Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem sie verpflichtet wird, ihren Vorstand wegen unzulässiger
Verwendung von Haushaltsmitteln in Regress zu nehmen.
Am 19.06.2009 richtete die Klägerin für ihre Mitarbeiter im Anschluss an eine Personalversammlung ein Betriebsfest aus. Die
Kosten für die Bewirtung von ca. 440 Personen betrugen 37.961,00 EUR.
Für den 19.11.2010 war eine weitere Personalversammlung mit anschließendem Betriebsfest geplant. Der Vorstandsvorsitzende
der Klägerin wurde am 14.10.2010 von den Prüfern des Prüfdienstes Krankenversicherung (PDK) darauf hingewiesen, dass interne
Veranstaltungen wie Betriebs- und Personalversammlungen nicht aus Repräsentations- und Bewirtungsmitteln zu bestreiten seien.
Das Aufsichtsreferat der Beklagten wiederholte diesen Hinweis mit Fax vom 18.11.2010 unter Bezugnahme auf die "Gemeinsamen
Leitlinien der Aufsichtsbehörden für die Prüfung der Repräsentations- und Bewirtungsleistungen" vom 15.10.2002 i.d.F. vom
05.11.2009 ("Gemeinsamen Leitlinien der Aufsichtsbehörden"). Die Personalversammlung mit anschließendem Betriebsfest fand
am 19.11.2010 wie geplant statt. Die Kosten der Veranstaltung beliefen sich auf 36.579,05 EUR.
Daraufhin bat die Beklagte die Vorsitzenden des Verwaltungsrats der Klägerin unter Hinweis darauf, dass die Übernahme der
Kosten für Betriebsfeiern unzulässig sei, um Prüfung der Inregressnahme des Vorstands (Schreiben vom 18.07.2011).
Der Verwaltungsrat der Klägerin vertrat dazu die Auffassung, das von der Beklagten zur Begründung ihrer Auffassung herangezogene
Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29.02.1984 - 8 RK 27/82 -, nach dem u.a. Versicherungsträger unter Berücksichtigung der Verhältnisse des übrigen öffentlichen Dienstes keine Zuschüsse
zur Förderung der Betriebsgemeinschaft gewähren dürfen, sei nicht mehr einschlägig (Schreiben vom 14.10.2011). Nach Novellierung
des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IV) im Jahr 2001 sei die Verpflichtung zur Beachtung der Bewertungs- und Bewirtschaftungsmaßstäbe des Bundes in §
70 Abs.
3 SGB IV lediglich für die Renten- und nicht für die Krankenversicherungsträger aufgenommen worden. Die "Gemeinsamen Leitlinien der
Aufsichtsbehörden" fänden daher auf Krankenversicherungsträger keine Anwendung. Zudem erfüllten die Krankenkassen ihre Aufgaben
grundsätzlich eigenverantwortlich; daran seien die Aufsichtsbehörden gebunden.
Der ebenfalls von der Beklagten angeschriebene Vorstand der Klägerin bestätigte durch seinen Vorsitzenden C, dass seit dem
19.11.2010 keine Betriebsfeiern mit Bewirtung der Mitarbeiter durchgeführt worden seien und auch in Zukunft nicht durchgeführt
werden würden (Schreiben vom 06.03.2012)
Unter dem 15.03.2012 beriet die Beklagte die Klägerin aufsichtsrechtlich (§
89 Abs.
1 Satz 1
SGB IV), ihren Vorstand für den durch die Bewirtung der Mitarbeiter am 19.06.2009 und 19.11.2010 entstandenen Schaden wegen des
damit verbundenen Verstoßes gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gem. §
69 Abs.
2 SGB IV in Regress zu nehmen. Für den Fall der Nichtbefolgung der Beratung kündigte die Beklagte den Erlass eines entsprechenden
Verpflichtungsbescheides an.
Mit Verpflichtungsbescheid vom 13.06.2012 verpflichtete die Beklagte die Klägerin, ihren Vorstand in Regress zu nehmen:
"Die NOVITAS BKK, vertreten durch ihren Verwaltungsrat, dieser gem. § 2 Absatz III Ziffer 7 der Satzung der NOVITAS BKK i.
Vbg. mit §
33 Abs.
2 Satz 2; Abs.
3 SGB IV vertreten durch seine Vorsitzenden Q und Dr. P, wird verpflichtet, den Vorstand der NOVITAS BKK wegen unzulässiger Verwendung
von Haushaltsmitteln im Zusammenhang mit der Durchführung von Betriebsfeiern und dem damit verbundenen Verstoß gegen die in
§
69 Abs.
2 SGB IV niedergelegten Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in Regress zu nehmen und den dadurch der Versichertengemeinschaft
der NOVITAS BKK entstandenen Schaden wieder auszugleichen."
Zu Begründung führte die Beklagte an:
Nach §
30 SGB IV dürften die Versicherungsträger nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben
führen und ihre Mittel nur für diese Aufgaben sowie für Verwaltungskosten verwenden. Dabei habe der Versicherungsträger gemäß
§
69 Abs.
2 SGB IV sicherzustellen, dass er die ihm obliegenden Aufgaben unter Berücksichtigung der dort niedergelegten Grundsätze der Wirtschaftlichkeit
und Sparsamkeit erfülle. Hierbei handele es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die eine Mittel-Zweck-Relation beschrieben
mit dem Ziel, bei der Verwendung von Haushaltsmitteln das Maß des Notwendigen nicht zu überschreiten. Dem Versicherungsträger
sei dabei eine Einschätzungsprärogative einzuräumen, die die Aufsichtsbehörde zu respektieren habe. Es bestehe ein Vorrecht
des Versicherungsträgers zur konkretisierenden Anwendung dieser Haushaltsgrundsätze, ihm müsse ein "gehöriger Bewertungsspielraum"
bleiben; lediglich eindeutige Grenzüberschreitungen dürften von der Aufsichtsbehörde als rechtswidrig beanstandet werden (BSG, Urteile vom 20.06.1990 - 1 RR 4/89 - und vom 11.08.1992 - 1 RR 7/91 -).
Das BSG habe in seinem Urteil vom 29.02.1984 - 8 RK 27/82 - ausdrücklich festgestellt, dass gesetzliche Krankenkassen keine finanziellen Mittel zur Förderung der Betriebsgemeinschaft
aufwenden dürften. Ein Zuschuss zur Förderung der Betriebsgemeinschaft sei nur wirtschaftlich, wenn er im Rahmen des Notwendigen
die Funktionsfähigkeit der Verwaltung aufrechterhielte. Bei Einschätzung dieser Umstände habe der Versicherungsträger die
Verhältnisse bei den übrigen öffentlichen Verwaltungsträgern zu beachten. Das BSG verweise insoweit darauf, dass seit 1976 in der Bundesverwaltung und in den Länderverwaltungen keine Zuschüsse zur Förderung
der Betriebsgemeinschaft mehr gewährt würden. Dies zeige, dass grundsätzlich die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung
gewährleistet sei, ohne dass besondere Mittel für Gemeinschaftsveranstaltungen aufgewandt würden. Deshalb verwiesen die Aufsichtsbehörden
des Bundes und der Länder in Nr. 2 ihrer "Gemeinsamen Leitlinien" ausdrücklich darauf, dass interne Veranstaltungen nicht
aus Repräsentations- und Bewirtungsmitteln zu bestreiten seien. Diese dürften nämlich nicht dazu benutzt werden, Ausgaben
zu erstatten, die üblicherweise dem persönlichen Aufwand zuzurechnen seien, oder außerordentliche Vergütungen und Unterstützungen
an Mitarbeiter zu zahlen. Es handele sich auch nicht um "neues Recht", insbesondere nicht um Bewertungs- und Bewirtungsmaßstäbe
des Bundes i.S.d. §
70 Abs.
3 SGB IV. Vielmehr würden, um eine einheitliche Rechtsanwendung durch alle Aufsichtsbehörden zu gewährleisten, die Grenzen dessen
aufgezeigt, was unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und der hierzu ergangenen Rechtsprechung
aufsichtsrechtlich toleriert werden könne.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin hätten die zwischenzeitlich erfolgten Rechtsänderungen des §
70 SGB IV keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit des BSG-Urteils vom 29.02.1984. Das Urteil beziehe sich nicht auf §
70 SGB IV, sondern konkretisiere den unbestimmten Rechtsbegriff der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, der seit der BSG-Entscheidung keine Änderung erfahren habe.
Die Bewertungs- und Bewirtungsmaßstäbe des Bundes fänden für gesetzliche Krankenversicherungsträger im Rahmen des Haushaltsbeanstandungsverfahrens
keine unmittelbare Anwendung. Dies bedeute jedoch nicht, dass diese Maßstäbe grundsätzlich keine Bedeutung für Krankenversicherungsträger
hätten. Die Verhältnisse des übrigen öffentlichen Dienstes dienten nämlich als Bewertungsmaßstab für das zur Aufrechterhaltung
der Verwaltung Notwendige.
Das BSG habe ausdrücklich betont, dass Verstöße gegen die wirtschaftliche und sparsame Mittelverwendung im Einzelfall beanstandet
und durch entsprechende aufsichtsrechtliche Verpflichtungsanordnungen untersagt werden könnten (Urteil vom 24.04.2002 - B 7 A 1/01 R -).
Besondere Umstände, aufgrund derer die Ausrichtung der Betriebsfeiern sowie die Bewirtung der Mitarbeiter auf Kosten der Klägerin
im Einzelfall geboten gewesen seien, habe die Klägerin nicht vorgetragen. Eine langjährige betriebliche Übung liege nicht
vor. Zwar habe die Klägerin auch in der Vergangenheit Personalversammlungen mit anschließender Betriebsfeier durchgeführt.
Die Kosten für das Betriebsfest vom 19.06.2009 hätten sich aber gegenüber der Vorveranstaltung verfünffacht, während die Zahl
der Teilnehmer nur um 10 % gestiegen sei. Die Kosten für die Betriebsfeiern vom 19.06.2009 und 19.11.2010 lägen mithin erheblich
über dem bis dahin Üblichen und jenseits dessen, das aufsichtsrechtlich toleriert werden könne.
Der Vorstand einer gesetzlichen Krankenkasse habe u.a. die Pflicht, gesetzliche Vorschriften zu beachten und die wirtschaftlichen
Belange der Krankenkasse zu wahren. Dieser Pflicht sei der Vorstand der Klägerin nicht nachgekommen. Vielmehr habe er gegen
den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoßen, indem er die o.g. Betriebsfeiern veranlasst bzw. gebilligt
habe. Der Vorstand habe mindestens grob fahrlässig gegen seine Amtspflichten verstoßen. Als langjähriger Vorstand einer gesetzlichen
Krankenkasse hätte Herr C sowohl den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit als auch die genannte Rechtsprechung
des BSG kennen müssen. Außerdem habe sie - die Beklagte - 2002 den Spitzenverbänden der Krankenkassen die Repräsentationsleitlinien
mit der Bitte übersandt, diese an ihre Mitglieder weiterzuleiten. Zudem sei Herr C hinsichtlich der für den 19.11.2010 geplanten
Betriebsfeier bereits am 14.10.2010 von den Prüfern des PDK darauf hingewiesen worden, dass interne Veranstaltungen wie Betriebsfeiern
grundsätzlich nicht aus Repräsentations- und Bewirtungsmitteln zu bestreiten seien. Der Vertrag über die Bewirtung der Mitarbeiter
der Klägerin sei zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht geschlossen gewesen. Selbst nach Vertragsschluss hätte eine kostenlose
Stornierung erfolgen können.
Durch die unzulässige Verwendung der Haushaltsmittel sei die Versichertengemeinschaft der Klägerin, die gegenüber dem Vorstand
durch den Verwaltungsrat der Klägerin bzw. deren Vorsitzende vertreten werde (§
33 Abs.
2 und
3 SGB IV), geschädigt worden. Die Klägerin habe Anspruch auf Schadensersatz nach §§
280 Abs.
1,
611 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) i.V. mit dem Dienstvertrag des Vorstands, der gegenüber dem Vorstand geltend zu machen sei.
Zu den Aufgaben des Verwaltungsrats einer gesetzlichen Krankenkasse gehöre die Pflicht, die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung
durch den Vorstand zu kontrollieren (§
197 Abs.
1 Nr.
1a SGB V); dabei seien die Vermögensinteressen der Krankenkasse zu wahren und Schädigungen der Kasse zu vermeiden. Nach §
76 Abs.
1 SGB IV seien alle Einnahmen, mithin auch alle Ansprüche auf Geldleistungen, rechtzeitig und vollständig zu erheben; darunter fielen
auch Schadensersatzansprüche.
Der Verwaltungsrat der Klägerin habe es unterlassen, den Vorstand der Klägerin wegen der unzulässigen Verwendung von Haushaltsmitteln
für die Durchführung von Betriebsfeiern mit Bewirtung der Mitarbeiter auf Kosten der Klägerin in Regress zu nehmen, so dass
nach §
89 Abs.
1 Satz 1
SGB IV zu verfahren sein. Danach solle die Aufsichtsbehörde beratend darauf hinwirken, eine Rechtsverletzung zu beheben, wenn durch
das Handeln oder Unterlassen eines Versicherungsträgers das Recht verletzt werde. Komme der Versicherungsträger dem innerhalb
angemessener Frist nicht nach, könne die Aufsichtsbehörde den Versicherungsträger gem. §
89 Abs.
1 Satz 2
SGB IV verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben. Sie habe dabei wegen des weitreichenden Gestaltungsspielraums der Selbstverwaltung
und des öffentlichen Interesses an dem Erlass des Verpflichtungsbescheides eine Ermessensabwägung vorzunehmen.
Die Schädigung der Versichertengemeinschaft der Klägerin durch die unzulässige Mittelverwendung für Betriebsfeiern durch den
Vorstand sei festgestellt. Aufsichtsrechtlich könne nicht toleriert werden, dass der Verwaltungsrat der Klägerin, der diese
gem. §
33 Abs.
2 Satz 2, Abs.
3 SGB IV i.V.m. §
2 Absatz III Ziffer 7 der Satzung der Klägerin gegenüber dem Vorstand vertrete, auf die Forderungen gegen den Vorstand aus
anderen als in §
76 Abs.
2 SGB IV aufgeführten Gründen verzichte und damit den ihm eingeräumten Einschätzungsspielraum überschreite. Ein aufsichtsrechtlich
tolerierter Regressverzicht würde faktisch die Umgehung der "Gemeinsamen Leitlinien der Aufsichtsbehörden" bedeuten. Dies
hätte Signalwirkung im Aufsichtsbereich; weitere Schäden auch für die Versichertengemeinschaften anderer gesetzlicher Krankenkassen
wären absehbar.
Davon ausgehend ergebe sich ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Inregressnahme des Vorstands der Klägerin durch
den Verwaltungsrat.
Nachdem die Beratung nicht zu dem geforderten Ergebnis geführt habe, sei der Erlass eines Verpflichtungsbescheides das erforderliche
Mittel, den Verwaltungsrat zu veranlassen, seine Amtspflichten zu erfüllen. Ein anderes, milderes Mittel sei rechtlich nicht
erkennbar.
Mit ihrer dagegen am 18.07.2012 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht:
Die Beklagte habe Daten und Aufwendungen zutreffend vorgetragen, habe aber nicht berücksichtigt, dass die zwei Betriebsfeiern
vom 19.06.2009 und 19.11.2010 jeweils im zeitlichen Zusammenhang mit zuvor durchgeführten Kassenfusionen stattgefunden hätten
und im Anschluss an die gesetzlich ohnehin vorgeschriebenen Personalversammlungen durchgeführt worden seien. Sinn und Zweck
der Betriebsfeiern sei es gewesen, dass sich zwei zuvor fremde Belegschaften hätten kennenlernen können, um sodann nach der
jeweiligen Fusion im Tagesgeschäft die notwendige Zusammenarbeit mit der gebotenen Effizienz zu bewerkstelligen. Ihr Vorstand
habe auch nicht eingeräumt, dass die bisherige Praxis rechtswidrig sei. Seine Bestätigung, in Zukunft würden keine Betriebsfeiern
mit Bewirtung der Mitarbeiter durchgeführt werden, sei u.a. auf das Bestreben zurückzuführen, keinen Anlass zu Beanstandungen
mehr zu geben.
Zutreffend verweise die Beklagte auf den allgemeinen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit i.S.d. §
69 Abs.
2 SGB IV. Ihren Ausführungen zu dem Urteil des BSG vom 29.02.1984, das sich auf einen Verpflichtungsbescheid zu einem organisierten Betriebsausflug einer Krankenkasse verhalte,
sei aber zu widersprechen. Vorliegend sei nämlich sachlicher Anlass für die Betriebsfeiern die im Anschluss an eine vorangegangene
Fusion durchgeführte Personalversammlung gewesen, in der u.a. der Personalrat neu gewählt worden sei. Derartige Personalversammlungen
seien nach § 49 Abs. 1 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) mindestens halbjährlich, aufgrund besonderen Anlasses (z.B. einer Kassenfusion) auch in kürzerem Turnus als außerordentliche
Personalversammlungen durchzuführen. Die Kosten dieser Personalversammlungen habe die Klägerin ohnehin zu tragen; dies ergebe
sich für Arbeitszeit und Fahrtkosten aus § 50 Abs. 1 BPersVG und im Übrigen aus § 44 Abs. 1 Satz 1 BPersVG. Es habe sich bei den aufgewandten Bewirtungskosten im Wesentlichen also um so genannte Sowieso-Kosten gehandelt, die im
Zusammenhang mit den gesetzlich vorgeschriebenen Personalversammlungen ohnehin angefallen seien. Bei einer Teilnehmerzahl
von 440 bzw. 600 Personen wären Kosten für Bestuhlung, für Übertragungstechnik sowie für ein Podium ebenso wie angemessene
Bewirtungskosten für die gesamte Belegschaft angefallen.
Hinsichtlich der "Gemeinsamen Leitlinien der Aufsichtsbehörden" sei zwischen der unmittelbaren Bundesverwaltung und Selbstverwaltungskörperschaften,
zu denen sie zähle, zu differenzieren. Diese Differenzierung habe u.a. in den gesetzlichen Regelungen der §
70 Abs.
3 SGB IV einerseits und §
70 Abs.
5 SGB IV andererseits ihren Niederschlag gefunden. Die Beachtung der Bewertung- und Bewirtschaftungsmaßstäbe des Bundes gelte lediglich
für die Rentenversicherungsträger und mithin für die bundes- bzw. landesunmittelbare Verwaltung. Im Unterschied hierzu werde
in dem für die Krankenversicherungsträger geltenden §
70 Abs.
5 SGB IV auf diese Bewertung zu Bewirtschaftungsmaßstäben des Bundes gerade nicht verwiesen. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass diese
Grundsätze für Krankenversicherungsträger keine Anwendung fänden.
Die Beklagte beachte das Selbstverwaltungsrecht der Krankenkassen nicht. Das Selbstverwaltungsrecht sei tragendes Organisationsprinzip
der Sozialversicherung. Daraus folge, dass die Krankenkassen grundsätzlich ihr gesamtes Verwaltungshandeln eigenverantwortlich
steuern dürften und nur einer rechtsaufsichtlichen Kontrolle unterlägen. Zum Kernbereich der Selbstverwaltung gehöre insbesondere
die interne Organisation und Durchführung der Verwaltung einschließlich der personalwirtschaftlichen Kompetenzen und der Kosten
des Personaleinsatzes. Etwas anderes gelte ausnahmsweise nur, wenn dies ausdrücklich gesetzlich bestimmt sei. Damit stelle
der Gesetzgeber eine Grundsatz-Ausnahmeregel auf, an die die Aufsichtsbehörden gebunden seien. Die Rechtsaufsicht sei das
"Korrelat" der Selbstverwaltung und das verfassungsrechtlich notwendige Korrektiv für die Übertragung der eigenverantwortlichen
Aufgabenerfüllung. Voraussetzung für ein aufsichtsrechtliches Einschreiten sei aber das Vorliegen einer positiv feststehenden
Rechtsverletzung. Aufgrund der Grundsätze über die Selbstverwaltung könne die Beklagte den nicht unmittelbar anwendbaren Bewertungs-
und Bewirtungsmaßstäben des Bundes keine mittelbare Bedeutung auch für gesetzliche Krankenkassen zumessen; es fehle dazu an
einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Da der Gesetzgeber mit der GKV-Novelle von 1996 bewusst und gewollt gerade auch
die Maßstäbe der Privatwirtschaft im
SGB IV und
SGB V verankert habe, könne die Beklagte auch nicht postulieren, die Verhältnisse des übrigen öffentlichen Dienstes seien als Bewertungsmaßstab
heranzuziehen. Die Grundsätze der BSG-Entscheidung vom 29.02.1984 seien spätestens durch die GKV-Novelle von 1996 überholt. Dies habe bereits das BSG in seinem Urteil vom 24.04.2002 - B 7 A 1/01 R - zu Richtlinien für die Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen in der Bundesverwaltung ausgeführt. Danach gehörten zu dem der
Aufsicht unterliegenden "sonstigen" Recht grundsätzlich zwar auch allgemeine Verwaltungsvorschriften, aber nicht Richtlinien,
die die interne Verwaltung der Sozialversicherungsträger beträfen, weil der Gesetzgeber den Erlass entsprechender Richtlinien
den zuständigen Organen der Sozialversicherungsträger übertragen habe.
Im Übrigen sähen die "Gemeinsamen Leitlinien der Aufsichtsbehörden" in Ziff. 3.2 Präsentationsaufwendungen z.B. aus Anlass
von Gründungsjubiläen oder aber des Wechsels der Selbstverwaltungsorgane sowie des Vorstandes oder Geschäftsführers vor. Durch
eine Kassenfusion entstehe gemäß §
150 SGB V kraft Gesetzes eine neue Körperschaft öffentlichen Rechts; die Fusionspartner gingen rechtlich unter. Die Entstehung einer
neuen Körperschaft öffentlichen Rechts bedinge also zwingend, dass die Selbstverwaltungsorgane und der Vorstand neu gewählt
werden. Somit sei eine Kassenfusion durchaus den in Ziff. 3.2. vorgesehenen Anlässen für Präsentationsaufwendungen vergleichbar.
Schließlich sei bei der Prüfung einer Pflichtverletzung des Vorstandes die Relevanz der Angelegenheit im Vergleich zu den
sonstigen Aufgaben des Vorstandes zu beachten. Davon ausgehend sei ihrem Vorstand keine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen.
Bei ihr - der Klägerin - seien mehr als 420.000 Personen versichert. Das jährliche Leistungsvolumen belaufe sich 2012 voraussichtlich
auf 1.123.000.000 EUR. Die Brutto-Verwaltungskosten für das Geschäfts- und Kalenderjahr 2012 umfassten ein Volumen von 73.266.000
EUR. Von daher habe ihr Vorstand Bewirtungsausgaben in der von der Beklagten beanstandeten Höhe nicht im Focus haben müssen.
Die Klägerin beantragt,
den Verpflichtungsbescheid der Beklagten vom 13.06.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage zurückweisen.
Sie trägt vor, der Verwaltungsrat der Klägerin habe es rechtsverletzend unterlassen, einen der Klägerin gegen den Vorstand
zustehenden Schadensersatzanspruch aus §§
280 Abs.
1,
611 BGB i.V.m. dem Dienstvertrag des Vorstands geltend zu machen und durchzusetzen. Dieser Anspruch beruhe auf einer vom Vorstand
der Klägerin begangenen Rechtsverletzung. Der Vorstand einer gesetzlichen Krankenkasse habe u.a. die Pflicht, gesetzliche
Vorschriften zu beachten und wirtschaftliche Belange der Krankenkasse zu wahren. Dieser Pflicht sei der Vorstand nicht nachgekommen;
er habe gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach §
69 Abs.
2 SGB IV verstoßen, indem er die beanstandeten Betriebsfeiern und ihre Finanzierung aus den Haushaltsmitteln der Klägerin veranlasst
bzw. gebilligt habe.
Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, bei den beanstandeten Veranstaltungen habe es sich in erster Linie um Personalversammlungen
gehandelt, die nach § 49 Abs. 1 BPersVG ohnehin mindestens halbjährlich durchzuführen seien und deren Kosten sie nach § 50 Abs. 1 BPersVG i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 BPersVG zu tragen habe. Notwendige Kosten für obligatorische Personalversammlungen seien zwar von der Dienststelle zu tragen, nicht
aber die Kosten einer sich der Personalversammlung anschließenden Betriebsfeier. Die Pflichtverletzung des Vorstands bestehe
gerade darin, die Kosten für im Anschluss an die Personalversammlungen abgehaltene Betriebsfeiern zu übernehmen, die durch
die Regelungen des BPersVG nicht gedeckt seien. Das Vorbringen der Klägerin sei allenfalls bei der Ermittlung der Schadenshöhe zu berücksichtigen, die
dem Verwaltungsrat obliege. Dieser werde zu prüfen haben, ob und in welchem Umfang in den Ausgaben für die Betriebsfeiern
Kosten enthalten seien, die auch für eine Personalversammlung ohne anschließende Betriebsfeier angefallen wären. Der Verpflichtungsbescheid
enthalte aus diesem Grund bewusst keine abschließende Aussage zur Schadenshöhe.
Im Übrigen sei der Vortrag der Klägerin zu Fahrtkosten und Kosten für Bestuhlung, Übertragungstechnik sowie ein Podium auch
unerheblich, weil diese Kosten in den Rechnungen für die Bewirtung seitens der Catering-Unternehmen nicht enthalten seien.
Darüber hinaus gelte für Reisekosten § 44 Abs. 1 S. 2 BPersVG, nach dem ohnehin nur Mitglieder des Personalrats, für die die Teilnahme an den Personalversammlungen mit einer Dienstreise
verbunden gewesen sei, Anspruch auf Reisekostenvergütung nach dem Bundesreisekostengesetz (BRKG) hätten. Darüber hinaus gingen vorliegend die Bewirtungskosten von 72,50 EUR bzw. 60,97 EUR weit über ein etwaiges Tagegeld
nach 6 Abs. 1 BRKG i.V.m. §
4 Abs.
5 Satz 1 Nr.
5 Satz 2
EStG i.H.v. 12,00 EUR hinaus.
Dem Vorbringen der Klägerin, Sinn und Zweck der Betriebsfeiern sei das Kennenlernen der Belegschaften nach vorheriger Fusion
gewesen, um im Tagesgeschäft effizient zusammenzuarbeiten, stehe entgegen, dass die interne Funktionsfähigkeit einer Krankenkasse
in jedem Fall gewährleistet sein müsse, ohne dass es hierfür einer Feier bedürfe. Bereits in der Planung einer Kassenfusion
müsse die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit Teil der Vorbereitungen der Fusion sein.
Die Bewertungs- und Bewirtungsmaßstäbe des Bundes fänden für Träger der gesetzlichen Krankenversicherung keine unmittelbare
Anwendung; dies sei aber für die Frage der Pflichtverletzung des Vorstands ohne Bedeutung. Dem Vorstand der Klägerin werde
nämlich kein Verstoß gegen die Bewertungs- und Bewirtungsmaßstäbe, sondern gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit vorgeworfen. Hierbei handele es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die durch die "Gemeinsamen Leitlinien der
Aufsichtsbehörden" konkretisiert würden, um den Sozialversicherungsträgern die Grenzen dessen aufzuzeigen, das unter Berücksichtigung
der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit aufsichtsrechtlich toleriert werden könne. Zugleich würden die Leitlinien
eine einheitliche Rechtsanwendung durch die Aufsichtsbehörden gewährleisten. Die Leitlinien beinhalteten unter Ziff. 2 die
Vorgabe, dass interne Veranstaltungen, zu denen Betriebsfeiern gehörten, nicht aus Repräsentations- und Bewirtungsmitteln
zu bestreiten seien. Dementsprechend seien auch die von der Klägerin angeführten Rechtsänderungen des §
70 SGB IV ohne Bedeutung für die Anwendbarkeit des BSG-Urteils vom 29.02.1984. Denn das Urteil beziehe sich gerade nicht speziell auf §
70 SGB IV, sondern auf den unbestimmten Rechtsbegriff der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, der seit der BSG-Entscheidung nicht verändert worden und Gegenstand der dem Vorstand der Klägerin vorgeworfenen Pflichtverletzung sei.
Die Klägerin gehe auch fehl in der Annahme, seit der GKV-Novelle von 1996 seien die Grundsätze des BSG-Urteils überholt, weil der Gesetzgeber inzwischen "die Maßstäbe der Privatwirtschaft im
SGB IV und
SGB V verankert" habe. Die angeführten Beispiele zu Kassenfusionen und Verträgen zur integrierten Versorgung nach §
140a SGB V beträfen jeweils völlig anders gelagerte Gebiete. Die Verpflichtung der Sozialversicherungsträger, als Körperschaften des
öffentlichen Rechts die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten, gelte unverändert fort. Die gesetzlichen
Vorgaben seien im Gegenteil im Hinblick auf die Verwaltungskosten in jüngerer Vergangenheit sogar verschärft worden, indem
in §
4 Abs.
4 Satz 2
SGB V eine Deckelung der Verwaltungsausgaben geregelt worden sei.
Das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin werde nicht tangiert. Die Versicherungsträger könnten im Rahmen des Selbstverwaltungsrechts
ihr Verwaltungshandeln eigenverantwortlich steuern und unterlägen nur der Rechtsaufsicht. Allerdings seien sie hierbei nicht
völlig frei, sondern an das Gesetz und sonstiges für sie maßgebendes Recht gebunden. Soweit anerkannte Bewertungsmaßstäbe
für bestimmte Ausgaben bestünden, habe der Versicherungsträger diese zu beachten. Nur innerhalb dieser Grenzen komme dem Versicherungsträger
ein Einschätzungsspielraum zu, so dass eindeutige Überschreitungen als rechtswidrig anzusehen seien und dem Aufsichtsrecht
unterlägen, das der Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Handelns der Sozialversicherungsträger diene. Der aus dem Selbstverwaltungsrecht
der Klägerin folgende Einschätzungsspielraum werde anerkennt, sei jedoch überschritten, weil die Klägerin anerkannte Bewertungsmaßstäbe
missachtet und damit gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoßen habe.
Auch aus dem Urteil des BSG vom 24.04.2002 - B 7 A 1/01R - ergebe sich nichts Anderes. Das Urteil sei nicht ohne weiteres übertragbar; denn der Rechtsstreit
habe allein eine Weisung betroffen, Richtlinien für die Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen in der Bundesverwaltung als unmittelbar
geltende Vorschrift anzuwenden. Vorliegend gehe es hingegen nicht um die abstrakte Verpflichtung der Klägerin zur aktiven
Anwendung einer Richtlinie, sondern um die konkrete Bewertung der Frage, inwieweit der Vorstand der Klägerin durch die Ausrichtung
der Betriebsfeiern gegen den gesetzlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoßen habe. Zudem handle es
sich bei den "Gemeinsamen Leitlinien der Aufsichtsbehörden" nicht um Richtlinien der Bundesregierung i.S.d. Art.
86 Grundgesetz. Die Leitlinien seien entwickelt worden, um eine einheitliche Rechtsanwendung durch Aufsichtsbehörden und Prüfdienste zu
gewährleisten sowie um Sozialversicherungsträgern eine Handlungsempfehlung geben. Sie würden dagegen ausdrücklich nicht den
Anspruch erheben, als "neues Recht" zu wirken. Insbesondere handele es sich nicht um Bewertungs- und Bewirtungsmaßstäbe im
Sinne von §
70 Abs.
5 SGB IV, so dass sich die Frage, ob diese Bewertungs- und Bewirtungsmaßstäbe als "sonstiges Recht" im Sinne des §
87 Abs.
1 S. 2
SGB IV Geltung beanspruchten, nicht stelle. Sie - die Beklagte - habe zu keiner Zeit eine aktive Anwendung der Leitlinien von der
Klägerin verlangt, sondern diese Leitlinien herangezogen, um den unbestimmten Rechtsbegriff der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
ausfüllen zu können. Sie werfe dem Vorstand der Klägerin auch keinen Verstoß gegen die Bewertungs- und Bewirtungsmaßstäbe
vor, sondern gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Das BSG stelle im Übrigen in seinem angeführten Urteil abschließend klar, dass die Aufsichtsbehörde unabhängig von der Frage der
Anwendbarkeit einer Richtlinie selbstverständlich die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Mittelverwendung im Einzelfall
prüfen und ggf. aufsichtsrechtlich tätig werden könne. Aus dem Urteil folge auch nicht, dass der Anwendung der Richtlinien
das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin entgegenstehe. Dieses Recht und die damit verbundene Einschätzungsprärogative der
Klägerin würden berücksichtigt. Zu beachten sei aber gleichwohl, dass weiterhin eine unbeschränkte Bindung der Sozialversicherungsträger
an Recht und Gesetz bestehe und die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, wie vorliegend der Begriffe der Wirtschaftlichkeit
und Sparsamkeit, nicht in das Belieben der Sozialversicherungsträger gestellt sein könne. Dem Versicherungsträger komme nur
innerhalb der Grenzen anerkannter Bewertungsmaßstäbe ein Einschätzungsspielraum zu, so dass eindeutige Überschreitungen der
anerkannten Bewertungsmaßstäbe als rechtswidrig anzusehen seien.
Die Erwägung, nach Ziff. 3.2 der "Gemeinsamen Leitlinien der Aufsichtsbehörden" seien Repräsentationsaufwendungen z.B. aus
Anlass von Gründungsjubiläen oder des Wechsels der Selbstverwaltungsorgane zulässig, greife nicht. Nach ihrem Sinn und Zweck
legten die Leitlinien den Rahmen fest, in dem die Träger der Sozialversicherung Repräsentations- und Bewirtungsaktivitäten
entfalten dürften. Bei Repräsentationsaktivitäten handele es sich schon begrifflich um Veranstaltungen mit Außenbezug. Die
Leitlinien führten unter Ziff. 3.1 beispielhaft Veranstaltungen mit anderen Versicherungsträgern, Verbänden der Versicherungsträger,
der Leistungserbringer und der Sozialpartner sowie Stellen der unmittelbaren Staatsverwaltung und bei besonderen Anlässen
auch mit anderen Personen des öffentlichen Lebens an. Damit seien Betriebsfeiern nicht vergleichbar; sie seien als interne
Veranstaltung nach Ziff. 2 der Leitlinien grundsätzlich nicht aus Repräsentations- und Bewirtungsmitteln zu bestreiten. Daran
ändere auch eine vorangegangene Fusion nichts, da es immer noch an einem für eine Repräsentationsveranstaltung erforderlichen
Außenbezug fehle.
In dem von der Klägerin angeführten Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 17.03.2004 - L 17 O 19/02 - werde zwar ausgeführt, dass die Anwendung von Aufsichtsmitteln nicht in Betracht komme, solange sich das beanstandete Verfahren
des Sozialversicherungsträgers auf eine vertretbare Interpretation von Gesetz und Recht gründe. Dies sei hier aber nicht der
Fall. Der Vorstand der Klägerin habe eine für den Erlass aufsichtsrechtlicher Maßnahmen hinreichende und eindeutige Rechtsverletzung
begangen, indem er gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoßen habe. Allein aus dem Umstand, dass
es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe handele, lasse sich nicht herleiten, dass Sozialversicherungsträger frei darüber disponieren
könnten, was als wirtschaftlich und sparsam anzusehen sei.
Durch die Verletzung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sei ein Schaden entstanden. Denn durch die rechtswidrige
Finanzierung der hohen Kosten für die Bewirtung während der Betriebsfeiern seien Haushaltsmittel der Klägerin unzulässig verwendet
worden; dadurch seien die Versichertengemeinschaft der Klägerin und auch die Klägerin selbst geschädigt worden.
Der Vorstand habe die Pflichtverletzung und den entstandenen Schaden auch zu vertreten. Er habe mindestens grob fahrlässig
gehandelt, da er aufgrund langjähriger Vorstandstätigkeit hätte wissen müssen, den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit verpflichtet zu sein, und die Leitlinien sowie die Rechtsprechung des BSG hierzu habe kennen müssen. Erschwerend komme hinzu, dass der Vorstand trotz eindeutigen Hinweises vom 14.10.2010 an der Veranstaltung
am 19.11.2010 festgehalten habe, obwohl eine kostenlose Stornierung des Bewirtungsvertrages möglich gewesen sei.
Unbeachtlich sei, dass das Prozedere der Vorjahre, nach einer Personalversammlung ein Betriebsfest durchzuführen, unbeanstandet
geblieben sei. Denn die Kosten der Veranstaltungen der Vorjahre seien bei weitem nicht so hoch wie die Kosten in den Jahren
2009 und 2010 gewesen. Die Kosten hätten sich verfünffacht, die Teilnehmerzahl sei hingegen nur um 10% gestiegen. Die Grenze
der aufsichtsrechtlichen Toleranz sei überschritten, die Klägerin genieße keinen Vertrauensschutz.
Der Verwaltungsrat der Klägerin begehe seinerseits eine Rechtsverletzung, weil er es unterlasse, den Vorstand in Regress zu
nehmen. Dem Verwaltungsrat obliege die Aufgabe, die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung des Vorstands zu überwachen, stets
die Vermögensinteressen der Kasse zu wahren und eine Schädigung der Kasse zu vermeiden. Deshalb sei er nach §
76 Abs.
1 SGB IV auch verpflichtet, Schadenersatzansprüche der Klägerin gegenüber ihrem Vorstand geltend zu machen. Die gesetzliche Vorgabe
sei bindend und eröffne dem Verwaltungsrat der Klägerin keinen Ermessensspielraum. Auf die Rechtsverletzung des Verwaltungsrats
habe sie entsprechend ihrer Aufsichtsmittel zunächst mit Beratungsschreiben und anschließend mit Verpflichtungsbescheid reagiert
habe.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung zum Prüfungsmaßstab einer Pflichtverletzung würde im Ergebnis bedeuten, dass ein
Vorstand umso weniger einer gewissenhaften Amtsführung verpflichtet wäre, je höher die Versichertenzahl und das Leistungsvolumen
des Trägers seien. Ein solches Verständnis sei dem Gesetz nicht zu entnehmen und vor dem Hintergrund der gesetzlichen Verpflichtung
zum sparsamen und wirtschaftlichen Umgang mit Versichertenbeiträgen auch nicht vertretbar. Vielmehr habe ein Vorstand sämtliche
ihm nach §
35 Abs.
1 S. 1
SGB IV übertragenen Aufgaben sorgfältig und ausschließlich an den Interessen des Sozialversicherungsträgers und seiner Versicherten
orientiert zu erfüllen. Abstufungen und Einschränkungen des Sorgfaltsmaßstabes seien insbesondere vor dem Hintergrund, dass
über Versichertengelder disponiert werde, nicht vorgesehen. Hierbei könne es auch keinen Unterschied machen, wie hoch die
Versichertenzahl und das Leistungsvolumen eines Sozialversicherungsträgers im Einzelnen seien.
Wenn bei unternehmerischen Entscheidungen Fehleinschätzungen des Vorstandes zu Verlusten führten, könne ggf. entsprechend
dem von der Klägerin angeführten Urteil des Landgerichts (LG) Itzehoe vom 11.11.2011 - 6 O 24/11 - darauf abgestellt werden, wie hoch sich die wirtschaftliche Einbuße im Vergleich zum Gesamtumsatz einer Krankenkasse ausnehme.
Völlig anders stelle sich indes die Situation dar, wenn ein Vorstand in zwei Fällen über Ausgaben für singuläre Veranstaltungen
wie Betriebsfeiern disponiere, obwohl ihm die Unzulässigkeit dieser Ausgaben zumindest bekannt sein hätte müssen. Für entlastende
Erwägungen, dass es sich zumindest um vertretbare "unternehmerische" Entscheidungen gehandelt habe, bestehe in einem solchen
Fall kein Raum. Im Übrigen könne die wirtschaftliche Bedeutung eines Handelns bzw. die Höhe des Schadens nicht für die Frage
des Verschuldensgrades von Bedeutung sein, sondern allenfalls im Rahmen der Entscheidung, ob eine Inregressnahme angestrengt
werde. Falls ein finanzieller Schaden sich als äußerst geringfügig erweise und eine Realisierung des Anspruchs nicht erfolgversprechend
erscheine, sei dies im Rahmen des Opportunitätsermessens durchaus zu berücksichtigen; ggf. sei auch von einer Inregressnahme
abzusehen. Im vorliegenden Fall bestehe jedoch unzweifelhaft ein Schadensersatzanspruch der Klägerin, die erhebliche Schadenshöhe
von mehr als 70.000,00 EUR rechtfertige keine andere Bewertung.
Schließlich sei auch dem Vorbringen der Klägerin entgegenzutreten, aufgrund ihres Leistungsvolumens habe ihr Vorstand die
Bewirtungsausgaben in der von der Beklagten beanstandeten Höhe nicht im Fokus haben müssen. Es sei nämlich Aufgabe des Vorstands,
alle anfallenden Kosten im Blick zu haben und sie hinsichtlich ihrer Notwendigkeit und Angemessenheit zu hinterfragen, da
er gem. §
35 Abs.
1 S. 1
SGB IV den Versicherungsträger "verwalte" und damit auch die Überprüfung der Finanzausgaben als laufende Geschäfte in seinen Aufgabenbereich
falle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge
der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 13.06.2012 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht. Die Beklagte hat der Klägerin zu
Recht aufgegeben, ihren Vorstand wegen unzulässiger Verwendung von Haushaltsmitteln im Zusammenhang mit den Betriebsfeiern
vom 19.06.2009 und 19.11.2010 in Regress zu nehmen.
Die Klage ist jedoch nicht begründet, da die Beklagte mit ihrem Verpflichtungsbescheid das ihr zustehende Aufsichtsrecht nicht
überschritten hat.
Eine solche Beratung hat das Bundesversicherungsamt vorliegend mit seinem Bescheid vom 15.03.2012 vorgenommen.
Der im aufsichtsrechtlichen Beratungsschreiben der Beklagten vom 15.03.2012 ausgesprochenen Aufforderung, die nach ihrer Auffassung
begangene Rechtsverletzung durch Ausgleich des Schadens über Inregressnahme des Vorstandes der Klägerin zu beheben, ist die
Klägerin nicht nachgekommen, so dass die Beklagte berechtigt war, einen an die Beratung anschließenden Verpflichtungsbescheid
zu erlassen, d.h. die Verpflichtung der Klägerin aussprechen, die festgestellte Rechtsverletzung zu beheben.
Ein solcher Fall des "rechtlich noch Vertretbaren" liegt nicht vor, die Grenzen des der Klägerin zustehenden Bewertungsspielraums
sind überschritten; die Klägerin hat gegen geltendes Recht verstoßen.
Davon ausgehend ist auch vor dem Hintergrund, dass wegen der Fusion von Krankenkassen zwei Belegschaften zusammengeführt werden
mussten, nicht einmal ansatzweise zu erkennen, inwiefern die Übernahme von Bewirtungskosten bei Betriebsfeiern für die Erhaltung
der Funktionsfähigkeit der Verwaltung notwendig gewesen sein könnte.
Angesichts dessen kommt es auch nicht weiter auf die "Gemeinsamen Leitlinien der Aufsichtsbehörden" an. Es geht vorliegend
nämlich nicht um die Frage, ob diese Leitlinien für die Klägerin bindend sind, oder darum, dass ihr ggf. aufgegeben wird,
die Leitlinien ähnlich wie in dem von der Klägerin angeführten Fall von Richtlinien für die Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen
in der Bundesverwaltung (BSG, Urteil vom 24.04.2002 - B 7 A 1/01 R -) anzuwenden. Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt eine Bindung der Klägerin behauptet noch der Klägerin die Anwendung der
Leitlinien auferlegt. Gleiches ergibt sich im Übrigen auch aus den "Gemeinsamen Leitlinien der Aufsichtsbehörden" selbst,
die nach ihrer Vorbemerkung kein "neues Recht" schaffen, sich - lediglich - an die Aufsichtsbehörden und Prüfdienste Krankenversicherung
wenden und helfen sollen, die Repräsentations- und Bewirtungsaktivitäten der Sozialversicherungsträger mit einheitlichen Maßstäben
zu bewerten. Mit Ausnahme der vorliegend nicht einschlägigen Grundsätze zu einer Selbstbindung der Verwaltung können aus diesen
Leitlinien weder die Klägerin noch die Beklagte Rechte herleiten.
Das Vorbringen der Klägerin, bei den anlässlich der Betriebsfeiern angefallenen Kosten handele es sich um sog. Sowieso-Kosten,
die im Zusammenhang mit den gesetzlich vorgeschriebenen Personalversammlungen ohnehin angefallen und von ihr zu tragen seien,
geht fehl. Die Beklagte hat bereits darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin angeführten Kosten für Bestuhlung, Übertragungstechnik
und Podium nicht beanstandet worden sind. Die Beklagte hat auch zutreffend aufgezeigt, dass die allein von ihr beanstandeten
Bewirtungskosten, wenn überhaupt, allenfalls zu einem geringen Teil von anlässlich einer Personalversammlung entstehenden
Kosten abgedeckt sein können. Insoweit hat die Beklagte deshalb auch nur eine Entscheidung dem Grunde nach getroffen und die
Ermittlung der Schadenshöhe der Klägerin überlassen.
Der Beklagten ist ebenfalls in Feststellung zuzustimmen, der Vorstand der Klägerin habe (zumindest) grob fahrlässig gehandelt,
nämlich die verkehrsübliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, indem er einfachste, ganz naheliegende Überlegungen
nicht angestellt und nicht das beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten hätte müssen (Bundesgerichtshof, Urteil
vom 11.05.1953 - IV ZR 170/52 -). Dies gilt nicht nur für die Betriebsfeier vom 19.11.2010, vor der der Vorstand ausdrücklich auf die fehlerhafte Verwendung
von Haushaltsmitteln hingewiesen worden ist, sondern auch für die Betriebsfeier vom 19.06.2009. Dem langjährig tätigen Vorstand
der Klägerin mussten die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ebenso bekannt sein wie insbesondere die o.a. Rechtsprechung
des BSG zu Zuschüssen zur Förderung der Betriebsgemeinschaft.
Auf einen im Hinblick auf die Bedeutung der Angelegenheit im Vergleich zu sonstigen Aufgaben eines Vorstandes einer mitglieder-
oder umsatzstarken Krankenkasse besonderen bzw. eingeschränkten Prüfungsmaßstab kann sich die Klägerin nicht berufen. Eine
derartige Sicht würde dazu nämlich führen, dass leistungsstarke Verwaltungsträger, also solche mit großem Haushaltsvolumen,
einen anderen Wirtschaftlichkeitsrahmen zu beachten hätten als kleine Träger (BSG, Urteil vom 29.02.1984 - 8 RK 27/82 -). Dem steht im Übrigen auch das Urteil des LG Itzehoe vom 11.11.2011 - 6 O 24/11 - schon deshalb nicht entgegen, weil es vorliegend nicht um die Frage geht, unter welchen Voraussetzungen ein Vorstand bei
unternehmerischen Entscheidungen haftet.