Kostenerstattung für Zahnersatz
Behandlung in Kroatien
Sach- und Dienstleistungsanspruch
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Kostenerstattung für Zahnersatz.
Die am 00.00.1959 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Im Jahr 2014 hielt sie sich vorübergehend in Kroatien auf.
Sie besuchte dort - wie des öfteren - Freunde und Bekannte. Sie litt unter Zahnschmerzen. Nach Genehmigung von Kostenvoranschlägen
des kroatischen Zahnarztes T durch die Beklagte am 03.02.2014 und 19.02.2014 erhielt die Klägern eine zahnärztliche Behandlung
mit Einsatz von Kronen am Oberkiefer. Dafür erstattete die Beklagte ihr nach §
13 Abs.
4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) Kosten in Höhe von 3.803,61 EUR nach Abzug des Verwaltungskostenabschlags. Durch Vorlage eines weiteren Kostenvoranschlags
des gleichen Zahnarztes vom 17.03.2014 beantragte sie die Übernahme der Kosten für Zahnersatz im Unterkiefer in Höhe von 3.913,61
EUR für insgesamt 13 Kronen nebst Interimsversorgung (Zähne 31 - 36 und 41 - 47).
Am 18.03.2014 informierte die Beklagte die Klägerin per E-mail, dass der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK)
eingeschaltet werde. Am gleichen Tag erfolgte der Auftrag zur Begutachtung an den MDK. Das im Folgenden angeforderte Röntgenbild
übersandte die Klägerin am 11.04.2014.
In einem Gutachten nach Aktenlage vom 28.04.2014 kam der MDK zu folgender Einschätzung: Die Zähne 33 - 31, 42 und 43 zeigten
keine Defekte, die eine Überkronung rechtfertigten. Für den Zahn 41 könne eine Krone erforderlich sein. Die Brücken 34 - 36
und 44 - 47 seien mit großer Wahrscheinlichkeit erneuerungsbedürftig. Die nach dem Röntgenbild fehlenden Zähne 35 und 46 seien
im Heil- und Kostenplan nicht als fehlend und durch ein Brückenglied ersetzt notiert.
Mit per E-mail versandtem Bescheid vom 12.05.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, für den Zahnersatz im Unterkiefer
werde ein Betrag in Höhe von 1.983,88 EUR abzüglich eines Verwaltungskostenzuschlags in Höhe von 12 % (mindestens 6,00 EUR,
maximal 55,00 Euro) übernommen. Dieser Bescheid enthielt keine Rechtsmittelbelehrung. Am 13.05.2014 sandte die Beklagte der
Klägerin das MDK-Gutachten und eine Aufschlüsselung, wie sich der Festzuschuss zusammensetzt, per E-mail zu.
Die Klägerin überreichte am 21.05.2014 eine Stellungnahme des behandelnden Zahnarztes und bat um Überprüfung der vollen Kostenübernahme.
Der MDK kam in einem weiteren Gutachten nach Aktenlage vom 30.05.2014 zu der Einschätzung, die Zähne 31 - 33 und 41 - 43 bedürften
keiner Versorgung mit Kronen. Weder der Engstand der Zähne noch die weiteren aufgeführten Aspekte (Abrieb, freiliegende Zahnhälse,
kariöse Läsionen der Zahnhälse, Stellungsanomalien) rechtfertigten nach den Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses
eine Überkronung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Eine Überkronung sei zum Erhalt der Zähne nicht erforderlich.
Mit Bescheid vom 25.06.2014 lehnte die Beklagte eine weitergehende Kostenübernahme ab.
Nach dem Widerspruch der Klägerin vereinbarte die Beklagte für sie einen Begutachtungstermin beim MDK. Die Klägerin war nicht
bereit, die Anreisekosten aus Kroatien selber zu tragen. Daher erfolgte keine körperliche Untersuchung und erneute Begutachtung.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2014 zurück. Zur Begründung bezog sie sich auf die Ausführungen
des MDK und wies zur Kostenerstattung bei vorübergehendem Aufenthalt in Kroatien auf die EWG-Verordnungen Nr. 1408/71 und
574/72 hin, nach denen u.a. der Verwaltungskostenabschlag zu erfolgen habe.
Nach Abschluss der am 30.06.2014 begonnenen Behandlung stellte der Zahnarzt der Klägerin am 28.10.2014 Kosten in Höhe von
3.559,52 EUR in Rechnung.
Am 08.10.0214 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, auch die Zähne 31 - 33, 42 und 43 seien behandlungsbedürftig
gewesen. Ein Verwaltungskostenabschlag sei nicht vorzunehmen. Dieser sei auch für die Behandlung im Oberkiefer zurück zu erstatten.
Es greife die Fiktion nach §
13 Abs.
3a SGB V.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheide vom 12.05.2014 und des Bescheids vom 25.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 29.09.2014 zu verurteilen, die Kosten für die Zahnersatzversorgung in Höhe von 3.559,52 EUR abzüglich der bereits geleisteten
1.928,88 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und auf §
13 Abs.
4 SGB V berufen. Soweit ein Anspruch gemäß Heil- und Kostenplan vom 17.03.2015 bestehen würde, käme ein Gesamtfestzuschuss von 3.713,78
EUR, jedoch maximal in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten abzüglich Verwaltungskostenabschlag in Betracht.
Das Sozialgericht (SG) Detmold hat die Beklagte am 07.07.2016 verurteilt, der Klägerin weitere Kosten für die Zahnersatzversorgung in Höhe von
1.575,64 EUR zu erstatten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Fiktionsregelung
in §
13 Abs.
3a SGB V sei auch auf ambulante Behandlungen im EU-Ausland anzuwenden. Sie werde insbesondere nicht durch die Vorschrift des §
13 Abs.
4 SGB V verdrängt. Ein Anspruch auf Kostenerstattung bestehe jedoch nur in Höhe von 3.504,92 EUR abzüglich der bereits von der Beklagten
geleisteten 1.928,88 EUR. Rechtsgrundlage für den Verwaltungskostenabschlag sei §
13 Abs.
4 Satz 4,
5 SGB V i.V.m. §
23 Abs.
3 Satz 2 der Satzung der Beklagten. Dies gelte auch im Anwendungsbereich des §
13 Abs.
3 a Satz 7
SGB V.
Gegen das am 13.07.2016 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 10.08.2016. Zum Zeitpunkt der zahnärztlichen
Behandlung sei der Klägerin bekannt gewesen, dass die über die Genehmigung hinausgehenden Leistungen nicht zum Leistungsumfang
der GKV gehörten. Die Genehmigungsfiktion des §
13 Abs.
3a SGB V erfasse keine nicht erforderlichen Leistungen. Das SG habe auch nicht begründet, aus welchem Grund der E-mail-Verkehr im Hinblick auf die Fristen des §
13 Abs.
3a SGB V nicht zu berücksichtigen sei. Die Klägerin sei stets über den aktuellen Bearbeitungsstand informiert worden. Letztlich könne
die E-mail vom 18.03.2014 auch als (formfehlerhafter) Verwaltungsakt angesehen werden. Die Regelung des §
13 Abs.
3a SGB V gelte nach den Ausführungen des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 08.03.2016 nicht für Kostenerstattungsfälle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 07.07.2016 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Woraus sich die Auffassung der Beklagten ergebe, die von ihr, der Klägerin,
beantragte Leistung gehöre nicht zum Leistungskatalog der GKV, sei nicht verständlich. Die Überkronung von Zähnen sei dem
grundsätzlich zuzuordnen. Zum Zeitpunkt des Beginns der Behandlung sei die Genehmigungsfiktion bereits eingetreten. Die E-mails
hätten keine Fristverlängerung bewirken können. Die Mitteilung vom 18.03.2014 enthalte keine Entscheidung, sondern allenfalls
die Fristverlängerung von drei auf fünf Wochen. Beim Zuschuss zum Zahnersatz handele es sich um eine Sachleistung, obwohl
deren Ausgestaltung die Zahlung eines Geldbetrages beinhalte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten
Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des SG ist abzuändern. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von weiteren 1.575,64 EUR aufgrund der zahnärztlichen
Behandlung am Unterkiefer in Kroatien.
Dahin stehen kann, ob die Klage zulässig war. Fraglich ist insoweit, ob die Klägerin die richtige Klageart gewählt hat. Ein
Anspruch aus der Genehmigungsfiktion ist im Wege der (allgemeinen) Leistungsklage geltend zu machen (BSG, Urteile vom 07.11.2017 - B 1 KR 24/17 R und B 1 KR 2/17 R -, und 26.09.2017 - B 1 KR 6/17 R und B 1 KR 8/17 R -, jeweils m.w.N.); für einen Anspruch aus §
13 Abs.
4 SGB V, §
13 Abs.
3 SGB V oder §
55 SGB V hätte die Klägerin hingegen eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erheben müssen (st. Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteil vom 07.05.2013 - B 1 KR 5/12 R -).
Jedenfalls war die Klage unbegründet. Die Klägerin hatte weder einen Anspruch aus §
13 Abs.
3a SGB V (dazu I.) noch aus §
13 Abs.
4 SGB V (dazu II.). Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht. (dazu III.).
I.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung des geforderten Betrages aus §
13 Abs.
3a Satz 6
SGB V. Denn sie hat keine Sach- sondern eine Geldleistung beantragt. Klagegegenstand ist ein Erstattungsanspruch aufgrund einer
(zahn-)ärztlichen Behandlung im Ausland. Der Anwendungsbereich des
SGB V ist auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland begrenzt. Im Ausland ist ein Anspruch auf Sachleistung nach §
16 Abs.
1 Nr.
1 SGB V ausgeschlossen. Für eine Behandlung im europäischen Ausland kommt daher nur ein Anspruch nach §
13 Abs.
4 SGB V in Betracht. Hierbei handelt es sich um einen Kostenerstattungsanspruch. Der Anspruch richtet sich also unmittelbar auf eine
Geldleistung. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift (s. auch BSG, Urteile vom 30.06.2009 - B 1 KR 19/08 R - und 17.02.2010 - B 1 KR 14/09 R -). Spätestens aufgrund der unmittelbar zuvor erfolgten Kostenerstattung für die zahnärztliche Behandlung im Oberkiefer beim
gleichen Zahnarzt war der Klägerin auch bekannt, dass nur ein (um den Verwaltungskostenabschlag reduzierter) Kostenerstattungsanspruch
bei Behandlung im Ausland besteht.
Die Regelung des §
13 Abs.
3a SGB V findet keine Anwendung auf Ansprüche gegen Krankenkassen, die unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet sind (BSG, Urteile vom 07.11.2017 - B 1 KR 2/17 R und B 1 KR 24/17 R -, vom 26.09.2017 - B 1 KR 6/17 R und B 1 KR 8/17 R -, vom 11.07.2017 - B 1 KR 26/16 R - und vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R -; Schifferdecker in KassKomm-
SGB V, 97. EL., Dezember 2017, §
13 Rn. 114). Das sind andere Ansprüche der Versicherten wegen sachleistungsersetzender Kostenerstattung etwa nach §
13 Abs
2,
3 und
4 SGB V und wegen Geldleistungen mit Unterhaltsersatzfunktion. Der gesetzliche Erstattungsanspruch für die selbstbeschaffte erforderliche
Leistung passt hierauf nicht. Der Gesetzgeber ging für die Regelung dementsprechend von einer "Ausnahme vom Sachleistungsprinzip"
aus (vgl. hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks. 17/10488 S. 32, zu Art 2 Nr 1). Die Begrenzung des Leistungsbegriffs ergibt sich aus Wortlaut und Systematik (BSG, Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R -; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.04.2014 - L 5 KR 297/13 -). §
13 Abs.
3a SGB V ist - ebenso wie die Absätze 2, 3, 4 und 5 - als Ausnahmevorschrift im Sinne von §
13 Abs.
1 SGB V konzipiert (Helbig in jurisPK-
SGB V, 3. Auflage, 2016, Stand 05.02.2018, §
13 Rn. 60.1).
Der Ausschluss der Genehmigungsfiktion für Leistungen im Ausland ist weder europarechts- noch gleichheitswidrig.
Die Regelung des §
13 Abs.
4 SGB V setzt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur (passiven) Dienstleistungs- und Warenfreiheit im Bereich
des Gesundheitswesens um und passt damit das deutsche Krankenversicherungsrecht an die europarechtlichen Vorgaben an. Sie
entspricht damit europäischem Recht. Das Regelungskonzept nimmt hin, dass Leistungsvoraussetzungen - einschließlich vorheriger
Genehmigungserfordernisse wie im Fall von Zahnersatz - und Begrenzungen des Leistungsumfangs, die im nationalen Recht angelegt
sind, uneingeschränkt gelten, wenn und solange sie für die Betroffenen nicht in europarechtswidriger Weise diskriminierend
wirken (BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 19/08 R - m.w.N.). §
13 Abs.
3a Satz 6
SGB V gewährt einen Sachleistungsanspruch, der sich ggf. nach Satz 7 in einen Kostenerstattungsanspruch wandelt. Ein Sachleistungsanspruch
für Leistungen im Ausland ist aber ausgeschlossen, weil die ausländischen Leistungserbringer nicht in das innerdeutsche Sachleistungssystem
eingebunden sind. Wenn jemand medizinische Leistungen im (EU-)Ausland in Anspruch nehmen möchte, befindet er sich außerhalb
des Geltungsbereichs des
SGB V. Öffentliches Recht gilt nur innerhalb der Staatsgrenzen (Territorialitätsprinzip). Außerhalb können Sachleistungen nicht
erbracht werden. Ob ein möglicher Sachleistungsanspruch aus §
13 Abs.
3a SGB V oder einer anderen Sachleistungsnorm herrührt, ändert nichts an der Rechtmäßigkeit der Begrenzung auf Kostenerstattungsansprüche
für medizinische Behandlungen im Ausland. Im Übrigen bestehen weitere relevante Unterschiede zwischen den Anträgen für eine
Behandlung im In- und Ausland. Die Vorgaben des §
13 Abs.
3a SGB V sind bei Auslandsfällen - auch ohne Verstoß gegen das mit dem Gesetz verfolgte Beschleunigungsgebot - schon aus rein tatsächlichen
Gründen nicht sachgerecht. Die Klägerin hat ihren Antrag per E-mail gestellt, so dass sie von einem taggleichen Zugang bei
der Beklagten ausgehen konnte. Die Beklagte hingegen müsste zur Wahrung der Fristen des §
13 Abs.
3a SGB V die Mitteilung nach Satz 2 und Satz 5 schriftlich vornehmen. Eine E-mail wäre nicht ausreichend. Eine schriftliche Mitteilung
an die gemeldete Wohnanschrift im Inland wäre zwar rechtlich wirksam, tatsächlich würden die Versicherten von ihr aber nicht
rechtzeitig erfahren. Eine schriftliche Mitteilung am Aufenthaltsort wird in den meisten Fällen ausscheiden: Soweit die Krankenkasse
überhaupt Kenntnis der Anschrift des derzeitigen Aufenthaltsorts im Ausland hat, würden allein die Postlaufzeiten ins europäische
Ausland bereits einen erheblichen Teil der drei-Wochen-Frist des §
13 Abs.
3a SGB V vereinnahmen und die gesetzlich vorgesehene Entscheidungsfrist für die Krankenkasse erheblich verkürzen. Im Ergebnis könnten
die gesetzlichen Krankenkassen ihren Verpflichtungen nach §
13 Abs.
3a SGB V gegenüber im Ausland weilenden Versicherten nicht sachgerecht nachkommen.
Aus den gleichen Gründen liegt kein Verstoß gegen Art.
3 Grundgesetz (
GG) vor. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.
3 Abs.
1 GG schreibt unter stetiger Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken vor, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches
entsprechend unterschiedlich zu behandeln. Damit ist dem Normgeber aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das
Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl
zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung
rechtfertigen könnten (BSG, Urteil vom 17.09.2008 - B 6 KA 46/07 R - m.w.N.). Zwischen einer Behandlung innerhalb und außerhalb Deutschlands bestehen - wie dargelegt - relevante Unterschiede
in diesem Sinn.
II.
Die Klägerin hat auch keinen (weiteren) Zahlungsanspruch gegen die Beklagte aus §
13 Abs.
4 SGB V. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig.
Nach §
13 Abs.
4 SGB V sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in anderen Staaten, in denen die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Anwendung
der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern,
in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden ist, anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in
Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages
zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung (BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 19/08 R -).
Ausgeschlossen werden durch Satz 1 Halbsatz 2 ("es sei denn, ") sog. Residenten. Das sind Versicherte, für deren medizinische
Versorgung die deutschen Krankenkassen an die Leistungsträger der Gastländer nach Durchführungsverordnungsrecht einen Pauschbetrag
bezahlen sowie Versicherte, für deren Behandlung zwischen dem deutschen und dem ausländischen Versicherungsträger ein Verzicht
auf die Erstattung der Kosten vereinbart ist (Helbig, a.a.O., § 13 Rn. 78). Das trifft auf die Klägerin nicht zu. Nach Art.
24 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung
der Systeme der sozialen Sicherheit hätte die Klägerin einen Sachleistungsanspruch gegen den kroatischen Träger der Krankenversicherung
nur, wenn sie dort i.S.d. Vorschrift wohnte. "Wohnort" ist nach Art. 1 j) der Verordnung der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts,
d. h. der Ort, an dem die Betroffenen gewöhnlich wohnen und wo sich auch der gewöhnliche Mittelpunkt ihrer Interessen befindet
(EuGH, Urteil vom 11.09.2014 - C-394/13 -). Der Wohnort der Klägerin befand sich auch im Jahr 2014 in Deutschland. Allein der - wenn auch ggf. mehrere Monate dauernde
- Aufenthalt bei Freunden in Kroatien änderte hieran nichts.
Wie sich aus der Formulierung "anstelle der Sach- oder Dienstleistung" in §
13 Abs.
4 Satz 1
SGB V ergibt, setzt die Vorschrift einen Anspruch auf die entsprechende Naturalleistung nach dem
SGB V voraus. Dies gilt nicht nur für den Regelfall eines Sach- und Dienstleistungsanspruchs, sondern auch für den Fall, dass nach
dem Recht des
SGB V an dessen Stelle eine Geldleistung getreten ist. In beiden Fällen hängt ein Anspruch aus §
13 Abs.
4 Satz 1
SGB V grundsätzlich davon ab, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem
SGB V vorliegen. Dahingestellt bleiben kann demnach, ob der Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer Versorgung mit
Zahnersatz nach §
55 SGB V eine Sachleistung darstellt oder eine Geldleistung. Jedenfalls sind die betreffenden Leistungen bei einer Versorgung im Inland
nach wie vor dem öffentlich-rechtlich ausgestalteten Leistungssystem des
SGB V und der vertragszahnärztlichen Versorgung zuzuordnen. Danach hat ein Anspruch auf die Festzuschüsse nach §§
55,
87 Abs.
1a Satz 2 ff.
SGB V u.a. auch die Prüfung der beabsichtigten Versorgung und deren vorherige Genehmigung durch die Krankenkasse zur Voraussetzung
(BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 19/08 R -).
Demnach ist zu prüfen, ob die Klägerin im Inland einen Anspruch nach §
55 SGB V gehabt hätte. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen)
in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht,
die gemäß §
135 Abs.
1 SGB V anerkannt ist. Nach §
56 Abs.
1 SGB V bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien die Befunde, für die Festzuschüsse nach §
55 SGB V gewährt werden und ordnet diesen prothetische Regelversorgungen zu.
Nach Abschnitt C Nr. 11d der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesauschusses für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche
vertragszahnärztliche Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen (Zahnersatz-Richtlinie) müssen bei Zähnen mit krankhaften Prozessen
Maßnahmen zur Ausheilung eingeleitet sein. An diesen Zähnen dürfen vorerst nur Interimsmaßnahmen durchgeführt werden. Endgültiger
Zahnersatz ist erst nach Ausheilung angezeigt. Schon aus diesem Grund schied ein Anspruch der Klägerin auf die begehrte Versorgung
aus. Sie hatte angegeben, unter erheblichen Zahnschmerzen zu leiden und gegen die Schmerzen ständig Schmerzmedikamente in
hoher Dosis einnehmen zu müssen. Zu Recht hat daher der MDK darauf hingewiesen, dass in dieser Situation eine Versorgung mit
Zahnkronen nicht zulässig war, sondern zunächst die Schmerzursache hätte behandelt werden müssen.
Nach Abschnitt D. I. Nr. 15 und 16 der Zahnersatz-Richtlinie war die Versorgung der Zähne 33 - 31, 42 und 43 mit Kronen nicht
erforderlich. Danach hat die Schonung und Erhaltung natürlicher und intakter Zahnhartsubstanz Vorrang vor der Versorgung mit
Zahnkronen. Zahnkronen sind angezeigt, wenn sich aus dem klinischen und röntgenologischen Befund der erkrankten Zähne einschließlich
ihrer Parodontalgewebe ergibt, dass sie nur durch Kronen erhalten werden können. Zahnkronen können angezeigt sein: a) zur
Erhaltung eines erhaltungsfähigen und erhaltungswürdigen Zahnes, wenn eine Erhaltung des Zahnes durch andere Maßnahmen nicht
mehr oder auf Dauer nicht möglich ist, b) zur Abstützung eines Zahnersatzes, wenn eine Abstützung und Retention auf andere
Weise nicht möglich ist.
Der MDK hat ausgeführt, an den Zähnen 33 - 31, 42 und 43 seien keine Defekte erkennbar, die eine Überkronung rechtfertigten.
Dem ist ohne weiteres darin zu folgen, dass nach der Zahnersatz-Richtlinie Engstand, freiliegende Zahnhälse und Stellungsanomalien
keine Überkronung rechtfertigen. Auch die weiter vorgetragenen Gründe (Abrieb und kariöse Läsionen) rechtfertigen per se keine
Überkronung. Dass diese Zahnschäden abweichend von der Beurteilung des MDK derart weitgehend gewesen sind, dass die genannten
Zähne nur durch Überkronung erhaltungsfähig gewesen wären, ist den vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen. Die Beweislast
für die Notwendigkeit einer nach Ablehnung durch die Krankenkasse selbstbeschafften Leistung trifft grundsätzlich den Versicherten;
ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn die Nachweisbarkeit durch fehlerhaftes Verhalten der Krankenkasse vereitelt wird,
kann offen bleiben, wenn - wie hier - Anhaltspunkte für eine derartige Fallgestaltung nicht vorliegen (BSG, Urteil vom 30.10.2002 - B 1 KR 31/01 R -). Bezogen auf den hier streitigen Anspruch auf Zahnersatz bedeutet dies, dass die Klägerin keine Erstattung beanspruchen
kann, wenn sich mit den zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht nachweisen lässt, dass die vorgenannten Voraussetzungen
für eine Überkronung der Zähne erfüllt waren. So verhält es sich hier. Verwertbare Unterlagen über Befunde, die einen Anspruch
auf Überkronung der Zähne 31 bis 33 sowie 42 und 43 begründen, liegen nicht vor. Eine weitere Beweiserhebung, insbesondere
eine körperliche Untersuchung, ist nicht mehr möglich, weil die Klägerin die Behandlung bereits hat durchführen lassen.
III.
Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht. Für Ansprüche aus §
13 Abs.
3 SGB V ist im Anwendungsbereich des §
13 Abs.
4 und
5 SGB V kein Raum mehr (BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 22/08 R -; Helbig in jurisPK-
SGB V, 3. Auflage, 2016, §
13 Rn. 77). Der Anspruch direkt aus §
55 SGB V ist, abgesehen davon, dass die materiellen Anspruchsvoraussetzungen nicht nachgewiesen sind (s.o. II.), durch §
16 Abs.
1 Nr.
1 SGB V ausgeschlossen, weil die Leistungen in Kroatien erbracht worden sind und die Voraussetzungen des §
18 Abs.
1 SGB V nicht vorliegen (Territorialitätsprinzip; vgl. BSG, Urteil vom 13.07.2004 - B 1 KR 33/02 R -).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG).