Tatbestand
Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht (SG) Münster unter dem Aktenzeichen (Az.) S 3 U 34/15 geführten Verfahrens.
Der Kläger erhob am 5. Februar 2015 Klage vor dem SG Münster gegen die Berufsgenossenschaft O wegen Wohnungshilfe i.H.v. (weiteren)
10.083 €. Das Verfahren wurde erstinstanzlich durch klageabweisendes Urteil vom 15. Mai 2017 beendet. Hiergegen legte der
Kläger Berufung vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) ein (Az. L 4 U 467/17), die am 21. August 2018 im Rahmen eines Güterichterverfahrens (Az. L 4 SF 43/18 GR) in einer vergleichsweisen Einigung mündete. Das Verfahren stellt sich chronologisch wie folgt dar:
Datum
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Beteiligter
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Aktivität
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9. Februar 2015
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Kläger
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Klage
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10. Februar 2015
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SG
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Eingangsverfügung
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23. Februar 2015
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Beklagte
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Mitteilung Beklagte über Gewähr Akteneinsicht an Kläger-Bevollmächtigten
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23. Februar 2015
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Kläger
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Übersendung Vollmacht Kläger-Bevollmächtigter
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24. Februar 2015
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SG
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Weiterleitung an Beklagte zur Kenntnis
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11. März 2015
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Beklagte
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Übersendung Verwaltungsakte
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2. April 2015
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Kläger
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Klagebegründung
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7. April 2015
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SG
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Übersendung an Beklagte zur Stellungnahme
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29. April 2015
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Beklagte
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Klageerwiderung
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30. April 2015
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SG
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Weiterleitung an Kläger-Bevollmächtigten zur Kenntnis
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11. Mai 2015
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SG
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"WV mit Parallelverfahren"
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22. Mai 2015
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SG
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"WV mit S 3 U 328/13, 114/13, 430/13"
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24. Februar 2016
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Kläger
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Sachstandsanfrage
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25. Februar 2016
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SG
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Mitteilung an Kläger-Bevollmächtigten
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11. Mai 2016
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Kläger
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Bitte um Terminierung
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13. Mai 2016
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SG
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Weiterleitung an Beklagte zur Kenntnis und Verfügung "zur Sitzung"
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3. Februar 2017
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Kläger
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Verzögerungsrüge
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6. Februar 2017
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SG
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Mitteilung neues Az. an Beteiligte (S 3 U 34/15) (anstatt S 19 U 34/15)
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24. März 2017
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SG
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Ladung zum Verhandlungstermin am 15. Mai 2017
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15. Mai 2017
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SG
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Verhandlungstermin (Urteil: Klageabweisung)
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18. Mai 2017
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SG
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Urteil zur Geschäftsstelle
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22. Mai 2017
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SG
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Zustellung Urteil an Beteiligte
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22. Juni 2017
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Kläger
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Berufung (LSG NRW ,Az. L 4 U 467/17)
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23. Juni 2017
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LSG
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Eingangsmitteilung/ Bestimmung des Berichterstatters
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5. Juli 2017
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LSG
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Eingangsverfügung
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14. Juli 2017
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Beklagte
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Berufungserwiderung
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19. Juli 2017
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LSG
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Weiterleitung an Kläger-Bevollmächtigten zur Kenntnis
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28. Juli 7.2017
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Kläger
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Berufungsbegründung
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31. Juli 2017
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LSG
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Weiterleitung an Beklagte zur Stellungnahme
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15. August 2017
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Beklagte
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Stellungnahme
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18. August 2017
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LSG
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Weiterleitung an Kläger-Bevollmächtigten zur Stellungnahme; Anforderung Vorprozessakte bei SG
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30. August 2017
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Beklagte
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Stellungnahme
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30. August 2017
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LSG
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Weiterleitung an Kläger-Bevollmächtigten zur Stellungnahme
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22. September 2017
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LSG
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Erinnerung Kläger-Bevollmächtigten
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16. Oktober 2017
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Kläger
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Stellungnahme
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16. Oktober 2017
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LSG
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Weiterleitung an Beklagte zur Stellungnahme
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30. Oktober 2017
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Beklagte
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Stellungnahme
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30. Oktober 2017
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LSG
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Weiterleitung an Kläger-Bevollmächtigten zur Stellungnahme
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13. Dezember 2017
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LSG
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Kläger-Bevollmächtigter erinnert
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15. Dezember 2017
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LSG
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Anfrage Güterrichterverfahren
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4. Januar 2018
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Beklagte
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Stellungnahme
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10. Januar 2018
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LSG
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Weiterleitung an Kläger-Bevollmächtigten zur Stellungnahme
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18. Januar 2018
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Kläger
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Stellungnahme
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19. Januar 2018
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LSG
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Weiterleitung an Beklagte zur Kenntnis
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2. Februar 2018
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LSG
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Übermittlung Gerichtsakte an 4. Senat auf Anfrage
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14. Februar 2018
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LSG
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Rücklauf Gerichtsakte
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16. Februar 2018
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LSG
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Erinnerung Kläger-Bevollmächtigter
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26. Februar 2018
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Kläger
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Stellungnahme
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27. Februar 2018
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LSG
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Weiterleitung an Beklagte zur Kenntnis
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27. Februar 2018
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LSG
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Beschluss Güterrichterverhandlung (zugestellt am 2. März 2018)
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6. Juli 2018
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LSG
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Mitteilung Az. Güterichterverfahren (LSG NRW, Az. L 4 SF 43/18 GR)
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16. Juli 2018
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LSG
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Ladung Güterrichtertermin
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19. Juli 2018
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Kläger
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Sachstandsmitteilung
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19. Juli 2018
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LSG
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Mitteilung zeitnaher Terminierung
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21. August 2018
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LSG
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Güterichtertermin (Erledigung des Rechtsstreits durch vergleichsweise Einigung)
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Parallel zu diesem Verfahren waren drei weitere Gerichtsverfahren des Klägers gegen die beklagte Berufsgenossenschaft vor
dem SG anhängig (Az. S 3 U 328/13 <Kostenerstattung für die Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe>, S 3 U 114/13 <Wohnungsbeihilfe für eine Sonnenschutzanlage>, S 3 U 430/14 <Fortbewilligung Haushaltshilfe>).
Nach erhobener Verzögerungsrüge vom 3. Februar 2017 hat der Kläger am 8. November 2018 Entschädigungsklage erhoben und sich
auf eine überlange Verfahrensdauer des erstinstanzlich vor dem SG Münster geführten Verfahrens (Az. S 3 U 34/15) berufen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer sei in Anbetracht gerichtlicher Inaktivität vom 27. April 2015 bis 22. Februar
2016 und 13. Mai 2016 bis 27. März 2017 überschritten.
Der Kläger beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, dem Kläger Entschädigung in Höhe von 1.200,00 € wegen unangemessener langer Dauer des Gerichtsverfahrens
S 3 U 34/15 SG Münster zuzüglich Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
zahlen.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es vertritt die Ansicht, dass ein entschädigungsrelevanter Zeitraum nicht gegeben sei. Allenfalls seien in den Zeiträumen
vom 1. Juli 2015 bis 31. Januar 2016 und 1. Juni 2016 bis 28. Februar 2017 inaktive Zeiten vorzufinden, die wegen der pro
Instanz gegebenen Karenzzeit von je 12 Monaten aufgewogen würden. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der Kläger mehrere Verfahren
parallel betrieben habe, die seitens des SG aufeinander abgestimmt bearbeitet worden seien. Auch habe im Verfahren ein Wechsel im Kammervorsitz stattgefunden, der eine
erhöhte Einarbeitungszeit rechtfertige.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die Akte des Ausgangsverfahrens
S 3 U 34/15 (LSG NRW, Az. L 4 U 467/17, L 4 SF 43/18 GR) und die beigezogene Gerichtsakte des LSG NRW zu dem Az. L 11 SF 404/17 EK U (Entschädigungsklage betreffend S 3 U 430/14 SG Münster) verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen
sind.
Entscheidungsgründe
Für die auf die Zahlung einer angemessenen Entschädigung gerichtete Klage wegen überlanger Dauer des vor dem SG Münster unter
dem Az. S (19) 3 U 34/15 geführten Verfahrens (I.) ist das LSG NRW zuständig (hierzu II.). Die Klage ist zulässig (hierzu III.) und teilweise begründet
(hierzu IV.).
I. Streitgegenstand der Entschädigungsklage ist der vom Kläger ausschließlich geltend gemachte Anspruch auf Geldentschädigung
i.H.v. 1.2000 € wegen überlanger Dauer des vor dem SG Münster unter dem Az. S (19) 3 U 34/15 geführten (erstinstanzlichen) Klageverfahrens. Potentiell entschädigungspflichtig ist zwar gemäß §
198 Abs
6 Nr.
1 GVG der gesamte Zeitraum eines Gerichtsverfahrens von dessen Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Die vom Kläger im
Rahmen seiner Dispositionsbefugnis (vgl. §
123 SGG) vorgenommene Begrenzung der Entschädigungsklage auf den Ausgleich des ihm infolge der unangemessenen Dauer des Klageverfahrens
entstandenen Nachteils ist prozessrechtlich jedoch zulässig. Die Beschränkung auf einen Verfahrenszug - hier des Klageverfahrens
- stellt einen abtrennbaren Teil des Entschädigungsanspruchs wegen unangemessener Dauer eines über mehrere Instanzen geführten
Gerichtsverfahrens dar (vgl. BSG, Urteil vom 27. März 2020 - B 10 ÜG 4/19 R -, SozR 4-1720 § 198 Nr 19, Rn. 11).
II. Für die Entscheidung über die Klage ist das LSG NRW erstinstanzlich zuständig. Nach §
200 Satz 1
GVG haftet das Land für Nachteile, die auf Grund von Verzögerungen bei Gerichten des Landes eingetreten sind. Für Klagen auf
Entschädigung gegen das Land ist nach §
201 Abs.
1 Satz 1
GVG das Oberlandesgericht (OLG) zuständig, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Für sozialgerichtliche
Verfahren ergänzt §
202 Satz 2
SGG diese Regelung dahin, dass die Vorschriften des 17. Titels des
GVG (§§
198 bis
201 GVG) u.a. mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden sind, dass an die Stelle des OLG das LSG und an die Stelle der
Zivilprozessordnung (
ZPO) das
SGG tritt. Hieraus folgt die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts, weil das der Entschädigungsklage zugrunde liegende Ausgangsverfahren
im Bezirk des LSG Nordrhein-Westfalen (§ 20 Abs. 1 Justizgesetz NRW) geführt wurde.
III. Die auf die Zahlung einer angemessenen Entschädigung gerichtete Klage ist zulässig.
1. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach §
54 Abs.
5 SGG statthaft (hierzu BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 - B 10 ÜG 11/13 R - BSGE 118, 102 ff. - juris-Rn. 15; BSG, Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 12/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr. 4 - juris-Rn. 20; jeweils m.w.N.). Eine vorherige
Verwaltungsentscheidung ist gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. §
198 Abs.
5 GVG); einer vorherigen außergerichtlichen Geltendmachung bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 - B 10 ÜG 1/13 -, juris, Rn. 19).
2. Der Kläger hat die Wartefrist nach §
198 Abs.
5 Satz 1
GVG eingehalten. Hiernach kann die Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach §
198 Abs.
1 GVG frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden (zur Wartefrist als Sachurteilsvoraussetzung: BSG, Urteil vom 5. Mai 2015 - B 10 ÜG 8/14 R - SozR 4-1710 Art. 23 Nr. 4 - juris-Rn. 17). Die Verzögerungsrüge (§
198 Abs.
3 Satz 1
GVG) hat der Kläger am 3. Februar 2017 wirksam (vgl. §
198 Abs.
3 Satz 2
GVG) erhoben. Bezogen hierauf hat er die Klage nach Ablauf der Wartefrist erhoben (vgl. §
94 Satz 2
SGG). Er hat die Klage am 8. November 2018 beim Entschädigungsgericht anhängig gemacht, die Zustellung an den Beklagten erfolgte
am 2. April 2019.
3. Die Klagefrist nach §
198 Abs.
5 Satz 2
GVG ist gewahrt. Hiernach muss die Klage spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren
beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Das Ausgangsverfahren endete durch Prozessvergleich
am 21. August 2018. Die Klagefrist endete damit am 21. Februar 2019 (§
90, §
64 SGG). Die Entschädigungsklage ist am 8. November 2018, vor Fristablauf, beim LSG NRW anhängig geworden. Zwar ist die Klage gemäß
94 Satz 2
SGG erst mit der Zustellung an den Beklagten am 2. April 2019 und damit nach Ablauf der Klagefrist rechtshängig geworden. Dies
ist jedoch nach §
202 Satz 1
SGG i.V.m. §
167 ZPO unschädlich. §
167 ZPO bestimmt (u.a.) für den Fall, dass durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, dass diese Wirkung bereits mit Eingang
des Antrags oder der Erklärung eintritt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Diese Bestimmung ist auf die Klagefrist des
§
198 Abs.
5 S. 2
GVG anwendbar (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. September 2019 - OVG 3 A 10.18 -,juris, Rn. 21 ff.). Ob eine Zustellung "demnächst" im Sinne von §
167 ZPO erfolgt ist, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Danach soll der Beteiligte bei der Zustellung von Amts
wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden. Dagegen
sind dem Beteiligten die Verzögerungen zuzurechnen, die er oder sein Prozessbevollmächtigter (§
85 Abs.
2 ZPO) bei gewissenhafter Prozessführung hätten vermeiden können. Eine Zustellung "demnächst" liegt daher vor, wenn der Beteiligte
oder sein Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung
getan haben. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr "demnächst" erfolgt, wenn der Beteiligte, dem die Fristwahrung obliegt,
oder sein Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges - auch leicht fahrlässiges - Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen
Zustellungsverzögerung beigetragen haben. In diesem Rahmen ist allgemein anerkannt, dass der Kläger den Gerichtskostenvorschuss
nach §§ 12a, 12 Abs. 1 GKG nicht von sich aus mit der Klage einzuzahlen braucht, sondern die Anforderung durch das Gericht abwarten darf (vgl. BGH,
Beschluss vom 29. März 2018 - III ZB 135/17 - NJW-RR 2018, 763 - juris Rn. 16; Urteil vom 3. September 2015 - III ZR 66/14 - NJW 2015, 3101 - juris Rn. 9). Nach diesen Maßstäben ist die Zustellung der Klage an den Beklagten noch "demnächst" erfolgt. Die Gerichtskostenrechnung,
die der Kläger abwarten durfte, ist unter dem 9. Januar 2019 ergangen. Nachdem der Klägerbevollmächtigte und das LSG NRW bezüglich
überzahlter Gerichtskosten in einem Parallelverfahren und deren Verrechnung mit den Gerichtskosten des hiesigen Verfahrens
zuletzt mit Schriftsatz des LSG NRW vom 6. März 2019 korrespondiert hatten, erfolgte die Gutschrift der Gerichtskosten am
19. März 2019, dreizehn Tage nach Klärung der strittigen Zahlungsmodalitäten. Damit lag eine dem Kläger zuzurechnende Verzögerung
jedenfalls im Bereich der Geringfügigkeit.
4. Die zwingenden Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß §
92 Abs.
1 Satz 1
SGG sind erfüllt, da die Klage die Beteiligten und den Gegenstand, nämlich eine Entschädigungsforderung von 1.200 € im Ausgangsverfahren,
präzise benennt. Die weiteren zur Begründung dienenden Tatsachen, die auf eine Darlegung der Verzögerungen im Gerichtsverfahren
gerichtet sein sollten, sind ebenfalls angegeben (vgl. zu den Zulässigkeitsanforderungen an eine Klage zuletzt BSG, Urteil vom 13.Dezember 2018 - B 10 ÜG 4/16 R - SozR 4-1500 § 92 Nr. 5 - juris-Rn. 11f.).
IV. Die Klage ist nur insoweit begründet, als ein Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils in Höhe von 100 €
nebst Zinsen geltend gemacht wird. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Das beklagte Land ist für die Entschädigungsklage nach §
200 Satz 1
GVG passiv legitimiert, weil es danach für Nachteile haftet, die aufgrund von unangemessener Verfahrensdauer bei seinen Gerichten
entstehen.
2. Der Entschädigungskläger, der als Kläger des Ausgangsverfahrens i.S.d. §
198 Abs.
1 Satz 1
GVG Verfahrensbeteiligter war, hat infolge unangemessener Dauer des Ausgangsverfahrens einen Nachteil erlitten.
Nach §
198 Abs.
1 Satz 1
GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil
erleidet. Der durch eine unangemessene Verfahrensdauer eingetretene immaterielle Nachteil ist nach Maßgabe des §
198 Abs.
2 Satz 1 i.V.m. Satz 3
GVG mit 1.200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Dauer des vom Kläger in Bezug genommenen Gerichtsverfahrens vor dem SG Münster
war unangemessen <a)>. Hierdurch hat er einen immateriellen Nachteil erlitten, der nicht auf andere Weise wiedergutgemacht
werden kann und in Höhe von 100 € <b)> nebst Zinsen <c)> zu entschädigen ist.
a) Die Dauer des Klageverfahrens vor dem SG Münster war bei der gebotenen Gesamtabwägung in einem Umfang von einem Monat unangemessen
im Sinne von §
198 Abs.
1 Satz 1
GVG.
aa) Ausgangspunkt und erster Schritt der Angemessenheitsprüfung bildet die Bestimmung der in §
198 Abs.
6 Nr.
1 GVG definierten Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens (zur Prüfungssystematik vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/13 R - BSGE 117, 21 ff.).
(1) Das Gerichtsverfahren i.S.d. §
198 Abs.
1 Satz 1
GVG beginnt nach der Legaldefinition des §
198 Abs.
6 Nr.
1 GVG mit dessen Einleitung, also dem Moment des Eintritts der Rechtshängigkeit (§
94 Satz 1
SGG), und endet mit dem rechtskräftigen Abschluss, d.h. bis zum Ablauf einer eventuellen Rechtsmittelfrist (BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 - juris-Rn. 24 m.w.N.). Kleinste relevante Zeiteinheit ist der Kalendermonat (BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 - B 10 ÜG 11/13 R - a.a.O. - juris-Rn. 4).
(2) Dieser Maßstab gilt auch, wenn - wie hier - der Entschädigungsanspruch auf einen Teilzeitraum des Gesamtverfahrens beschränkt
wird. Materiell-rechtlicher Bezugsrahmen eines derart beschränkten Begehrens bleibt gleichwohl das gesamte gerichtliche Verfahren
(BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1/13 D - NVwZ 2014, 1523 ff. - juris-Rn. 12 m.w.N.).
Nach diesen Maßgaben begann das Verfahren S 3 U 34/15 mit Einreichung der Klage beim SG Münster am 9. Februar 2015 und endete im Güterichtertermin am 21. August 2018. Dieser insgesamt
43 Monate umfassende Zeitraum ist als materiell-rechtlicher Bezugsrahmen der Entschädigungsklage zugrunde zu legen.
bb) In einem zweiten Schritt ist der Ablauf des Verfahrens in kalendermonatsgenauer Betrachtung an den von §
198 Abs.
1 Satz 2
GVG genannten Kriterien zu messen, die unter Heranziehung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz <GG>) sowie zum Justizgewährleistungsanspruch (Art.
2 Abs.
1 i.V.m. Art.
20 Abs.
3 GG) auszulegen und zu vervollständigen sind (BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 - B 10 ÜG 7/14 R - SozR 4-1720 § 198 Nr. 10 juris-Rn. 27; Urteil vom 3. September 2014 - B 10
ÜG 2/13 R - a.a.O. - juris-Rn. 25). Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich infolgedessen gemäß §
198 Abs.
1 Satz 2
GVG nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten
der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§
198 Abs.
1 Satz 2
GVG), ergänzend zudem der Prozessleitung des Ausgangsgerichts (BSG, Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/13 R - a.a.O. - juris-Rn. 34 m.w.N.).
(1) Das Ausgangsverfahren hatte - mit Blick auf den geltend gemachten Zahlungsanspruch - für den Kläger eine mindestens durchschnittliche
Bedeutung. Der Schwierigkeitsgrad lag ebenfalls im durchschnittlichen Bereich.
(2) Eine dem Kläger zuzurechnende Verzögerung des erstinstanzlichen Ausgangsverfahrens ist nicht ersichtlich.
(3) Mit Blick auf die Prozessleitung des Ausgangsgerichts lassen sich im erstinstanzlichen Verfahren 21 Monaten an "inaktiven
Zeiten" feststellen, wobei auch hier wiederum als kleinste relevante Zeiteinheit ein Kalendermonat zu berücksichtigen ist
(BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 - B 10 ÜG 11/13 R - a.a.O. - juris-Rn. 34).
(a) Ein erster Inaktivitätszeitraum ist in den Monaten Juli 2015 bis Februar 2017 in einem Umfang von 20 Kalendermonaten festzustellen.
Mit Verfügung vom 30. April 2015 hatte das SG dem Kläger die Klageerwiderung der Beklagten vom 29. April 2015 zur Kenntnisnahme weitergeleitet. Die Übersendung eines Schriftsatzes
zur Kenntnis beinhaltet - jedenfalls bei einem substantiellen Vorbringen wie hier - stets die Möglichkeit zur Stellungnahme,
so dass die Entscheidung des SG, im Hinblick auf eine mögliche Stellungnahme zunächst für einen Zeitraum von weiteren sechs Wochen (d.h. bis einschl. Juni
2015) nicht weitere Maßnahmen zur Verfahrensförderung zu ergreifen, grundsätzlich noch seiner Entscheidungsprärogative unterliegt
und durch das Entschädigungsgericht nicht als Verfahrensverzögerung zu bewerten ist (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2017 - B 10 ÜG 1/16 R - BSGE 124, 1236 ff. - juris-Rn. 43). Ab Juli 2015 bis Februar 2017 erfolgte keine Verfahrensförderung. Die in der Zwischenzeit getroffenen
Verfügungen des SG zur Frist (11./22. Mai 2015), die Beantwortung einer Sachstandsanfrage des Klägers (Verfügung vom 25. Februar 2016) sowie
die Mitteilung eines neuen Az. infolge Kammerwechsels (Verfügung vom 6. Februar 2017) beinhalteten keine verfahrensfördernden
Impulse, weil das Verfahren nicht zugleich inhaltlich betrieben wurde (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 9/13 R -, SozR 4-1720 § 198 Nr. 6, juris-Rn. 46). Erst im Monat März 2017 erfolgte
mit der Ladung zum Verhandlungstermin am 15. Mai 2017 wieder eine relevante gerichtliche Aktivität.
Hierbei verkennt der Senat nicht, dass das SG ggfs. einen Gleichlauf aller anhängigen Parallelverfahren herbeiführen wollte und dadurch die Terminierung des vorliegenden
Ausgangsverfahrens verzögert wurde. Es spricht zwar nichts dagegen, wenn das Ausgangsgericht bei ihm anhängige Verfahren mit
Blick auf einen parallel anhängigen Rechtsstreit, der für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens von rechtlicher Relevanz
ist, zeitweise "faktisch" aussetzt. Dementsprechend kann etwa die mit der Bearbeitung oder Förderung eines Leitverfahrens
korrespondierende Zeit der faktischen Aussetzung bei der Bewertung der angemessenen Dauer des parallel anhängigen Ausgangsverfahrens
nicht zu Lasten des Staates gehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2016 - 5 C 10.15 D - juris Rn. 155 m.w.N. und Beschluss vom 2. Mai 2017 - 5 B 75.15 D - juris Rn. 8). Eine derartige Fallkonstellation ist hier indes nicht gegeben. Aus dem Inhalt der Akte des Ausgangsverfahrens
ergeben sich (auch ex post) keine Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass in den Parallelverfahren vorgreifliche Sach- oder
Rechtsfragen zur Klärung anstanden, die im vorliegenden Verfahren ggfs. hätten fruchtbar gemacht werden können. Vor dem Hintergrund,
dass in Bezug auf die Parallelverfahren ebenfalls Entschädigungsklagen anhängig gemacht worden sind, die jedenfalls zum Teil
erfolgreich waren, drängt es sich auch nicht auf, dass eines der anhängigen Parallelverfahren ursprünglich als Leitverfahren
angesehen und vorrangig betrieben worden ist.
(b) Ein weiterer Inaktivitätszeitraum liegt im April 2017 vor, d.h. dem Monat zwischen Ladung und Verhandlungstermin, in dem
erneut keine verfahrensfördernden Impulse durch das SG gesetzt worden sind.
(c) Darüber hinaus sind weitere rechtserhebliche Inaktivitätsintervalle weder aufgezeigt worden noch für den Senat ersichtlich.
cc) Die sodann in einem dritten Schritt vorzunehmende abschließende Gesamtbetrachtung und -würdigung der tatsächlichen verfahrens-,
sach- und personenbezogenen Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung des Verhältnisses der für eine längere Verfahrensdauer
einerseits und der für eine beschleunigte Erledigung andererseits sprechenden Gesichtspunkte und ihrer Einordnung in den menschen-
und grundrechtlichen Wertungsrahmen führt zu einer unangemessenen Dauer des gesamten Verfahrens im Umfang eines Monats.
(1) Die Annahme einer unangemessenen Verfahrensdauer ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Verfahrensdauer die äußerste Grenze
des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt hat. Dabei ist
den Ausgangsgerichten eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu zwölf Monaten je Instanz zuzubilligen, die für sich genommen
noch nicht zu einer unangemessenen Verfahrensdauer führt (BSG, Urteil vom 7. September 2017 - B 10 ÜG 1/16 R - a.a.O. - juris-Rn. 33; Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/13 R - a.a.O.
- Rn. 43 ff.; jeweils m.w.N.). Diese Zeitspanne muss und wird in der Regel nicht vollständig direkt im Anschluss an die Erhebung
der Klage bzw. die Einlegung der Berufung, sondern kann auch am Ende der jeweiligen Instanz liegen oder in mehrere, insgesamt
zwölf Monate nicht übersteigende Abschnitte unterteilt sein (BSG, Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/13 R - a.a.O. - juris-Rn. 45; Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/14 R - SozR
4-1720 § 198 Nr. 5 - juris-Rn. 47: jeweils m.w.N.). Die Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu zwölf Monaten muss nicht
durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden können (BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 - B 10 ÜG 11/13 R - a.a.O - juris-Rn. 34; Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/13 R - a.a.O.
- juris-Rn. 50).
(2) Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung ist hiernach von den Bearbeitungslücken im Ausgangsverfahrens vor dem SG (insgesamt 21 Monate) die im Regelfall zustehende zwölfmonatige Vorbereitungs- und Bedenkzeit in Abzug zu bringen, sodass
ein Zeitraum unangemessener Verfahrensdauer von neun Monaten verbleibt.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist von den 21 Monaten gerichtlicher Inaktivität im Verfahren vor dem SG zunächst eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten in Abzug zu bringen, die entschädigungsrechtlich nicht ins
Gewicht fällt. Diese Vorbereitungs- und Bedenkzeit kann - je nach Sachverhalt - auch zu Lasten des entschädigungspflichtigen
Beklagten kürzer sein (hierzu auch Röhl, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, Stand: 10.12.2020, §
198 Rn. 79 m.w.N.). Hierfür bestehen angesichts der durchschnittlichen Bedeutung und Schwierigkeit des Verfahrens keine hinreichenden
Anhaltspunkte.
Entgegen der Ansicht des Beklagten rechtfertigt der stattgefundene Kammerwechsel keine Verlängerung der regelmäßigen Vorbereitungs-
und Bedenkzeit, da dieser Zeitraum auch dazu dient, gerichtsinterne organisatorische Maßnahmen zur Erledigung von Verfahren
in angemessener Zeit umzusetzen. Die persönliche und sachliche Ausstattung der Sozialgerichte muss einerseits so beschaffen
sowie die gerichtsinterne Organisation der Geschäfte (Geschäftsverteilung, Gestaltung von Dezernatswechseln etc.) andererseits
so geregelt sein, dass ein Richter oder Spruchkörper die inhaltliche Bearbeitung und Auseinandersetzung mit der Sache wegen
anderweitig anhängiger ggf. älterer oder vorrangiger Verfahren im Regelfall nicht länger als zwölf Monate zurückzustellen
braucht (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Februar 2016 - L 37 SF 128/14 EK AL - juris-Rn. 56).
(3) Die somit verbleibenden neun Monate sind im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung mit Blick auf das zweitinstanzliche Verfahren
um (weitere) acht Monate zu reduzieren. Denn das LSG NRW hat den Rechtsstreit etwa acht Monate früher erledigt, als es dies
bei Berücksichtigung des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums hätte tun müssen, um das Verfahren im Sinne des §
198 Abs.
1 GVG in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen.
Auch wenn der Entschädigungsanspruch allein bezüglich der Dauer des Verfahrens in nur einer von mehreren Instanzen geltend
gemacht wird, bleibt sein materiellrechtlicher Bezugsrahmen das gesamte sozialgerichtliche Verfahren im Ausgangsrechtsstreit
<vgl. hierzu bereits IV. 2. a) aa) (2)>. Daher können, wenn Zeiten fehlender Verfahrensförderung in den Verantwortungsbereich
des Gerichts fallen, diese in davor oder danach liegenden Verfahrensabschnitten ausgeglichen werden. Mithin ist zu prüfen,
ob durch die zügige Behandlung der Sache in einer Instanz eine etwaige Überlänge in einer anderen (vorangegangenen oder nachfolgenden)
Instanz ganz oder teilweise kompensiert worden ist (BSG, Urteile vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/13 R - a.a.O., Rn. 43; B 10 ÜG 9/13 R - a.a.O. - Rn. 43, B 10 ÜG 12/13 R - a.a.O.
- Rn. 51; B 10 ÜG 2/14 R - a.a.O. - Rn. 44).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze verbleibt in Bezug auf einen Monat ein entschädigungspflichtiger Zeitraum. Das Berufungsverfahren,
welches durch Einlegung der Berufung am 22. Juni 2017 begann, ist - bis auf vier Monate (März-Juni 2018, in denen das Verfahren
ohne gerichtliche Aktivität auf einen Güterrichtertermin gewartet hat) - kontinuierlich nach Maßgabe der unter IV. 2. a) bb)
dargestellten Grundsätze gefördert worden. Die dem LSG NRW zuzubilligenden 12 Monate Bedenkzeit sind - abzüglich dieser vier
Monate inaktiver Zeit - in einem Umfang von acht Monaten nicht verbraucht worden. Hierdurch ist die beim SG angefallene neunmonatige Verzögerungszeit des SG bis auf einen Monat kompensiert wird.
b) Der Kläger hat infolge dieser unangemessenen Dauer des Verfahrens einen Nachteil erlitten.
aa) Nach §
198 Abs.
2 Satz 1
GVG wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lang gedauert hat.
Umstände, die diese gesetzliche Vermutung widerlegen, sind nicht erkennbar und von dem Beklagten nicht vorgetragen worden.
bb) Eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß §
198 Abs.
4 GVG, insbesondere durch die bloße Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ist im
vorliegenden Fall nicht ausreichend (§
198 Abs.
2 Satz 2
GVG).
cc) Der Nachteil, den der Kläger infolge einer unangemessenen Dauer des Ausgangsverfahrens erlitten hat, ist i.H.v. 100 €
angemessen zu entschädigen. Die Entschädigung gemäß §
198 Abs.
2 Satz 2
GVG beträgt 1.200,00 € für jedes Jahr der Verzögerung (§
198 Abs.
2 Satz 3
GVG), mithin 100 € für einen Monat der unangemessenen Verzögerung.
dd) Eine Abweichung von der in §
198 Abs.
2 Satz 3
GVG vorgesehenen pauschalierten Entschädigung wegen einer Unbilligkeit des sich hieraus ergebenden Betrages gemäß §
198 Abs.
2 Satz 4
GVG kommt nicht in Betracht. Voraussetzung hierfür wäre ein atypischer Sonderfall, der sich durch eine oder mehrere entschädigungsrelevante
Besonderheiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht von vergleichbaren Fällen abhebt (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 - B 10 ÜG 11/13 R - juris-Rn. 37 ff.; Urteil vom 7. September 2017 - B 10 ÜG 1/16 R - a.a.O.
- Rn. 51; jeweils m.w.N.). Für einen solchen Sonderfall fehlen hier hinreichende Anhaltspunkte.
c) Der für den immateriellen Nachteil zuerkannte Entschädigungsbetrag ist in entsprechender Anwendung der §
288 Abs.
1, §
291 Satz 1
Bürgerliches Gesetzbuch ab Eintritt der Rechtshängigkeit zum 3.4.2019 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen (BSG, Urteile vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 12/13 R - a,a,O - juris-Rn. 54; B 10 ÜG 9/13 - a.a.O. - juris-Rn. 52; m.w.N.).
3. Der Anspruch scheitert nicht an einer fehlenden Verzögerungsrüge. Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur wenn
er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§
198 Abs.
2 Satz 1
GVG), wobei die Verzögerungsrüge erst erhoben werden kann, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer
angemessenen Zeit abgeschlossen wird. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 31. Januar
2017, eingegangen am 3. Februar 2017, ausdrücklich eine Verzögerungsrüge erhoben. Die Besorgnis bestand, weil zu diesem Zeitpunkt
(bereits) eine mit Verfügung vom 25. Februar 2016 angekündigte Terminierung zum Verhandlungstermin ausstand.
4. Nach §
198 Abs.
4 Satz 3 Halbsatz 1
GVG kann das Entschädigungsgericht in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung aussprechen, dass die Verfahrensdauer unangemessen
war. Weil es hierfür nicht notwendig eines Antrags bedarf (§
198 Abs.
4 Satz 2
GVG), hat das Entschädigungsgericht grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen, ob es diese Feststellung trifft. Bei diesem Ausspruch
handelt es sich, wie systematisch aus §
198 Abs.
4 Satz 1
GVG zu folgern ist, um eine Form der "Wiedergutmachung auf andere Weise", die "neben die Entschädigung" treten kann. Ob das Entschädigungsgericht
diese Feststellung zusätzlich zur Entschädigung (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 22) trifft, ist in sein Ermessen ("kann") gestellt.
Ein schwerwiegender Fall im Sinne von §
198 Abs.
4 Satz 3 Halbs. 1
GVG liegt hier indes nicht vor.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §§
154 ff.
VwGO. Im Rahmen seines Ermessens hat der Senat von einer Kostenbeteiligung des Beklagten abgesehen, da der Kläger bezogen auf
sein Klagebegehren nur geringfügig obsiegt.
VI. Gründe im Sinne des §
160 Abs.
2 SGG zur Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
VII. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 GKG und entspricht der von dem Kläger begehrten pauschalierten Entschädigung i.H.v. 1.200 € gemäß §
198 Abs.
2 Satz 3
GVG.