz am 15. Oktober 2014 habe abgestimmt werden sollen, handele es sich um eine
Verletzung der Organisationsobliegenheit der Beklagten. Zudem habe das SG zu Recht darauf verwiesen, dass die Beklagte bereits bei der Behandlungsplanung die Möglichkeit des wirtschaftlichen Alternativverhaltens
habe prüfen müssen. Ferner hätte sie Sorge dafür tragen müssen, dass ein für die weitere Behandlung unter Umständen notwendiger
histologischer Befund zeitgerecht ausgewertet werde. Sie hätte auch prüfen müssen, ob eine Entlassung bereits vor dem Vorliegen
dieser histologischen Befunde tatsächlich medizinisch indiziert sei. Zu Recht habe das SG daher angenommen, dass die Beklagte ihren Betrieb grundsätzlich so zu organisieren habe, dass der histologische Befund vorliege
und ausgewertet sei, bevor die Entlassung des Versicherten veranlasst werde (Verweis auf LSG NRW, Urteil vom 6. Dezember 2016
- a.a.O.). Medizinische Aspekte, die allein zu berücksichtigen seien, seien auch insofern nicht erkennbar, dass die Tumorkonferenz
erst am 15. Oktober 2014 stattgefunden habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakte der
Klägerin sowie der Patientenakte der Beklagten Bezug genommen, die dem Senat in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat im tenorierten Umfang Erfolg.
A. Die am 15. Juni 2018 schriftlich eingelegte Berufung der Beklagten gegen das ihr am 23. Mai 2018 zugestellte Urteil des
SG Gelsenkirchen vom 14. Mai 2018 ist zunächst zulässig, insbesondere ohne gerichtliche Zulassung statthaft (§§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§
151 Abs.
1, Abs.
3,
64 Abs.
1, Abs.
2,
63 SGG).
B. Die Berufung der Beklagten ist in Höhe von 1.877,59 Euro begründet, denn insoweit ist die Klage unbegründet. Im Übrigen
- mithin in Höhe von 1.918,05 Euro - hat das SG zutreffend die zulässige Leistungsklage als begründet angesehen.
I. Die erhobene (echte) Leistungsklage nach §
54 Abs.
5 SGG ist als richtige Klageart zulässig (BSG, Urteile vom 14. Oktober 2014 - B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R - jeweils juris). Es handelt sich um einen sog. Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt
nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG, Urteil vom 28. November 2013 - B 3 KR 33/12 R - SozR 4-5562 § 9 Nr. 5).
II. Die Leistungsklage der Klägerin ist in Höhe von 1.918,05 Euro zuzüglich Zinsen i.H.v. 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 3. April 2015 begründet, da ihr diesbezüglich ein bestehender und durchsetzbarer Anspruch gegenüber
der Beklagten zusteht; im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1. Als Anspruchsgrundlage stützt sich die Klägerin auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, derbei einer öffentlich-rechtlich
Rechtsbeziehung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 - B 3 KR 4/09 R - SozR 4-5565 §
14 Nr. 10) an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach §
812 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) tritt (vgl. BSG, Urteil 8. November 2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 m.w.N.). Dieser setzt voraus, dass der Berechtigte im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses eine Leistung ohne rechtlichen
Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (BSG, Urteil vom 21. April 2015 - B 1 KR 7/15 R - juris; BSG, Urteil vom 8. November 2011 - a.a.O. m.w.N.). Seine Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen entsprechen zwar, soweit sie
nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs, ein Rückgriff auf die zivilrechtlichen
Normen scheidet jedoch aus, soweit der vom öffentlichen Recht selbstständig entwickelte Erstattungsanspruch reicht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juli 1974 - 1 RA 183/73 - BSGE 38, 46, 47). Dies gilt namentlich für die Nichtanwendbarkeit der bereicherungsrechtlichen Vorschriften, denen öffentlich-rechtliche
Wertungszusammenhänge entgegenstehen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 16. Januar 2014 - L 16 KR 177/09 - juris).
a) Eine öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung liegt vor. Die Abrechnungsbeziehungen zwischen der klagenden Krankenkasse und
der Beklagten als Trägerin des Krankenhauses sind öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Dieses ergibt sich explizit aus §
69 Satz 2
SGB V (BSG, Urteil vom 8. November 2011 - a.a.O.). Hiernach sind die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern
und ihren Verbänden abschließend im Vierten Kapitel des
SGB V, in den §§
63,
64 SGB V und in dem KHG, dem KHEntgG sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Da es sich bei diesen Vorschriften um solche des
öffentlichen Rechts handelt, sind auch die hierauf beruhenden Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten öffentlich-rechtlicher
Natur.
b) Die für das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs tatbestandlich erforderliche Vermögensverschiebung
liegt vor. Die Beklagte hat durch die klägerische Zahlung auf die Schlussrechnungen vom 29. Oktober 2014 und 26. November
2014 jeweils eine mit einem Auszahlungsanspruch gegenüber der Bank korrespondierende Gutschrift erhalten.
c) Die Vermögensverschiebung ist in Höhe von 1.918,05 Euro ohne Rechtsgrund erfolgt, da der Beklagten insofern kein Anspruch
auf Zahlung von Krankenhausvergütung zustand.
aa) Die Frage, ob die Zahlung aufgrund einer etwaig verstrichenen Ausschlussfrist nach § 7 Abs. 2 Satz 3 der Vereinbarung
über das Nähere zum Prüfverfahren nach §
275 Abs.
1c SGB V gemäß § 17c Abs. 2 KHG (Prüfverfahrensvereinbarung [PrüfvV 2014]) ohne Rechtsgrund erfolgt ist, stellt sich vorliegend nicht, da die PrüfvV erst
auf Behandlungsfälle ab dem 1. Januar 2015 anwendbar ist. Hier liegt der Behandlungsfall in 2014.
bb) Rechtsgrundlage des von der Beklagten wegen der stationären Behandlungen des Versicherten geltend gemachten Vergütungsanspruchs
ist §
109 Abs.
4 Satz 3
SGB V i.V.m. § 7 KHEntgG und § 17b KHG (BSG, Urteil vom 8. November 2011 - a.a.O., Rn. 13, 15f; BSG, Urteil vom 19. März 2020 - B 1 KR 20/19 R - juris, Rn. 11). Das Gesetz regelt in diesen Vorschriften die Höhe der Vergütung der zugelassenen Krankenhäuser bei stationärer
Behandlung gesetzlich Krankenversicherter und setzt das Bestehen des Vergütungsanspruchs als Gegenleistung für die Erfüllung
der Pflicht, erforderliche Krankenhausbehandlung nach §
39 SGB V zu gewähren (§
109 Abs.
4 Satz 2
SGB V), dem Grunde nach als Selbstverständlichkeit voraus (BSG, Urteil vom 19. März 2020 - a.a.O., Rn. 11; BSG, Urteil vom 16. Juli 2020 - B 1 KR 22/19 R - juris, Rn. 8).
Die Vergütung für eine Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Beklagten
nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für die Krankenhausbehandlung Versicherter
in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus §
109 Abs.
4 Satz 3
SGB V i.V.m. § 7 KHEntgG und § 17b KHG. Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, FPV - hier 2014) konkretisiert. Der Spitzenverband
Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien
nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer
und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie
insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG.
Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen
Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert (§ 1 Abs. 6 Satz 1 FPV 2014; zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs: BSG, Urteil vom 8. November 2011 - a.a.O., Rn. 19ff). Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm (Grouper) greift
dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (z.B. die Zuordnung
von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle
vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die internationale Klassifikation
der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im
Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (ICD-10-GM, Version 2014, idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§
295 und
301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 8. Oktober 2013, BAnz AT 30. Oktober 2013, in Kraft getreten am 1. Januar 2014),
die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS, zur Grundlage der Rechtsbindung: BSG, Urteil vom 8. November 2011 - a.a.O., Rn. 24) sowie die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung
zu den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR, Version 2014 für das G-DRG-System gemäß § 17b KHG; zu deren normativer Wirkung: BSG, Urteil vom 8. November 2011 - a.a.O., Rn. 18; vgl. insgesamt: BSG, Urteil vom 16. Juli 2020 - a.a.O., Rn. 12f.).
Die Anwendung der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen unterliegt grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden
der Rechtswissenschaft. Die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehenen Abrechnungsbestimmungen
sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems
stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und
Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (stRspr. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2019 - B 1 KR 19/19 R - juris, Rn. 13 m.w.N.; BSG, Urteil vom 16. Juli 2020 - a.a.O., Rn. 14).
(1) Der Vergütungsanspruch der Beklagten ist dem Grunde nach entstanden; dies ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig.
Die Zahlungsverpflichtung der klagenden Krankenkasse entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme
der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt
wird und im Sinne von §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (BSG, Urteil vom 8. November 2011 - a.a.O., Rn. 13, 15f; BSG, Urteil vom 19. November 2019 - B 1 KR 33/18 R - SozR 4-2500 § 109 Nr. 77, Rn. 10, 12f). Dies ist hier der Fall.
(2) Dem Anspruch der Beklagten ist nicht entgegenzuhalten, dass sie eine abrechnungstechnisch gebotene Fallzusammenführung
i.S.d. § 2 FPV 2014 nicht berücksichtigt hat, denn deren Voraussetzungen liegen nicht vor.
Für eine Zusammenfassung nach § 2 Abs. 1 FPV 2014 fehlt es bereits an der Einordnung in dieselbe Basis-DRG, da einerseits
die DRG E02C und andererseits die DRG E05A angesteuert wurden. § 2 Abs. 2 FPV 2014 kommt ebenfalls nicht in Betracht, denn
der erste und der zweite Behandlungsfall sind hier zwar der gleichen Hauptdiagnosegruppe (MDC) zugeordnet, nämlich der MDC
04 (Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane - E02C und E05A); die zuvor abgerechnete Fallpauschale DRG E02C ist jedoch
nach dem maßgeblichen Fallpauschalenkatalog für 2014 ebenso wie die sich anschließende Fallpauschale in die operative Partition
(O) einzugruppieren, womit sich § 2 Abs. 2 FPV 2014 ausschließt. Schließlich ist eine Fallzusammenführung nicht nach § 2 Abs.
3 Satz 1 FPV 2014 vorzunehmen, da die erneute Aufnahme des Versicherten hier nicht auf einer dort genannten Komplikation beruhte.
(3) Jedoch hat die Beklagte den Versicherten in nicht wirtschaftlicher Weise behandelt, weshalb ihr nur ein Anspruch auf die
Vergütung, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre, zusteht.
Ein Krankenhaus hat auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen einen Vergütungsanspruch gegen einen
Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) - korrespondierend mit dem Leistungsanspruch der Versicherten - nur für
eine erforderliche und wirtschaftliche Krankenhausbehandlung (stRspr; vgl. BSG vom 19. November 2019 - a.a.O. m.w.N.). Nach §
12 Abs.
1 Satz 1
SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer
nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 sowie §
2 Abs.
1 Satz 1, §
4 Abs.
3, §
70 Abs.
1 SGB V). Nach der Gesetzeskonzeption des
SGB V gilt das Wirtschaftlichkeitsprinzip uneingeschränkt auch im Leistungserbringerrecht (vgl. §
12 Abs. 1 Satz 2 sowie §
2 Abs.
1 Satz 1, §
4 Abs.
3, §
70 Abs.
1 SGB V und dazu BSG vom 19. November 2019 - a.a.O. m.w.N.).
Aus ihm resultiert die Pflicht des Krankenhauses, bei der Behandlungsplanung auch die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens
zu prüfen und die Behandlungsplanung gegebenenfalls daran auszurichten (BSG, Urteil vom 27. Oktober 2020 - B 1 KR 9/20 R - juris, Rn. 14). Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfordert, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger und
notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher
sind (BSG, Urteil vom 19. November 2019 - a.a.O., Rn. 24 m.w.N.; BSG, Urteil vom 27. Oktober 2020 - a.a.O., Rn. 16). Durch diese Sichtweise wird auch nicht die Patientenautonomie eingeschränkt,
denn der Sachleistungsanspruch ist von vornherein durch das Wirtschaftlichkeitsgebot (§
12 Abs.
1 SGB V) begrenzt (BSG, Urteil vom 27. Oktober 2020 - a.a.O., Rn. 15 bezugnehmend auf die Kritik von Makoski in: jurisPR-MedR 2/2020 Anm. 1; sich
auf dessen Bedenken beziehend: LSG Hamburg, Urteil vom 25. Februar 2021 - L 1 KR 114/19 - juris, Rn. 50, Revision anhängig unter B 1 KR 14/21 R).
Entgegen der Ansicht der Beklagten steht dem auch nicht die mit Art. 9 Nr. 6 lit. c) PpSG eingefügte Regelung des § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG entgegen. Der 1. Senat des BSG hat bereits darauf verwiesen, dass ihn die insofern in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachte Auffassung, dass es
sich dabei lediglich um eine Klarstellung handele, nicht bindet. Stattdessen ist die Regelung erst zum 1. Januar 2019 in Kraft
getreten (Art. 14 Abs. 1 PpSG) und eine rückwirkende Geltung ist - anders als in den mit dem PpSG ebenfalls eingefügten Regelungen
in §
109 Abs.
5 Satz 2 und §
325 SGB V (Art. 7 Nr.
8a und Nr. 20 PpSG) - nicht angeordnet worden (BSG, Urteil vom 27. Oktober 2020 - a.a.O., Rn. 17; ebenso bereits BSG, Urteil vom 19. November 2019 - a.a.O.). Sie findet damit auf den vorliegenden Abrechnungsfall aus dem Jahr 2014 keine Anwendung.
Eingedenk der dargestellten Grundsätze bestand vorliegend in der - durch die Beklagte nicht genutzten - Option einer Beurlaubung
des Versicherten eine gegenüber der durchgeführten zwischenzeitlichen Entlassung gleich zweckmäßige und notwendige, aber wirtschaftlichere
Behandlungsmöglichkeit.
(a) Nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 7 Satz 3 FPV 2014 liegt eine Beurlaubung vor, wenn ein Patient mit Zustimmung des
behandelnden Krankenhausarztes die Krankenhausbehandlung zeitlich befristet unterbricht, die stationäre Behandlung jedoch
noch nicht abgeschlossen ist. Dabei lässt sich der Regelung nicht entnehmen, dass eine Beurlaubung stets auf der Initiative
des Versicherten beruhen muss (BSG, Urteil vom 27. Oktober 2020 - a.a.O., Rn. 19). Maßgeblich für die Möglichkeit einer Beurlaubung ist vielmehr, dass die stationäre
Behandlung des Versicherten am 10. Oktober 2014 noch nicht abgeschlossen gewesen ist.
Eine Beurlaubung setzt nach Wortlaut und Regelungssystem eine bereits zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Krankenhausbehandlung
beabsichtigte Wiederaufnahme in das Krankenhaus voraus. Dabei genügt es nach der Rechtsprechung des BSG für eine bereits zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Krankenhausbehandlung beabsichtigte Wiederaufnahme in das Krankenhaus,
dass der Therapieplan des Krankenhauses eine Wiederaufnahme in überschaubarer Zeit vorsieht. Es muss nicht etwa bereits zum
Zeitpunkt der Unterbrechung der Krankenhausbehandlung feststehen, dass der Versicherte nach der Unterbrechung wieder aufgenommen
wird. Eine solche Anforderung können derartige Zukunftsplanungen aufgrund der Unkenntnis über die Zukunft nie erfüllen. Vielmehr
reicht es hierfür aus, dass das Krankenhaus bei der Behandlungsunterbrechung die Indikation für die Wiederaufnahme stellt,
um die Behandlung zeitnah fortzusetzen (BSG, Urteil vom 28. März 2017 - a.a.O., Rn. 22).
(aa) Angesichts dessen muss der Senat bereits nach den eigenen Ausführungen der Beklagten davon ausgehen, dass am 10. Oktober
2014 die Behandlung des Versicherten noch nicht abgeschlossen gewesen ist. So führt die Beklagte selbst aus, dass dem Versicherten
bereits zu diesem Zeitpunkt die Perspektive eines operativen Prozedere durch die behandelnden Ärzte in Aussicht gestellt worden
ist. Der Versicherte habe sich daraufhin lediglich "Bedenkzeit" ausgebeten.
(bb) Dem steht zunächst nicht entgegen, dass am 10. Oktober 2014 noch keine vollständige Befundlage vorgelegen hat. Dieser
Vortrag hat sich durch die beigezogene Patientenakte des Versicherten nicht bestätigt. So kann dieser insbesondere entnommen
werden, dass der histologische Befund der Lymphadenektomie dem behandelnden Krankenhaus bereits zur Fertigung des dann um
7.49 Uhr am 10. Oktober 2014 fertig ausgedruckten Entlassungsberichts vorgelegen hat. Der histologische Befund wurde nämlich
- wie sich dem schriftlich dokumentierten Befund entnehmen lässt - vorab elektronisch übermittelt und fand wortgleichen Eingang
in den Entlassungsbericht.
Auch wenn man annimmt, dass der histologische Befund zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig ausgewertet war und ferner
berücksichtigt, dass die - leitliniengemäß unstreitig erforderliche - interdisziplinäre Tumorkonferenz an diesem Tag noch
nicht stattgefunden hat, führt dies nicht zu einer abweichenden Bewertung. Denn am 10. Oktober 2014 lagen jedenfalls alle
erforderlichen Entscheidungsgrundlagen in tatsächlicher Hinsicht in dem behandelnden Krankenhaus vor. Die insofern eingetretene
zeitliche Verzögerung hatte ihren Ursprung demnach nicht in einer defizitären medizinischen Tatsachengrundlage, sondern stattdessen
in dem sich daran anschließenden medizinischen Entscheidungsprozess, mithin u.a. in der Auswertung der Befunde sowie der Beratung
über deren Interpretation und Folgen. Die Ausgestaltung der Binnenstruktur eines Krankenhauses, zu der letztlich auch der
organisatorische Ablauf medizinischer Entscheidungsprozesse innerhalb desselben zählt, obliegt indes allein der Kompetenz
und Verantwortung der Beklagten bzw. des behandelnden Krankenhauses, dessen Trägerin sie ist, und ist dem Einflussbereich
der Klägerin mithin gänzlich entzogen. Die Berücksichtigung selbst geschaffener ineffizienter Organisationsstrukturen zugunsten
der Beklagten würden die Gefahr in sich bergen, Fehlanreize zu Lasten der Krankenversicherer zu schaffen, die das System der
gesetzlichen Krankenversicherung nicht vorsieht, da innerhalb diesem die Erbringung und Vergütung unwirtschaftlicher Leistungen
nicht in Betracht kommt, §
12 Abs.
1 Satz 2
SGB V. Der Krankenhausträger ist mithin verpflichtet, innerhalb des behandelnden Krankenhauses interne Prozesse so zu gestalten,
dass eine unwirtschaftliche Abrechnungspraxis vermieden wird. Ob er dieser Verpflichtung durch das häufigere Zusammentreten
der interdisziplinären Tumorkonferenz oder durch längere Beurlaubungssequenzen der Versicherten nachkommt, obliegt nicht der
Entscheidung des Senats. Die Auslegung des normativen wie des vertraglichen Kontextes darf jedoch keinen Anreiz dazu bieten,
aus wirtschaftlichen Gründen die entsprechenden Entscheidungsabläufe so zu strukturieren, dass sie letztlich zu einer höheren
Vergütung führen. Dass sich schließlich auch die Beklagte der Notwendigkeit eines internen Optimierungsprozesses nicht verschlossen
hat, zeigt ihr Vortrag, dass sich in späterer Zeit der Rhythmus der angesetzten Tumorkonferenzen von einmal auf zweimal wöchentlich
gesteigert hat.
(cc) Die letztlich in der Sphäre des Versicherten liegende Entscheidung über den Fortgang der Behandlung spricht gleichfalls
nicht gegen eine Beurlaubung. So führt der 1. Senat des BSG aus, dass es für eine Beurlaubung unschädlich ist, dass die beabsichtigte Wiederaufnahme von der Entscheidung des Patienten
abhängt, sich im Wiederaufnahmezeitpunkt weiterbehandeln zu lassen. Denn diese Bedingung besteht stets bei einer beabsichtigten
Wiederaufnahme, da die Patientenautonomie ausnahmslos zu achten ist. In gleicher Weise ist es danach ohne Belang, dass der
Patient seine erforderliche Einwilligung in die Weiterbehandlung bei Wiederaufnahme noch von einer zwischenzeitlichen weiteren
ärztlichen Beratung durch andere Ärzte (Zweitmeinung) abhängig machen will. Diese Möglichkeit besteht unter Berücksichtigung
des konkreten therapeutischen Zeitfensters und der Dringlichkeit des Eingriffs ebenfalls regelmäßig für Patienten (BSG, Urteil vom 28. März 2017 - a.a.O., Rn. 23). Die mangelnde vergütungsrechtliche Relevanz einer fehlenden Einwilligung zu
der offerierten Operation zeigt sich zudem darin, dass der Zeitpunkt der Einwilligung - wie sich in §
630d Abs.
3 BGB zeigt - letztlich irrelevant ist, solange die Einwilligung nur wirksam zum Zeitpunkt der Operation vorliegt.
Dessen unbeschadet hatte das behandelnde Krankenhaus dem Versicherten die rechtlich gebotene wirtschaftliche Durchführung
der Behandlung anzubieten, indem es ihm die Möglichkeit der bloßen Beurlaubung aufzeigte, diese Vorgehensweise auch als die
rechtlich gebotene wirtschaftliche Durchführung der Behandlung darstellte und seine Zustimmung durch den behandelnden Krankenhausarzt
erklärte, soweit medizinische Gründe nicht entgegenstanden. Diese Aufklärung muss das Krankenhaus in den Behandlungsunterlagen
nach allgemeinen Grundsätzen dokumentieren (BSG, Urteil vom 28. März 2017 - a.a.O., Rn. 27). Daran fehlt es vorliegend.
(b) Dem steht auch §
10 des Vertrags nach §
112 Abs.
2 Nr.
1 SGB V (LV NW) nicht entgegen.
(aa) Der auf §
112 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1b SGB V gestützte Vertrag ist anwendbar; die Voraussetzungen des §
1 Abs. 1 LV NW sind erfüllt. Der zum 1. Januar 1997 in Kraft getretene (§19 Abs. 1 LV NW) Vertrag ist zwar am 8. April 2003
gekündigt worden, die Vertragspartner haben sich aber darauf verständigt, den Vertrag bis zu einer Neuregelung weiter zu praktizieren.
Ein neuer Vertrag ist bislang nicht zustande gekommen, so dass der gekündigte Vertrag weiter anzuwenden ist (LSG NRW, Urteil
vom 1. September 2011 - L 16 KR 212/08, Rn. 17; LSG NRW, Urteil vom 24. Mai 2012 - L 16 KR 8/09, Rn. 21; Senat, Beschluss vom 11. Juli 2018 - L 11 KR 492/17; Senat, Urteil vom 18. Dezember 2013 - L 11 KR 378/12 LSG NRW, Urteil vom 6. Dezember 2016 - L 1 KR 358/15 - jeweils juris).
(bb) Nach § 10 Abs. 1 LV NW ist eine Beurlaubung grundsätzlich mit der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung nicht vereinbar.
In Ausnahmefällen kann der Patient im Rahmen einer voll- oder teilstationären Krankenhausbehandlung zur Erledigung unaufschiebbarer
persönlicher Angelegenheiten - soweit ärztlich vertretbar - oder zur Stabilisierung des Behandlungserfolges beurlaubt werden.
Urlaub soll nur für einige Stunden gewährt werden, möglichst nicht über Nacht. Zur Beurlaubung von mehr als 24 Stunden ist
die Einwilligung der Krankenkasse erforderlich; diese kann für den Einzelfall oder - z.B. bei psychiatrischer Behandlung -
allgemein erteilt werden, § 10 Abs. 2 LV NW.
Der Senat kann offen lassen, ob die Voraussetzungen des § 10 LV NW für eine Beurlaubung vorliegen. Eine Einwilligung der Krankenkasse
wurde nicht eingeholt. Auch diente die Beurlaubung nicht dem Zweck der Stabilisierung des Behandlungserfolges. Zwar sollte
dem Versicherten Bedenkzeit verschafft werden, damit er sich mit Angehörigen beraten und eine Zweitmeinung einholen konnte,
allerdings ist im Vergleich zu der weiteren Ausnahme zweifelhaft, ob medizinische Gründe und Entscheidungen, die im Zusammenhang
mit dem stationären Aufenthalt stehen, eine unaufschiebbare "persönliche" Angelegenheit darstellen (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2015 - B 1 KR 3/15 R - juris, Rn. 20 zur Hamburger LV).
Allerdings sind in diesem Fall die in § 10 LV NW vereinbarten Regelungen zur Beurlaubung als nichtig anzusehen, denn sie kollidieren
mit den aufgezeigten Grundsätzen über die Beurlaubung nach § 1 Abs. 7 FPV 2014. Sie engen die Möglichkeiten einer Beurlaubung
nach der FPV unter Berücksichtigung der Vorgaben des
SGB V unzulässig ein (so zum LV Rheinland-Pfalz mit ähnlichen Einschränkungen wie der LV NW: BSG, Urteil vom 28. März 2017 - a.a.O., Rn. 25f.). Die Vertragspartner von Landesverträgen nach §
112 SGB V können die bundesrechtlichen Vorgaben des Gesetzes und der Normenverträge über DRGs und Abrechnungsbestimmungen nicht wirksam
ändern. Die Vertragspartner sind nur berechtigt, die bundesrechtlichen Vorgaben ergänzend im Rahmen der gesetzlichen und bundesvertraglichen
Vorgaben auszufüllen. Die landesvertraglichen Regelungen sollen sicherstellen, dass Art und Umfang der Krankenhausbehandlung
den bundesrechtlichen Anforderungen des
SGB V entsprechen (§
112 Abs.
1 SGB V); zu diesen Anforderungen gehört auch die nach §
69 Abs.
1 Satz 2
SGB V mit dem dortigen Verweis auf das KHG und das KHEntgG in das
SGB V einbezogene FPV. Die Landesverträge dürfen keine Regelungen treffen, die dazu in Widerspruch stehen. Nur innerhalb dieser
gesetzlichen Rahmenbedingungen und der bundesvertraglichen Vorgaben können die Verträge auf Landesebene - wie hier der LV
NW - deshalb die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung einschließlich der Aufnahme und Entlassung der Versicherten,
Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte, Berichte und Bescheinigungen regeln (§
112 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 a, b
SGB V; siehe auch BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 §
114 Nr. 1, Rn. 32; allein auf die Wiederaufnahmeabsicht der Beurlaubungsregelung in § 8 LV Hamburg bezogen: BSG Urteil vom 10. März 2015 - B 1 KR 3/15 R - juris, Rn. 19). Dazu gehören z.B. Zahlungsfristen, Verrechnungsmodalitäten sowie Verzugszinsen bei Überschreitung des Zahlungsziels
(vgl. BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr. 1, Rn. 35; BSG SozR 4-2500 § 69 Nr. 10, Rn. 20; insgesamt zu Vorstehenden: BSG, Urteil vom 28. März 2017 - a.a.O., Rn. 25).
(c) Behandelt ein Krankenhaus einen Versicherten insofern bei erforderlicher Krankenhausbehandlung in unwirtschaftlichem Umfang,
hat es allenfalls Anspruch auf die Vergütung, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten anfiele. Dies folgt aus
den Rechtsgedanken von § 17b KHG, § 2 Abs. 2, §
7 Satz 1, §
8 Abs.
1 und §
9 KHEntgG sowie dem Regelungssystem des
SGB V.
Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass sich der der Beklagten zustehende Vergütungsanspruch auf zusammen 16.572,95
Euro beläuft, wenn keine Fallzusammenführung zu erfolgen hätte. Die Beklagte rechnete dafür den ersten und zweiten Behandlungsfall
des Versicherten getrennt nach Maßgabe der DRG E02C und E05A ab. Eine nähere Prüfung zur Höhe der streitigen Beträge erübrigt
sich insofern (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens z.B. BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 - B 1 KR 26/18 R - juris, Rn. 11; BSG, Urteil vom 16. Juli 2020 - a.a.O., Rn. 10; BSG, Urteil vom 27. Oktober 2020 - B 1 KR 9/20 R - juris, Rn. 12). Im Rahmen der vorliegend anzuwendenden Abrechnung nach den Grundsätzen des fiktivem wirtschaftlichen Alternativverhalten
steht der Beklagten jedoch - hinsichtlich des Betrages insoweit durch die Beteiligten ebenfalls nicht beanstandet - unter
Zugrundelegung der DRG E05A CCL 4 nur eine Krankenhausvergütung in Höhe von insgesamt 14.654,90 Euro zu, so dass eine rechtsgrundlose
Zahlung der Klägerin in Höhe von 1.918,05 Euro besteht.
2. Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §
69 Abs
1 Satz 3
SGB V i.V.m. §§
291,
288 Abs.
1 BGB sowie den entsprechend anwendbaren Regeln des LV NW. Für die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Krankenhäusern gelten
die Zinsvorschriften des
BGB entsprechend, soweit nicht in Verträgen etwas anderes geregelt ist (stRspr; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - B 1 KR 61/12 R - juris, Rdnr. 24; BSG, Urteil vom 19. November 2019 - a.a.O., Rdnr. 28).
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG liegen nicht vor. Der Senat bewegt sich auf dem Boden der höchstrichterlichen Rechtsprechung und im Rahmen des höherrangigen
Rechts. Er weicht von der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG - anders als das LSG Hamburg in seinem Urteil vom 25. Februar 2021 - a.a.O. - nicht ab. Ferner legt der Senat eine landesvertragliche
Regelung des LV NW aus und kann sich bezüglich der Nichtigkeitsfolge gleichfalls auf die höchstrichterliche Rechtsprechung,
die zu einer vergleichbaren Regelung im LV RP ergangen ist, stützen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs.
1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).