Streit über das Bestehen der Versicherungspflicht der Klägerin in der Krankenversicherung der Rentner
Prüfung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V
Fehlender Nachweis der erforderlichen Vorversicherungszeit
Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten
Erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in der Ukraine
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Bestehen der Versicherungspflicht der Klägerin in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).
Die am 00.00.1946 geborene Klägerin nahm nach ihren Angaben erstmals am 01.02.1971 eine Erwerbstätigkeit in ihrem Heimatland
Ukraine auf. Im Januar 1999 siedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland über. Ab dem 03.02.1999 war sie hier behördlich
gemeldet. In der Folgezeit bezog sie Leistungen der Sozialhilfe und ab dem 01.01.2005 Arbeitslosengeld II. Bis zu dessen Tod
am 09.06.2008 pflegte sie ihren pflegebedürftigen (ersten) Ehemann. Seit dem 14.08.2009 ist sie in zweiter Ehe verheiratet.
Der jetzige Ehemann ist aufgrund beamtenrechtlicher Regelungen beihilfeberechtigt.
Die Klägerin ist seit 2009 bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Seit dem 01.01.2012 erhält sie von der Deutschen
Rentenversicherung Leistungen der Regelaltersrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres mit einem monatlichen Zahlbetrag von
aktuell ca. 18 EUR.
Die Beklagte teilte der Klägerin durch Bescheid vom 15.02.2012 mit, dass eine Versicherungspflicht in der KVdR nicht eingetreten
sei. Sie erfülle nicht die notwendigen Vorversicherungszeiten, denn sie sei nicht seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
(Beginn der Rahmenfrist) bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Gesamtzeitraumes
gesetzlich versichert gewesen.
Zur Begründung ihres dagegen gerichteten Widerspruchs wies die Klägerin darauf hin, sie habe vor der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
in der Bundesrepublik Deutschland wegen einer Erkrankung ihres damaligen Ehemannes dessen Pflege übernehmen müssen. Beim Sozialamt
I sei ihr zugesichert worden, die Pflege würde wie richtige Arbeit bewertet. Die Jahre der Pflege würden später zählen. Krankenscheine
habe sie vom Sozialamt erhalten, später sei sie mit Beginn der Harz IV-Leistungen gesetzlich krankenversichert gewesen. Auch
im Jahre 2006 sei ihr seitens der Stadt I mitgeteilt worden, sie müsse sich keine Sorgen machen, da sie später Geld erhalten
werde. Erstmals nach dem Tod ihres ersten Ehemannes habe sie einen Versicherungsverlauf erhalten, der lediglich für die Jahre
2005 und 2006 Pflichtbeiträge aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld II ausgewiesen habe. Hinsichtlich der Pflichtbeiträge
für die Pflegetätigkeit sei ein (zwischenzeitlich für die Klägerin erfolglos beendetes) Klageverfahren bei dem Sozialgericht
Dortmund anhängig. Daher müssten für die Zeit vom 31.01.1999 bis ca. 31.12.2004 entsprechende Nachweise erbracht werden können.
Vor ihrer Zuwanderung in die Bundesrepublik Deutschland habe sie über Jahre hinweg in einem damaligen Staatsbetrieb gearbeitet.
Eine Krankenversicherung habe es dort nicht gegeben. Eine den gesetzlichen Regelungen entsprechende Nachweisführung sei daher
nicht möglich. Gleichwohl sei die Situation als Einzelfall zu berücksichtigen. Denn ihr sei es aus von ihr nicht beeinflussbaren
Gründen verwehrt gewesen, eine dem deutschen System vergleichbare Absicherung zu erhalten und dies jetzt nachzuweisen. Sonderregelungen
wie sie z.B. für Spätaussiedler gölten, seien analog anzuwenden, um die Aufnahme in die KVdR nach den gesetzlichen Bestimmungen
zu gewähren.
Die Beklagte erläuterte die Rechtslage mit Schreiben vom 19.03.2012, 04.05.2012 und 08.12.2012 und zog einen Versicherungsverlauf
der Deutschen Rentenversicherung vom 20.02.2013 bei. Beitrags- und Beschäftigungszeiten aus Beschäftigung in der Ukraine wurden
danach im Rahmen der Rentenberechnung nicht berücksichtigt. Die Klägerin überreichte eine Aufstellung über Beschäftigungsnachweise
lt. Arbeitsbuch (erstmalige Beschäftigung danach seit dem 01.02.1971 im Industriebau).
Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 04.06.2013 als unbegründet zurück. Die
erforderliche Vorversicherungszeit von 18 Jahren, fünf Monaten und 16 Kalendertagen sei nicht nachgewiesen. Zu berücksichtigen
seien allein Vorversicherungszeiten in der gesetzlichen Krankenversicherung. Daher sei unbeachtlich, ob für die Klägerin aufgrund
der Pflege ihres verstorbenen Ehemannes Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestanden und die Stadt
I für die streitbefangenen Zeiten Rentenversicherungsbeiträge nachzuzahlen habe. Eine Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten
im Rahmen des §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V komme in Betracht, soweit diese Zeiten durch überstaatliches Recht oder durch ein zwischenstaatliches Sozialversicherungsabkommen
gleichgestellt seien. Mit der Ukraine bestehe kein Sozialversicherungsabkommen. Daher könnten in der Ukraine zurückgelegte
Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten nicht mit deutschen Versicherungszeiten zusammengerechnet werden. Die Vorschrift
des §
5 Abs.
1 Nr.
12 SGB V, die z.B. für Spätaussiedler gelte, sei auf die Klägerin nicht anwendbar. Dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass
die Klägerin erst seit dem 01.01.2012 im Rentenbezug stehe. Der Ausgangsbescheid sei jedoch insoweit abzuändern, als die Rahmenfrist
und die erforderliche Vorversicherungszeit ausgehend von der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit am 01.02.1971 zu
bestimmen sei.
Mit ihrer am 14.06.2013 beim Sozialgericht Dortmund erhobenen Klage hat die Klägerin an ihrem Begehren festgehalten. Sie hat
zur Begründung ausgeführt: Die Festlegung des Beginns der Rahmenfrist auf eine Tätigkeitsaufnahme in einem Staat, in dem überhaupt
kein gesetzliches Krankenversicherungssystem existiere, sei unzulässig. Die maßgebliche Rahmenfrist könne daher nicht mit
einem Zeitpunkt vor der Ankunft in Deutschland festgelegt werden. In Deutschland habe sie jedoch keine Erwerbstätigkeit aufgenommen,
so dass die Rahmenfrist erst mit dem Tag der erneuten Eheschließung am 14.08.2009 beginne. Eine Familienversicherung bestehe
nicht, da der Ehemann als Polizeibeamter tätig sei. Daher sei sie seit der Heirat durchgehend als freiwilliges Mitglied bei
der Beklagten versichert. Die erforderliche Vorversicherungszeit sei mithin erfüllt. Dies ergebe sich auch dann, wenn der
Beginn der Rahmenfrist mit dem Tag der Ankunft in Deutschland beginne.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 15.02.2012 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 04.06.2013 festzustellen,
dass sie Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) der Beklagten ist.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zwar habe die Klägerin zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 09.02.2012 ihren Wohnsitz bereits länger als zehn Jahre im
Bundesgebiet gehabt. Sie zähle jedoch nicht zum Personenkreis des §
5 Abs.
1 Nr.
12 SGB V; die Fiktion, dass die Vorversicherungszeiten für die Halbbelegung bis zum Zeitpunkt der Verlegung des Wohnortes aus der
Ukraine nach Deutschland erfüllt seien, trete nicht ein. Der Beginn der Rahmenfrist könne somit nicht auf den Tag der Einreise
in die Bundesrepublik Deutschland am 31.12.1998 festgesetzt werden. Für die Festsetzung des Beginns der Rahmenfrist sei die
erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu ermitteln. Nur wenn eine eigene Erwerbstätigkeit nicht aufgenommen worden sei,
gelte als Beginn der Rahmenfrist der Tag der Eheschließung bzw. - wenn eine Ehe nicht bestanden habe - die Vollendung des
18. Lebensjahres. Ein Günstigkeitsvergleich sei hierbei nicht vorgesehen. Da die Klägerin eine eigene Erwerbstätigkeit aufgenommen
habe, scheide der Tag der (zweiten) Eheschließung als Beginn der Rahmenfrist aus. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) sei das Merkmal "erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit" gebietsneutral zu verstehen.
Das Sozialgericht hat am 14.02.2014 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit dem Beteiligten durchgeführt. Die Klägerin
hat in diesem Termin ausweislich des Sitzungsprotokolls erklärt, sie wolle eine Entscheidung aufgrund ihrer sehr geringen
Rente und des sehr hohen Beitrages zur freiwilligen Krankenversicherung, bei der auch noch die Hälfte des Einkommens ihres
Ehemannes zur Anrechnung gelangen, der sie allerdings andererseits nicht mit versichern könne. Die Beteiligten haben sich
mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.03.2014 ohne mündliche Verhandlung abgewiesen und ausgeführt:
Die Klägerin sei nicht versicherungspflichtig in der KVdR. Maßbeglich sei die sich aus dem Arbeitsbuch der Klägerin ergebende
erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit am 01.02.1971 in der Ukraine. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebe sich keine Beschränkung
des Begriffs der "Erwerbstätigkeit" auf das Inland. Somit ist das Merkmal gebietsneutral zu verstehen. Es umfasse mithin jede
Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unabhängig davon, ob sie inner- oder außerhalb des Geltungsbereiches des
SGB V erfolgt sei (Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 08.11.1983 - 12 RK 12/83, nach [...]). Hierfür sprächen entscheidend die Entstehungsgeschichte und der Zweck der Regelung in §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V (und dessen Vorgängernormen). Der Gesetzgeber habe nur die Rentner in die KVdR einbeziehen wollen, die während mindestens
der Hälfte ihres Erwerbslebens Mitglied eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen seien, wobei die Art der
Versicherung - Pflicht- oder freiwillige Versicherung - unerheblich sei. Bei der Ermittlung der Rahmenfrist dürften deshalb
auch solche Zeiten nicht ausgeklammert werden, in denen der Rentner, wie in der Regel bei einer Erwerbstätigkeit im Ausland,
keine Möglichkeit gehabt habe, der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung anzugehören, oder in denen er diese Möglichkeit
zwar gehabt habe, von ihr aber - ggf. aus verständlichen Gründen - keinen Gebrauch gemacht habe. Die objektive (rechtliche
oder tatsächliche) Unmöglichkeit, während eines Aufenthalts im Ausland Beiträge zur deutschen Krankenversicherung zu entrichten
und dadurch einen Solidarbeitrag zur deutschen Krankenversicherung zu leisten, rechtfertige mithin keine Verkürzung der gesetzlichen
Rahmenfrist und der nach ihr zu berechnenden Halbbelegung. Denn die betreffenden Rentner dürften nicht besser behandelt werden
als Rentner, die stets im Bundesgebiet erwerbstätig gewesen seien, wegen der Art ihrer Tätigkeit (z. B. Selbstständige oder
Beamte) jedoch keine Möglichkeit gehabt hätten, sich in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern. Härtefälle würden
insoweit allein dadurch ausgeglichen, dass nur die Hälfte des Erwerbslebens mit Versicherungszeiten belegt zu sein brauche.
Eine generelle Einbeziehung ausländischer Vorversicherungszeiten widerspräche zudem dem Zweck, den der Gesetzgeber mit der
Neuregelung des in der KVdR pflichtversicherten Personenkreises und der Forderung nach vorangegangener Teilnahme des Rentners
am "intertemporalen Solidarausgleich" verfolge. Diesem werde grundsätzlich nur die Mitgliedschaft bei einem innerstaatlichen
Krankenversicherungsträger gerecht. Denn nur über eine solche Mitgliedschaft könne der Rentner während einer ausreichend langen
Zeit seines Erwerbslebens die Defizite der Rentnerkrankenversicherung durch eigene Beitragszahlung mitfinanziert haben. Es
spiele vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Entscheidung des Rechtsstreits keine Rolle, ob im
Herkunftsland ein gesetzliches Krankenversicherungssystem bestanden habe oder ob - wie hier - eine Art freie Heilfürsorge
zur Verfügung gestellt worden sei. Als Rahmenfrist ergebe sich der Zeitraum vom 01.02.1971 bis zum 09.02.2012. In der zweiten
Hälfte dieser Frist, ab dem 06.08.1991, sei die Klägerin lediglich ab dem 01.01.2005 und damit erkennbar weniger als neun
Zehntel des Teilzeitraumes gesetzlich versichert gewesen.
Gegen das der Klägerin am 15.04.2014 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 08.05.2014. Die grundsätzlichen Erwägungen
des Sozialgerichts seien zwar richtig, aber die Anwendung auf die hier gegebene Konstellation sei falsch. Das Sozialgericht
verkenne die rechtliche wie die tatsächliche Situation. Das Sozialgericht vermische unzulässigerweise eine Erwerbstätigkeit
im Herkunftsland mit einer vorübergehenden Tätigkeit im Ausland, beispielsweise einer befristeten Tätigkeit eines Deutschen
außerhalb des Bundesgebietes. Ein dem deutschen Sozialversicherungssystem ähnliches System habe in der Ukraine nicht existiert,
ihr sei es objektiv nicht möglich gewesen, vor der Einreise in das deutsche Bundesgebiet in die gesetzliche Krankenversicherung
einzutreten. Das frühere Sozialversicherungsabkommen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Sowjetunion sei
zum 31.12.1995 abgelaufen. Bei den seitdem zwischen der Bundesregierung und der Ukraine laufenden Vertragsverhandlungen sei
nicht absehbar, wann es zu einer Unterzeichnung kommen werde. Sofern der Beginn der Rahmenfrist nicht mit dem Tag der Eheschließung
am 14.08.2009 bestimmt werden könne, könne die Rahmenfrist frühestens mit Ankunft in der Bundesrepublik Deutschland zum 31.12.1998
beginnen, da der Zeitraum einer Tätigkeit in einem Land, in dem eine gesetzliche Krankenversicherung überhaupt nicht existiere,
nicht in die Wertung einbezogen werden dürfe. Eine andere Bewertung würde gegen den verfassungsrechtlich normierten Gleichheitsgrundsatz
verstoßen. Dies ergebe sich aus der Vorschrift des §
5 Abs.
1 Nr.
12 SGB V. Selbst wenn man auf die Aufnahme der Tätigkeit in der Ukraine am 01.02.1971 abstelle, müsse der Zeitraum bis zur Einreise
in die Bundesrepublik Deutschland am 31.12.1998 in entsprechender Anwendung der Regelungen für den §
5 Abs.
1 Nr.
12 SGB V unterfallenden Personenkreis unberücksichtigt bleiben. Der Verweis des Sozialgerichts dahingehend, dass sie eine zu kurze
Zeit der Solidargemeinschaft angehört habe, gehe ins Leere. Sie habe seit dem 01.01.1999 bzw. dem Datum der Hochzeit nach
deutschem Recht am 09.06.2008 in der zweiten Hälfte der Rahmenfrist eine Zeit von mindestens 9/10 Mitgliedschaft in der gesetzlichen
Krankenversicherung vorzuweisen. Es sei darauf hinzuweisen, dass Rentner, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland
haben und aufgrund eines Rentenanspruchs, der bis zum 31.12.1995 entstanden sei, eine Rente nach der Verordnung vom 03.04.1991
i.V.m. einem Sozialversicherungsabkommen der früheren DDR mit Bulgarien, Polen, Rumänien, der ehemaligen Sowjetunion, der
früheren Tschechoslowakei in Ungarn bezögen, für die Dauer dieses Rentenbezuges und für Nachfolgerenten unabhängig von ihrer
Vorversicherungszeit Pflichtmitglied in der KVdR seien. Daher gehe der Verweis auf den intertemporalen Solidarausgleich ins
Leere. Darüber hinaus sei auf die laufenden Verhandlungen über ein Sozialversicherungsabkommen mit der Ukraine zu verweisen.
Es könne nicht zu ihrem Nachteil gehen, wenn sie zwischen den Geltungszeitraum des ehemaligen Sozialversicherungsabkommens
und den Geltungsbereich des noch zu unterzeichnenden Sozialversicherungsabkommens falle. Die zitierte Entscheidung des BSG beziehe sich lediglich auf die rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit während eines Aufenthalts im Ausland. Dies meine
allerdings eine zeitlich begrenzte Anwesenheit an einem Ort, das heiße hier eine zeitlich begrenzte vorübergehende Abwesenheit
aus Deutschland.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14.03.2014 zu ändern und unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 15.02.2012
in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 04.06.2013 festzustellen, dass sie ab Rentenbeginn Mitglied in der Krankenversicherung
der Rentner (KVdR) ist.
Die Beklagte verweist auf die ihres Erachtens zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung sowie die Ausführungen insbesondere
im Widerspruchsbescheid und der Klageerwiderung. Unstreitig seien die Rentenantragstellung am 09.02.2012 und die Aufnahme
einer erstmaligen Erwerbstätigkeit am 01.02.1971 in der Ukraine. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts komme es
für den Beginn der Rahmenfrist nicht darauf an, ob die Erwerbstätigkeit in Zugang zur Krankenversicherung eröffnen oder nicht.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen des Bundessozialgerichts im Urteil vom 08.11.1993 (a.a.O.).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie
der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die statthafte (§§
143 ff.
SGG) und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin vom 08.05.2014 gegen das ihr am 15.04.2014 zugestellte Urteil des Sozialgerichts
vom 14.03.2014 ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die von der Klägerin in zulässiger Weise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zu
Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch den Bescheid der Beklagten vom 15.02.2012 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides
vom 04.06.2013 (§
95 SGG) nicht beschwert im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG. Die Klägerin ist nicht versicherungspflichtig in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Die Voraussetzungen des §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V liegen nicht vor.
Der Senat verweist insoweit zunächst auf die Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil und macht sich diese
nach eigener Überprüfung zu eigen (§
153 Abs.
2 SGG).
Die Berufungsbegründung rechtfertigt eine abweichende rechtliche Beurteilung nicht. Der Senat führt insoweit lediglich ergänzend
aus:
Die Rahmenfrist beginnt vorliegend mit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (in der Ukraine bzw. der Sowjetunion).
Dass insoweit auf einen im Ausland verwirklichten Tatbestand abgestellt wird, ist nicht zu beanstanden. Das Tatbestandsmerkmal
"erstmalige Aufnahme der Erwerbstätigkeit" ist nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 08.11.1983 - 12 RK 26/82 = SozR 2200 § 165 Nr. 72 = BSGE 56, 39-44, Rn. 16) - wie bereits vom Sozialgericht ausgeführt - "gebietsneutral" zu verstehen. Dies gilt entgegen der Rechtsauffassung
der Klägerin nicht nur für vorübergehende Beschäftigungszeiten Deutscher im Ausland und ergibt sich auch unmittelbar aus den
überzeugenden Ausführungen des BSG (a.a.O.) zur Vorgängervorschrift von §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V in § 165 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a
RVO, der sich auch der Senat anschließt.
Es ist grundsätzlich auch nicht zu beanstanden, dass die Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten davon abhängig
gemacht wird, dass diese Zeiten - durch ein zwischenstaatliches Sozialversicherungsabkommen, durch überstaatliches Recht oder
durch eine besondere innerstaatliche Gleichstellungsregelung - der Mitgliedschaft bei einem bundesdeutschen Träger der gesetzlichen
Krankenversicherung gleichgestellt sind. Gerade die Existenz zahlreicher Gleichstellungsregelungen belegt nicht nur, dass
ausländische Versicherungszeiten ohne eine ausdrückliche Gleichstellungsregelung nicht anrechenbar sind, sondern auch dass
die Rahmenfrist für die Halbbelegung nicht erst mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Geltungsbereich des
SGB V beginnen kann. Anderenfalls wären nämlich die (ausdrücklich auf die für die KVdR erforderliche Vorversicherung abstellenden)
Gleichstellungsregelungen in zwischenstaatlichen Vereinbarungen weitgehend überflüssig, zumindest in Bezug auf den von den
Abkommen hauptsächlich betroffenen Personenkreis der früher im Ausland und danach in der Bundesrepublik tätig gewesenen ausländischen
Arbeitnehmer (so zur vergleichbaren Rechtslage nach der
RVO BSG a.a.O. Rn. 19).
Mithin findet die Auffassung der Klägerin, die Nichtberücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten sei allein bei einer
vorübergehenden Beschäftigung Deutscher im Ausland gerechtfertigt, nicht nur keine Stütze; die überzeugenden, auf Sinn und
Zweck der (Vorgänger-) Regelung abstellenden Ausführungen (u.a. zum Gesichtspunkt des vom Sozialgericht zu Recht betonten
Gesichtspunkt des "intertemporalen Solidarausgleichs") stehen der von der Klägerin bevorzugten Auslegung des Gesetzes vielmehr
entgegen.
Dass es hier an einer (fortgeltenden) Gleichstellungsregelung etwa in einem zwischenstaatlichen (Sozialversicherungs-) Abkommen
fehlt, bestreitet auch die Klägerin nicht.
Hypothetische Überlegungen zu einer (ohnehin fraglichen) Regelung, die in der versicherungs- und beitragsrechtlichen Behandlung
Vorversicherungszeiten zur KVdR in der Ukraine als berücksichtigungsfähig bestimmt, in einem erst noch abzuschließenden Sozialversicherungsabkommen
gehen fehl.
Aus dem Vertrag zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die
Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sozialwesens vom 10.08.1960 (Gbl. I S. 453) ergibt sich nichts Anderes. Die Verordnung über
die vorübergehende weitere Anwendung verschiedener völkerrechtlicher Verträge der Deutschen Demokratischen Republik im Bereich
der sozialen Sicherheit vom 03.04.1991 (BGBl. II S. 614) ordnet lediglich die vorübergehende weitere Anwendung des genannten Vertrages an. Die Verordnung zur Änderung der Verordnung
über die vorübergehende weitere Anwendung verschiedener völkerrechtlicher Verträge der Deutschen Demokratischen Republik im
Bereich der sozialen Sicherheit vom 18.12.1992 (BGBl. II S. 1231) regelt das Außerkrafttreten mit Ablauf des 31.12.1992 (Art. 7 Abs. 2 der Verordnung). Nach Abs. 3 dieser Vorschrift ist
die Verordnung nach ihrem Außerkrafttreten u.a. noch auf Ansprüche anzuwenden, die am 31.12.1992 aufgrund der Verordnung i.V.m.
den in Art. 1 der Verordnung genannten Verträgen bestanden haben. Keine der weiteren Regelungen zur weiteren Geltung sind
hier einschlägig.
Dem Vertrag zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Zusammenarbeit
auf dem Gebiet des Sozialwesens lässt sich im Übrigen eine Regelung, die die Berücksichtigung von Vorversicherungszeiten im
Rahmen der KVdR ermöglichte, nicht entnehmen. Für eine solche Regelung bestand angesichts der rechtlichen Organisation der
Absicherung im Krankheitsfall in den Vertragssaaten auch kein Anlass. Entsprechend gehen auch die Spitzenverbände der Krankenversicherung
im Rundschreiben vom 21.03.2002 davon aus, dass im Rahmen der Prüfung der Vorversicherungszeit in Bulgarien, Rumänien, der
ehemaligen Sowjetunion, der früheren Tschechoslowakei und Ungarn zurückgelegte Versicherungszeiten nicht berücksichtigt werden
können, da die Sozialversicherungsabkommen der früheren DDR mit diesen Staaten keine entsprechenden Regelungen enthalten.
§
5 Abs.
1 Nr.
12 SGB V, dessen tatbestandliche Voraussetzungen ersichtlich (und von der Klägerin unbestritten) nicht vorliegen, bzw. der in dieser
Vorschrift zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wille rechtfertigen eine rechtliche Bewertung im Sinne der Klägerin ebenfalls
nicht. Eine vergleichbare Interessenlage vermag der Senat schon angesichts des insoweit betroffenen (besonderen) Personenkreises
nicht nachzuvollziehen; für die Aushebelung der in der Vorschrift enthaltenen zeitlichen Einschränkung fehlt jede rechtliche
Rechtfertigung.
Vor diesem Hintergrund von der Klägerin angestellte Überlegungen zu einem Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz entbehren daher einer tragfähigen Grundlage. Die Klägerin wird auch im Übrigen nicht in verfassungswidriger Weise belastet
(vgl. etwa auch BVerfG, Urteil vom 25.03.1986, 1 BvL 5/80 u.a. = SozR 2200 § 165 Nr. 87 sowie 16.07.1985, 1 BvL 5/80 u.a. = SozR 2200 § 165 Nr. 81).
Das Begehren der Klägerin, eine Krankenvollversicherung im Alter zu einem monatlichen Beitragssatz von weniger als 2 EUR zu
erhalten, kontrastiert allzu deutlich mit dem verfassungsrechtlich nicht zu beanstandendem Grundsatz, dass nur Personen, die
eine angemessene Zeit in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert und damit am Solidarausgleich für die Krankenversicherung
der Rentner ausreichend beteiligt waren, in dieser versichert werden sollten (dazu BT-Drs. 8/166, S. 24, zu Art. 1 § 1 Nr.
1 und BVerfG, Urteil vom 25.03.1986 a.a.O. Rn. 22).
Die Klägerin hat die Möglichkeit der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung genutzt, welche eine gleichwertige Absicherung
im Krankheitsfall beinhaltet. Ihr Krankenversicherungsschutz ist in bezahlbarer Weise gesichert. Die beitragsrechtlichen Konsequenzen
der Wiederheirat begründen keine besondere verfassungsrechtliche Schutzbedürftigkeit der Klägerin und ihres Ehemannes.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), bestehen nicht.