Tatbestand
Gestritten wird um Leistungen nach dem
OEG i.V.m. dem BVG wegen der Folgen eines Polizeieinsatzes in der Wohnung der Klägerin.
Am 16.11.2015 kam es im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen die Klägerin zu einer Hausdurchsuchung in ihrer Wohnung,
in deren Verlauf die Klägerin kollabierte. Eine körperliche Einwirkung durch Polizeibeamte bzw. deren Hilfskräfte auf die
Klägerin fand auch nach Angaben der Klägerin nicht statt. Eine Beschwerde der Klägerin gegen den die Durchsuchung anordnenden
Beschluss des AG Q wurde vom LG Q mit Beschluss vom 30.12.2015 als unbegründet verworfen. Das der Hausdurchsuchung zugrunde
liegende Ermittlungsverfahren wurde am 09.03.2016 nach §
170 Abs.
2 StPO eingestellt. Das AG Q stellte daraufhin mit Beschluss vom 14.04.2016 fest, dass der Klägerin wegen der Hausdurchsuchung dem
Grunde nach Entschädigung zustehe. Die Generalstaatsanwältin in I gewährte der Klägerin deswegen am 19.09.2016 eine Entschädigung
nach dem StrEG für ihr entstandene Anwaltskosten in Höhe von 441,41 EUR. Eine Klage der Klägerin gegen das Land NRW auf Schmerzensgeld war
in erster Instanz (Urteil des LG E vom 05.09.2017 - 25 O 00/17) und zweiter Instanz (Urteil des OLG I vom 09.01.2019 - I-11 U 00/17) erfolglos.
In einem sozialgerichtlichen Klageverfahren (S 10 SB 1338/16) wurde die beklagte Behörde mit Urteil vom 10.09.2018 zur Feststellung eines GdB von 30 verurteilt, der maßgeblich durch
eine psychische Erkrankung der Klägerin begründet war.
Am 15.05.2017 beantragte die Klägerin erstmals telefonisch und dann am 09.08.2018 schriftlich Leistungen nach dem
OEG wegen der Folgen der Hausdurchsuchung am 16.11.2015. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24.09.2015 ab, da kein
vorsätzlich, rechtswidriger Angriff vorliege. Die Klägerin legte am 24.10.2018 Widerspruch ein. Der Beklagte zog diverse Unterlagen
bei, insbesondere aus dem Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin, aus den Klageverfahren der Klägerin gegen das Land NRW
sowie aus dem Klageverfahren wegen des GdB. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.06.2019 zurück.
Weder sei die Hausdurchsuchung rechtswidrig gewesen, noch stelle sie eine Gewalttat im Sinne des
OEG dar. Nach dem Urteil des BSG vom 16.12.2014 (B 9 V 1/13 R) setze eine solche Gewalttat eine unmittelbare körperliche Einwirkung auf das Opfer voraus, die hier nicht vorliege.
Am 12.07.2019 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Detmold erhoben und Schadensersatz sowie Schmerzensgeld nach dem
OEG i.V.m. dem BVG begehrt. Trotz Hinweises des Sozialgerichts, dass diese Leistungen im
OEG i.V.m. dem BVG nicht vorgesehen seien, hat sie an diesem Antrag festgehalten und auf §§ 81 ff. BVG verwiesen. Sie hat ergänzend vorgetragen, dass die Begrenzung des Tatbestandes des §
1 OEG auf körperliche Einwirkungen, wie sie vom BSG vorgenommen werde, nicht europarechtskonform sei. Sie stehe im Widerspruch zum Europäischen Übereinkommen vom "24.11.1993"
über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten und zur Richtlinie 2004/80/EG des Rates vom 29.04.2004 zur Entschädigung
der Opfer von Straftaten.
Das Sozialgericht hat die Klage nach vorheriger Anhörung zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid mit Gerichtsbescheid
vom 15.10.2019 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit Schadensersatz und Schmerzensgeld begehrt würden, da diese Leistungsformen
im
OEG i.V.m. dem BVG nicht vorgesehen seien. Das Klagebegehren könne aber dahingehend ausgelegt werden, dass auch die grundsätzlich mögliche Anerkennung
von Schädigungsfolgen und die Gewährung von Heilbehandlung begehrt würden. Insofern fehle es aber einer rechtswidrigen Gewalttat.
Die Hausdurchsuchung sei rechtmäßig gewesen. Dies ergebe sich sowohl aus der Entscheidung des LG Q über die Beschwerde gegen
den die Hausdurchsuchung anordnenden Beschluss, als auch aus den Entscheidungen des LG E und des OLG I. Die grundsätzliche
Bejahung eines Entschädigungsanspruches nach dem StrEG durch das AG Q führe zu keinem anderen Ergebnis, da sie keine Rechtswidrigkeit des Ermittlungsverfahrens voraussetze. Im
Übrigen fehle es an einer nach der Rechtsprechung des BSG erforderlichen unmittelbaren körperlichen Einwirkung auf die Klägerin.
Die Klägerin hat gegen den ihren Bevollmächtigten am 21.10.2019 zugestellten Gerichtsbescheid am 21.11.2019 Berufung eingelegt.
Das Sozialgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass die Richtlinie 2004/80/EG in Deutschland nicht richtig umgesetzt
worden sei.
Die Klägerin beantragt,
"den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 15.10.2019 (S 1 VG 35/19) und den Bescheid der Beklagten vom 24.09.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2019 aufzuheben und die Beklagte
zu verurteilen der Klägerin Schadensersatz und Schmerzensgeld nach dem
OEG in Verbindung mit dem BVG zu gewähren."
Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Der Senat hat die Berufung nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 23.01.2020 nach §
153 Abs.
5 SGG auf den Berichterstatter übertragen.
Die Beteiligten haben sich anschließend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung und durch den Berichterstatter
als Einzelrichter einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die beigezogenen
Verwaltungsakten des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet nach Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §
124 Abs.
2 SGG und durch den Berichterstatter als Einzelrichter gemäß §
155 Abs.
3 und Abs.
4 SGG.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da diese unbegründet ist. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide
nicht im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG beschwert, da diese rechtmäßig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Schadensersatz und / oder Schmerzensgeld nach dem
OEG i.V.m. dem BVG und zwar schon deshalb, da diese Gesetze die begehrten Leistungen nicht vorsehen. Inwiefern sich der geltend gemachte Anspruch
aus §§ 81 ff. BVG ergeben sollte, wie die Klägerin meint, ist nicht ersichtlich.
Anders als das Sozialgericht hält der erkennende Senat es nicht für erforderlich, den Antrag der rechtskundig und bereits
vom Sozialgericht entsprechend belehrten Klägerin dahingehend auszulegen, dass ihr Klagebegehren (auch) auf solche Leistungen
gerichtet ist, die - wie die Gewährung einer Beschädigtenrente und Heilbehandlung - im BVG durchaus vorgesehen sind.
Im Übrigen stünden der Klägerin keine Leistungen nach dem
OEG i.V.m. dem BVG zu, da die Hausdurchsuchung nicht rechtswidrig war und dabei keine Straftat zum Nachteil der Klägerin begangen wurde. Erst
recht lag kein tätlicher Angriff i.S.d.
OEG vor.
Wegen der Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat nach §
153 Abs.
2 SGG zunächst Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides des Sozialgerichts vom 15.10.2019.
Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
Ein tätlicher Angriff i.S.d. liegt insbesondere deshalb nicht vor, da es bereits an der nach der Rechtsprechung des BSG (insbesondere Urteil vom 16.12.2014 - B 9 V 1/13 R) erforderlichen unmittelbaren Gewaltanwendung fehlt. Die Klägerin hat sich hier sowohl nach ihren eigenen Angaben, als auch
nach sämtlichen anderweitigen aktenkundigen Erkenntnisquellen im Ergebnis lediglich erschreckt, auch wenn sie sich offenbar
derart erschreckt hat, dass sie kollabiert ist.
Aus dem Europäischen Übereinkommen über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten von 1983 (!) ergibt sich nichts anderes.
Der Senat verweist insofern auf die Ausführungen des BSG im Urteil vom 16.12.2014 - B 9 V 1/13 R unter Rn. 31, mit denen sich die Klägerin nicht auseinandergesetzt hat. Das dortige Kernargument, dass das Übereinkommen
eine Definition des Begriffs "vorsätzliche Gewalttat" nicht enthält, gilt ebenso für die Richtlinie 2004/80/EG des Rates vom
29.04.2004. Dass das derzeit geltende Recht den Vorgaben dieser Richtlinie entspricht, sieht auch der Gesetzgeber so (vgl.
Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts, BR-Drs. 351/19, S. 168, Abschnitt VI. Absatz 2 Satz
1).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Anlass, die Revision nach §
160 Abs.
2 SGG zuzulassen, besteht nicht.