Behandlungspflege
Einstweiliger Rechtsschutz
Umfang der Behandlungssicherungspflege
Beobachtung eines Versicherten durch eine medizinische Fachkraft
1. Zur Behandlungssicherungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell
auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung
zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem
Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden.
2. Die Hilfeleistungen umfassen Maßnahmen verschiedenster Art, insbesondere Kriseninterventionen.
3. Auch die Beobachtung eines Versicherten durch eine medizinische Fachkraft wird grundsätzlich von dem Anspruch auf Behandlungssicherungspflege
erfasst, wenn die medizinische Fachkraft wegen der Gefahr von ggf. lebensgefährdenden Komplikationen jederzeit einsatzbereit
sein muss.
Gründe
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im angefochtenen Beschluss zu Recht stattgegeben. Zur Vermeidung
von Wiederholungen nimmt der Senat hierauf Bezug (§
153 Abs.
2 SGG) und merkt zum Beschwerdevorbringen an:
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind erfüllt. Die Folgenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers
aus. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind offen. Nach §
37 Abs.
2 Satz 1 Halbs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege,
wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (sog. Behandlungssicherungspflege). Der krankenversicherungsrechtliche
Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungssicherungspflege besteht neben dem Anspruch auf Leistungen bei
häuslicher Pflege aus der sozialen Pflegeversicherung (vgl. §
13 Abs.
2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI)). Zur Behandlungssicherungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell
auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung
zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem
Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden. Die Hilfeleistungen umfassen Maßnahmen
verschiedenster Art, insbesondere Kriseninterventionen. Auch die Beobachtung eines Versicherten durch eine medizinische Fachkraft
wird grundsätzlich von dem Anspruch auf Behandlungssicherungspflege erfasst, wenn die medizinische Fachkraft wegen der Gefahr
von ggf. lebensgefährdenden Komplikationen jederzeit einsatzbereit sein muss (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 10.11.2005 - B 3 KR 38/04 R -; Senat, Beschlüsse vom 08.06.2015 - L 11 KR 202/15 B ER - und 18.11.2012 - L 11 KR 179/12 B ER -).
Offen ist, ob die Voraussetzungen der das Gesetz konkretisierenden Nr. 24 der Anlage zur Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie
(HKP-Richtlinie) i.d.F. vom 17.09.2009 (letzte Änderung: 16.03.2017, BAnz AT 24.11.2017 B1 in Kraft getreten am 25.11.201)
gegeben sind.
Nach den vorliegenden medizinischen Stellungnahmen spricht einiges dafür, dass der Antragsteller einen Anspruch auf spezielle
Krankenbeobachtung im verordneten Umfang hat. Die Vitalfunktionen können möglicherweise täglich lebensbedrohlich gestört werden.
Dies folgt insbesondere aus der Stellungnahme der Ärztin für kinder- und Jugendmedizin L vom 07.11.2017. Danach besteht die
Grundproblematik der Aspiration des eigenen Speichels und der Unfähigkeit, Sekret abzuhusten, fort. Das Auftreten lebensbedrohlicher
Situationen sei nur durch die permanente Überwachung des Antragstellers und Absaugen bei ersten Anzeichen noch vor einer Anzeige
eines Abfalls der Sauerstoffsättigung durch das Gerät verhindert worden. Die Antragsgegnerin meint, eine häusliche Krankenpflege
sei nicht mehr erforderlich, weil in den vergangenen zwei Jahren keine lebensbedrohliche Situation mehr dokumentiert worden
sei. Dies allein ist aber nicht ausreichend. Wenn während der Zeit, in der häusliche Krankenpflege erbracht wurde, nur pflegerische
Interventionen das Eintreten lebensbedrohlicher Situationen verhindert haben, kann aus dem Eintritt des mit der Krankenbeobachtung
verfolgten Ziels nicht der Schluss gezogen werden, dass selbige nicht mehr erforderlich ist.
Da dem Hauptsacheverfahren nicht jegliche Erfolgsaussicht abgesprochen werden kann, ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden.
Dazu sind vor allem die Folgen zu berücksichtigen, die die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes für den Antragsteller hätte.
Je schwerer die Belastungen hieraus wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in
der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger kann das Interesse an einer vorläufigen Regelung zurückgestellt
werden. Angesichts der überragend hohen Bedeutung, die dem Leben als Rechtsgut in der grundgesetzlichen Ordnung zukommt (vgl.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 -), sind in Verfahren wie dem vorliegenden an die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes hohe Anforderungen zu stellen (hierzu
Senat, Beschlüsse vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER - und 19.11.2012 - L 11 KR 473/12 B ER -). Sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass - was auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen möglich erscheint
- der Antragsteller auf eine jederzeitige Interventionsmöglichkeit einer dritten Person angewiesen ist, käme der Rechtsschutz
in der Hauptsache, sofern zwischenzeitlich eine lebensbedrohliche Situation auftreten sollte, zu spät. Das Unterliegen der
Antragsgegnerin hat demgegenüber allenfalls wirtschaftliche Auswirkungen. In Anwendung dieser Kriterien fällt die Abwägung
vorliegend wegen des möglicherweise bedrohten Rechtsguts Leben (Art.
2 Abs.
2 Satz 1
Grundgesetz) zu Gunsten des Antragstellers aus. Das gegenläufige finanzielle Risiko für die Antragsgegnerin erachtet der Senat derzeit
als hinnehmbar (hierzu Senat, Beschlüsse vom 08.06.2015 - L 11 KR 202/15 B ER -, 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER - und 19.11.2012 - L 11 KR 473/12 B ER -).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§
177 SGG).