Vergütungsanspruch von Großhändlern für die Belieferung von Ärzten mit Röntgenkontrastmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung
Anforderungen an einen direkten Zahlungsanspruch des Lieferanten in Rheinland-Pfalz und im Saarland
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Vergütung der Belieferung von Vertragsärzten mit Röntgenkontrastmitteln.
Die Klägerin, die über eine Erlaubnis zum Großhandel mit Arzneimitteln gemäß § 52a AMG verfügt, beliefert unter anderem zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Radiologen in Rheinland-Pfalz und im Saarland
mit den Röntgenkontrastmitteln Ultravist® (Wirkstoff: Iopromid), Gadovist® (Wirkstoff: Gadobutrol) und Gastrografin® (Wirkstoffkombination:
Natriumamidotrizoat/Megluminamidotrizoat). Sprechstundenbedarf wird nach den Vereinbarungen über dessen ärztliche Verordnung
in Rheinland Pfalz (SSBV RLP) und im Saarland (SSBV SL) zulasten der beklagten Krankenkasse (Beklagte) verordnet. Diese schloss
nach europaweiter Ausschreibung im offenen Verfahren, gegen die sich die Klägerin letztlich erfolglos zur Wehr setzte, Rahmenverträge
bezüglich der Lieferung von Röntgenkontrastmitteln an die Vertragsärzte mit der A GmbH & Co.KG und der Y Handelsgesellschaft
betreffend Zeiträume vom 01.11.2016 bis 28.02.2019. Mit Schreiben vom 03.01.2017 informierte die Beklagte die Klägerin sowie
andere Lieferanten darüber, dass die Abrechnung bzw. Erstattung von Kosten nicht bezuschlagter Kontrastmittel grundsätzlich
nicht mehr möglich sei.
Die gleichwohl unter Einbeziehung solcher Kontrastmittel vorgelegte Rechnung des von der Klägerin beauftragten Rechenzentrums
vom 10.03.2017 (Rechnungsnummer 01), der Lieferungen aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen zugrundelagen, kürzte die Beklagte
um 94.631,91 € (Gadovist® und Gastrografin®), eine weitere Rechnung vom 07.04.2017 (Rechnungsnummer 02) um 123.853,78 € (Gadovist®)
und eine dritte vom 09.05.2017 (Rechnungsnummer 03) um 142.033,28 € (Gadovist®). Dem gegen diese Kürzungen erhobenen Widerspruch
der Klägerin hielt die Beklagte entgegen, dass den ausgeschriebenen Exklusiv-Lieferverträgen für Kontrastmittel die Vorgabe
zugrundeliege, dass jeweils lediglich ein Unternehmen bezuschlagt werde und nur dieses zur Belieferung und Abrechnung berechtigt
sei. Lediglich in durch die jeweiligen ärztlichen Verordnungen dokumentierten Ausnahmefällen könne etwas anderes gelten.
Die Klägerin hat am 13.06.2017 Klage zum Sozialgericht Mainz erhoben, das den Rechtsstreit an das Sozialgericht Düsseldorf
verwiesen hat.
Zur Begründung hat sie an ihrer Auffassung festgehalten, die SSBVen sähen keine Einschränkung der Liefer- und Abrechnungsbestimmungen
vor. Der Rahmenvertrag regele bilateral Preis- und Abrechnungsbestimmungen, nicht jedoch - was rechtlich auch nicht möglich
sei - das Verhältnis der Beklagten zu anderen Lieferanten. Soweit diese bilateral mit anderen Lieferanten Verträge abgeschlossen
habe, gölten diese nur inter partes und berührten die SSBVen als öffentlich-rechtliche Normenverträge nicht. Es existiere
- anders als dies etwa im Bereich der Impfstoffe früher der Fall gewesen sei - keine gesetzliche Vorschrift, die die Beklagte
dazu ermächtige, die Versorgung mit Kontrastmitteln in einzelnen Verträgen mit Lieferanten sicherzustellen. Ob die Verordnung
von Sprechstundenbedarf dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz entspreche, sei nach der SSBV allein von den hierfür zuständigen
Prüfgremien gegenüber den Vertragsärzten zu prüfen und habe nichts mit der Lieferberechtigung zu tun. Ihr als Lieferantin
sei eine solche Prüfung rechtlich und tatsächlich auch nicht möglich.
Im Verlauf des Klageverfahrens hat die Beklagte 10 weitere Rechnungen der Klägerin (14.06.2017, Rechnungsnummer 04; 10.07.2017,
Rechnungsnummer 05; 09.08.2017, Rechnungsnummer 06; 05.09.2017, Rechnungsnummer 07; 20.10.2017, Rechnungsnummer 08; 17.11.2017,
Rechnungsnummer 09; 13.12.2017, Rechnungsnummer 10; 08.02.2018, Rechnungsnummer 11; 12.02.2018, Rechnungsnummer 12; 16.03.2018,
Rechnungsnummer 13) um insgesamt weitere 778.162,77 € gekürzt.
Die Klägerin hat ihre Klage jeweils unter Vorlage der den Lieferungen zugrunde liegenden Verordnungen um die gekürzten Beträge
erweitert.
Sie hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie insgesamt 1.138.681,74 € nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu
zahlen, davon auf 99.140,86 € seit dem 07.04.2017, auf 123.583,78 € seit dem 11.05.2017, auf 142.033,28 € seit dem 23.06.2017,
auf 50.630,28 € seit dem 13.07.2017, auf 59.567,24 € seit dem 30.08.2017, auf 266.568,51 € seit dem 05.09.2017, auf 32.735,34
€ seit dem 30.10.2017, auf 64.485,79 € seit dem 23.11.2017, auf 119.370,83 € seit dem 21.12.2017, auf 33.915,24 € seit dem
24.01.2018, auf 113.736,81 € seit dem 14.05.2018 und auf 32.913,78 € seit dem 14.05.2018.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Markt für Kontrastmittel sei wettbewerbsintensiv und zeichne sich durch eine Vielzahl von Wirkstoffen bzw. Produkten aus,
die gegeneinander austauschbar seien. Da ein erhebliches Einsparpotential vermutet worden sei, habe erstmals die AOK Nordost
im Jahr 2014 eine Rahmenvereinbarung ausgeschrieben. Die Vergaberechtskonformität der wirkstoffübergreifenden Kontrastmittelausschreibung
sei durch die Rechtsprechung bestätigt worden. Als Konsequenz sei nur eine Liefer-/Versorgungsberechtigung für den Zuschlagsgewinner
des jeweiligen Fachloses gegeben und alle anderen Leistungserbringer seien von der Versorgung für den Zeitraum der Vertragslaufzeit
ausgeschlossen. Die von der Klägerin eingereichten Verordnungen enthielten nicht bezuschlagte Produkte, deren Indikationen/Anwendungsgebiete
den gebildeten Fachlosgruppen zuzuordnen seien. Beispielsweise sei Gadovist® abgegeben worden, das im Fachlos K des Teilloses
1 im Wettbewerb mit dem Zuschlagsprodukt Dotagita® gestanden habe. Zwar enthalte das
SGB V mangels Regelungen zum Sprechstundenbedarf keine explizite Rechtsgrundlage für Ausschreibungsverfahren von Rahmenverträgen
zur Belieferung der radiologisch tätigen Vertragsarztpraxen mit Kontrastmitteln. Für diese Verträge existiere dennoch - wie
das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits mit Beschluss vom 13.09.2005 (2 BvF 2/03) entschieden habe - eine hinreichende sozialrechtliche Ermächtigung auf der Grundlage der Berechtigung öffentlich-rechtliche
Verträge im Bereich der Arzneimittelversorgung abzuschließen (§§ 53 SGB X ff.) in Verbindung mit dem u.a. in den §§
12 und
73 Abs.
8 SGB V zum Ausdruck kommenden Wirtschaftlichkeitsgebot. Das Verfahren stelle keinen verfassungsrechtlich zu beanstandenden Eingriff
in Grundrechte der Klägerin dar. Aufgrund der exklusiven Rahmenverträge bestehe grundsätzlich ein verbindlicher Bestellweg
für die Vertragsärzte im Versorgungsgebiet. Zwar treffe es zu, dass es zu den von der Klägerin vertriebenen Kontrastmitteln
keine wirkstoffgleichen Präparate anderer Anbieter gebe. Es seien aber zahlreiche andere Produkte für denselben Anwendungsbereich
zugelassen, die von der Wirkungsweise identisch und somit medizinisch gleichwertig seien. Weder von der Klägerin noch von
Ärzten werde eine Wirtschaftlichkeitsprüfung verlangt. Es werde lediglich regelmäßig auf die derzeit wirtschaftlichsten Produkte
hingewiesen. Die medizinische Entscheidung des Arztes werde nicht eingeschränkt, da dieser die Verordnung im Falle des medizinisch
erforderlichen Einsatzes eines nicht bezuschlagten Kontrastmittels mit dem Hinweis "medizinischer Ausnahmefall" kennzeichnen
könne. Die Klägerin habe lediglich zu prüfen, ob die Verordnung einen entsprechenden Hinweis des Arztes enthalte. Soweit die
Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf §
433 Abs.
2 BGB i.V.m. §
69 Abs.
1 Satz 3
SGB V i.V.m. AbschnittI V. 1., 5 SSBV RLP stütze, fehle es an einer Einigung zwischen den Parteien über Kaufpreis und Kaufgegenstand.
Das Sozialgericht hat die Beklagte antragsgemäß mit Urteil vom 29.11.2018 zur Zahlung verurteilt. Auf die Entscheidungsgründe
wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 10.12.2018 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 21.12.2018. Sie hält an ihrem erstinstanzlichen
Vorbringen und ihrer Auffassung fest, dass ihr die Ausschreibung von Rahmenvereinbarungen für Röntgenkontrastmittel und der
Abschluss entsprechender Verträge mit den günstigsten Bietern nicht verwehrt seien. Das Verfahren stelle keinen verfassungsrechtlich
zu beanstandenden Eingriff in Grundrechte der Klägerin dar, da der Schutzbereich der Berufsfreiheit nicht berührt werde. Im
Übrigen habe das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 13.05.2015 - B 6 KA 18/14 R) entschieden, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot immer - also auch beim Bezugsweg - zu beachten sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.11.2018 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin, die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ihre Klage in Höhe von 4508,95 € zurückgenommen hat, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Entscheidung des Sozialgerichts. Ihr Vergütungsanspruch als nichtärztliche Leistungserbringerin folge bereits
aus den SSBVen, die keine Einschränkung auf bestimmte Lieferanten oder Kontrastmittel enthielten. Eines gesonderten Kaufvertrages
oder dergleichen bedürfe es für die Zahlungspflicht nicht. Die Beklagte habe insbesondere keine bilateralen Rahmenverträge
mit anderen Lieferanten über wirkstoffgleiche Kontrastmittel zu Gadovist®, Gastrografin® und Ultravist® geschlossenen, so
dass diese Lieferanten auch keine entsprechenden Präparate zu günstigeren Preisen hätten liefern können. Auch wenn vertragsrechtlich
der Abschluss bilateraler Vereinbarungen prinzipiell erlaubt sein möge, in denen bestimmte Lieferanten rabattierte Preise
und Vorzugskonditionen einräumten, gebe es keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, die diesen Vereinbarungen eine Rechtswirkung
zu Lasten Dritter verleihe. Daran ändere auch nichts, dass die Beklagte die entsprechenden Rahmenvereinbarungen im Wege des
Vergaberechts ausgeschrieben habe, denn beim Vergaberecht handele es sich um Verfahrensregeln, die eine transparente und wettbewerbskonforme
Vergabe von öffentlichen Aufträgen gewährleisten solle. Hinsichtlich der sozialrechtlichen Befugnis solch exklusiver Verträge
sage das Vergabeverfahren auch nach Auffassung der 2. Vergabekammer des Bundes nichts aus (Beschluss vom 30.01.2015 - VK 2
- 115/14). Die fehlende gesetzliche Ermächtigung könne auch nicht durch den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz ersetzt werden. Überdies
könne die Beklagten das Leistungsrecht der Versicherten nicht auf die bezuschlagten Kontrastmittel beschränken, zumal keine
Wirkstoffgleichheit mit den von ihr - der Klägerin - ausgelieferten Röntgenkontrastmitteln bestehe. Sie sei als Lieferantin
zudem weder berechtigt noch imstande, die medizinische Begründung des verordnenden Vertragsarztes in Frage zu stellen oder
zu überprüfen. Ob der verordnende Vertragsarzt das Wirtschaftlichkeitsgebot beachtet habe, sei nach den SSBVen vielmehr von
den hierfür vorgesehenen Gremien zu prüfen. Ungeachtet dessen bestehe der Vergütungsanspruch jedenfalls - wie das Sozialgericht
angenommen habe - auf Grundlage des entsprechend heranzuziehenden Bereicherungsrechts.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte
der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verpflichtet, den von der Klägerin im streitigen Zeitraum gelieferten
Sprechstundenbedarf in der im Berufungsverfahren noch streitigen Höhe zu vergüten.
Der zulässigerweise aufgrund des zwischen den Beteiligten bestehenden Gleichordnungsverhältnisses mit der Leistungsklage (§
54 Abs.
5 SGG) unter statthafter sukzessiver Erhöhung der Klageforderung (§
99 Abs.
3 Nr.
2 SGG) geltend gemachte Vergütungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus den Regelungen der SSBVen i.V.m. den jeweiligen Verordnungen
der Vertragsärzte, ohne dass die Beklagte dem die Exklusivität der Verträge mit dritten Unternehmen entgegenhalten kann.
Nach §
83 Satz 1
SGB V schließen die kassenärztlichen Vereinigungen mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den
Ersatzkassen Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort in ihrem Bezirk einschließlich
der mitversicherten Familienangehörigen; die Landesverbände der Krankenkassen schließen die Gesamtverträge mit Wirkung für
die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart.
Auf Grundlage dieser Bestimmung sind in den jeweiligen Bundesländern auch über den Sprechstundenbedarf Landesverträge geschlossen
worden (vgl. LSG Niedersachsen, Urteil vom 13.12.2018 - L 3 KA 10/16 -, juris Rn.15; LSG NRW, Beschluss vom 23.10.2012 - L 11 KA 54/10 B ER -, juris Rn. 46; Flasbarth, MedR 2011, 611 <612> m.w.N.). Hierzu zählen die Röntgenkontrastmittel als Arzneimittel (§ 2 Abs. 1 Nr. 2b AMG), die direkt von Großhändlern an Ärzte abgegeben werden dürfen (§ 47 Abs. 1 S. 1 Nr. 2d AMG), weil sie nicht patientenindividuell vom Arzt verordnet werden (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 28.11.2010 - L 11 KA 60/10 B ER -, juris Rn. 46).
Die für Rheinland-Pfalz im streitigen Zeitraum geltende SSBV vom 28.03.2012 bestimmt im Fall des Direktbezuges des Sprechstundenbedarfs
vom Hersteller oder Großhandel, dass die Rechnung des Lieferanten mit der Verordnung des Arztes der AOK einzureichen ist,
wobei aus der Rechnung Art und Menge des Mittels und die Kosten der Lieferung im Einzelnen sowie gegebenenfalls der vom Vertragsarzt
verauslagte Betrag ersichtlich sein müssen. Die AOK begleicht den Rechnungsbetrag oder erstattet die vom Vertragsarzt gezahlte
Summe auf Anforderung (vgl. Abschnitt IV. 5.). Nach seinem eindeutigen Wortlaut kann diese Regelung nur dahin verstanden werden
(zur Auslegung entsprechender Normverträge vgl. BSG Urteil vom 18.05.2021 - B 1 KR 34/20 R -, juris Rn. 21), dass der Lieferant des Sprechstundenbedarfs einen unmittelbaren Zahlungsanspruch infolge der auf vertragsärztliche
Verordnung erbrachten Leistung erlangt, weil andernfalls eine Differenzierung zwischen der Erstattung und der Zahlung des
Rechnungsbetrages keinen Sinn macht. Dies entspricht auch nach der übereinstimmenden Erklärung der Beteiligten vor dem Senat
der geübten Praxis, der unmittelbaren Zahlung des Rechnungsbetrages an den Lieferanten.
Die SSBV für das Saarland in der hier anzuwendenden Fassung vom 22.03.2004 enthält zwar eine solche eindeutige Regelung nicht,
sie sieht aber vor, dass der hier betroffene Sprechstundenbedarf zulasten der Beklagten zu verordnen ist und direkt vom Hersteller
oder Großhandel bezogen werden soll, wenn ein solcher Direktbezug wirtschaftlicher ist (vgl. Abschnitt IV. 1., 6.). Da ein
Erstattungsanspruch des Arztes insoweit nicht normiert ist und auch im Saarland die Praxis bestand bzw. besteht, die Vergütung
unmittelbar gegenüber dem Lieferanten vorzunehmen, kann auch diese Regelung nur dahin ausgelegt werden, dass im Falle des
Direktbezuges vom Hersteller oder Großhandel diesen ein direkter Zahlungsanspruch erwachsen sollte.
Bei dieser Auslegung sind die entsprechenden Regelungen auch von der Ermächtigungsgrundlage des §
83 Satz 1
SGB V gedeckt, obwohl die Lieferanten - jedenfalls soweit wie hier der Großhandel betroffen ist - keine Leistungserbringer im Sinne
des §
69 SGB V sind. Zum einen enthält §
69 SGB V kein Verbot einer entsprechenden Drittbegünstigung, zum anderen liegt eine solche Regelung im Interesse der Sicherstellung
der kassenärztlichen Versorgung durch die Möglichkeit des Direktbezuges von entsprechenden Lieferanten. Dass diese damit nicht
dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§
12 SGB V) unterfallen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.10.2021 - L 4 KR 3009/18 -, juris Rn. 45; Flasbarth a.a.O. 614) ist dabei unbeachtlich, weil ein entsprechender Schutz über den verordnenden Vertragsarzt
erreicht wird. Denn dieser kann in Regress genommen werden, wenn er unter Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot Sprechstundenbedarf
verordnet, was entsprechend in den SSBVen ausdrücklich geregelt ist (Abschnitt VI. SSBV RLP, Abschnitt V. SSBV SL). Ob Großhändler
dabei als weitere Leistungserbringer im Sinne des §
302 Abs.
1 Satz 1
SGB V angesehen werden können (SG Dresden, Beschluss vom 02.04.2007 - S 18 KR 142/07 ER -, juris Rn. 23), kann dahinstehen, weil diese Bestimmung nur das Abrechnungsprocedere betrifft.
Die den streitbefangenen Rechnungen zugrunde liegenden Verordnungen und Lieferungen erfüllten im Übrigen die Voraussetzungen
der SSBVen, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, sodass der Zahlungsanspruch der Klägerin aufgrund der entsprechenden
Belieferung in der streitigen Höhe gegenüber der Beklagten als Zahlstelle (SPV) entstanden ist. Da der Vertragsarzt aufgrund
der Regelungen der SSBVen ermächtigt ist, den Belieferungsvertrag unmittelbar zulasten der Beklagten abzuschließen, kommt
dieser in Höhe der von der Klägerin angebotenen Preise zustande (Flasbarth a.a.O. 614). Dabei kann dahinstehen, welcher Rechtsnatur
dieser Vertrag letztlich ist (öffentlich-rechtlicher Vertrag sui generis oder Kaufvertrag; in letzterem Sinne LSG Hamburg,
Urteil vom 24.02.2011 - L 1 KR 32/08 -, juris Rn. 15 ff., Arndt, NZS 2009, 367 <369>).
Die Beklagte kann dieser Zahlungsverpflichtung nicht die mit Dritten geschlossenen Exklusivverträge entgegenhalten. Bei diesen
handelt es sich nicht um Rabattverträge im Sinne des §
130a Abs.
8 SGB V (a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.02.2021 - L 4 KR 200/21 ER-B -, juris Rn. 79), wovon auch die Beteiligten zu Recht ausgehen. Dies folgt schon aus der Einbeziehung des Großhandels
in die Ausschreibung, weil dieser nicht zu den pharmazeutischen Unternehmen im Sinne des §
130a Abs.
8 Satz 1
SGB V zählt (LSG NRW, Beschluss vom 27.05.2010 - L 21 KR 11/09 SFB -, juris Rn. 25).
Auch die SSBVen für Rheinland-Pfalz und das Saarland in den hier maßgeblichen Fassungen enthielten im Gegensatz zu anderen
landesvertraglichen Regelungen (vgl. z.B. den SSBV für Westfalen-Lippe) keine Ermächtigung der Krankenkassen zur Ausschreibung
solcher Rabattverträge. Ebenso wenig sehen die sonstigen Bestimmungen des
SGB V ein solches Recht der Krankenkassen vor. Insbesondere folgt dieses nicht aus dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot des
§
12 SGB V i.V.m. der Vertragsfreiheit, denn der damit verbundene Eingriff in die Gewerbefreiheit der Lieferanten erfordert eine spezielle
Rechtfertigung, die sich allein aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht herleiten lässt (a.A. bei lediglich summarischer Prüfung
LSG NRW wie zuvor).
Dass dies der gesetzgeberischen Vorstellung entspricht, folgt schon aus den entsprechenden Eingriffsbestimmungen des
SGB V. Die Norm des §
130a Abs.
8 SGB V wie auch die zwischenzeitlich außer Kraft getretene Fassung des §
132e Abs.
2 SGB V durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz vom 22.12.2010 (BGBl. I 2262) - Berechtigung der Krankenkassen Verträge mit
einzelnen pharmazeutischen Unternehmen zur Versorgung der Versicherten mit bestimmten Impfstoffen zu schließen - zeigen, dass
der Gesetzgeber ausdrückliche Regelungen für erforderlich erachtet, soweit den Krankenkassen hinsichtlich der Arzneimittelversorgung
der Versicherten das Recht eingeräumt werden soll, in die Preisgestaltung einzugreifen. Wäre diesen schon aufgrund der Vertragsfreiheit
im Zusammenspiel mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot des §
12 SGB V eine entsprechende Vertragsgestaltung möglich, bedürfte es solcher Regelungen nicht.
Die Zulässigkeit des zumindest teilweisen Ausschlusses der Klägerin und anderer Anbieter von Röntgenkontrastmittel vom Arzneimittelmarkt
ist an Art.
12 GG zu messen.
Das Grundrecht der Berufsfreiheit umfasst auch die Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen selbst festzusetzen oder
mit den Interessenten auszuhandeln (vgl. BVerfGE 101, 331 <347>; 106, 275 <298>; 117, 163 <181>). Erfolgt die unternehmerische Berufstätigkeit am Markt nach den Grundsätzen des Wettbewerbs,
wird die Reichweite des Freiheitsschutzes auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und
begrenzen. Art.
12 Abs.
1 GG sichert in diesem Rahmen die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen (vgl. BVerfGE 105, 252 <265>). Allerdings umfasst das Grundrecht keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb und Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten
(vgl. BVerfGE 106, 275 <299>; 116, 135 <152>). Allein die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an einen Mitbewerber und die der Vergabeentscheidung
zugrunde gelegten Kriterien berühren grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des erfolglosen Bewerbers. Ein
Wettbewerber auf der Angebotsseite trägt stets das Risiko, dass seinem Angebot ein anderes, für den Nachfrager günstigeres
vorgezogen wird (vgl. BVerfGE 116, 135 <151 f.>). Vorliegend nimmt die Beklagte aber nicht allein Einfluss auf die mit dem Handel von Röntgenkontrastmittel zu erzielenden
Preise, sondern sie tut dies, indem sie die Mitbewerber durch den Abschluss von exklusiven Verträgen vom Markt verdrängt.
Für diesen Eingriff bedarf es einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung.
Soweit die Beklagte Gegenteiliges aus dem Urteil des BVerfG vom 13.09.2005 (2 BvF 2/03, BVerfGE 114, 196-257, SozR 4-2500 §
266 Nr.
9) zur Einführung des §
130a Abs.
8 SGB V durch das Beitragssatzsicherungsgesetz vom 23.12.2002 (BGBl I 4637) herleiten möchte, verkennt sie die Reichweite dieser
Entscheidung.
Das BVerfG hat darin die Notwendigkeit der Beteiligung des Bundesrates bei der Einführung des §
130a Abs.
8 SGB V verneint, weil den Krankenkassen hierdurch kein neues Instrumentarium zur Verfügung gestellt worden ist, sondern lediglich
das Verwaltungshandeln durch Abschluss öffentlicher Verträge, wie es bereits durch die §§ 53 ff. SGB X kodifiziert war, modifiziert worden ist (BVerfG a.a.O. Rn. 166). Daraus folgt aber nicht, dass es den Krankenkassen freisteht,
allein aufgrund der bestehenden Vertragsfreiheit beliebige Rabattverträge zum Nachteil von pharmazeutischen Unternehmen und
Großhändlern abzuschließen. Vielmehr hat das BVerfG dargelegt, dass ohne die Regelung des §
130a Abs.
8 SGB V eine Ermächtigung fehlte, um einen zusätzlichen Preisabschlag gegenüber pharmazeutischen Herstellern anzuordnen (BVerfG a.a.O.,
Rn.172). Die materielle Verfassungsmäßigkeit dieser Norm mit Art.
12 GG hat das BVerfG dagegen bestätigt, weil die betroffenen Unternehmen bei der Preisbildung ohnehin aufgrund der schon zuvor
bestehenden Bestimmungen des
SGB V über die Preise für Arzneimittel Reglementierungen unterworfen waren (BVerfG a.a.O. Rn. 224). Dies belegt, dass allein das
Wirtschaftlichkeitsgebot i.V.m. der Vertragsfreiheit derartige Eingriffsrechte nicht zeitigt.
Aus dem von der Beklagten für ihre gegenteilige Auffassung in Anspruch genommenen Urteil des BSG vom 13.05.2015 (B 6 KA 18/14 R -, SozR 4-2500 § 106 Nr. 51, juris) folgt nichts anderes. In dieser Entscheidung hat das BSG lediglich festgestellt, dass der Vertragsarzt bei unterschiedlichen Bezugsmöglichkeiten für ein und dasselbe Medikament den
günstigeren Bezugsweg zu wählen hat (BSG a.a.O., Rn. 39). Dies betrifft aber wiederum nur die Verpflichtung des Vertragsarztes; daraus folgt aber keine spiegelbildliche
Beschränkung des Großhändlers bezüglich seines Angebots und seiner Vergütungsansprüche bei der Belieferung des Arztes. Dies
korrespondiert gerade damit, dass die hier betroffenen SSBVen keine diesbezüglichen Beschränkungen der Hersteller und Großhändler
bei der Preisgestaltung enthalten.
Dem stehen schließlich auch nicht die europaweit erfolgreiche Ausschreibung der Belieferungsverträge für Kontrastmittel und
die hierüber geführten Vergabeverfahren entgegen, denn in diesen wird nur die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen geprüft,
nicht aber die Statthaftigkeit der ausgeschriebenen Verträge und deren Wirkungen infolge der Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs
(OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.06.2018 - VII-Verg 59/17 -, juris). Daher steht der Klägerin trotz erfolgloser Teilnahme an dem Bieterverfahren das Recht weiterhin zu, sich auf die
ihr gegenüber bestehende Unwirksamkeit entsprechender Vertragsvereinbarungen mit Dritten zu berufen.
Der Zinsanspruch ist schließlich aus §
69 Abs.
1 Satz 3
SGB V i.V.m. §§
286,
288 Abs.
2 BGB begründet, weil die geforderten Zahlungen in den geltend gemachten Zeitpunkten fällig waren und die Beklagte im Verzug war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
155 Abs.
1 Satz 3
VwGO, wobei die geringfügige Klagerücknahme eine Kostenteilung nicht gebietet.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 und 47 GKG.
Der Senat lässt die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zu, weil der Rechtsstreit Fragen grundsätzlicher Bedeutung über die nicht revisibele Auslegung der landesvertraglichen SSBV
(BSG, Beschluss vom 31.05.2006 - B 6 KA 10/06 B -, juris) hinaus aufwirft.