Tatbestand
Die Kläger nehmen den Beklagten auf Zahlung von Hinterbliebenenrente in Anspruch.
Die 1954 geborene Klägerin war seit 1984 mit dem 1949 geborenen K (seit dem Jahr 2000 deutscher Staatsangehöriger) verheiratet,
die 1991 und 1993 geborenen Kläger zu 2) und 3) sind deren Söhne. Die Eheleute lebten seit 1985 in Deutschland, seit Mai 2010
lebte K getrennt in einer eigenen Wohnung. Am 14.01.2012 wurde K durch die 1978 geborene syrische Staatsangehörige H an seinem
Wohnort in I erschossen. Zwischen den beiden hatte über Jahre ein intimes Verhältnis bestanden. Das Landgericht Heilbronn
verurteilte H wegen Mordes (§
211 StGB) unter Zugrundelegung außergewöhnlich mildernder Umstände zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und deren Ehemann wegen
Beihilfe zum Totschlag zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren (Urteil vom 13.12.2012 - 3 Ks 16 Js 1170/12). Die von den Nebenklägern - den Klägern dieses Rechtsstreits - erhobene Revision wurde vom Bundesgerichtshof verworfen (Beschluss
vom 06.08.2013 - 1 StR 275/13).
Nach den Feststellungen des Landgerichts Heilbronn lag der Tat im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
1996 lernten sich die seit 1994 verheiratete H und K kennen. Die Bekanntschaft wurde durch eine gemeinsame Sprachbasis zwischen
H und K begünstigt, zumal H bis dahin mangels gleichsprachiger Bezugspersonen in Deutschland auch in ihrer Familie recht isoliert
gelebt hatte. Auf Initiative des K gingen beide nach etwa zwei Monaten eine heimliche intime Beziehung ein, die zunächst auf
Gegenseitigkeit beruhte. Die sodann wegen der Befürchtung, zunehmend durch K in Besitz genommen zu werden, von H gewünschte
Beendigung des Verhältnisses lehnte K ab. Um die Fortsetzung der Beziehung sicherzustellen, setzte K die H mit Ankündigungen
unter Druck, nicht mehr aus der Beziehung herauszukommen und damit, er werde die Beziehung gegenüber Familienmitgliedern offenlegen
und diesen anzügliche Fotos zuspielen. Zudem forderte er im weiteren Verlauf Geld ein. Unter zunehmender Intensivierung der
Drohungen brachte K die H über Jahre dazu, dessen wiederkehrende sexuelle und finanzielle Forderungen zu erfüllen, wozu H
heimlich Ressourcen ihres familiären und sozialen Umfeldes ver- und entwendete.
Nach Umzug in seine eigene Wohnung im Jahr 2010 setzte K seine Geldforderungen fort, verlangte zudem Haushaltsverrichtungen
und intensivierte die Forderungen nach sexuellen Handlungen. Dabei kam es zu gewaltsam erzwungenem Geschlechtsverkehr und
zu zahlreichen, teils gewaltsamen sexuellen Demütigungen unter Einsatz erniedrigender Sexualpraktiken gegen den Willen der
H, die diese aus Angst vor Offenbarung erduldete. Der zunehmenden Verweigerungshaltung der H begegnete K mit einer fortgesetzten
Erhöhung des Drucks auf H durch Androhung, das Verhältnis und auch die bloßstellenden Sexualpraktiken offenzulegen. Um seinen
Drohungen Nachdruck zu verleihen, hielt sich K wiederholt in der Nähe ihres Wohnhauses auf. Schließlich drängte K darauf,
dass H sich für ihn prostituiere, wobei es zu einer Anbahnungssituation mit einem Freier, letztlich nicht aber zu einer Vornahme
sexueller Handlungen kam.
Hierzu stellte das Landgericht Heilbronn den folgenden Sachverhalt fest:
"(... ) Nachdem ihr der Geschädigte anfangs nur abstrakt damit gedroht hatte, dass sie aus der Situation nicht mehr herauskomme,
wurden die Drohungen des Geschädigten mit der Zeit immer intensiver. Mindestens einmal schlug der Geschädigte in dieser Zeit
die Angeklagte H. Um eine ständige Erreichbarkeit für ihn zu gewährleisten, besorgte der Geschädigte der Angeklagten H mehrfach
Mobiltelefone mit Guthabenkarten. Diese Telefone, die die Geschädigte auf lautlos gestellt in der Wohnung verstecken musste,
dienten ausschließlich dazu, dass er mit ihr jederzeit Kontakt aufnehmen konnte.
Angesichts des drohenden Endes seiner Affäre, das die Angeklagte H immer mehr einforderte und weswegen sie sich immer mehr
verweigerte, entschloss sich der Geschädigte einige Zeit später dazu, die Angeklagte H auch in finanzieller Hinsicht auszubeuten.
Er begann deshalb damit, Geld von der Angeklagten zu fordern, obwohl er wusste, dass er keinerlei Ansprüche gegen diese hatte.
Diese Forderungen bekräftigte er mit der Drohung, für den Fall der Nichtzahlung von ihm angefertigte anzügliche Fotos von
der Angeklagten deren Ehemann und dessen Familie sowie der Familie der Angeklagten in Syrien zuzuspielen und ihnen gegenüber
die langjährige Beziehung offenzulegen. Unter dem Druck dieser Drohungen begann die Angeklagte H nach und nach damit, für
Einkäufe vorgesehenes Geld beiseite zu schaffen, Geld von den Konten ihrer Kinder abzuheben, Hochzeitsschmuck zu versetzen
und bei Bekannten und Verwandten Geld zu stehlen und zu leihen, um die immer wiederkehrenden Forderungen des Geschädigten
zu erfüllen. Daneben musste die Geschädigte regelmäßig sexuelle Handlungen beim Geschädigten erbringen (...)".
"(...) Spätestens ab seinem Einzug in der genannten Wohnung verschärfte sich die Situation zwischen ihm und der Angeklagten
H, da beide nun räumlich enger beieinander lebten und der Geschädigte in seiner Wohnung neben den mittlerweile üblichen Geldzahlungen
wieder verstärkt sexuelle Dienstleistungen von der Angeklagten einforderte. Die Angeklagte H widersetzte sich den Forderungen
des Geschädigten zwar immer mehr. Gleichwohl war sie angesichts der Drohungen des Geschädigten, die außereheliche Beziehung
zu offenbaren, nicht dazu imstande, den Kontakt zu diesem abzubrechen. Sie fürchtete besonders, dass der Geschädigte durch
eine Offenbarung ihrer Affäre ihre Familie zerstören und deren gesellschaftliches Ansehen in der aramäischen Gemeinde vernichten
könnte, weshalb die Angeklagte für den Fall einer Trennung letztlich auch den Verlust der Kinder fürchtete. Es kam deshalb
immer wieder zu Besuchen der Angeklagten bei dem Geschädigten, der seit seinem Einzug in die Wohnung in I neben zweiwöchentlichen
sexuellen Dienstleistungen von der Angeklagten auch noch Putz- und Waschdienste einforderte.
Die wachsenden Forderungen durch den Geschädigten führten bei der Angeklagten zu einer zunehmenden Verweigerungshaltung, weshalb
der Geschädigte seinen Druck auf die Angeklagte permanent erhöhte. Er war nicht dazu bereit, sich mit einem Ende der Beziehung
abzufinden und auf die haushälterischen und vor allem sexuellen Dienstleistungen der Geschädigten zu verzichten. Dabei verlangte
er von der Angeklagten H Sexualpraktiken, die die Angeklagte, wie dem Geschädigten bewusst war, ablehnte. Neben mehrfach gewaltsam
erzwungenem Geschlechtsverkehr kam es deshalb gegen den Willen der Angeklagten in zahlreichen weiteren, nicht mehr im einzelnen
aufklärbaren Fällen zu sexuellen Demütigungen der Angeklagten durch den Geschädigten (...)."
"(...) Die sexuellen Praktiken nutzte der Geschädigte weiter dazu, die Angeklagte noch mehr unter Druck zu setzen, weil er
dieser nunmehr nicht nur mit der Aufdeckung ihrer jahrelangen sexuellen Beziehung drohte, sondern darüber hinaus noch die
Offenbarung der die Angeklagte besonders erniedrigenden und in ihrem gemeindlichen Umfeld maßlos bloßstellenden Sexualpraktiken
ankündigte. Um seinen Drohungen noch mehr Nachdruck zu verleihen, hielt sich der Geschädigte fortan auch des Öfteren vor dem
Wohnhaus der Angeklagten auf, um diese zu beschatten und ihr zu signalisieren, dass er vor einer Kontaktaufnahme mit ihrer
Familie nicht zurückschrecke. Hierdurch gelang es dem Geschädigten, die Angeklagte noch mehr in Angst und Schrecken zu versetzen.
Nachdem die Angeklagte im Lauf der Jahre sämtliche finanziellen Ressourcen mobilisiert und darunter auch Geld von den Konten
ihrer Kinder abgehoben, Geld bei Freunden und Bekannten geliehen und gestohlen sowie ihren Hochzeitsschmuck versetzt hatte,
kam es aufgrund der finanziellen Probleme, zwischen ihr und dem Angeklagten D immer mehr zu Spannungen. Das Misstrauen des
Angeklagten D machte es ihr immer schwerer, Geld zur Befriedigung des Geschädigten aufzutreiben. Als die Angeklagte aus diesem
Grund ablehnte, dem Geschädigten weitere Zahlungen zu leisten, verlangte dieser von ihr, dass sie sich nun für ihn prostituieren
müsse (...)."
"(...) Zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt nach Pfingsten 2010, mutmaßlich ab 2011, dehnte der Geschädigte seine
Drohungen, mit denen er die Angeklagte gefügig machte, auch auf die Familie der Angeklagten und deren Kinder aus. Der Geschädigte
ging dabei zutreffend davon aus, dass die Angeklagte ihre Kinder und ihren Ehemann um jeden Preis beschützen würde. In diesem
Zusammenhang drohte der Geschädigte der Angeklagten deshalb, dass diese zusammen mit ihm flüchten müsse, da er ansonsten ihrem
Ehemann Drogen unterschieben, ihn anzeigen und ihn so ins Gefängnis bringen würde. Weiter drohte er der Angeklagten damit,
eine Vaterschaft bezüglich ihrer ehelichen Kinder zu behaupten, Ansprüche auf ihre Kinder zu erheben und diese in den Libanon
mitzunehmen, wo sie sie dann nie mehr wiedersehen würde. Diese Drohungen nahm die Angeklagte allesamt sehr ernst, zumal der
Geschädigte tatsächlich ihrer ältesten Tochter nach der Schule auflauerte (...)."
Eine Ende 2010 eingetretene Schwangerschaft ungeklärter Vaterschaft ließ H auf Druck des K gegen ihren Willen beenden. Vor
einer Urlaubsreise in den Libanon Ende 2011 drohte K, Personen aus dem Libanon mitzubringen und H und ihre Familie körperlich
anzugehen. Es werde zu einem Blutvergießen kommen und H werde etwas erleben, was sie noch nicht erlebt habe. H empfand dadurch
fortgesetzt massive Ängste. Spätestens Anfang 2012 entwickelte H die Vorstellung, der einzige Ausweg bestehe in einer Tötung
des K. Die Inanspruchnahme von Hilfe staatlicher Stellen zog sie hingegen aufgrund der damit verbundenen Offenbarung ihrer
Lebenssituation bewusst nicht in Betracht.
Nach Rückkehr des K aus dem Libanon (11./12.01.2012) begab sich H am späten Abend des 14.01.2012 mit einem unter ungeklärten
Umständen Wochen vorher beschafften Revolver zur Wohnung des K. Sie wurde von ihrem Ehemann, den sie über die Tötungsabsicht
und zu einem früheren Zeitpunkt teilweise über ihre Beziehung zu K eingeweiht hatte, gefahren. Auf das Gesprächsverlangen
der H und ihre Aufforderung hin, sie zukünftig in Ruhe zu lassen, bot K ein kurzes Gespräch hinter dem Haus an und machte
deutlich, H werde ihn nicht mehr loswerden. Zur Tötung entschlossen begab sich H mit K in die hinter dem Haus liegende T-Gasse
in I. Dort drehte sich H unvermittelt um und schoss sechs Mal in kurzer Folge aus geringer Entfernung auf K, der nicht mit
einem Angriff gerechnet hatte. Durch die Treffer im Bereich der linken Hand und des rechten Oberarmes, des Kopfes, der Leiste
und des Brustkorbes kam K zu Tode.
Bei der Strafzumessung hat das Landgericht Heilbronn die Abweichung von der an sich auf Rechtsfolgenseite vorgesehenen lebenslangen
Freiheitsstrafe mit außergewöhnlich strafmildernden Umständen in analoger Anwendung des §
49 Abs.
1 StGB begründet. Dabei hat es die zahlreichen massiven sexuellen Demütigungen hervorgehoben, die zum Teil schwere Straftatbestände
erfüllen. Über Jahre hinweg habe ein massives Bedrohungsszenario bestanden, das K unter Einbeziehung der Familie und insbesondere
der Kinder der H fortgesetzt intensiviert habe, um ihre Bemühungen zu unterbinden, sich aus dem Verhältnis zu lösen. Schließlich
habe die Androhung von Blutvergießen und das Herantreten an die älteste Tochter nochmals die Bedrohung intensiviert. H sei
körperlich in jeder Hinsicht unterlegen gewesen. Infolge der jahrelangen zermürbenden Situation habe H eine Belastungsreaktion
und Angststörung entwickelt, die K immer wieder angefacht habe.
Den Antrag der Kläger vom 05.09.2012 auf Gewährung von Hinterbliebenenversorgung lehnte das Landratsamt I ab. Zwar sei K Opfer
eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffes im Sinne von §
1 OEG geworden. Allerdings liege in seiner Person ein gegen die Kläger wirkender Versagungsgrund gemäß §
2 Abs.
1 OEG vor, weil die Gewährung einer Entschädigung unbillig wäre. Die Schädigungstat sei durch ein grob schuldhaftes, rechtsfeindliches
und direkt tatauslösendes Verhalten des K ausgelöst worden, das sich die Antragsteller zurechnen lassen müssten (Bescheide
des Landratsamtes I vom 20.03.2013).
Im Widerspruchsverfahren machten die Kläger geltend, es sei eine Unverschämtheit, das Verhalten des K als tatauslösend, grob
schuldhaft oder rechtsfeindlich zu qualifizieren, zumal die Annahmen auf den Aussagen der H und ihres Ehemannes beruhten.
K habe sich in den letzten Jahren überwiegend im Libanon aufgehalten und sei eventuellen Problemen aus dem Weg gegangen.
Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium T zurück und stützte sich auf die landgerichtlichen Feststellungen (Widerspruchsbescheid
vom 15.04.2013).
Mit ihrer am 17.05.2013 vor dem SG Dortmund erhobenen Klage haben die Kläger geltend gemacht, sie seien nicht für den im Strafverfahren
festgestellten Sachverhalt verantwortlich. Das Landgericht habe nicht die Wahrheit ermittelt, sondern die Angaben der H für
nicht widerlegbar gehalten. Diese Feststellungen dürften im sozialgerichtlichen Verfahren nicht übernommen werden. Abgesehen
davon erfülle der festgestellte Sachverhalt nicht die Voraussetzungen der Unbilligkeit. K habe nicht mit seiner Ermordung
rechnen können. Ein weiterer, nicht an diesem Rechtsstreit beteiligter Sohn der Klägerin zu 1) habe H nicht allzu lange vor
der Tat in bestem Einvernehmen mit K gesehen. Daraus ergebe sich, dass H die meisten Anschuldigungen zu einem Bedrohungs-
und Abhängigkeitsszenario erfunden habe, um ihre Rolle in dem Verhältnis zu K herabzuspielen, sich selbst zu entlasten und
von ihrem Ehemann nicht verstoßen zu werden. Nicht das Verhalten des K habe zu dem Mord geführt, sondern der von dem Ehemann,
der Familie und Religionsgemeinschaft der H ausgeübte Druck und Zwang.
Die Kläger haben schriftlich sinngemäß beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 20.03.2013 und des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2013 an die Klägerin
und der jeweiligen Bescheide vom 20.03.2013 und Widerspruchsbescheide vom 16.04.2013 an die Kläger zu 2) und 3), den Klagenden
die zu bestimmenden Leistungen der Hinterbliebenenversorgungsrente antragsgemäß zu gewähren.
Das Land C hat schriftlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides gestützt.
Durch Urteil vom 30.01.2018 hat das SG das Land C antragsgemäß verurteilt. Es hat u.a. ausgeführt: Der von H verübte Mord sei als ein vorsätzlicher, rechtswidriger,
tätlicher Angriff gemäß §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG zu qualifizieren. Die Versagung von Hinterbliebenenleistungen nach §
2 Abs.
1 Satz 1 Alt. 1
OEG komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil dieser Tatbestand ausschließlich unmittelbare, mit der Tatbegehung zeitlich
eng verbundene Förderbeiträge des Tatopfers, erfasse. Ebenso wenig lasse sich mit dem rechtsverletzenden Vorverhalten des
K der Versagungsgrund der Unbilligkeit aus anderen Gründen im Sinne des §
2 Abs.
1 Satz 1 Alt. 2
OEG begründen. Danach würden mittelbar tatverursachende Beiträge des Opfers erfasst, typischerweise in der Tatvorgeschichte,
die in ihrer ursächlichen Bedeutung einer Mitverursachung annähernd gleichkämmen. Zur näheren Bestimmung der Unbilligkeit
in diesem Sinne habe das BSG die vier Fallgruppen "Rechtsfeindliche Betätigung im Tatvorfeld", "Zugehörigkeit zum Kreis der Alkohol- oder Drogenkonsumenten",
"Leichtfertige Eingehung einer Schädigungsgefahr" sowie "durch die Opferversorgung entstehende Begünstigung des Täters" gebildet.
Die Voraussetzungen für die Zuordnung zu der Fallgruppe "Leichtfertige Eingehung einer Schädigungsgefahr" seien nicht erfüllt,
weil K mit der Gewalttat auch angesichts seines Vorverhaltens nicht habe rechnen müssen. Ebenso wenig komme die Versagung
von Entschädigung unter dem Gesichtspunkt einer rechtsfeindlichen Betätigung im Tatvorfeld in Betracht, auch wenn das Landgericht
Heilbronn ein langjähriges rechtsfeindliches Verhalten des K im Vorfeld der Tat festgestellt habe. Eine vollständige Vergleichbarkeit
mit der genannten Fallgruppe bestehe nämlich nicht. Kennzeichnend dafür seien rechtsferne Milieustrukturen, in denen nach
kriminologischer Erfahrung regelmäßig gewaltsame Übergriffe als systematischer Teil der dort vorherrschenden Strukturen und
Verhaltensmuster stattfänden. In einem derart unberechenbaren Umfeld sei mit hoher Wahrscheinlichkeit mit gewaltsamen Übergriffen
zu rechnen, weil Rechtsbrüche jeden Schweregrades bis hin zu Tötungsdelikten dort Teil des Systems, ein Mittel der Wahl, seien.
Hingegen gelte bei fortgesetzten Rechtsverletzungen gegenüber einer einzelnen Person außerhalb einer kriminellen Milieustruktur
dieser Gedanke nicht gleichermaßen. Denn das damit einhergehende Selbstgefährdungspotential sei nicht in einem System begründet,
welches ein solches Verhalten im Allgemeinen erwarten lasse. Ob das Vorverhalten ein spezifisches Risiko begründe, liege in
der davon betroffenen Einzelperson. Es bestehe anders als für Milieustrukturen nicht die allgemeingültige Erfahrung, dass
ein einem höherwertigen rechtsfeindlichen Vorverhalten ausgesetzter Mensch typischerweise zu einer schwerstgradigen Gegenreaktion
wie einem Tötungsdelikt neige. Mithin realisiere sich in einer tödlichen Schädigungstat nicht notwendig eine typischerweise
mit rechtsfeindlichem Vorverhalten außerhalb eines Milieus verbundene Gefahr. Vielmehr sei, wie in der Fallgruppe der leichtfertigen
Selbstgefährdung, auf die individuelle Situation in dem betroffenen Personenverhältnis und darauf abzustellen, ob in Ansehung
der H und des fördernden Vorverhaltens aus der Perspektive des K in Reaktion auf sein Vorverhalten mit einem vergleichbar
schweren wie dem tatsächlich verübten Schädigungsdelikt zu rechnen gewesen sei. Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen.
Schließlich stelle das deliktische Vorverhalten des K unter dem Gesichtspunkt der Strafrahmenäquivalenz keine mindestens annähernd
gleichwertige Kausalbedingung für die gegen ihn gerichtete Tat dar.
Gegen das ihm am 07.02.2018 zugestellte Urteil hat das Land C am 07.03.2018 Berufung erhoben. Unter Berücksichtigung der Vorgeschichte
stelle sich die Frage, ob eine Versorgung hier tatsächlich dem Regelungszweck des §
1 OEG entspreche. Entgegen der vom SG vertretenen Auffassung stellten die von K gegenüber H verübten massiven Straftaten nicht hinweg zu denkende wesentliche Mitursachen
für das Tötungsdelikt dar. Die in dem angefochtenen Urteil angestellten Überlegungen zur Strafrahmenäquivalenz seien nicht
überzeugend.
Mit Wirkung vom 01.07.2020 ist der Landschaftsverband für die Ansprüche der in seinem Bezirk wohnhaften Kläger zuständig geworden
und das Land C aus dem Rechtsstreit ausgeschieden.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.01.2018 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Unter Bezugnahme auf Ihren erstinstanzlichen Vortrag verteidigen sie das angefochtene Urteil.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf die Gerichts- und Verwaltungsakten sowie die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft
I - R 820 VRs 16 Js 1170/12.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat konnte gemäß §
153 Abs.
1 i.V.m. §
124 Abs.
2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten übereinstimmend damit einverstanden erklärt haben (Schriftsätze
vom 01.10.2019 und 06.10.2020).
II. Passiv legitimiert ist nunmehr allein der Landschaftsverband, nicht aber das Land C. Der Gesetzgeber hat das vormals in
§
4 Abs.
1 OEG a.F. geltende Tatortprinzip aufgegeben und stellt nunmehr in §
4 Abs.
1 und
2 OEG in der Fassung des Gesetzes vom 15.04.2020 (BGBl. I 811) auf den Wohnsitz des Geschädigten ab. Soweit für die Entscheidung
und die Leistungspflicht bis zum 30.06.2020 das Land C zuständig war (vgl. §
4 Abs.
2 Satz 1
OEG), ist gemäß §§
4 Abs.
2 Satz 2, 6 Abs.
1 Satz 1
OEG i.V.m. §
2 Abs.
1 Satz 1 ZustVO SER für die Zeit ab 01.07.2020 klargestellt, dass im Hinblick auf das Begehren der Kläger der Landschaftsverband
im Wege der Funktionsnachfolge zuständig geworden ist.
III. Die Berufung ist begründet. Die Kläger haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Hinterbliebenenleistungen
und werden durch den angefochtenen Bescheid nicht im Sinne des §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG beschwert. Dementsprechend war das Urteil des SG Dortmund vom 30.01.2018 zu ändern und die Klage abzuweisen.
1. Nach §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG erhält derjenige, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen
seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der
gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Diese Voraussetzungen sind angesichts des Umstandes, dass K Opfer eines Mordes wurde, ohne Zweifel erfüllt.
2. Der Anspruch der Kläger ist jedoch wegen Unbilligkeit im Sinne des §
2 Abs.
1 Satz 1
OEG ausgeschlossen. Gemäß §
2 Abs.
1 Satz 1
OEG sind Leistungen zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat (Alt. 1) oder wenn es aus sonstigen, insbesondere
in dem eigenen Verhalten des Anspruchsstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren (Alt. 2). Hinterbliebene
müssen sich - wie hier - das eine Versagung begründende Verhalten des Geschädigten entgegenhalten lassen, weil es sich um
Ansprüche handelt, die aus dem fraglichen Versorgungsverhältnis des Geschädigten abgeleitet werden (vgl. BSG, Urteil v. 21.10.1998 - B 9 VG 6/97 R; BSG, Urteil v. 13.08.1986 - 9a RVg 4/84).
Die Mitverursachung im Sinne von Alt. 1 des §
2 Abs.
1 Satz 1
OEG ist - als Sonderfall des in Alt. 2 geregelten Ausschlusses des Versorgungsanspruchs wegen sonstiger Unbilligkeitsgründe (sog.
"Unbilligkeitsgeneralklausel") - stets zuerst zu prüfen. Sie bestimmt abschließend, wann die unmittelbare Tatbeteiligung des
Geschädigten Leistungen ausschließt. Zum Bereich der unmittelbaren Tatbeteiligung gehören alle unmittelbaren, nach natürlicher
Betrachtungsweise mit dem eigentlichen schädigenden Tatgeschehen, insbesondere auch zeitlich eng verbundene Umstände. Alle
sonstigen, nicht unmittelbaren, sondern lediglich erfolgsfördernden Umstände - wie typischerweise die Vorgeschichte der Gewalttat
- sind im Rahmen der Alt. 2 zu prüfen (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil v. 29.03.2007 - B 9a VG 2/05 R, BSGE 98, 178 m.w.N. aus der Rspr.).
a) Zutreffend ist das SG in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des §
2 Abs.
1 Satz 1 Alt. 1
OEG nicht erfüllt sind. Denn unmittelbare, mit der Tatbegehung zeitlich eng verbundene Förderbeiträge des K, die eine zumindest
annähernd gleichwertige Bedingung neben dem Beitrag der H darstellten, lagen nicht vor. Die unmittelbar vor Tatbegehung getätigte
Aussage des K gegenüber H, sie werde ihn nicht loswerden, kann für sich genommen nicht als ein die Tat provozierender unmittelbarer
Förderbeitrag im vorbezeichneten Sinne qualifiziert werden.
b) Der von den Klägern erhobene Anspruch scheitert jedoch daran, dass Leistungen gemäß §
2 Abs.
1 Satz 1 Alt. 2
OEG zu versagen sind, weil sich eine Leistungsgewährung als unbillig darstellen würde. Unter diesen Versagenstatbestand sind
insbesondere die lediglich "mittelbaren" Ursachen der Gewalttat zu subsummieren. Umstände, die im Sinne der Alt. 2 nicht zum
Leistungsausschluss führen, können nicht allein, sondern nur unter Hinzutreten sonstiger Gründe zur Annahme einer Unbilligkeit
führen. Demnach kann ein Tatbeitrag eines Geschädigten, der unter der Schwelle versorgungsausschließender unmittelbarer Mitverursachung
bleibt, zusammen mit anderen Ursachen die Gewährung von Leistungen als unbillig erscheinen lassen. Gefordert ist dann, dass
die "sonstigen Umstände" zusammen mit dem für sich genommen nicht ausreichenden Tatbeitrag dem in der Alt. 1 genannten Grund
der Mitverursachung an Bedeutung annähernd gleichkommen. Zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unbilligkeit im
Sinne der Alt. 2 des §
2 Abs.
1 Satz 1
OEG hat das BSG in ständiger Rechtsprechung vier Fallgruppen gebildet, und zwar:
1. eine im Vorfeld der Tat liegende rechtsfeindliche Betätigung, mit der sich das spätere Opfer außerhalb der staatlichen
Gemeinschaft stellt,
2. die sozialwidrige, mit speziellen Gefahren verbundene Zugehörigkeit zum Kreis der Alkohol- oder Drogenkonsumenten, wenn
die Tat aus diesem Milieu entstanden ist,
3. das bewusste oder leichtfertige Eingehen einer Gefahr, der sich das Opfer ohne weiteres hätte entziehen können, es sei
denn, für dieses Verhalten läge ein rechtfertigender Grund vor sowie
4. eine durch die Versorgung entstehende Begünstigung des Täters (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil v. 29.03.2007 - B 9a VG 2/05 R, BSGE 98, 178 m.w.N. aus der Rspr.).
Unbilligkeit im Sinne des §
2 Abs.
1 Satz 1 Alt. 2
OEG kann sich auch aus Umständen außerhalb der skizzierten vier Fallgruppen ergeben (BSG, Urteil v. 06.07.2006 - B 9a 1/05 R, juris Rn. 16). Bei der Prüfung der Unbilligkeit sind daher die gesamten Aspekte des
Geschehens - z.B. Vorgeschichte und Ablauf der Tat, Persönlichkeit von Schädiger und Geschädigtem, Vorhersehbarkeit des Geschehens
für den Geschädigten - zu berücksichtigen (vgl. hierzu SG Dortmund, Urteil v. 02.04.2009 - S 18 VG 434/07, juris Rn. 35). Maßgebend sind damit letztlich stets die jeweiligen Verhältnisse des Einzelfalls (BSG, Urteil v. 06.07.2006 - B 9a 1/05 R, juris Rn. 16), so dass bei der Fallgruppe 1) entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen
Auffassung nicht ausschließlich auf milieuspezifische Gepflogenheiten und den daraus resultierenden, systemimmanent bestehenden
Gefahren für Leib und Leben abgestellt werden kann.
aa) Die Voraussetzungen der Fallgruppen 2) bis 4) sind nicht erfüllt. Allerdings hat sich K gegenüber H im Vorfeld der Tat
jahrelang rechtsfeindlich (Fallgruppe 1) betätigt, wobei nicht darauf abzustellen ist, ob die gegenüber H verübten Taten in
oder aus einem kriminellen Milieu - wie der organisierten Kriminalität in ihren zahlreichen Ausprägungen wie z.B. Drogen-
und Menschenhandel - verübt wurden. Denn die Vorwerfbarkeit ist unabhängig von einer bestimmten Milieuzugehörigkeit zu beurteilen.
Dabei legt der Senat den vom Landgericht Heilbronn festgestellten und auch im Tatbestand dieses Urteils skizzierten Sachverhalt
zugrunde.
(1) Demnach hat K gegenüber H u.a. die folgenden vorwerfbaren und in großen Teilen strafbewehrten Handlungen vorgenommen:
Forderung von Geld von H ohne Inhaber fälliger, einredefreier Ansprüche zu sein, verbunden mit der Drohung, für den Fall der
Nichtzahlung von ihm angefertigte anzügliche Fotos von H deren Ehemann und dessen Familie sowie der Familie der H in Syrien
zuzuspielen.
Annahme eines Schuldanerkenntnisses über 5.000,00 EUR ohne fälligen, einredefreien Anspruch. mehrfach gewaltsam erzwungener
Geschlechtsverkehr gegen den Willen der H, verbunden mit zahlreichen, teilweise erniedrigenden, im Einzelnen jedoch nicht
mehr vollständig aufklärbaren Fällen sexueller Demütigungen (vgl. S. 16 ff. des landgerichtlichen Urteils).
Ausnutzung von auch demütigenden sexuellen Praktiken, um den Druck auf H weiter zu erhöhen.
Forderung gegenüber H, sich für ihn zu prostituieren, wobei es insoweit nicht zur Vollendung kam.
häufige Nachstellungen/Beschattungen vor dem Wohnhaus der K.
Ausdehnung der Drohungen auf die Familie der H einschließlich der Androhung eines "Blutvergießens", wobei K überdies damit
drohte dem Ehemann der H Drogen unterzuschieben, die Vaterschaft für die Kinder der H zu behaupten und die noch in Syrien
lebenden Eltern der H aufgrund "politischer Beziehungen" zu kompromittieren.
Auflauern der ältesten Tochter vor der Schule.
(2) Unabhängig von der Frage, ob sich K im Rahmen eines kriminellen Milieus bewegt hat (was wohl zu verneinen sein dürfte),
hat er sich durch sein Vorverhalten, das sich u.a. durch fortgesetzte Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§
177 Abs.
1, 5
StGB) und gegen die persönliche Freiheit (§
240 StGB) sowie Vermögensdelikte (§
253 StGB) auszeichnet, in ganz erheblichem Maße über einen mehrjährigen Zeitraum gegenüber H rechtsfeindlich betätigt und damit eine
wesentliche Ursache für die spätere Gewalttat gesetzt. Selbst wenn K, wie sich insbesondere seiner Aussage gegenüber H unmittelbar
vor der Tat entnehmen lässt, ersichtlich nicht damit gerechnet hat, Opfer eines Mordanschlages zu werden, ergibt sich daraus
kein anderes Ergebnis. Insbesondere vor dem Hintergrund der Androhung weiterer erheblicher Straftaten (wie z.B. die Ankündigung
eines "Blutvergießens" im Hinblick auf Angehörige der H) musste K einen "Gegenschlag" in seine Überlegungen einbeziehen. Dass
er dies - möglicherweise aus einem Gefühl der eigenen Überlegenheit und Unangreifbarkeit heraus - tatsächlich nicht getan
hat, kann nicht zur Verneinung der Unbilligkeit führen.
(3) Darüber hinaus würde sich die Gewährung von Entschädigungsleistungen gerade angesichts der gegenüber H verübten massiven
Straftaten als unvereinbar mit dem Regelungszweck des
OEG darstellen. Den Staat und seine Einrichtungen trifft eine besondere Verantwortung für Personen, die durch eine vorsätzliche
Straftat geschädigt werden. Seine Aufgabe ist es, Bürger vor Gewalttätern zu schützen. Kann er diese Pflicht nicht erfüllen,
muss er sich für die Entschädigung verantwortlich fühlen (Entwurf eines
Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten, BT-Drs. 7/2506, S. 7). Dieser Regelungszweck gebietet es jedoch nicht, eine Entschädigung für diejenigen Opfer von Straftaten
vorzusehen, die zuvor selbst in massiver Weise über einen längeren Zeitraum in ganz erheblicher Weise Straftaten gegenüber
dem späteren Schädiger begangen und vielmehr noch die Begehung weiterer Straftaten angedroht haben (hier: Ankündigung eines
"Blutvergießens").
(4) Die Versagung von Hinterbliebenenleistungen wird nicht unter dem in dem angefochtenen Urteil diskutierten Gesichtspunkt
der "Strafrahmenäquivalenz" ausgeschlossen. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass der an K begangene Mord im Vergleich
zu den von ihm begangenen Straftaten den erheblicheren Rechtsguteingriff darstellt. Unbilligkeit im Sinne des §
2 Abs.
1 Satz 1 Alt. 2
OEG ist jedoch nicht erst dann anzunehmen, wenn der Geschädigte zuvor gegenüber dem späteren Schädiger vergleichbare Straftaten
begangen hat. Abzustellen ist nach der bereits zitierten Rechtsprechung des BSG vielmehr darauf, dass die "sonstigen Umstände" zusammen mit dem für sich genommen nicht ausreichenden Tatbeitrag dem in der
Alt. 1 genannten Grund der Mitverursachung an Bedeutung annähernd gleichkommen. Diesen Vorgaben ist nicht zu entnehmen, dass
die wechselseitig begangenen Delikte im Wesentlichen vergleichbar sein müssen (anderenfalls wäre es zu der hier zu beurteilenden
Konstellation gar nicht erst gekommen).
(5) Soweit das BSG in seiner Entscheidung vom 21.10.1998 (B 9 VG 6/97 R, juris Rn. 22) bei der Anwendung des §
2 Abs.
1 Satz 1 Alt. 2
OEG darauf abgestellt hat, dass der (dortige) Geschädigte im Vorfeld der Tat lediglich Straftatbestände der Beleidigung, der
Körperverletzung und der Bedrohung erfüllt und sich damit nicht außerhalb der Rechtsordnung bewegt habe, da lediglich ein
sich auf den engsten familiären Rahmen beschränkender Vater-Sohn-Konflikt ausgetragen worden sei, ist dies mit dem hier zu
beurteilenden Sachverhalt nicht zu vergleichen. Zwar spielte sich auch hier das "Kerngeschehen" im Rahmen einer quasi familiären
Beziehung ab. Allerdings hat K durch die von ihm begangenen Taten, bei denen es sich größtenteils um Offizialdelikte handelte,
teilweise ganz erhebliche Rechtsgutverletzungen (z.B. §
177 Abs.
1, 5, 12 Abs.
2 StGB) begangen, die sich sicherlich nicht als Ausdruck eines bisweilen mit wechselseitigen Beleidigungen und ggf. Bedrohungen
verbundenen "Beziehungskonflikts" charakterisieren lassen.
bb) Das die Tat fördernde Vorverhalten des K ist, wie bereits dargelegt, den Klägern zuzurechnen, da sie von K abgeleitete
Ansprüche auf Opferentschädigung geltend machen.
cc) Soweit die Kläger im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sowie im Rahmen dieses Rechtsstreits daran festgehalten haben,
H habe die meisten Beschuldigungen zu einem Bedrohungs- und Abhängigkeitsszenario erfunden, um ihre Rolle in dem Verhältnis
zu K herabzuspielen, sich selbst zu entlasten und von ihrem Mann nicht verstoßen zu werden, folgt der Senat dem nicht. Der
Senat schließt sich vielmehr den ausführlichen, insbesondere auch die subjektiven Gegebenheiten berücksichtigenden Feststellungen
des Landgerichts Heilbronn in dem Urteil vom 13.12.2012 an. Für die Glaubhaftigkeit der Angaben der H zur Vorgeschichte der
Tat spricht insbesondere, dass sie sich, wie das Landgericht Heilbronn ausgeführt hat, "die gesamte Hauptverhandlung hinweg
konstant und massiv selbst belastet hat". Sie hat Entlastungsmöglichkeiten, wie z.B. bei der Frage der Schwurgerichtskammer
nach einem Streit vor der Schussabgabe, der möglicherweise das Mordmerkmal der Heimtücke hätte entfallen lassen können, nicht
wahrgenommen, sondern ist vielmehr bei ihren die Heimtücke im Sinne des §
211 Abs.
2 StGB begründenden Einlassungen verblieben.
Ebenso wenig findet sich ein objektiver Anhaltspunkt dafür, dass das Landgericht Heilbronn lediglich "im Zweifel" davon ausgegangen
ist, dass sich der Sachverhalt auf die in seinem Urteil festgestellte Weise zugetragen hat. Wie bereits dargelegt, hat das
Landgericht die Einlassungen der H für glaubhaft gehalten und dies im Urteil entsprechend festgestellt. Ein Hinweis dafür,
dass der weitere (nicht an diesem Rechtsstreit beteiligte) Sohn des K und der Kläger zu 2) den Hauptverhandlungsterminen vor
dem Landgericht I ferngeblieben sind, weil sie H nicht gegenübertreten wollten, findet sich in dem Urteil vom 13.12.2012 nicht.
Das Landgericht ist vielmehr davon ausgegangen, dass "beide mit vorgeschobenen Gründen zur Hauptverhandlung nicht erschienen
sind". Im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf die Beweiswürdigung des Landgerichts Heilbronn auf S. 51 bis 60 des Urteils vom
13.12.2012 und macht sich diese zu eigen. Angesichts der landgerichtlichen Feststellungen und Beweiswürdigung sah sich der
Senat nicht zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen gedrängt. Etwaige Beweisanträge haben sich mit dem vorbehaltlosen Einverständnis
der Beteiligten zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erledigt (vgl. Bergner, in: jurisPK-
SGG, §
124 Rn. 85 m.w.N.).
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
V. Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden (§
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG).