Tatbestand
Der am 00.00.1946 geborene Kläger begehrt Beschädigtenversorgung nach dem
Opferentschädigungsgesetz (
OEG) im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X).
Zur Begründung seines Antrags vom 21.10.2005 hatte der Kläger vorgetragen, er habe über Jahre in verschiedenen Heimen körperliche
und sexuelle Gewalt erlitten. Im Einzelnen gab er an: In der Zeit vom 29.04.1959 bis zum 31.12.1960 in M habe ihn ein gewisser
Bruder I o.ä. während der Aufsicht oder bei sonstiger Gelegenheit mit dem Schlüssel auf den Kopf geschlagen, so dass er immer
Beulen gehabt und teilweise sogar geblutet habe. Wenn er zum Beispiel nicht habe essen wollen, habe er Ohrfeigen erhalten
und ein Lehrer habe sein Ohr so kräftig gedreht, dass es zum Teil eingerissen sei. Wenn er die Tonleiter nicht beherrscht
habe, habe ein Musiklehrer mit dem Rohrstock auf seine Hände geschlagen, so dass diese tagelang dick und geschwollen gewesen
seien. Von älteren Zöglingen und vom Sohn des Heimleiters sei er sexuell missbraucht worden. In der Zeit vom 07.04. bis 04.08.1961
sei er im Landeserziehungsheim C von den älteren Zöglingen missbraucht worden. Außerdem seien Misshandlungen und Züchtigungen
an der Tagesordnung gewesen. In der Zeit vom 04.08.1961 bis 23.07.1963 auf dem C habe es häufig sexuelle Übergriffe von Mitzöglingen
gegeben sowie Prügel durch die Erzieher. In der Zeit vom 24.07.1963 bis zum 30.09.1964 in F sei einer der Schwachsinnigen
bei einem Wutanfall immer mit Spaten und Mistgabel auf ihn losgegangen. Wenn er sich beschwert habe, habe er noch Prügel durch
das Pflegepersonal bekommen. Er leide heute noch an Depressionen, Aggressivität sowie Alpträumen und vermeide große Menschenmengen.
Den Grad der Behinderung (GdB) hatte das Amt für soziale Angelegenheiten U mit Bescheid vom 06.08.2002 mit 30 festgestellt,
und zwar für folgende Beeinträchtigungen:
"Wirbelsäulenleiden, Skoliose, degenerative Veränderungen mit Bandscheibenvorfall L5/S1" (GdB 30) sowie "Funktionsminderung
der Hüft- und Kniegelenke bei Arthrose" (GdB 10). Unter zusätzlicher Berücksichtigung der Beeinträchtigung "Kleinhirnläsion
mit neurologischen Defiziten der rechten Körperhälfte" (GdB 30) wurde der GdB mit Bescheid vom 17.07.2003 auf 40 erhöht. Im
anschließenden Rechtsstreit S 5 SB 374/03 Sozialgericht Trier legte der Kläger eine Bescheinigung des Neurologen und Psychiaters S (13.04.2004) vor. Herr S führt u.a.
aus, es handele sich um progrediente Hirnleistungsstörungen mit Einschränkung der Konzentration und insbesondere des Kurzzeitgedächtnisses
bei wohl vaskulären ischämischen Hirnläsionen mit unklarem raumfordernden Prozess im Bereich des rechten Kleinhirns. Psychopathologisch
beständen eine leichte depressive Stimmungslage, Verlangsamung und erschwerte Umstellfähigkeit sowie Einschränkungen der Konzentration
und Merkfähigkeit und nicht unerhebliche Einschränkungen der Ausdauer und Belastbarkeit. Der Beklagte übersandte hierzu die
versorgungsärztliche Stellungnahme vom 06.07.2004. In dieser heißt es, die neurologische Einschränkung sei als Hirnschaden
mit geringer Leistungsbeeinträchtigung mit einem GdB von 30-40 zu bewerten und die psychopathologischen Einschränkungen als
leichtere psychovegetative Störung mit einem GdB von 20. Für die Beeinträchtigung "Kleinhirnläsion mit neurologischen Defiziten
der linken oberen Extremität und der rechten Körperhälfte, Sehstörungen, psychische Minderbelastbarkeit" ergebe sich danach
ein GdB von 40. In Ausführung eines im Rahmen eines Rechtsstreites beim Sozialgericht Trier angenommenen Teilanerkenntnisses
erging der Ausführungsbescheid vom 20.09.2004, mit dem der GdB ab 19.05.2003 mit 50 festgestellt wurde. Aufgrund des Änderungsantrages
vom 30.03.2005 zog das Amt für soziale Angelegenheiten U das Rentengutachten von Dr. L vom 14.02.2005 von der Landesversicherungsanstalt
Rheinland-Pfalz bei. In dem Gutachten wird die Stimmungslage als niedergeschlagen beschrieben mit deutlichen Hinweisen auf
Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörung. Es werden unter anderem eine Kleinhirnläsion mit neurologischen Defiziten diagnostiziert
sowie ein depressives Syndrom. In dem Gutachten heißt es weiter, im Vordergrund der Symptomatik stehe offensichtlich die fortschreitende
Hirnleistungsstörung mit Einschränkung der Konzentration, insbesondere des Kurzzeitgedächtnisses. Weiterhin bestehe eine depressive
Stimmungslage, insgesamt eine Verlangsamung, Einschränkung von Konzentration und Merkfähigkeit sowie eine nicht unerhebliche
Einschränkung auch der Ausdauer und Belastbarkeit. In der eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme (29.04.2005) blieb
es bei der bisherigen Beurteilung. Der Änderungsantrag des Klägers wurde daraufhin mit Bescheid vom 01.06.2005 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2005 abgelehnt. Aufgrund des Änderungsantrages vom 26.11.2012 holte der Kreis M einen
Befundbericht des Hausarztes des Klägers Dr. N ein (06.12.2012). In der hierzu eingeholten gutachtlichen Stellungnahme (01.01.2013)
werden folgende Beeinträchtigungen genannt: "Funktionseinschränkung der Wirbelsäule mit Muskel- und Nervenreizungen" (GdB
30), "Funktionsminderung der Hüft- und Kniegelenke" (GdB 10) sowie "Kleihirnläsion mit neurologischen Defiziten der linken
oberen Extremität und der rechten Körperhälfte, Sehstörungen, psychische Minderbelastbarkeit" (GdB 40). Der Gesamt-GdB wurde
weiterhin mit 50 bewertet.
In der Opferentschädigungsangelegenheit teilte der Kläger dem Versorgungsamt Bielefeld telefonisch mit, er leide unter psychischen
Folgen, befinde sich deswegen allerdings nicht in Behandlung. Er könne nicht viele Leute um sich haben. Auch im Restaurant
sitze er immer an der Tür. Eine Mietwohnung könne er nicht ertragen, weil er die Regeln einer Hausordnung nicht aushalte.
Herr M vom Landschaftsverband habe zugegeben, dass in den Heimen solche Zustände geherrscht hätten. Die Akten enthalten des
Weiteren Schreiben des Herrn M, Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Abteilung Landesjugendamt und Westfälische Schulen (14.09.
und 22.12.2005). Im Schreiben vom 22.12.2005 heißt es u.a., in vielfältigen Kontakten zu ehemaligen Heimkindern/Fürsorgezöglingen
habe es viele Rückmeldungen über körperliche und seelische Misshandlungen durch die Bediensteten in den Einrichtungen gegeben.
Mit Bescheid vom 16.06.2006 lehnte das Versorgungsamt Bielefeld den Antrag des Klägers auf Beschädigtenversorgung nach dem
OEG ab. Zur Begründung ist unter anderem ausgeführt, die Härtefallregelung des §
10 a OEG finde Anwendung, da Gewalttaten vor 1976 vorgetragen worden seien. Der Antrag sei jedoch schon nach §
1 Abs.
1 S. 1
OEG nicht begründet. Es könne dahinstehen, ob die vorgetragenen Gewalttaten tatsächlich stattgefunden hätten, ob hierdurch gegebenenfalls
eine gesundheitliche Schädigung eingetreten sei und ob heute tatsächlich eine dauerhafte psychische Erkrankung vorliege. Jedenfalls
sei der ursächliche Zusammenhang zwischen der gesundheitlichen Schädigung und der psychischen Erkrankung nicht wahrscheinlich.
Der Kläger habe nach eigenen Angaben bis zum 21. Lebensjahr im Heim gelebt. Den Antrag auf Versorgung nach dem
OEG habe er erst mit 59 Jahren gestellt. Für die Ausbildung psychischer Krankheiten seien viele Faktoren (wie Veranlagung, Umwelteinflüsse,
Lebensführung und andere schicksalhafte Vorgänge) ursächlich. Je länger der zeitliche Abstand zwischen der Gewalttat und dem
Ausbruch einer psychischen Erkrankung sei, umso weniger spreche für die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs
zwischen der Gewalttat und der Erkrankung. Bei einem zeitlichen Abstand von mindestens 38 Jahren sei der ursächliche Zusammenhang
keineswegs mehr wahrscheinlich. Hinzu komme, dass der Lebenslauf des Klägers nach den Heimaufenthalten zusätzlich eine Vielzahl
belastender Faktoren aufweise.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er machte geltend, in den Heimen habe er sehr viel Gewalt und sexuellen Missbrauch
erlebt. Hierunter leide er heute noch. Er habe Angst vor Behörden und könne nie mehr als fünf Minuten in geschlossenen Räumen
sein. Vor der Antragstellung habe er von der Möglichkeit einer Opferentschädigung nichts gewusst. Nach seiner Haft versuche
er jetzt seit 18 Jahren ein normales Leben zu führen. Aber Angst und Depressionen seien seine ständigen Begleiter.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2006 wies der Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf die Ausführungen im angefochtenen
Bescheid zurück.
Im Klageverfahren S 15 VG 158/06 Sozialgericht Detmold hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Er hat u.a. vorgetragen, obwohl der Sozialminister des
Landes Nordrhein-Westfalen im Jahre 1950 das Schlagen verboten habe, sei es weiter gegangen, bis er 1966 aus dem Heim entlassen
worden sei. Der Kläger übersandte u.a. einen Ausdruck des Schreibens des Sozialministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom
10.02.1950 an die Heime für schulentlassene Jungen und Schulkinder.
Im Vorprozess hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Facharzt für Neurologie, Psychiatrie
und Psychotherapie H (29.01.2007). Der Sachverständige hat die Beurteilung abgegeben, keine der Gesundheitsstörungen des Klägers
sei mit Wahrscheinlichkeit zumindest annähernd gleichwertig neben anderen Ursachen auf die körperlichen und sexuellen Gewalterfahrungen
während des Heimaufenthalts zurückzuführen. Beim Kläger liegen nach den Ausführungen des Sachverständigen eine leicht ausgeprägte
Angststörung (im Sinne einer Agoraphobie mit soziophoben Elementen) vor sowie eine schizoide Persönlichkeit. Es handele sich
(insgesamt) um eine leichtere psychische Störung, die nach Ziffer 26.3 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit
im sozialen Entschädigungsrecht einen Einzel-GdB von 10 nach dem Schwerbehindertenrecht rechtfertige. Im Rahmen der schizoiden
Persönlichkeit habe sich bei der Untersuchung durch den Sachverständigen deutlich eine emotionale Distanziertheit gezeigt,
ohne dass bedeutsame depressive Beschwerden beschrieben worden seien oder sich im psychischen Befund abgebildet hätten. Merkfähigkeit
und Konzentration hätten sich im Wesentlichen unauffällig gezeigt. Die Angstsymptomatik beschränke sich im Wesentlichen auf
das Meiden größerer Supermärkte oder anderer Menschenansammlungen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen H werden in
der medizinischen Wissenschaft für die Entstehung von Persönlichkeitsstörungen verschiedene Ursachen genannt. Der Sachverständige
führt weiter aus, dass die entwicklungsgeschichtliche Erfahrung des Klägers wesentlich an der Ausbildung der psychischen Störung
mitbeteiligt sei. Die Einschätzung sei aufgrund des erheblichen zeitlichen Abstands der angegebenen Erfahrungen zu den jetzigen
Symptomen mit erheblicher Ungewissheit verbunden. Insbesondere sei nicht dokumentiert, ob die beschriebenen Symptome wirklich
schon seit der Jugend beständen. Es sei unwahrscheinlich, dass die vom Kläger vorgetragenen Übergriffe während der Heimaufenthalte,
soweit sie als rechtswidrig einzuschätzen seien, als wesentliche Teilursache zur Ausbildung der jetzigen psychischen Störung
beigetragen hätten. Der Kläger habe über die gesamte Entwicklung vom Kleinkindalter bis zum jungen Erwachsenenalter (etwa
28 Jahre) eine Vielzahl traumatisierender Erfahrungen gemacht, die nicht als Folge von Straftaten anzusehen seien. Er habe
berichtet, bereits im Alter von drei Jahren von seiner Mutter getrennt worden und erstmalig in ein Kinderheim gekommen zu
sein. In der Zeit etwa vom 7./8. bis 12./13. Lebensjahr habe er ständig auf der Hut vor dem jähzornigen Lebensgefährten seiner
Mutter sein müssen. Die Unterbringung im Behindertenheim F sowie mehrere Inhaftierungen habe er ebenfalls als traumatisierend
erlebt. Ein Zusammenhang der beim Kläger vorliegenden organischen Erkrankungen (Kleinhirnschädigung unklarer Ursache, leichte
Schwäche und Koordinationsstörungen der rechten Körperhälfte; Bandscheibenleiden, Hüft- und Kniegelenksarthose beidseits)
mit körperlichen und sexuellen Gewalterfahrungen während des Aufenthalts in Heimen sei mit Sicherheit zu verneinen. Im Urteil
vom 25.04.2007 ist die 15. Kammer des Sozialgerichts Detmold der Beurteilung des Sachverständigen gefolgt und hat die Klage
abgewiesen.
Am 28.11.2012 beantragte der Kläger erneut Opferrente nach dem
OEG. Er gab an, mehr als 12 Jahre im Heim gewesen zu sein. Er sei gedemütigt, geschlagen und sexuell missbraucht worden (bis
zur Vergewaltigung). Die richtige Traumatisierung sei wieder aufgekommen, seitdem er im Petitionsausschuss des Bundestages
über den Leidensweg in Erziehungsheimen Bericht erstattet habe. Er übersandte ein neuropsychologisches Gutachten von Univ.-Prof.
Dr. N1 (27.10.2012). In dem Gutachten heißt es u.a., Traumatisierungen würden häufig erst nach Jahrzehnten manifest. Jahrzehntelange
Bindungsangst sei eine der negativen Folgen der Heimerziehung. Eine Traumatisierung durch die vielfältigen, sehr negativen
Erlebnisse (z.B. Abschiebung aus dem Elternhaus, Prügelstrafe, sexueller Missbrauch, vielfacher Freiheitsentzug) sei durchaus
möglich. Es sei plausibel, dass der Kläger mangels Verhaltensalternativen delinquent geworden sei. Hier sei ein Leben von
Anfang an auf eine falsche Weiche gefahren. Man sollte einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den psychischen Erkrankungen
und im Grunde auch den körperlichen Schäden und der Heimerziehung und den damit verbundenen traumatischen Ereignissen annehmen.
Spätere traumatische Erlebnisse - einschließlich Gefängnisaufenthalt - wären bei positiver Heimumgebung nicht aufgetreten.
Die körperlichen und psychischen Veränderungen, die letztendlich zur Schwerbehinderung geführt hätten, seien allein auf die
Heimerziehung und die mit den Heimaufenthalten verbundenen negativen Erfahrungen zurückzuführen. Die organischen Schäden (Bandscheibenleiden,
Hüft- und Kniegelenksarthrosen beidseits) seien insofern ursächlich auf die Heimerziehung zurückführbar, als der Kläger ohne
die stark benachteiligenden Erfahrungen der Heimerziehung mit Sicherheit ein anderes Leben geführt, andere Berufe ergriffen
und stärker auf seine Gesundheit geachtet hätte.
Mit Bescheid vom 20.12.2012 lehnte der Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 16.06.2006 in der Form des Widerspruchsbescheides
vom 10.08.2006 gemäß § 44 SGB X ab. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt, Prof. Dr. N1 befasse sich in dem vorgelegten Gutachten hauptsächlich mit dem Zusammenhang
von frühkindlicher Prägungsphase und späterem Lebensverlauf. Grundsätzlich ergäben sich aus dem Gutachten keine neuen Anhaltspunkte,
die darauf hinweisen könnten, dass ein Zusammenhang zwischen gesundheitlicher Schädigung und der heute bestehenden dauerhaften
psychischen Erkrankung bestehe. Ohnehin fehle es an der nach §
10 a OEG erforderlichen Schwerbeschädigung.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er machte geltend, die Voraussetzungen des §
10 a OEG lägen vor. Er sei schwerbeschädigt mit einem GdB von 50. Die Schwerbeschädigung gehe zurück auf die Ereignisse im Rahmen
seiner Heimaufenthalte. In der Zeit zwischen dem 29.04.1959 und dem 01.07.1966 habe er verschiedene Kinder- und Jugenderziehungsheime
sowie die Einrichtung F besucht. In seiner Zeit in den Heimen sei er auf menschenverachtende Art und Weise erzogen, "ausgebildet"
und behandelt worden. Es sei bekannt, dass es allgemein zu körperlichen, sexuellen und psychischen Übergriffen auf die Heimkinder
in dieser Zeit gekommen sei. Der kausale Bezug zwischen den Schädigungen in den Heimen und dem GdB ergebe sich aus dem Gutachten
von Prof. Dr. N1.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt,
vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriffe gegen die Person des Klägers hätten sich nicht nachweisen lassen, d.h. es habe
sich nicht zweifelsfrei feststellen lassen, was sich tatsächlich ereignet habe. Unabhängig davon, ob die vorgetragenen Gewalttaten
tatsächlich stattgefunden hätten und ob hierdurch ggf. eine gesundheitliche Schädigung eingetreten sei, sei letztlich von
entscheidender Bedeutung, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen einer heute bestehenden psychischen Gesundheitsstörung
und einer damals ggf. erlittenen gesundheitlichen Schädigung nicht wahrscheinlich sei. Insoweit sei auch das Gutachten von
Universitätsprofessor Dr. N1 als Beweismittel nicht geeignet. Es gebe nach wissenschaftlicher Lehrmeinung grundsätzlich kein
psychopathologisches Symptom und keine psychische Störung, von dem bzw. der aus spezifisch auf ein Ereignis in der Vergangenheit
zurückgeschlossen werden könne. Die Feststellung eines GdB nach dem Schwerbehindertenrecht sei für dieses Verfahren nicht
ausschlaggebend. Denn nach dem Schwerbehindertenrecht würden schädigungsabhängige und schädigungsunabhängige Gesundheitsstörungen
in der Gesamtheit bewertet. Abschließend werde nochmals auf die Urteilsgründe im Urteil vom 25.04.2007 in dem Rechtsstreit
S 15 VG 158/06 Sozialgericht Detmold Bezug genommen.
Mit der zum Sozialgericht (SG) Detmold erhobenen Klage hat der Kläger weiterhin Entschädigung nach dem
OEG in Verbindung mit dem BVG begehrt und vorgetragen, er sei während seiner Unterbringung in Heimen im Zeitraum vom 29.04.1959 bis 01.07.1966 sexuell,
körperlich und psychisch misshandelt worden. Über das Gutachten von Universitätsprofessor Dr. N1 werde der kausale Bezug zwischen
der bei ihm vorliegenden Schwerbehinderung und seinen Heimaufenthalten hergestellt. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. N1
sei die Zeit als Heimkind sowohl für die psychischen als auch für die körperlichen Schädigungen ursächlich. Dies betreffe
sein Wirbelsäulenleiden, seine Skoliose, die Funktionsminderung der Hüft- und Kniegelenke bei Arthrose mit Ausstrahlung in
die Extremitäten, seine raumfordernde Kleinhirnläsion rechts, seine depressive Symptomatik mit Niedergeschlagenheit und Konzentrationsstörungen,
seine Gedächtnisstörungen, seine Ein- und Durchschlafstörungen und seine Sehschwächen. Während seiner Heimzeit sei er gerade
auch im Wachstum massiv körperlich gezüchtigt worden. Er habe nicht ausreichend ausgewogenes Essen bekommen und gerade auch
in der Wachstumszeit wie ein Erwachsener arbeiten müssen. Der daraus resultierende körperliche Verschleiß sei zwischenzeitlich
wissenschaftlich belegt. Sein posttraumatisches Belastungssyndrom habe er nicht überwunden. Nach wie vor könne er sich nicht
in engen Räumen aufhalten und auch keine Räumlichkeiten mit Menschenansammlungen (z.B. Wartezimmer bei einem Arzt oder einem
Rechtsanwalt) aufsuchen. Prof. Dr. N1 habe im Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. U diverse Mängel feststellen können.
Hieraus ergäben sich Ergänzungsfragen an den Sachverständigen Prof. Dr. U. Auf die vom Kläger vorgelegte Stellungnahme von
Prof. Dr. N1 zum Gutachten von Prof. Dr. U wird Bezug genommen. Weiter trägt der Kläger vor, das Gutachten von Prof. Dr. N1
genüge sehr wohl den allgemeinen Anforderungen an ein Sachverständigengutachten. Prof. Dr. N1 sei ein äußerst anerkannter
Mediziner auf seinem Gebiet. Er habe auch keine unterschiedliche Tatsachengrundlage angenommen im Vergleich zu Prof. Dr. U.
Der Beklagte hat vorgetragen, der Nachweis eines anspruchsbegründenden Tatbestandes im Sinne von §
1 Abs.
1 OEG sei nicht geführt. Die Erkrankungen des Klägers seien nicht mit Wahrscheinlichkeit auf körperliche und sexuelle Gewalterfahrungen
während des Aufenthalts in Heimen zurückzuführen. Auch sei der Kläger hinsichtlich der psychischen Gesundheitsstörungen keinesfalls
schwerbeschädigt. Die Stellungnahme von Prof. Dr. N1 sei nicht geeignet, das Gutachten von Prof. Dr. U zu entkräften. Auf
die vom Beklagten übersandte gutachtliche Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Sozialmedizin Dr. T
(04.02.2015) wird verwiesen.
Das Gericht hat die Gerichtsakten S 15 VG 158/06 Sozialgericht Detmold beigezogen und die Schwerbehindertenrechtsakten des Kreises M sowie die Gerichtsakten S 5 SB 374/03 Sozialgericht Trier eingesehen. Hiervon sind die Beteiligten benachrichtigt worden. Der wesentliche Inhalt der Gerichtsakten
S 5 SB 374/03 Sozialgericht Trier ist den Beteiligten zur Kenntnis übersandt worden. Dem Beklagten ist auch der wesentliche Inhalt der
Schwerbehindertenrechtsakten zur Auswertung in Kopie übersandt worden. Des Weiteren hat das Gericht ein psychiatrisches Gutachten
eingeholt von Prof. Dr. U, Chefarzt des Klinikums für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Klinikums F (17.11.2014).
Schließlich ist eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. U eingeholt worden zur Stellungnahme von Prof.
Dr. N1 zum Gutachten und zu den vom Kläger gestellten Ergänzungsfragen (17.08.2015). Auf das Gutachten und auf die ergänzende
Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. U wird verwiesen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 27.10.2015 als unbegründet abgewiesen und dazu ausgeführt:
"Die Klage ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet.
Der Kläger ist durch den Bescheid vom 20.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.04.2013 nicht beschwert im Sinne
des §
54 Abs.
2 S. 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG), denn dieser Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte den Bescheid vom 16.06.2006
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2006 gemäß § 44 SGB X zurücknimmt und ihm Versorgung nach dem
OEG i.V.m. dem BVG gewährt. Die gesetzlichen Voraussetzungen des §
1 Abs.
1 i.V. m. der Härteregelung des §
10 a OEG liegen nicht vor. Insbesondere ist der Kläger nicht allein infolge der vorgetragenen Schädigungen während seiner Heimaufenthalte
schwerbeschädigt.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden
sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen
(§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Es lässt sich nicht feststellen, dass der Beklagte bei Erlass des Bescheides vom 16.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 10.08.2006 das Recht unrichtig angewandt hat oder von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweist.
Nach §
10 OEG gilt dieses Gesetz für Ansprüche aus Taten, die nach seinem Inkrafttreten begangen worden sind. Darüber hinaus gelten die
§§ 1 bis 7 für Ansprüche aus Taten, die in der Zeit vom 23. Mai 1949 bis 15. Mai 1976 begangen worden sind, nach Maßgabe der
§§ 10 a und 10 b. Personen, die in der Zeit vom 23.05.1949 bis 15.05.1976 geschädigt worden sind, erhalten nach der Härteregelung
des §
10 a OEG auf Antrag nur dann Versorgung, solange sie allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt und bedürftig sind und im Geltungsbereich
dieses Gesetzes ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. §
10 a OEG ist im vorliegenden Fall anwendbar. Denn der Kläger macht geltend, während seiner Aufenthalte in Heimen vom 29.04.1959 bis
01.07.1966 geschädigt worden zu sein. Ein Anspruch auf Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) setzt nach §
10 a OEG i.V.m. §
1 Abs.
1 OEG eine gesundheitliche Schädigung infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen die Person des Klägers
oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr voraus. Für die Entscheidung dieses Rechtsstreits kommt es nicht
darauf an, ob der Kläger während der Heimaufenthalte ab dem 12. Lebensjahr Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe
gegen die Person geworden ist. Denn es lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass der Kläger allein infolge der angegebenen
Schädigungen schwerbeschädigt ist.
Für einen Anspruch auf Versorgung nach dem
OEG reicht es nicht aus, dass der Kläger während seiner Heimaufenthalte körperlich misshandelt und sexuell missbraucht worden
ist. Der Kläger schildert tätliche Übergriffe während der Heimaufenthalte ab dem 12. Lebensjahr. Zeugenaussagen liegen nicht
vor. Wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Klägers verloren gegangen sind, sind
die Angaben des Klägers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, nach § 15 des Gesetzes
über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen
des Falles glaubhaft erscheinen. Unter Berücksichtigung der bekannt gewordenen Zustände in den Heimen zu damaliger Zeit kann
wohl davon ausgegangen werden, dass auch der Kläger Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe gegen seine Person
geworden ist. Dies kann jedoch dahinstehen. Denn jedenfalls fehlt es an weiteren Voraussetzungen für einen Anspruch auf Versorgung
nach dem
OEG. Voraussetzung ist nämlich außerdem, dass der Kläger wegen der körperlichen Misshandlungen und des sexuellen Missbrauchs
während der Heimaufenthalte eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat und allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt
ist. Schwerbeschädigung liegt vor, wenn ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 50 festgestellt ist, wobei ein
bis zu 5 vom Hundert geringerer GdS mit umfasst ist (§
1 Abs.
1 OEG i. V. mit § 31 Abs. 2 und § 30 Abs. 2 BVG). Dass der Kläger schwerbehindert ist (Grad der Behinderung von 50) reicht zur Erfüllung der Voraussetzungen des §
10 a OEG nicht aus. Der Kläger muss vielmehr allein infolge der vorgetragenen Schädigungen während der Heimzeit schwerbeschädigt sein.
Hierfür ist Voraussetzung, dass eine Schwerbeschädigung mit Wahrscheinlichkeit zumindest annähernd gleichwertig neben anderen
Ursachen auf die vorgetragenen körperlichen und sexuellen Gewalterfahrungen während des Aufenthalts in Heimen zurückzuführen
ist. Dies ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht der Fall.
Bei keiner der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen ist es wahrscheinlich, dass sie ursächlich im Sinne der Entstehung
oder Verschlimmerung auf die vom Kläger vorgetragenen körperlichen und sexuellen Gewalterfahrungen während seiner Heimaufenthalte
ab dem 29.04.1959 zurückzuführen ist.
Dies steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. U. Das Gutachten ist unter
Berücksichtigung der vorliegenden medizinischen Unterlagen nach eingehender Untersuchung und Befunderhebung erstattet worden.
Es ist schlüssig und überzeugend begründet, so dass die Kammer keine Bedenken hat, sich ihm anzuschließen. Auf psychiatrischem
Gebiet liegen beim Kläger danach ab Januar 2008 folgende Gesundheitsstörungen vor: Dysthymie (im Sinne einer chronischen,
leicht ausgeprägten depressiven Verstimmung), Angststörung (mit sozialphobischen und agoraphobischen Symptomen) sowie kombinierte
Persönlichkeitsstörung. Diese Gesundheitsstörungen sind nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr.
U nicht mit Wahrscheinlichkeit im Sinne der Entstehung oder Verschlimmerung auf die vom Kläger angegebenen körperlichen und
sexuellen Gewalterfahrungen während des Aufenthalts in Heimen ab dem 29.04.1959 zurückzuführen. Der Sachverständige weist
darauf hin, dass der Kläger niemals in seinem Leben -und schon gar nicht in seinen frühesten Jahren, die nach allen Erkenntnissen
von entscheidender Bedeutung für die weitere Entwicklung der Persönlichkeit seien- stabile Beziehungspersonen gehabt habe.
Die Ereignisse ab dem 12. Lebensjahr stellten seiner Ansicht nach nicht die entscheidende Traumatisierung dar. Weitaus schwerer
wögen die extreme frühkindliche Vernachlässigung sowie die anhaltenden und schweren innerfamiliären Gewalterfahrungen durch
den Partner der Mutter in den Jahren vor dem Heimaufenthalt ab dem 12. Lebensjahr. Diese Beurteilung hält die Kammer im Hinblick
auf die Angaben in den Gutachten von Prof. Dr. U und von Herrn H zum Lebenslauf des Klägers für überzeugend. Der Sachverständige
Prof. Dr. U führt hierzu aus, der Kläger habe angegeben, er kenne seinen Vater nicht. Durch Hörensagen habe er erfahren, dass
dieser englischer Besatzungssoldat gewesen sei. Als der Ehemann seiner Mutter 1949 aus der Gefangenschaft zurückgekehrt sei,
sei seine Mutter mit einer Halbschwester schwanger gewesen. Diese habe wiederum einen anderen leiblichen Vater gehabt. Damit
konfrontiert, dass seine Frau in seiner Abwesenheit insgesamt drei Kinder von unterschiedlichen Vätern zur Welt gebracht habe,
solle deren Ehemann alle aus seinem Haus geworfen haben. Der Kläger sei im Alter von etwa 3 oder 4 Jahren ins Q-heim nach
E gekommen, gemeinsam mit seinen Geschwistern. Über detaillierte Erinnerungen an diese frühen Jahre verfüge er nicht. Ganz
diffuse Erinnerungen habe er an die Einschulung in eine Sonderschule in Detmold, darunter auch Erinnerungen an sexuelle Belästigungen.
Etwa im Alter von 7 oder 8 Jahren sei er zur Mutter zurückgekehrt, die damals auf einem Bauernhof gelebt habe. Die Verhältnisse
seien alles andere als gut gewesen. Eine Schwester sei wegen Verwahrlosung von der Polizei abgeholt worden und sei nie wieder
nach Hause zurückgekehrt. Auch eine weitere Schwester sei ins Heim gekommen. Gegenüber dem Sachverständigen H hatte der Kläger
darüber hinaus angegeben, der Stiefvater habe oft mit dem Beil alles kaputt geschlagen. Die Mutter sei mit den Kindern oft
zur 6 Kilometer entfernten Großmutter geflohen. Er könne sich erinnern, dass er regelmäßig mit Kleidung ins Bett gegangen
sei, damit die Mutter und die Kinder schneller hätten fliehen können. Einmalig habe der Lebensgefährte der Mutter ihn krankenhausreif
geschlagen und er sei drei Wochen im Krankenhaus behandelt worden. Im Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. U heißt es
weiter, als letztes der Kinder sei der Kläger selbst im Alter von knapp 13 Jahren wegen "Verwahrlosung" in ein Heim in Ennepetal
(M) gekommen. Zwischen den Gewalttaten und dem Auftreten der Symptome liege ein ungewöhnlich langer Zeitraum. Es gebe aber
durchaus Spätfolgen früher Traumatisierungen, die dann aufträten, wenn die lebenslang bestehenden funktionalen und dysfunktionalen
Bewältigungsmechanismen versagten. Grund für dieses Versagen könnten z.B. beginnende hirnorganische Beeinträchtigungen sein,
die es Menschen schwerer machten, mit ihren Erlebnissen aus Kindheit und Jugend fertig zu werden. Dass der Kläger seine Erfahrungen
während seiner zahllosen Gefängnisaufenthalte subjektiv als gleichermaßen traumatisierend erlebe, unterstreiche, dass nicht
allein die Gewalterfahrungen in den Heimen für sein subjektives Leiden verantwortlich seien, sondern dass dabei viele unterschiedliche
Faktoren eine Rolle spielten. Mit den Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. N1 stimme er nicht überein. Dieser habe gerade
den frühkindlichen Teil der Biographie weitgehend unberücksichtigt gelassen hinsichtlich der spezifischen Auswirkungen. Gerade
hier handele es sich um die vulnerabelste Zeit in der Entwicklung eines Menschen, in der grundliegende zwischenmenschliche
Fähigkeiten wie Vertrauen, Empathie und Selbstsicherheit erworben würden. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.08.2015
hat der Sachverständige Prof. Dr. U die Ergänzungsfragen des Klägers beantwortet, die sich auf die Anmerkungen von Prof. Dr.
N1 zum Gutachten von Prof. Dr. U beziehen. Der Sachverständige Prof. Dr. U weist darauf hin, dass das Rentengutachten von
Dr. L und das Gutachten des Sachverständigen H zu völlig unterschiedlichen Fragestellungen erstattet worden sind. Insoweit
ist in der Stellungnahme von Prof. Dr. N1 ausgeführt worden, das Gutachten von Dr. L sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die
Voraussetzungen für eine Vollzeitrente vorlägen (Gesamt-GdB 50). Der Sachverständige Prof. Dr. U hat in seiner ergänzenden
Stellungnahme hierzu zutreffend darauf hingewiesen, dass die Frage nach der Ursache der beschriebenen Störungen im Rentenverfahren
keine Rolle spielt. Die Höhe des Gesamt-GdB ist für den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente im Übrigen nicht von Bedeutung.
Weiter führt der Sachverständige aus, den Bericht des Neurologen und Psychiaters S aus dem Jahre 2004 habe er berücksichtigt.
Er habe darauf hingewiesen, dass sich hieraus keine Anhaltspunkte für das Vorliegen alltagsbeeinträchtigender traumaspezifischer
psychischer Störungen ergäben. Die wesentlichen Angaben aus dem Bericht von Herrn S sind im Übrigen im Gutachten auf Seite
4 und 5 zitiert. Zur Frage 3, die sich auf die Ermittlung der Konzentrationsleistung des Klägers bezieht, hat der Sachverständige
ausgeführt, dass die Erstellung des psychopathologischen Befundes gemäß den Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft für Methodik
und Dokumentation in der Psychiatrie erfolgt sei. Bei der Beurteilung der Konzentrationsleistung in der freien Exploration
sei es nicht zum Auftreten von Konzentrationsstörungen gekommen, die in irgendeiner Weise die Kommunikation behindert hätten.
Drei Fehler seien dem Kläger bei der Aufgabe unterlaufen, die Monatsnamen in umgekehrter Reihenfolge aufzusagen. Bei der Nennung
eines falschen Monats sei der Kläger nur auf den Fehler hingewiesen worden und er habe sich selbst korrigiert. Zu Fragen hinsichtlich
vom Sachverständigen angegebener möglicher Verdeutlichungstendenzen und der Ausprägung der sozialen Phobie führt der Sachverständige
aus, Selbstbeurteilungsfragebögen enthielten Aussagen eines Menschen über sich selbst. Sie böten grundsätzlich immer die Gefahr
einer Antwortverzerrung. Bei der Offenheitsskala habe der Kläger einen niedrigen Wert erreicht. In einem solchen Fall rieten
die Testautoren zur Vorsicht bei der Interpretation der Skalen. Der Sachverständige schließe aus, dass der Kläger eine extrem
ausgeprägte soziale Phobie aufweise. Wenn ein Mensch mit einer sozialen Phobie keine Probleme angebe, vor einer großen Gruppe
von Menschen zu sprechen oder sich beim Kellner über das Essen zu beschweren, sei dies mit der Annahme einer schwersten sozialen
Phobie nicht zu vereinbaren. Im Übrigen habe der Sachverständige nicht zum Ausdruck gebracht, dass mit Sicherheit Verdeutlichungstendenzen
vorlägen, sondern er habe auf die Möglichkeit einer solchen Antwortverzerrung hingewiesen. Das Ergebnis der Liebowitz-Skala
habe er relativiert, weil es im Widerspruch zu den Selbstaussagen in einem anderen Fragebogenverfahren (FPI-R) stehe. Er weist
darauf hin, dass die unreflektierte Übernahme von Selbstaussagen im Übrigen die Bestellung von neutralen Sachverständigen
überflüssig machen würde. Selbst wenn man die "Testergebnisse" unreflektiert übernähme, wäre damit noch nichts über den kausalen
Zusammenhang ausgesagt. Auch ohne die Relativierung der "Testergebnisse" hätte er die Frage nach dem Kausalzusammenhang nicht
anders beantwortet. Soweit er im Gutachten ausgeführt habe, rein "querschnittsmäßig" lägen kein erheblicher von der Norm abweichender
psychopathologischer Befund vor sowie keine gravierenden kognitiven Defizite, beziehe sich dies auf die in der unmittelbaren
Explorationssituation erhobenen Befunde. Dort seien keine depressiven oder ängstlichen Symptome aufgefallen. Die unter Berücksichtigung
der anamnestischen Angaben festgestellten Normabweichungen hätten zu der erfolgten diagnostischen Einschätzung geführt. Der
Sachverständige weist noch einmal darauf hin, dass in seinen Augen die bis zum 12. Lebensjahr anhaltende massive innerfamiliäre
Vernachlässigung von herausragender Bedeutung sei, da es sich hierbei um die vulnerabelste Zeit in der Entwicklung eines Menschen
handele. In Übereinstimmung mit Prof. Dr. N1 habe er im Gutachten ausführlich dargelegt, dass frühkindliche Traumatisierungen
entscheidenden Einfluss auf das spätere Leben von Menschen haben könnten. Heimaufenthalte ab dem 12. Lebensjahr könnten sicherlich
nicht als "frühkindliche" Erfahrungen gewertet werden. Beweisfrage sei nicht gewesen, ob die Möglichkeit bestehe, dass die
gegenwärtigen gesundheitlichen Probleme auf seine Unrechtserfahrung während der Heimzeit ab dem 12. Lebensjahr zurückzuführen
seien. Die Beweisfrage, ob bei den Gesundheitsstörungen mehr für als gegen die Annahme eines Kausalzusammenhangs spreche oder
die zur Rede stehenden Schädigungen als annähernd gleichwertig zu sehen seien, habe er verneint. Mit den Ausführungen des
Sachverständigen H stimme er im Wesentlichen überein.
Des Weiteren hat der Sachverständige Prof. Dr. U ausgeführt, er halte aufgrund allgemeiner medizinischer Erfahrungssätze einen
kausalen Zusammenhang zwischen den festgestellten degenerativen Skelettveränderungen sowie dem diagnostizierten Kleinhirntumor
einerseits und den spezifischen Heimerfahrungen andererseits für ausgeschlossen. Auch der Sachverständige H hatte in seinem
Gutachten vom 29.01.2007 ausgeführt, ein Zusammenhang der organischen Erkrankungen mit den körperlichen und sexuellen Gewalterfahrungen
während des Aufenthalts in Heimen sei mit Sicherheit zu verneinen. Die Kammer schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen
der Sachverständigen an. Soweit Prof. Dr. N1 ausführt, ohne den Heimaufenthalt hätte der Kläger andere Berufe ergriffen und
stärker auf seine Gesundheit geachtet, so dass Bandscheibenleiden, Hüft- und Kniegelenksarthrosen auf die Heimerziehung zurückzuführen
seien, lässt sich hiermit ein Anspruch nach dem
Opferentschädigungsgesetz nicht begründen. Nach §
1 OEG müssen die Gesundheitsstörungen auf vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriffe gegen die Person zurückzuführen sein, nicht
auf die Umstände der Heimerziehung als solche. Einen Zusammenhang degenerativer Veränderungen des Skeletts mit massiver körperlicher
Züchtigung hält die Kammer in Übereinstimmung mit den Sachverständigen nicht für wahrscheinlich. Im Übrigen wird der GdB von
50 auch erst durch die neurologischen Auswirkungen des Kleinhirntumors erreicht. Insoweit hat auch der Kläger nicht dargelegt,
wie ein Zusammenhang dieses Leidens mit körperlichen Misshandlungen und sexuellem Missbrauch in Heimen hergestellt werden
soll.
Selbst wenn man die psychischen Gesundheitsstörungen des Klägers auf tätliche Übergriffe und sexuellen Missbrauch während
der Heimaufenthalte ab dem 12. Lebensjahr zurückführte, ergäbe sich kein Anspruch auf Versorgung nach dem
OEG. Denn der Kläger ist nicht allein infolge der psychischen Schädigung schwerbeschädigt. Der Kläger ist schwerbehindert mit
einem GdB von 50. Die Einsichtnahme in die Schwerbehindertenrechtsakten des Kreises M hat ergeben, dass der Änderungsantrag
des Klägers vom 26.11.2012 mit Bescheid vom 09.01.2013 abgelehnt worden ist. In der zugrundeliegenden gutachtlichen Stellungnahme
(01.01.2013) sind folgende Beeinträchtigungen genannt
Funktionseinschränkung der Wirbelsäule mit Muskel- und Nervenreizungen (GdB 30) Funktionsminderung der Hüft- und Kniegelenke
(GdB 10)
Kleinhirnläsion mit neurologischen Defiziten der linken oberen Extremität und der rechten Körperhälfte, Sehstörungen, psychische
Minderbelastbarkeit (GdB 40).
Eine erhebliche Verschlechterung der bekannten Erkrankungen sei aus den vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar. Der Gesamt-GdB
wurde wie bisher mit 50 bewertet. Auf die "psychische Minderbelastbarkeit" entfiel unter Berücksichtigung der versorgungsärztlichen
Stellungnahme vom 06.07.2004, die in dem Rechtsstreit S 5 SB 374/03 Sozialgericht Trier übersandt worden war, ein GdB von 20. Berücksichtigung fanden hierbei die in der Bescheinigung des Facharztes
für Neurologie und Psychiatrie S vom 13.04.2004 beschriebenen Befunde, die als leichtere psychovegetative Störungen angesehen
wurden. Der Sachverständige H hat in seinem Gutachten vom 29.01.2007 die von ihm diagnostizierten Erkrankungen "leicht ausgeprägte
Angststörung im Sinne einer Agoraphobie mit soziophoben Elementen" und "schizoide Persönlichkeit" zusammenfassend sogar lediglich
mit einem GdB von 10 bewertet. Unter Berücksichtigung der Ausführungen im Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. U hält
das Gericht die Bewertung der beim Kläger vorliegenden psychischen Störung mit einem GdB von 50 für ausgeschlossen. Voraussetzung
für einen GdB von 50 ist nach Teil B Ziffer 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung) eine schwere psychische Störung (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Der
Sachverständige Prof. Dr. U führt aus, bei der Untersuchung habe sich kein erheblich von der Norm abweichender psychopathologischer
Befund ergeben. Die Stimmungslage sei im Wesentlichen situationsadäquat und ausgeglichen und der Antrieb unauffällig gewesen.
Es liege eine Dysthymie vor, also eine eher chronische und leicht ausgeprägte depressive Verstimmung. Soweit der Kläger sich
in Fragebögen als einen überaus ängstlichen und misstrauischen Menschen geschildert habe, sei dies kaum mit seinen öffentlichen
Auftritten in Einklang zu bringen. Eine schwerste soziale Phobie hat der Sachverständige auch in seiner ergänzenden Stellungnahme
verneint. Der Kläger habe viele Radio-, Fernseh- und Zeitungsinterviews gegeben und sei von anderen Betroffenen häufig als
Ratgeber angesprochen worden. Die damit verbundenen öffentlichen Auftritte hätten für ihn eine gewisse, aber immer überwindbare
Belastung dargestellt. Dass es sich bei der Persönlichkeitsstörung um eine schwere Störung handelt im Sinne von Teil B Ziffer
3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze lässt sich aus den Gutachten nicht entnehmen. Zu einer psychiatrischen oder psychotherapeutischen
Behandlung ist es nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. U bis jetzt nicht gekommen und eine solche wird vom
Kläger auch nicht angestrebt. Der Sachverständige H hat die von ihm diagnostizierte "schizoide Persönlichkeit" lediglich mit
einem GdB von 10 bewertet."
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitige Berufung des Klägers, der beantragt,
1.
Das Urteil des Sozialgerichts Detmold (AZ.: S 15 VG 19/13) wird aufgehoben.
2.
Der Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 16.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2006 zurückzunehmen
und dem Berufungskläger unter Aufhebung des Bescheides vom 20.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.04.2013
Versorgung nach dem
OEG in Verbindung mit dem BVG ab 01.01.2008 zu gewähren.
3.
Die außergerichtlichen Kosten auch im Berufungsverfahren zu tragen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger und der Sachverständige Dr. U sind im Berufungsverfahren ergänzend gehört worden. Auf die Niederschrift vom 14.11.2016
wird Bezug genommen. Im Übrigen wird auf die Gerichts- und die übrigen beigezogenen Akten verwiesen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Es ist kein Grund für eine rechtliche oder tatsächliche Falschbehandlung der Sache
in erster Instanz ersichtlich. Auf das angefochtene Urteil wird Bezug genommen. Der Kläger selbst hat eingeräumt, dass er
noch vor der Zeit, für die er Misshandlungen geltend macht, aus seiner Herkunftsfamilie genommen wurde. Das bestätigen die
überzeugenden Ausführungen von Dr. U, auf die verwiesen wird.