Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme
Feststellung der Notwendigkeit und der Erfolgsaussicht einer beantragten Reha-Maßnahme
Keine Ermessensentscheidung
Anspruchspflichtleistung
Umfang der gerichtlichen Kontrolldichte
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme (Reha-Maßnahme).
Nachdem der 1944 geborene Kläger sich erfolglos gegen die Ablehnung einer entsprechenden Leistung durch die beklagte Krankenkasse
gewehrt hatte (SG Duisburg, Urteil vom 12.03.2015 - S 7 KN 954/13 KR; bestätigt durch LSG NRW, Beschluss vom 28.09.2015 - L 16 KR 269/16), beantragte er am 07.01.2016 erneut die Gewährung einer stationären Reha-Maßnahme. Sein behandelnder Orthopäde Dr. E aus
E gab unter dem 06.01.2016 an, die ambulanten Therapiemöglichkeiten am Wohnort seien ausgeschöpft. Er verwies auf Wirbelsäulen-
und Kniegelenkbeschwerden des Klägers.
In einem dem Antrag u.a. beigefügten Ambulanzbrief des I Klinikums E vom 16.11.2015 ist ausgeführt, dass "bei derzeit sehr
geringem Leidensdruck und klinischer Symptomatik einerseits und bei Diskrepanz zwischen Morphologie und Klinik andererseits",
keine dringende OP-Indikation bestehe. Eine stationäre Schmerztherapie wünsche der Kläger ebenfalls nicht, sodass die Fortführung
der ambulanten konservativen Therapie einschließlich der Krankengymnastik, analgetischer Einstellung sowie intermittierender
wirbelsäulennaher Infiltrationen empfohlen werde.
Nach Einholung einer Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes vom 26.01.2016 lehnte die Beklagte die stationäre Behandlung
in einer Reha-Einrichtung mit Bescheid vom 09.02.2016 ab, weil das angestrebte Behandlungsziel auch durch eine ambulante Behandlungsmaßnahme
am Wohnort erreicht werden könne.
Zur Begründung seines dagegen gerichteten Widerspruchs vom 11.02.2016 verwies der Kläger auf seine Schwerbehinderung mit einem
GdB von 80 und machte geltend, alle Maßnahmen am Wohnort seien erschöpft.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2016 zurück.
Zur Begründung seiner am 30.05.2016 beim Sozialgericht Duisburg erhobenen Klage hat der Kläger darauf hingewiesen, dass seit
8 Jahren Anträge auf stationäre Reha-Maßnahmen gestellt und abgelehnt würden. Man müsse offenbar im Rollstuhl sitzen oder
auf dem Friedhof liegen, um bei der Beklagten als krank zu gelten. Er habe an beiden Knien einen Meniskusschaden und im Bereich
der Lendenwirbelsäule einen Bandscheibenvorfall.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2016 zu verurteilen,
ihm eine stationäre Reha-Maßnahme zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat darauf hingewiesen, dass (weitere) Behandlungsmöglichkeiten durch Reha-Sport und/oder Funktionstraining bestünden.
Der medizinische Sachverhalt habe sich gegenüber dem bereits durchgeführten gerichtlichen Verfahren nicht verändert. Deshalb
seien nach Auffassung ihres sozialmedizinischen Dienstes die Ausführungen des im vorangegangenen Klageverfahren vom Sozialgericht
beauftragten Sachverständigen Dr. X weiterhin gültig.
Das Sozialgericht hat Behandlungs- und Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte, des Orthopäden Dr. E und der Fachärztin
für Internistische Medizin, Allgemeinmedizin und Psychotherapie Dr. C eingeholt.
Dr. E hat in seinem Befundbericht vom 10.03.2017 mitgeteilt, als ambulante Behandlungsmaßnahmen kämen z.B. Reha-Sport oder
Funktionstraining in Frage. Auch eine ambulante Reha genüge. Heilmittel habe er in den vergangenen 12 Monaten nicht verordnet.
Dr. C hat mit Befundbericht vom 24.03.2017 ausgeführt, bei dem Kläger seien eine koronare Herzerkrankung mit Belastungsdyspnoe
und nachgewiesener Belastungsischämie, ein Alterstremor und Cholelithiasis zu den bereits länger bekannten Erkrankungen hinzugekommen.
Als ambulante Maßnahmen würden bei dem Kläger kontinuierliche physikalische Therapie und medikamentöse Therapie durchgeführt.
Als erfolgversprechende Maßnahmen seien eine kardiologische Diagnostik und eine Cholestektomie angeraten sowie Reha-Sportmaßnahmen.
Nach erfolgter Diagnostik und eventuell therapeutischer Intervention könne ggf. eine kardiologische Reha-Maßnahme erfolgversprechend
sein, die gleichzeitig dem degenerativen HWS- und LWS-Syndrom therapeutisch Rechnung tragen könnte. Sie könne nicht abschätzen,
ob die Persönlichkeitsstörung des Klägers, wegen derer er bisher keiner therapeutischen Maßnahme zugänglich gewesen sei, der
Therapiefähigkeit in einer Reha-Maßnahme im Wege stehen könnte. Anzustreben wäre im Rahmen einer solchen Reha-Maßnahme eine
Verbesserung der psycho-physischen Belastbarkeit. Die Maßnahme selbst könne erst in Abhängigkeit des Diagnoseergebnisses beurteilt
werden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26.07.2017 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Kammer sei zwar einerseits
davon überzeugt, dass bei dem Kläger auf orthopädischem, auf internistischem und auf psychiatrischem Gebiet behandlungsbedürftige
Krankheiten vorlägen, andererseits aber auch davon überzeugt, dass keine der Krankheiten des Klägers aktuell einer stationären
Reha-Maßnahme bedürfe, da die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten ersichtlich nicht ausgeschöpft seien.
Der Antrag auf Durchführung der stationären Reha sei Anfang 2016 mit den orthopädischen Leiden des Klägers begründet worden.
Bezüglich seiner orthopädischen Einschränkungen sei der Kläger bereits im Rahmen des vorhergegangenen gerichtlichen Verfahrens
(S 7 KN 954/13 KR), insbesondere durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. X vom 23.09.2014 auf ambulante Behandlungsmaßnahmen aufmerksam
gemacht worden, welche mit Blick auf die festgestellten degenerativen Veränderungen medizinisch sinnvoll wären. Trotz dieser
Empfehlung habe der Kläger bisher insbesondere auf die Durchführung von Reha-Sport und Funktionstraining verzichtet. Der den
Reha-Antrag des Klägers unterstützende Orthopäde Dr. E habe in seinem Befundbericht vom 10.03.2017 ebenfalls ausdrücklich
als ambulante Behandlungsmöglichkeiten Reha-Sport und Funktionstraining benannt und zudem eine ambulante Reha-Maßnahme für
ausreichend erachtet. Angesichts der übereinstimmenden Aussagen des gerichtlichen Gutachters Dr. X vom 23.09.2014 und des
behandelnden Orthopäden Dr. E habe die Kammer wenig Verständnis dafür, dass der Kläger die ärztliche Empfehlungen ignoriere
und weiterhin eine stationäre Reha-Maßnahme fordere, die nicht einmal sein behandelnder Orthopäde für erforderlich halte.
Die den Kläger behandelnde Fachärztin für Innere Medizin, Allgemeinmedizin und Psychotherapie Dr. C habe neben orthopädischen
Leiden auch internistische und psychiatrische Erkrankungen benannt, welche grundsätzlich die Notwendigkeit einer stationären
Reha-Maßnahme hätten begründen können. Dr. C habe allerdings in ihrem Befundbericht vom 24.03.2017 deutlich und nachvollziehbar
auf die Vorrangigkeit einer internistischen Diagnostik und ggf. erforderlichen therapeutischen Intervention hingewiesen und
zudem mitgeteilt, dass der Kläger hinsichtlich seines psychiatrischen Krankheitsbildes therapeutischer Maßnahmen bislang nicht
zugänglich gewesen sei. Somit böten auch die Gesundheitsstörungen des Klägers auf internistischem und psychiatrischem Gebiet
keinen Ansatz, von der Notwendigkeit einer stationären Rehabilitation auszugehen.
Mit seiner Berufung vom 06.09.2017 gegen das ihm am 01.09.2017 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hält der Kläger an seinem
Begehren fest. Er hat darauf hingewiesen, dass er nun seit 10 Jahren erfolglos eine stationäre Reha-Maßnahme beantrage. Offenbar
wolle die Beklagte ihn in den Tod treiben, um sich Kosten für eine solche Maßnahme zu ersparen.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts Duisburg vom 26.07.2017 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.02.2016
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2016 zu verurteilen, ihm eine stationäre Reha-Maßnahme zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten mit gerichtlicher Verfügung vom 20.11.2017 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung
durch Beschluss gemäß §
153 Abs.
4 SGG zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs
der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26.07.2017 ist unbegründet. Da die Berufsrichter
des Senats einstimmig dieser Auffassung sind und das Erfordernis einer mündlichen Verhandlung nicht sehen, weil sich der Kläger
hinreichend äußern konnte, kann die Entscheidung durch Beschluss ergehen (§
153 Abs.
4 SGG).
Das Sozialgericht hat die vom Kläger in zulässiger Weise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage mit zutreffender
Begründung abgewiesen. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 09.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 24.05.2016 (§
95 SGG) nicht beschwert im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG. Er hat keinen Anspruch auf Gewährung einer stationären Reha-Maßnahme durch die beklagte Krankenkasse.
Rechtsgrundlage des Anspruchs auf eine medizinische Reha ist §
40 Abs.
2 SGB V. Nach §
40 Abs.
2 SGB V setzt der Anspruch auf stationäre Reha voraus, dass eine ambulante Leistung nach §
40 Abs.
1 SGB V nicht ausreicht. Außerdem müssen Reha-Maßnahmen nach §
11 Abs.
2 Satz 1
SGB V notwendig sein, um einer drohenden Behinderung oder Pflegebedürftigkeit vorzubeugen, sie nach Eintritt zu beseitigen, zu
bessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Die Feststellung der Notwendigkeit und der Erfolgsaussicht einer beantragten
Reha-Maßnahme hängt dabei weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn des Gesetzes vom Ermessen der Krankenkasse ab. Leistungen
nach §
40 Abs.
2 SGB V werden nur erbracht, wenn nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften mit Ausnahme des §
31 SGB VI solche Leistungen nicht erbracht werden können (vgl. §
40 Abs.
4 SGB V). Die stationäre Reha-Leistung ist jedenfalls seit 01.04.2007 als Anspruchspflichtleistung ausgestaltet. Ihre Voraussetzungen
sind vom Gericht voll zu überprüfen (zu alledem BSG, Urteil vom 07.05.2013 - B 1 KR 53/12 R Rn. 10, juris).
Zur Überzeugung des Senats liegen die Voraussetzungen des §
40 Abs.
2 SGB V im Fall des Klägers (weiterhin) nicht vor. Unter Berücksichtigung sämtlicher aktenkundiger Befunde und insbesondere der Ausführungen
der behandelnden Ärzte in den vom Sozialgericht angeforderten Behandlungs- und Befundberichten steht auch zur Überzeugung
des Senats fest, dass die vorrangig durchzuführenden ambulanten Maßnahmen nicht ausgeschöpft sind. Auf die Entscheidungsgründe
des angefochtenen Urteils des Sozialgericht wird Bezug genommen (§
153 Abs.
2 SGG). Der Kläger verkennt, dass alleine das Vorliegen einer Schwerbehinderung und auch die ebenso zweifelsfrei vorliegenden Erkrankungen
für sich genommen die Notwendigkeit einer stationären Reha-Maßnahme nicht zu rechtfertigen vermögen. Der Senat hält vielmehr
die Ausführungen insbesondere der behandelnden Ärztin Dr. C für richtungsweisend, die zunächst auf internistischem Fachgebiet
weitere Diagnostik und ggf. therapeutische Intervention für geboten hält.
Mangels medizinischer Notwendigkeit der begehrten Maßnahme bedarf es weitergehender Feststellungen zu rechtlich relevanten
Reha-Zielen sowie zur Reha-Fähigkeit des Klägers nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.