Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung der Verpflichtung zur Abgabe der Sofortmeldung nach §
28a Abs.
4 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV).
Bei der Klägerin handelt es sich um eine im Handelsregister des Amtsgerichts (AG) C eingetragene Kommanditgesellschaft (HRA
000). Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung und der Vertrieb von Mahlzeiten und die Dienstleistung des Caterings
gegenüber anderen Unternehmen (§ 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages vom 14. Oktober 1999). Nach den Verlautbarungen auf seiner
Homepage (www.o-menue.de/angebot/business-event-catering) fokussiert sich das Unternehmen auf zwei Geschäftsbereiche: Im Geschäftsbereich
Business Catering unterstützt es "Kunden bei der Planung und/oder dem Betrieb eines Betriebsrestaurants". Im Bereich des Event-Caterings
bietet die Klägerin ihren Kunden "ein breites Spektrum" von Leistungen des Caterings an. In diesem Unternehmensbereich plant
und führt sie Veranstaltungen - Weihnachtsfeiern, Sommerfeste und Mitarbeiterjubiläen - in einem "professionellen Stil" durch.
Im Jahr 2016 leitete das Hauptzollamt (HZA) C ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen die Sofortmeldepflicht
gegen die Klägerin ein. Es nahm an, die Klägerin betreibe ein von der Sofortmeldepflicht erfasstes Unternehmen des Gaststätten-
und Beherbergungsgewerbes (§
28a Abs.
4 Satz 1 Nr.
2 SGB IV). Nach Einsichtnahme in die Datenbank der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund sei festgestellt worden, dass die Klägerin
die erforderlichen Sofortmeldungen im Sinne des §
111 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2b)
SGB IV nicht rechtzeitig erstatte.
In Abstimmung mit dem HZA C beantragte die Klägerin am 12. August 2016 bei der Beklagten, durch "rechtsmittelfähigen Bescheid
festzustellen", dass sie nicht der Sofortmeldepflicht nach §
28a Abs.
4 SGB IV unterliege. Sie betreibe kein Unternehmen des Gaststättengewerbes im Sinne des §
28a Abs.
4 Satz 1 Nr.
2 SGB IV. Ob ein Gaststättengewerbe vorliege, beurteile sich nach § 1 Gaststättengesetz (GastG). Unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 9. April 2008 - 4 AZR 164/07 - vertrat sie die Auffassung, dass weder das Catering noch die Lieferung fertiggestellter Speisen unter den Gaststättenbegriff
des § 1 GastG falle. Ein Gaststättengewerbe setze hiernach nämlich voraus, dass im stehenden Gewerbe entweder Getränke (Schankwirtschaft)
oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht (Speisewirtschaft) würden und der Betrieb jedermann oder
bestimmten Personenkreisen zugänglich sei. Diese Anforderungen seien weder beim Catering noch bei der Lieferung von fertigen,
industriell zubereiteten Mahlzeiten erfüllt. Das BAG habe zu Recht betont, dass Dienstleistungen dieser Art vom herkömmlichen
Gaststättenbegriff weit entfernt seien.
Nach Anhörung der Klägerin (Schreiben vom 5. September 2016) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 28. November 2016 das Bestehen
einer "uneingeschränkten Sofortmeldepflicht" der Klägerin fest. Sie unterfalle nach der Festlegung der Bundesagentur für Arbeit
(BA) der sofortmeldepflichtigen Wirtschaftsklasse 5629 ("Erbringung sonstiger Verpflegungsdienstleistungen"). Auch der Deutsche
Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) beziehe unter den Begriff "Gastgewerbe" neben der Hotellerie, dem sonstigem Beherbergungsgewerbe
und der speise- und getränkegeprägten Gastronomie ausdrücklich auch Caterer und Erbringer sonstiger Dienstleistungen ein.
Bei der Definition der Betriebsarten verstehe der DEHOGA Bundesverband als Teil des Gastronomiegewerbes unter "Catering" das
Liefern in einer Produktionszentrale zubereiteter verzehrfähiger Speisen sowie Getränke an bestimmte Einrichtungen (z.B. Fluggesellschaften,
Essen auf Rädern) oder Personengruppen und für bestimmte Anlässe (z.B. Hochzeiten und andere Feiern oder Feierlichkeiten).
Diese Definition decke sich mit der Beschreibung der Geschäftstätigkeit der Klägerin im Internet. Auch das Ergebnis der Besprechung
des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Deutschen Gesetzlichen
Unfallversicherung zu Fragen des gemeinsamen Meldeverfahrens vom 8./9. September 2009, wonach die Bereiche "Pizza-Service"
und "Zustellservice" der Sofortmeldepflicht nach §
28a Abs.
4 SGB IV unterworfen seien, zeige die Intention des Gesetzgebers, Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung in der gesamten Gastronomiebranche
einschließlich des Caterings zu erfassen und zu bekämpfen. Selbst bei der Beurteilung von Arbeitgebern, die im Rahmen ihres
Erwerbszwecks nur teilweise in den Wirtschaftsbereichen des §
28a Abs.
4 SGB IV tätig seien, seien für die Abgabe einer Meldung der Unternehmenszweck sowie die wirtschaftliche Tätigkeit des überwiegenden
Teils der Beschäftigten entscheidend (Verweis auf Ziffer 1.1.8 des Gemeinsamen Rundschreibens "Meldeverfahren zur Sozialversicherung"
vom 29. Juni 2016 in der Fassung vom 19. Oktober 2016).
Die enge Interpretation des Gaststättenbegriffs nach § 1 GastG in Anknüpfung an die Rechtsprechung des BAG zur Anwendung des Manteltarifvertrages des Gaststättengewerbes entspreche nicht
der Intention des Gesetzgebers, in einschlägigen Branchen die Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung zu bekämpfen. Insoweit
seien arbeits- und tarifrechtliche Vorschriften einerseits und die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht andererseits
zu trennen. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin am 12. Dezember 2016 schriftlich Widerspruch. Der Begriff des Gaststättengewerbes
im Sinne des §
28a Abs.
4 Satz 1 Nr.
2 SGB IV richte sich - so die Klägerin zur Begründung - ausschließlich nach § 1 GastG. In dieser Beurteilung sah sie sich durch die Kommentierung des §
28a Abs.
4 Satz 1 Nr.
2 SGB IV bestätigt (Verweis auf Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, §
28a Rn. 7). Eine erweiternde Auslegung dieses Begriffs scheide aus.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2017 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Begriff des Gaststättengewerbes
umfasse im Zusammenhang mit der Sofortmeldepflicht auch Bereiche des Gastronomiegewerbes, die nicht von § 1 GastG erfasst seien, so z.B. Catering-Unternehmen. Andernfalls sei das Ziel des Gesetzgebers, Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung
durch eine Verpflichtung zur Sofortmeldung zu bekämpfen, in weiten Teilen des Gastronomiegewerbes nicht erreichbar. Die Klägerin
sei aufgrund der Klassifikation der BA auf Basis der Wirtschaftszweige (WZ) 2008 als "sonstiges Verpflegungsdienstleistungsgewerbe"
anzusehen und gehöre in dieser Eigenschaft zum sofortmeldepflichtigen Gaststättengewerbe im Sinne des §
28a Abs.
4 SGB IV. Auf die weitere Begründung des Widerspruchsbescheides wird verwiesen.
Mit der am 3. April 2017 zum Sozialgericht (SG) Detmold erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie ihr vorprozessuales Vorbringen
wiederholt und vertieft. Der Gesetzgeber habe in §
28a Abs.
4 Satz 1 Nr.
2 SGB IV bewusst den Begriff des Gaststättengewerbes verwendet und damit erkennbar an § 1 Abs. 1 GastG angeknüpft. Anhaltspunkte, wonach der Begriff des Gaststättengewerbes nach §
28a Abs.
4 Satz 1 Nr.
2 SGB IV weiter als die Definition in § 1 GastG zu verstehen sei, enthalte die Norm nicht. Folge man der Sichtweise der Beklagten, seien - je nach Rechtsgebiet - unterschiedliche
Begriffe des Gaststättengewerbes maßgeblich. So sei im Arbeitsrecht die gesetzliche Definition maßgeblich; im sozialversicherungsrechtlichen
Kontext werde indes ein gesetzlich nicht näher definierter Gaststättenbegriff verwendet. Ein solches Ergebnis widerspreche
der gesetzgeberischen Intention und dem Erfordernis der Rechtsklarheit. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die der "Klassifikation
der Wirtschaftsbereiche des statistischen Bundesamtes" folgende Einordnung der BA berufen, da diese nicht im Einklang mit
höherrangigem Recht stehe.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2017 aufzuheben und
festzustellen, dass sie nicht der Sofortmeldepflicht gemäß §
28a Abs.
4 SGB IV unterliegt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Ihre Zuständigkeit zur Feststellung
der Sofortmeldepflicht gegenüber einem Arbeitgeber folge aus Ziffer 1 der Niederschrift über die "Besprechung des GKV-Spitzenverbandes,
der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung zu Fragen
des gemeinsamen Meldeverfahrens vom 25./26. Februar 2009".
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2017 hat das SG den Bescheid vom 28. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2017 aufgehoben und den auf die
Feststellung des Nichtbestehens der Sofortmeldepflicht gerichteten Klageantrag abgewiesen. Zur Feststellung der Sofortmeldepflicht
fehle es der Beklagten an einer Rechtsgrundlage. Eine dahingehende Befugnis enthalte §
28a Abs.
4 SGB IV nicht, da diese Vorschrift zwar die Voraussetzungen von Meldepflichten regele; diese bestünden jedoch gegenüber dem Rentenversicherungsträger.
§
28h Abs.
2 Satz 1
SGB IV berechtige nur zur Feststellung der Versicherungspflicht, ermächtige aber nicht zur Feststellung einer Sofortmeldepflicht.
Das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger sei als untergesetzliche Rechtsnorm, die gegen
höherrangiges Recht verstoße, nichtig und damit unanwendbar. Der auf die Feststellung des Nichtbestehens einer Sofortmeldepflicht
gerichtete Klageantrag sei unzulässig, da es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse fehle. Die Beklagte sei zu einer
dahingehenden verbindlichen Feststellung nicht befugt. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 18. Oktober 2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. November 2017 Berufung zum Landessozialgericht
(LSG) Nordrhein-Westfalen eingelegt. Sie sei gemäß §
28a Abs.
4 SGB IV zur Feststellung befugt, ob ein Arbeitgeber der Sofortmeldepflicht unterliege. Die §§ 28a bis 28c
SGB IV regelten "Meldungen des Arbeitgebers und ihre Weiterleitung." Durch diese Vorschriften habe der Gesetzgeber im Interesse
der Rechtsklarheit und zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung das Melderecht für Arbeitnehmer und die Vorschriften über den
Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf eine einheitliche rechtliche Grundlage gestellt. Nach §
28a Abs.
1 Satz 1
SGB IV habe der Arbeitgeber oder ein anderer Meldepflichtige der Einzugsstelle für jeden in der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung
oder nach dem Recht der Arbeitsförderung kraft Gesetzes Versicherten eine Meldung zu erstatten. In §
28b SGB IV ("Aufgaben der Einzugsstelle bei Meldungen") sei die Regelung aus §
12 Abs. 1 der Zweiten Verordnung über die Erfassung von Daten für die Träger der Sozialversicherung und für die Bundesanstalt
für Arbeit (Zweite Datenerfassungsverordnung <DEVO>) ins
SGB IV aufgenommen worden, nach welcher der Gesetzgeber den Einzugsstellen die Aufgabe zugewiesen habe, Entscheidungen im Rahmen
des Meldeverfahrens zu treffen. §
28h Abs.
1 Satz 1
SGB IV bestimme, dass die Krankenkassen die Einzugsstellen seien und der Gesamtsozialversicherungsbeitrag an diese zu entrichten
sei. Nach §
28h Abs.
1 Satz 2
SGB IV habe die Einzugsstelle die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu überwachen.
Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden seien, habe die Einzugsstelle nach §
28h Abs.
1 Satz 3
SGB IV geltend zu machen. Nach §
28h Abs.
2 Satz 1
SGB IV entscheide die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Diese gesetzliche Systematik begründe die Zuständigkeit der Einzugsstelle für sämtliche
Feststellungen im Melderecht, einschließlich der Feststellungen zur Sofortmeldepflicht. Daraus folge, dass sie als Einzugsstelle
auch Entscheidungen im Rahmen des Meldeverfahrens zu treffen habe.
Dieser Grundsatz habe nach Einführung der Sofortmeldepflicht keine Änderung erfahren. Mit dem Gesetz zur Einführung eines
Sozialversicherungsausweises und zur Änderung anderer Sozialgesetze vom 6. Oktober 1989 (BGBl. I S. 1822, BT-Drucks. 11/2807) seien in §
103 SGB IV Regelungen zur Sofortmeldepflicht aufgenommen worden. Seither gehöre die Sofortmeldung zum Melderecht (Verweis auf BT-Drucks.
11/2807, S. 15). Nachdem die Vorschrift zwischenzeitlich gestrichen worden sei, habe der Gesetzgeber sie mit dem "Zweiten
Gesetz zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze" durch §
28a Abs.
4 SGB IV wieder eingeführt. Seither seien Arbeitgeber wieder verpflichtet, die Sofortmeldung zu erstatten, nunmehr jedoch an die Datenstelle
der Rentenversicherung. Mit §
28a Abs.
4 SGB IV verfolge der Gesetzgeber weiterhin das Ziel, Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung besser zu bekämpfen. Zu diesem Zweck
habe er den Meldeweg über die Einzugsstellen auf die Deutsche Rentenversicherung verlagert, um zeitliche Verzögerungen bei
der Meldung zu vermeiden und die Möglichkeit zu erhalten, noch am Tag der Beschäftigungsaufnahme vor Ort eine Überprüfung
zu gewährleisten. Die Deutsche Rentenversicherung sei hierdurch Annahmestelle für die Sofortmeldungen geworden. Der Gesetzgeber
habe durch §
28a SGB IV jedoch nur den Meldeweg und die Annahmestelle geändert, eine Verlagerung der Entscheidungsbefugnis hingegen nicht vorgenommen.
Dass die Deutsche Rentenversicherung als Datenannahmestelle auch entscheide, wer sofortmeldepflichtig sei, bestimme §
28a Abs.
4 SGB IV nicht. Insoweit sei es bei der Zuständigkeit der Einzugsstelle verblieben. Der Gesetzgeber differenziere damit zwischen Entscheidungsstelle
(Einzugsstelle) und Datenannahmestelle (DRV). Die Entscheidung des SG führe im Ergebnis dazu, dass nur noch im Rahmen von Betriebsprüfungen nach § 28p
SGB IV Rechtssicherheit zur Frage einer bestehenden Sofortmeldepflicht erlangt werden könne. Dies sei nicht sachgerecht.
In der Sache bestehe aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Gründen eine Verpflichtung der Klägerin zur Abgabe der
Sofortmeldung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10. Oktober 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die Beklagte sei als Einzugsstelle zur Feststellung einer Sofortmeldepflicht
nach §
28a Abs.
4 SGB IV nicht befugt. Aus den §§ 28a, 28b bzw. §
28h SGB IV folge keine umfassende Zuständigkeit der Einzugsstelle im Rahmen des Meldeverfahrens. Das SG habe zutreffend dargelegt, dass für die Entscheidung über die Sofortmeldepflicht §
28a Abs.
4 SGB IV eine spezielle Zuständigkeitsregelung darstelle, die - zumindest als Annex - eine Entscheidungsbefugnis beinhalte, welches
Unternehmen zur Sofortmeldung verpflichtet sei. Hiernach seien Arbeitgeber verpflichtet, die geschuldeten Angaben gegenüber
der Datenstelle der Träger der Rentenversicherung und nicht gegenüber der Einzugsstellen zu übermitteln. Die Beklagte spalte
die Entscheidungskompetenzen im Bereich der Sofortmeldepflicht künstlich auf, indem sie die DRV zur Datenannahmestelle "degradiere",
die Entscheidung über das Bestehen einer Sofortmeldepflicht aber in ihre eigene Zuständigkeit verlagere. Es sei kein Grund
ersichtlich, die inhaltlich miteinander verbundenen Kompetenzen formell zu trennen. Hätte eine solche Trennung dem Willen
des Gesetzgebers entsprochen, hätte es nahegelegen, dieses im Rahmen des §
28a Abs.
4 SGB IV normativ zu verankern.
Aus den im erstinstanzlichen Rechtszug dargelegten Gründen sei im Übrigen eine Sofortmeldepflicht nicht gegeben.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und den Inhalt der beigezogen
Verwaltungsakten der Beklagten. Zudem wird Bezug genommen auf den Inhalt der Ermittlungsakten des HZA C betreffend das dort
unter dem Az. SV - F 000 geführte Ermittlungsverfahren. Der Inhalt dieser Vorgänge ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen.
Entscheidungsgründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 28. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März
2017, mit dem die Beklagte das Bestehen einer Sofortmeldepflicht der Klägerin nach §
28a Abs.
4 SGB IV festgestellt hat.
Soweit das SG den auf die Feststellung des Nichtbestehens einer Pflicht zur Abgabe der Sofortmeldung gerichteten Feststellungsantrag der
Klägerin abgewiesen hat, hat der Senat über dieses Feststellungsbegehren nicht zu entscheiden, da die Klägerin die Teilabweisung
der Klage nicht angefochten hat.
II. Die am 7. November 2017 schriftlich eingelegte Berufung der Beklagten gegen das ihr am 18. Oktober 2017 zugestellte Urteil
des SG Detmold ist zulässig, insbesondere ohne gerichtliche Zulassung statthaft (§§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§
151 Abs.
1, Abs.
3, §
64 Abs.
1, Abs.
2, §
63 SGG).
III. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der Bescheid vom 28. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 14. März 2017 ist nicht rechtswidrig und beschwert die Klägerin daher nicht im Sinne des §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG. Die Feststellung der Verpflichtung der Klägerin zur Abgabe der Sofortmeldung nach §
28a Abs.
4 SGB IV ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Beklagte war als Einzugsstelle ermächtigt, auf Antrag der Klägerin über deren Sofortmeldepflicht durch Verwaltungsakt
zu entscheiden (hierzu 1.). Der angefochtene Bescheid erweist sich auch in der Sache als rechtmäßig (hierzu 2.).
1. Aus der Verpflichtung der in §
28a Abs.
4 Satz 1
SGB IV aufgeführten Arbeitgeber zur Abgabe von Sofortmeldungen <dazu a)> folgt deren Berechtigung, über das Bestehen ihrer Verpflichtung,
insbesondere ihre Zugehörigkeit zum Kreis der in der Vorschrift genannten Wirtschaftsbereiche oder Wirtschaftszweige eine
verbindliche Entscheidung durch Verwaltungsakt herbeizuführen <dazu b)>. Zuständig für eine solche Entscheidung sind die Einzugsstellen
und nicht die Träger der Rentenversicherung zuständig <dazu c)>.
a) Nach §
28a Abs.
4 Satz 1
SGB IV haben Arbeitgeber den Tag des Beginns eines Beschäftigungsverhältnisses spätestens bei dessen Aufnahme an die Datenstelle
der Rentenversicherung nach Satz 2 zu melden, sofern sie Personen in einem der in den Nummern 1. bis 9. enumerativ benannten
Wirtschaftsbereiche oder Wirtschaftszweige beschäftigen. Nach §
28a Abs.
4 Satz 2
SGB IV enthält die Meldung den Familien- und den Vornamen des Beschäftigten, soweit bekannt dessen Versicherungsnummer (andernfalls
die zur Vergabe einer Versicherungsnummer notwendigen Angaben), die Betriebsnummer des Arbeitgebers und den Tag der Beschäftigungsaufnahme.
Die Meldung wird in der Stammsatzdatei nach §
150 Abs.
1 und
2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) gespeichert (§
28a Abs.
4 Satz 3
SGB IV).
Aufgrund dieser mit Wirkung zum 1. Januar 2009 (Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 21. Dezember 2008 <BGBl. I S. 2933>, im Folgenden: 2.
SGB IV-ÄndG) eingeführten Vorschrift hat der Gesetzgeber die Verpflichtung eines Arbeitgebers zur Sofortmeldung bei Aufnahme der
Beschäftigung für solche Wirtschaftszweige und Wirtschaftsbereiche eingeführt, in denen nach den Erfahrungen der für die Bekämpfung
illegaler Beschäftigung zuständigen Behörden ein erhöhtes Risiko für Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung besteht.
Bereits nach §
103 Abs.
1 Satz 1
SGB IV in der Fassung von Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Einführung eines Sozialversicherungsausweises und zur Änderung anderer Sozialgesetze vom 6. Oktober 1989
(BGBl. 1989 I S. 1822) bestand ab dem 1. Januar 1990 die Verpflichtung der Arbeitgeber, der Einzugsstelle für jeden Beschäftigten, der zur Mitführung
seines Sozialversicherungsausweises verpflichtet war, spätestens am Tag der Beschäftigungsaufnahme unverzüglich eine Meldung
zu erstatten. Die Verpflichtung zur Mitführung und Vorlage eines Sozialversicherungsausweises traf nach §
99 Abs.
2 Satz 1
SGB IV zunächst bei Ausübung einer Beschäftigung im Baugewerbe, im Schaustellergewerbe und im Gebäudereinigungsgewerbe. Aufgrund
von Art. 12 Nr. 3 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944) wurde sie mit Wirkung zum 27. Juni 1993 auf Beschäftigungen im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe ausgedehnt. §
18h Abs.
6 Satz 1 Nr.
2 SGB IV in der Fassung von Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes zur Änderung des
SGB IV und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3024) übernahm sie mit Wirkung vom 1. Januar 2008 unter erstmaliger Verwendung der Begriffe "Wirtschaftsbereiche oder Wirtschaftszweige".
Zwar war die Verpflichtung zur Sofortmeldung nach §
103 SGB IV durch Art. 3 Nr. 12 des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 23. Juli 2002 (BGBl.
I. S. 2787) mit Wirkung zum 1. August 2002 aufgehoben worden. Aufgrund des zeitgleich in Kraft getretenen §
28a Abs.
3a SGB IV hatte der Arbeitgeber jedoch der Einzugsstelle unverzüglich am Tag des Beschäftigungsbeginns eine Meldung zu erstatten, wenn
der Beschäftigte zu diesem Zeitpunkt den Sozialversicherungsausweis nicht vorgelegt hatte. Zudem blieb die Verletzung der
Verpflichtung zur Vorlage eines Sozialversicherungsausweises gemäß §
99 Abs.
2 Satz 1
SGB IV bzw. §
18h Abs.
6 SGB IV im Bereich des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes nach §
111 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 bzw. Nr. 1d als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt.
Mit dem Inkrafttreten des §
28a Abs.
4 SGB IV zum 1. Januar 2009 wurde die Verpflichtung zur Mitführung eines Sozialversicherungsausweises nach §
18h Abs.
SGB IV aufgehoben (Art. 1 Nr. 2 Buchst. b) 2.
SGB IV-ÄndG). Dessen bedurfte es indessen auch nicht mehr, weil die im Wirtschaftsbereich bzw. Wirtschaftszweig des Gaststätten-
und Beherbergungsgewerbes tätigen Personen bei der Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen fortan verpflichtet waren, ihren
Personalausweis, Pass, Passersatz oder Ausweisersatz bei sich zu führen und auf Verlangen vorzuzeigen (§ 2a Abs. 1 Nr. 2 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz in der Fassung durch Art. 2 Nr. 3 2.
SGB IV-ÄndG). Mit der Wiedereinführung der Sofortmeldepflicht wurde deren Verletzung zugleich nach §
111 Abs.
1 Satz 1 Nr.
4 SGB IV (aktuell: §
111 Abs.
1 Satz Nr.
2 Buchst. b)
SGB IV) als Ordnungswidrigkeit bußgeldpflichtig.
b) Aufgrund dieser Regelungssystematik besteht ein berechtigtes Interesse der Arbeitgeber, ihre Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit
zu einer der Wirtschaftsbereiche oder Wirtschaftszweige, die zur Sofortmeldung nach §
28a Abs.
4 SGB IV verpflichtet sind, verbindlich, d.h. durch Verwaltungsakt festzustellen zu lassen <aa)>. Einen entsprechenden Antrag hat
die Klägerin hier gestellt <bb)>.
aa) Dass ein Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an einer rechtsverbindlichen Entscheidung über die Versicherungs- und
Beitragspflicht sowie daraus folgende Meldepflichten haben kann, erkennt der Gesetzgeber etwa durch die mit dem Gesetz zur
Förderung der Selbstständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl. I 2000, S. 2) in Gestalt der mit Wirkung zum 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Regelung zum optionalen Statusfeststellungsverfahren (§
7a Abs.
1 Satz 1
SGB IV) an. Durch das hiermit geschaffene Instrument der sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung im Rahmen des sog. "Clearingverfahrens"
wird einem an einem konkreten Auftragsverhältnis Beteiligten, mithin auch einem Auftraggeber (bzw. Arbeitgeber), eine rechtsverbindliche
Feststellung ermöglicht, ob ein Auftragnehmer im Rahmen einer konkreten Auftragsbeziehung der Versicherungspflicht in den
dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§
28d SGB IV) unterfallenden Zweigen der Sozialversicherung unterliegt. Gleichzeitig wird damit geklärt, ob der Auftraggeber - dann in
seiner Eigenschaft als Arbeitgeber - die nach §
28a SGB IV anfallenden Meldungen zu erstatten hat. Die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund ergeht, wie sich aus §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV ergibt, in der Form des Verwaltungsaktes nach § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Mit derselben Zielsetzung und entsprechenden Rechtsfolgen können die Arbeitgeber, sofern keine vorrangige Zuständigkeit der
Deutschen Rentenversicherung Bund besteht, auch eine ebenfalls in der Form des Verwaltungsakts nach § 31 Satz 1 SGB X ergehende Entscheidung der Einzugsstelle nach §
28h Abs.
2 Satz 1
SGB IV beantragen (vgl. hierzu näher Pietrek in jurisPK-
SGB IV, 3. Aufl. 2016, §
28h Rn. 77 m.w.N.).
Das berechtigte Interesse eines Arbeitgebers an einer rechtsverbindlichen Feststellung melderechtlicher Sachverhalte kommt
seit dem 1. Januar 2017 überdies in § 7 Abs. 4 Satz 2 Beitragsverfahrensverordnung (BVV) in der Fassung durch Art. 17 Nr. 2 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 11. November 2016 (BGBl. I S. 2500) - im Folgenden: 6.
SGB IV-ÄndG - zum Ausdruck. Danach soll der Arbeitgeber im Rahmen einer Betriebsprüfung durch den Prüfbescheid oder das Abschlussgespräch
zur Prüfung Hinweise zu den beanstandeten Sachverhalten erhalten, um in den weiteren Verfahren fehlerhafte Angaben zu vermeiden.
Diese Bestimmung bezieht sich auf Betriebsprüfungen gemäß § 28p Abs. 1
SGB IV, in denen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern prüfen, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen
Pflichten nach dem SGB, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, insbesondere
die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§
28a SGB IV). Der Arbeitgeber soll damit ersichtlich auch hinsichtlich der Erfüllung seiner Meldepflichten (unter Einschluss der Sofortmeldung
nach §
28a Abs.
4 SGB IV) Kenntnis erlangen. Ziel der Regelung des §
7 Abs.
4 Satz 2
SGB IV ist es nach der Begründung des Entwurfs zum 6.
SGB IV-ÄndG, durch Hinweise an den Arbeitgeber die Zahl der fehlerhaften Einschätzungen von Sachverhalten in der Sozialversicherung
weiter zu verringern (BT-Drucks. 18/8487, S. 62). Dementsprechend ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Vorschrift des § 28p Abs.
2 Satz 5
SGB IV u.a. im Einklang mit § 7 Abs. 4 Satz 2 BVV dahingehend auszulegen, dass auch bei beanstandungsfreiem Abschluss einer Betriebsprüfung das Verfahren mit einer rechtswirksamen
Feststellung zum (Nicht-)Bestehen von Versicherungs- oder Beitragspflicht in den stichprobenweise geprüften Auftragsverhältnissen
und zum Ergebnis der übrigen geprüften Sachverhalte (unter ihnen die Meldesachverhalte nach §
28a SGB IV) abzuschließen ist (BSG, Urteil vom 19. September 2019 - B 12 R 25/18 R - BSGE 129, 95 ff. - Rn. 33). Eine derartige rechtswirksame Feststellung erfolgt nach § 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV in der Form des Verwaltungsaktes.
Aus den genannten Bestimmungen und der zu ihnen ergangenen Rechtsprechung lässt sich zumindest im Wege der Gesamtanalogie
(vgl. zu deren Voraussetzungen BSG, Urteil vom 23. Juli 2014 - B 12 P 1/12 R - SozR 4-2500 § 251 Nr. 2 - Rn. 21 m.w.N.) das Recht des Arbeitgebers herleiten, eine verbindliche Entscheidung zu der Frage
herbeizuführen, ob bzw. inwieweit er hinsichtlich der von ihm beschäftigten Personen der Sofortmeldepflicht nach §
28a Abs.
4 SGB IV unterliegt. Nur auf diese Weise lässt sich nämlich verhindern, dass ein um eine rechtssichere Klärung bemühter und damit
redlich agierender Arbeitgeber in einer späteren, gemäß § 28p Abs. 1 Satz 1
SGB IV jedoch regelmäßig nur alle vier Jahre durchzuführenden Betriebsprüfung etwaigen Beanstandungen ausgesetzt oder gar wegen
einer Ordnungswidrigkeit gemäß §
111 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 Buchst. b)
SGB IV belangt wird. Dieses Klärungsbedürfnis wird im vorliegenden Fall nicht zuletzt dadurch offenbar, dass seitens des HZA C ein
entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen der Klägerin eingeleitet worden ist.
Die für eine Gesamtanalogie erforderliche Regelungslücke besteht dabei darin, dass ein Verfahren zur Klärung der Sofortmeldepflicht
nach §
28a Abs.
4 SGB IV nicht ausdrücklich vorgesehen ist, jedoch seitens der betroffenen Arbeitgeber ein vergleichbarer Klärungsbedarf wie bei anderen
versicherungs-, beitrags- und melderechtlichen Sachverhalten besteht. Diese Lücke lässt sich dadurch schließen, dass man dem
Arbeitgeber das Recht zubilligt, entsprechend den in §§ 28h Abs.
2,
28p Abs.
1 Satz 5, 7a
SGB IV geregelten Verfahren eine verbindliche Klärung herbeiführen zu lassen.
Diesem Klärungsinteresse entspricht spiegelbildlich die Befugnis, die beantragte rechtsverbindliche Entscheidung durch Verwaltungsakt
zu treffen. Auch wenn §
28a SGB IV keine ausdrückliche entsprechende Regelung enthält, lässt sich das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Herbeiführung
einer verbindlichen Klärung nicht anders befriedigen.
bb) Einen dahingehenden Antrag hat die Klägerin am 12. August 2016 ausdrücklich bei der Beklagten gestellt. Bis zum Zeitpunkt
der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie ihn nicht zurückgenommen.
c) Nach dem Gesamtzusammenhang der für die Entgegennahme von Meldungen und die Überprüfung ihrer Richtigkeit bestehenden Zuständigkeit
ist die Beklagte als Einzugsstelle für die verbindliche Entscheidung über das Bestehen der Sofortmeldepflicht zuständig.
aa) Dem Regelungszusammenhang des Dritten Abschnitts des
SGB IV nach besteht eine Zuständigkeit der Einzugsstelle zur Klärung aller mit den Meldepflichten des Arbeitgebers und der Entrichtung
des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zusammenhängenden Fragen, wenn nicht ausdrücklich eine abweichende Zuständigkeitsregelung
getroffen ist. An die Einzugsstelle ist der Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen (§
28h Abs.
1 Satz 1
SGB IV). Sie hat nicht rechtzeitig erfüllte Beitragsansprüche geltend zu machen (§
28h Abs.
1 Satz 3
SGB IV). Vor allem aber besitzt sie die grundsätzliche Zuständigkeit für die Entscheidung über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe
(§
28h Abs.
2 Satz 1
SGB IV).
Aufgrund dieser umfassenden Aufgabenzuweisung obliegen der Einzugsstelle gegenüber dem in Dienst genommenen Arbeitgeber zugleich
Fürsorgepflichten (etwa Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 27. September 1983 - 12 RK 10/82 -, SozR 5375 § 2 Nr. 1, BSGE 55, 297). Sie hat den Arbeitgeber zu beraten, zu unterstützen und nach Möglichkeit vor Schaden zu bewahren (BSG, Urteil vom 27. September 1983 - 12 RK 10/82 -, SozR 5375 § 2 Nr. 1, BSGE 55, 297 m.w.N.). Insbesondere hat die Einzugsstelle durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass der Arbeitgeber seine Verpflichtungen
sachgerecht erfüllen kann (BSG, Urteil vom 18. November 1980 - 12 RK 59/79 -, SozR 2200 § 1399 Nr. 13, BSGE 51, 31; vgl. zur Fürsorgepflicht der Einzugsstelle auch Roßbach, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann <Hrsg.>, Kommentar zum Sozialrecht,
6. Aufl. 2019, § 28h Rn. 40 m.w.N.; Kreikebohm, in: Kreikebohm <Hrsg.>, Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die
Sozialversicherung -, 3. Aufl. 2018, § 28h Rn. 3 ).
Nach allem besteht eine umfassende Zuständigkeit der Einzugsstelle für Fragen der Versicherungs-, Beitrags- und Meldepflicht,
die nur für die Dauer der Betriebsprüfung (§ 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV) bzw. im Falle eines Statusfeststellungsantrags nach §
7a Abs.
1 Satz 3
SGB IV zugunsten der jeweils genannten Rentenversicherungsträger suspendiert ist.
bb) Es ist nicht erkennbar, dass im vorliegenden Fall eine in diesem Sinne verdrängende Sonderzuständigkeit zugunsten eines
Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung besteht.
(1) Ein Fall der Betriebsprüfung (§ 28p Abs.
1 Satz 5
SGB IV) oder ein Statusfeststellungsverfahren (§
7a Abs.
1 Satz 3
SGB IV) liegt ersichtlich nicht vor.
(2) Eine Sonderzuweisung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Sofortmeldung nach §
28a Abs.
4 Satz 1 und
2 SGB IV an die Datenstelle der Rentenversicherung zu erfolgen hat. Soweit diese Datenstelle danach Empfängerin der Sofortmeldung
ist, korrespondieren deren Verpflichtung zur Entgegennahme der Meldungen und ihrer Speicherung in der Stammsatzdatei gemäß
§
28a Abs.
4 Satz 3
SGB IV i.V.m. §
150 Abs.
1 und
2 SGB VI nämlich keine eigenständigen Entscheidungsbefugnisse eines Rentenversicherungsträgers. Die von der Deutschen Rentenversicherung
Bund verwaltete (§
147 SGB VI) verwaltete Datenstelle speichert die Daten lediglich zu Prüfzwecken im Rahmen der Bekämpfung der Schwarzarbeit und ggf.
für Regressansprüche der Sozialversicherungsträger wegen Schwarzarbeit (BT-Drs. 16/10488, s. 15). Den gesetzlichen Vorschriften
und Gesetzesmaterialien ist jedoch nicht zu entnehmen, dass der Deutschen Rentenversicherung Bund als bloßer Verwalterin der
Stammsatzdatei weitergehende Entscheidungsbefugnisse zufielen. Nichts anderes gilt für die in § 7 Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung enthaltene Bestimmung, wonach der Tag des Beginns eines Beschäftigungsverhältnisses in den in §
28a Abs.
4 SGB IV genannten Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen spätestens bei Beschäftigungsaufnahme an die Datenstelle der Rentenversicherung
zu melden ist.
2. Der Bescheid vom 28. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2017 ist auch in materiell-rechtlicher
Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat in der Sache zu Recht festgestellt, dass die Klägerin der Sofortmeldepflicht
nach §
28a Abs.
4 SGB IV unterliegt.
a) Nach §
28 Abs.
4 Satz 1 Nr.
2 SGB IV haben Arbeitgeber eine Sofortmeldung vorzunehmen, sofern sie u.a. Personen in "Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen
des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes" beschäftigen. Dieser Begriff deckt in grammatischer Hinsicht das Verständnis,
wonach auch das Eventcatering und die Erbringung von Menütransportdiensten von der Sofortmeldepflicht umfasst sind. Der Begriff
zwingt entgegen der Auffassung der Klägerin seinem Wortsinn nach zu einem auf einen Betrieb im stehenden Gaststättengewerbe
im Sinne des § 1 GastG eingeengtes Normverständnis. Vielmehr ist die grammatische Fassung der Vorschrift weiter gefasst, in dem sie an "Wirtschaftsbereiche
oder Wirtschaftszweige" des Gaststättengewerbes anknüpft. Diese Normfassung lässt aus Sicht des Senats ein Verständnis zu,
wonach über stehende Bewirtungsstätten im Sinne des § 1 GastG hinaus auch die Wirtschaftsbereiche des Eventcaterings und Menütransportdienstes als sonstige Betriebsarten des Gastronomiegewerbes
in den Anwendungsbereich der Norm einzubeziehen sind (so auch Roßbach, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum
Sozialrecht, 6. Aufl. 2019,
SGB IV, §
28a Rn. 27; Pietrek, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB IV, 2016, §
28a, Rn. 132; Stäbler, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 107. Ergänzungslieferung, Juli 2020, §
28a Rn. 27).
b) Es begegnet nach Überzeugung des Senats auch keinen Bedenken, bei der Bezugnahme in §
28a Abs.
4 Satz 1
SGB IV auf "Wirtschaftsbereiche oder Wirtschaftszweige" systematisch auf die von dem Statistischen Bundesamt herausgegebene "Klassifikation
der Wirtschaftszweige", Stand 2008 (WZ 2008), abzustellen.
Hiernach gehören zum Gastgewerbe (WZ 2008, Abschnitt I) neben der Beherbergung nach näherer Maßgabe des Kode 55 auch die Gastronomie
(WZ 2008 Kode 56). Letztere umfasst neben Restaurants, Gaststätten, Imbissstuben, Cafés, Eissalon u.ä. (WZ 2008, Kode 56.1),
dem "Ausschank von Getränken" (WZ 2008, Kode 56.3) auch Caterer und die Erbringung sonstiger Verpflegungsdienstleistungen
(WZ 2008, Kode 56.2). Diese Gruppe umfasst Cateringleistungen für Einzelveranstaltungen oder einen bestimmten Zeitraum sowie
Bewirtungsleistungen auf Lizenzbasis. Nach den ergänzenden Erläuterungen werden die Speisen meist in einer Produktionsstätte
zubereitet. Die von dem Statistischen Bundesamt gebildete Unterklasse "Event-Caterer" umfasst vertraglich vereinbarte Verpflegungsdienstleistungen
zu bestimmten Anlässen an einem vom Kunden angegebenen Ort (WZ 2008, Kode 56.21.0). Die Unterklasse 56.29.0 ("Erbringung sonstiger
Verpflegungsdienstleistungen") umfasst neben vertraglich vereinbarten Verpflegungsdienstleistungen für eine bestimmte Zeitdauer
(z.B. für Verkehrsunternehmen), Bewirtungsleistungen auf Lizenzbasis in Sport- und ähnlichen Anlagen auch der Betrieb von
Kantinen (z.B. in Fabriken, Bürogebäuden, Krankenhäusern, Universitäten oder Schulen) auf Lizenzbasis. Hiernach ist die Klägerin
sowohl aufgrund ihres gesellschaftsvertraglich bestimmten Unternehmenszwecks als auch nach ihrer nach außen verlautbarten
Geschäftstätigkeit als sofortmeldepflichtiges Unternehmen im Sinne des §
28a Abs.
4 Satz 1 Nr.
2 SGB IV anzusehen. Gegenstand des Unternehmens ist nämlich die Herstellung und der Vertrieb von Mahlzeiten und die Dienstleistung
des Caterings gegenüber anderen Unternehmen (§ 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages). Dem entspricht auch die Beschreibung
ihrer tatsächlichen Geschäftstätigkeit, wonach sie im Geschäftsbereich Business Catering Kunden bei der Planung und/oder dem
Betrieb eines Betriebsrestaurants unterstützt sowie im Bereich des Event-Caterings für ihre Kunden Veranstaltungen durchführt.
c) Für die Norminterpretation des Senats sprechen überdies teleologische Erwägungen. Die Sofortmeldepflicht nach §
28a Abs.
4 SGB IV dient der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung. Die Verpflichtung zur Sofortmeldung erfasst solche Wirtschaftsbereiche,
in denen ein erhöhtes Risiko für Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung besteht (BT-Drucks. 16/10488, S. 15). Dieses Regelungsziel
erfordert es, die in §
28a Abs.
4 Satz 1 Nr.
1 bis 9
SGB IV genannten Wirtschaftsbereiche weit auszulegen (Pietrek, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB IV, 3. Aufl. 2016, §
28a Rn. 130). Maßgebend für die Einbeziehung bestimmter Wirtschaftsbranchen und -bereiche ist demnach, ob nach der typisierenden
Vorstellung des Gesetzgebers ein erhöhtes Risiko für Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung besteht. Zur Überzeugung des
Senats verbietet dieser Regelungszweck als Teil der Maßnahmen zur wirkungsvollen Verfolgung von Schwarzarbeit und illegaler
Beschäftigung eine Begrenzung des Anwendungsbereichs der Verpflichtung zur Sofortmeldung auf das stehende Gaststättengewerbe
im Sinne des § 1 GastG. Ein erhöhtes Risiko illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit ist nämlich nicht etwa auf herkömmliche Betriebe des stehenden
Gaststättengewerbes beschränkt. Eine branchenspezifisch erhöhte Risikoneigung für illegale Beschäftigungen besteht vielmehr
auch bei Gastronomiedienstleistungen, in denen die Verpflegungsdienstleistung in einer räumlichen Trennung zur Betriebsstätte,
wie etwa im Bereich der Eventgastronomie und der Menütransportdienste, erbracht wird. Nach Überzeugung des Senats ist das
Ziel des Gesetzgebers, Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung in risikogeneigten Wirtschaftsbranchen effizient zu bekämpfen,
nur durch eine Einbeziehung dieser dezentral erbrachten Verpflegungsdienstleistung sichergestellt.
d) Die Klägerin kann sich zur Begründung ihrer Rechtsansicht auch nicht auf die Entscheidung des BAG vom 9. April 2008 - 4 AZR 164/07 - berufen. In dieser Entscheidung hat das BAG festgestellt, dass unter den fachlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages
für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Niedersachsen vom 28. Juni 2000 (MTV Gaststättengewerbe) nur Betriebe des Gaststättengewerbes im Sinne des § 1 Abs. 1 GastG, nicht aber Catering- oder Verpflegungsbetriebe fallen. Diese Entscheidung ist vor dem Hintergrund des § 1 Nr. 2 MTV Gaststättengewerbe ergangen. Diese tarifliche Bestimmung weicht jedoch von dem weiter gefassten §
28a Abs.
4 Satz 1 Nr.
2 SGB IV wesentlich ab.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Frage, ob eine Einzugsstelle auf Antrag eines Arbeitgebers
zu einer rechtsverbindlichen Feststellung einer Sofortmeldepflicht befugt ist, genießt grundsätzliche Bedeutung.