Vergütung Sachverständiger im sozialgerichtlichen Verfahren
Bestimmung nach Zeitaufwand beim Fehlen einer Leistung in der Anlage 2 zum JVEG
Gründe
Die nach Maßgabe von § 4 Abs. 3 JVEG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde, über die der Senat mangels besonderer Schwierigkeiten rechtlicher oder
tatsächlicher Art oder grundsätzlicher Bedeutung durch den Vorsitzenden als Einzelrichter entscheidet (§ 4 Abs. 7 JVEG), ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Vergütung des Sachverständigen für das unter dem 01.06.2017 erstattete arbeitsmedizinische
Gutachten zu Recht auf 2633,40 Euro festgesetzt.
Nachdem die beschwerdeführende Staatskasse in ihrer Beschwerdebegründung vom 21.08.2018 ihr Begehren dahingehend beschränkt
hat, dass sie sich lediglich gegen die Festsetzung einer 1139,72 Euro übersteigende Vergütung wendet, sind zwischen den Beteiligten
nur die in der eingereichten Rechnung des Sachverständigen als "Laboruntersuchungen" bezeichneten Kostenpositionen "Paraffinentfernung
mittels Lösemittel" (vom Sachverständigen insoweit ursprünglich angesetzt: 50,00 Euro je Gewebeblock x 8 = 400,00 Euro), "methodisch
und zeitlich aufwändiges präanalytisches Aufschlussverfahren des Gewebematerials ("naßosidativer Aufschluss")" (vom Sachverständigen
insoweit angesetzt: 8 x 96,00 Euro = 768,00 Euro) und "Cadmiumanalyse mittels GF-ASS in der Aufschlusslösung" (vom Sachverständigen
insoweit angesetzt; 28,30 Euro x 8 = 226,40 Euro) sowie die darauf entfallende Umsatzsteuer streitig. Gegen die übrigen vom
Sachverständigen angesetzten Kostenpositionen (Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten, Ausarbeitung und Beurteilung sowie
Diktat und Korrektur in Höhe von insgesamt 800,00 Euro, Dokumentenpauschale in Höhe von 13,50 Euro und Porto in Höhe von 6,00
Euro) nebst Umsatzsteuer macht die beschwerdeführende Staatskasse keine Einwände mehr geltend. Die Entscheidung des Sozialgerichts
ist insoweit auch nicht zu beanstanden.
Das Sozialgericht hat im Ergebnis auch zutreffend erkannt, dass dem Sachverständigen auch für die streitigen Kostenpositionen
der volle von ihm geltend gemachte Vergütungsanspruch zusteht.
1. Der Vergütungsanspruch des Sachverständigen für die "Paraffinentfernung mittels Lösemittel" richtet sich nach §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 JVEG und damit nach der einschlägigen Honorargruppe und der für die Gutachtenerstellung erforderlichen Zeit. § 10 Abs. 1 JVEG, wonach sich, soweit ein Sachverständiger oder ein sachverständiger Zeuge Leistungen erbringt, die in der Anlage 2 bezeichnet
sind, das Honorar oder die Entschädigung nach dieser Anlage bemisst, steht dem nicht entgegen. Denn die "Paraffinentfernung
mittels Lösemittel" ist in der Anlage 2 zum JVEG nicht bezeichnet. Der insoweit allein in Betracht kommende "Abschnitt 3 Untersuchungen, Blutentnahme" enthält keine Ziffer,
der die "Paraffinentfernung mittels Lösemittel" zugeordnet werden könnte. Die betreffende Leistung des Sachverständigen stellt
letztlich eine Vorbereitungshandlung für die anschließende Untersuchung des Gewebematerials, das aus den Paraffinblöcken gelöst
wird, dar und lässt sich nicht unter eine der Ziffern 300 bis 307 der Anlage 2 zum JVEG subsumieren.
Wie auch die beschwerdeführende Staatskasse erkennt, muss, wenn, wie hier, eine besondere Leistung des Sachverständigen nicht
in der Anlage 2 zum JVEG aufgeführt ist, die Vergütung nach dem Zeitaufwand bestimmt werden. Der Sachverständige hat insoweit in seinem Schriftsatz
vom 12.12.2019 vorgetragen, dass für die "Paraffinentfernung mittels Lösemittel" insgesamt 4 Stunden anzusetzen seien. Es
besteht kein Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben des Sachverständigen zu zweifeln, zumal die beschwerdeführende Staatskasse
insoweit auch nichts vorgetragen hat. Dieser Zeitaufwand kann dem Arbeitsschritt "Zeitaufwand für Untersuchung und Anamnese"
(vgl. zu den Arbeitsschritten, in die der Vergütungsanspruch eines Sachverständigen nach der ständigen Rechtsprechung zu gliedern
ist, z.B. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 25.02.2005 - L 4 B 7/04 -, juris Rn. 22 ff. m.w.N.) zugeordnet werden. Unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen zu Recht angesetzten Honorargruppe
M 3 ergibt sich insoweit deshalb ein Vergütungsanspruch i.H.v. 400,00 Euro.
2. Demgegenüber richtet sich die Vergütung für das "methodisch und zeitlich aufwändige präanalytische Aufschlussverfahren
des Gewebematerials ("naßosidativer Aufschluss")" und die "Cadmiumanalyse mittels GF-ASS in der Aufschlusslösung" nach § 10 Abs. 1 JVEG i.V.m. der Anlage 2 zum JVEG.
Einschlägig ist insoweit Ziffer 302 ("Mikroskopische, physikalische, chemische, toxikologische, bakteriologische, serologische
Untersuchung, wenn das Untersuchungsmaterial von Menschen oder Tieren stammt"), denn der Sachverständige hat mit dem präanalytisches
Aufschlussverfahren des Gewebematerials und der anschließenden Cadmiumanalyse in der Aufschlusslösung eine physikalische bzw.
chemische Untersuchung menschlichen Gewebes vorgenommen. Nach Ziffer 302 der Anlage 2 zum JVEG beträgt das Honorar je Organ oder Körperflüssigkeit 5,00-60,00 Euro. Nach Ziffer 303 beträgt das Honorar allerdings bis zu
1.000,00 Euro, wenn die Leistung der in Ziffer 302 genannten Art außergewöhnlich schwierig oder umfangreich ist.
Nach diesen Vorschriften sind die vom Sachverständigen für die genannten Untersuchungen insgesamt angesetzten 994,40 Euro
angemessen und nicht zu beanstanden.
Insoweit kann dahinstehen, ob der bisherigen Rechtsprechung des Senats und des 4. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen
zu folgen ist, wonach der in der Anlage 2 zum JVEG genannte Vergütungsrahmen zumindest zunächst durch den 1,3fachen Satz der einschlägigen Ziffer der Gebührenordnung für Ärzte (GoÄ) zu bestimmen ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 08.08.1989 - L 4 (5) S 19/88 -; ebenso ähnlich LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.06.2018 - L 10 KO 1935/18 -, juris Rn. 7), und ob, wovon offensichtlich die beschwerdeführende Staatskasse ausgeht, einem Sachverständigen
die Vergütung insoweit versagt werden kann, wenn er die einschlägige GoÄ-Ziffer nicht nennt. In jedem Fall lassen sich weder
das präanalytische Aufschlussverfahren des Gewebematerials noch die Cadmiumanalyse in der Aufschlusslösung einer GoÄ-Ziffer
zuordnen. In diesem Fall scheidet die GoÄ als Grundlage für die Konkretisierung des Vergütungsrahmens von vornherein aus.
Einem Sachverständigen kann in einem solchen Fall auch nicht zugemutet werden, eine GoÄ-Ziffer zu benennen oder ausdrücklich
zu erklären, dass die GoÄ insoweit keinen Tatbestand bereithält.
Ebenso braucht nicht entschieden zu werden, ob für die hier vom Sachverständigen vorgenommene Untersuchung von Nierengewebe
im Rahmen von Ziffer 302 darauf abzustellen ist, dass die Untersuchung nur ein Organ betraf, wie die beschwerdeführende Staatskasse
meint, oder ob im Hinblick darauf, dass die insgesamt 8 untersuchten Gewebeproben jeweils in Flüssigkeit gelöst wurden, von
8 Körperflüssigkeiten auszugehen ist. In jedem Fall liegt hier eine außergewöhnlich schwierige und umfangreiche Untersuchung
vor, die den Ansatz des Vergütungsrahmens der Ziffer 303 rechtfertigt. Der Sachverständige hat in seinem Schriftsatz vom 13.09.2018
im Einzelnen dargelegt, dass es sich bei der vorgenommenen Metallanalytik nicht um eine Routineleistung handele, die standardmäßig
von konventionellen Laboren angeboten werden könne. Vielmehr sei eine spezielle Expertise notwendig, über die er aufgrund
seiner Promotion und einiger Publikationen verfüge. Der Senat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Ausführungen des
Sachverständigen zu zweifeln, zumal die beschwerdeführende Staatskasse insoweit auch keine substantiierten Einwände geltend
gemacht hat. Über Ziffer 303 kann auch eine Untersuchung mehrerer Gewebeproben ein und desselben Organs abgebildet werden,
weil es sich zwanglos um eine besonders umfangreiche Untersuchung handelt.
Im Hinblick auf die von dem Sachverständigen vorgenommene spezielle und auch komplexe Analyse hat der Senat auch keine Bedenken,
den Vergütungsrahmen der Ziffer 303 weitgehend auszuschöpfen.
3. Mithin stehen dem Sachverständigen neben den unstreitigen 819,50 Euro weitere 1.394,40 Euro sowie die auf beide Kostenpositionen
zu entrichtende Umsatzsteuer, also insgesamt 2634,54 Euro als Vergütung zu. Soweit das Sozialgericht der Rechnung des Sachverständigen,
der Umsatzsteuer für Porto und Verpackung nicht geltend gemacht hat, folgend lediglich 2633,40 Euro festgesetzt hat, ist die
beschwerdeführende Staatskasse insoweit nicht beschwert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG, §
177 SGG).