Übergangsleistungen
Einstweiliger Rechtsschutz
Wechselbeziehung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund
Zunehmende Eilbedürftigkeit
Schwere des drohenden Nachteils
Gründe
I.
Die Antragstellerin (Ast) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes rückwirkend ab dem 13.08.2014 Übergangsleistungen
nach §
3 Abs.
2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) von der Antragsgegnerin (Ag).
Die am 00.00.1971 geborene Ast war nach der Schulzeit nach eigenen Angaben vom 15.08.-27.09.1989 als Hauswirtschafterin in
einem Hotel in X tätig, vom 01.-31.07.1990 als Hotelfachfrau in einem Hotel in M, vom 09.01.-10.04.1992 als Metallarbeiterin
bei der Firma I in C, vom 01.08.1998 - 29.06.2001 absolvierte sie am Berufskolleg C1 eine Ausbildung zur Kinderpflegerin in
Form einer schulischen Ausbildung mit drei dreiwöchigen Praktika. Seit dem 04.03.2002 war sie als Altenpflegehelferin im Pflegeheim
Haus X in X tätig.
Die Krankenkasse der Ast, die AOK Nordwest, zeigte am 28.04.2014 den Verdacht einer Berufskrankheit (BK) nach den Ziffern
2108-2110 der Anlage zur
Berufskrankheitenverordnung (
BKV) an. Die Ast sei seit dem 25.11.2013 arbeitsunfähig, es seien die Diagnosen Bandscheibenverlagerung/Rückenschmerzen/cervicale
Bandscheibenverlagerung/Radikulopathie gestellt worden.
Die Ag leitete Ermittlungen ein, nahm Befund- und Behandlungsberichte der die Ast behandelnden Ärzte zu den Akten und zog
Auskünfte der Arbeitgeber sowie Eigenauskünfte der Ast bei. Dabei gab die Ast ergänzend zu o.g. Tätigkeiten an, ihre Großeltern
vom 01.10.1989 - 18.09.1997 betreut und gepflegt zu haben. Der Großvater der Ast sei am 22.08.1991 verstorben. Nach einer
Bescheinigung des praktischen Arztes Junge vom 30.09.1997 habe die Ast ab dem 22.08.1991 ihre Großmutter betreut und deren
Haushalt geführt, ab ca. 01.05.1995 habe die Ast ihre Großmutter, welche am 18.09.1997 verstarb, gepflegt.
Sodann holte die Ag eine beratungsärztliche Stellungnahme des Chirurgen Prof. Dr. F ein. Dieser führte in Auswertung der beigezogenen
Unterlagen unter dem 30.01.2015 aus, bereits im Jahre 1999 sei offensichtlich infolge eines Bandscheibenvorfalls in Höhe LWK
4/5 eine Nukleotomie erforderlich gewesen. Damit sei prinzipiell eine lumbale Bandscheibenerkrankung dokumentiert, die mindestens
einer Chondrose Grad 2, wahrscheinlich höher, zuzuordnen sei. Damit sei im vorliegenden Fall von einer bandscheibenbedingten
Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) auszugehen. Mehr als 10 Jahre später (2013) seien deutliche degenerative Veränderungen
von mindestens 3 Bandscheiben der Halswirbelsäule (HWS) festgestellt worden. Es sei die operative Entfernung der Bandscheibe
C6/C7 mit Ersatz durch eine Prothese erforderlich geworden. Offensichtlich seien die Veränderungen an der HWS stärker als
die der LWS, so dass eine Situation entsprechend den Empfehlungen der Konsenskonferenz zur Anerkennung einer BK nicht anzunehmen
sei.
Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Ag nahm unter dem 19.05.2015 zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK 2108
Stellung und berechnete für den Zeitraum vom 01.08.1998 bis zum 11.08.2014 eine Gesamtbelastungsdosis in Höhe von 13,8 MNh.
Betreffend die Pflege der Großmutter zog er eine Stellungnahme der Unfallkasse NRW bei, welche unter dem 07.04.2015 für die
Zeit vom 01.01.1995 - 18.09.1997 eine Gesamtbelastungsdosis von 3,3 MNh errechnete. Ein besonderes Gefährdungspotential durch
hohe Spitzenbelastungen wurde jeweils angenommen.
Die Ag beabsichtigte sodann die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens und ließ der Ast sodann eine Gutachterauswahl
zukommen, wobei die Ast schließlich nach Absagen anderer Gutachter Dr. T, Institut für Medizinische Begutachtung (IMB) aus
Kassel wählte. Eine Einladung des IMB vom 06.10.2015 gab als Ansprechpartner Dr. N an.
Am 08.10.2015 beantragte die Ast durch ihren Bevollmächtigten die Anerkennung einer BK nach den Ziffern 2108, 2109, 2102,
2106 und 2107
BKV. Zugleich teilte er mit, dass es augenscheinlich Zweifel an der gebotenen Neutralität des IMB gebe, gleichwohl werde die
Ast unter Zurückstellung etwaiger Sorgen und Bedenken den vorgeschlagenen Gutachter widerspruchslos akzeptieren und den Termin
wahrnehmen. Es überwiege das Bestreben nach Verfahrensbeschleunigung und das Vertrauen darauf, dass Dr. N die Begutachtung
unter Wahrung seines Berufseides mit der gebotenen Neutralität auch und gerade im Interesse und zum Schutze der Erkrankten
durchführen werde.
Mit Schreiben vom 26.11.2015 - nach erfolgter ambulanter und röntgenologischer Untersuchung durch Dr. N am 16.10.2016 - rügte
die Ast sodann, die Auswahl des Dr. N sei unter Verletzung von §
200 Abs.
2 SGB VII erfolgt.
Die Ag nahm weitere Befund- und Behandlungsberichte betreffend eine ab Januar 2015 dokumentierte Knieerkrankung der Ast sowie
eine Eigenauskunft der Ast zu den kniebelastenden Tätigkeiten zu den Akten. Danach habe sie arbeitstäglich ca. 90 Minuten
im Knien bzw. mit vergleichbaren Kniebelastungen gearbeitet.
Mit Gutachten vom 11.12.2015 kamen Dr. N und Dr. T, welcher mit "einverstanden aufgrund eigener Prüfung und Urteilsbildung"
unterzeichnete, zu dem Ergebnis, im Bereich der LWS liege eine radiologisch belegte Bandscheibenerkrankung ohne klinische
Symptomatik vor und somit keine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der BK 2108
BKV. Die Chondrose Grad II sei als Folge der Operation 1999 zu werten. Der Schwerpunkt finde sich radiologisch gesichert bereits
seit vielen Jahren im Bereich der HWS, hier finde sich auch einzig eine objektivierbare Bewegungseinschränkung nach bereits
erfolgter Bandscheibenprothese. Das Auftreten eines symptomatischen Bandscheibenvorfalls mit Notwendigkeit einer Operation
bereits im 28. Lebensjahr spreche deutlich für eine Verursachung abseits der beruflichen Exposition. Gemäß der Konsensempfehlungen
sei eine Einordnung in die Fallgruppe B5 vorzunehmen. Betreffend die BK 2109
BKV lasse sich zwar eine bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS sichern, jedoch habe die Ast keine geeignete Tätigkeit im Sinne
der BK 2109
BKV ausgeübt. Das von der Ast genannte Festhalten der Pfleglinge am Hals stelle keine geeignete Einwirkung im Sinne der BK 2109
BKV dar. Auch eine geeignete berufliche Einwirkung betreffend die BK 2102
BKV bestehe nicht. Eine Tätigkeit in Kniezwangshaltung oder generell Tätigkeit im Fersensitz mit Überbeugung im Kniegelenk lasse
sich weder der Tätigkeitsbeschreibung noch den Einlassungen der Ast entnehmen. Verneint wurden in dem Gutachten auch die Voraussetzungen
der BK 2110, 2106 und 2107
BKV. Das Gutachten wurde der Ast am 08.01.2016 übersandt.
Mit Bescheid vom 22.02.2016 lehnte die Ag die Anerkennung einer BK 2108
BKV ab. Die Ast habe keinen Anspruch auf besondere Leistungen oder Maßnahmen nach der
BKV, die dem Entstehen dieser BK entgegenwirkten. Eine entsprechende bandscheibenbedingte Erkrankung bestehe nicht. Es bestehe
auch nicht die Gefahr des Entstehens einer BK 2108, da die Erkrankung schon nicht durch die berufliche Tätigkeit verursacht
worden sei. Eine zu berücksichtigende berufliche Belastung vor der lumbalen Bandscheibenoperation im Jahre 1999 habe lediglich
bei 19 % des Orientierungswertes gelegen.
Mit weiterem Bescheid vom 22.02.2016 lehnte die Ag es ab, die Erkrankung im Bereich der HWS der Ast als BK iSv Ziffer 2109
BKV anzuerkennen. Auch diesbezüglich lehnte sie einen Anspruch auf besondere Leistungen oder Maßnahmen nach der
BKV, die dem Entstehen dieser BK entgegenwirkten, ab. Die Ast habe bei ihrer Berufstätigkeit keine Lasten auf der Schulter getragen.
Das Festhalten der zu pflegenden Personen am Hals stelle keine geeignete Einwirkung dar.
Mit weiterem Bescheid vom 22.02.2016 lehnte die Ag es ab, die Beschwerden im rechten Kniegelenk der Ast als BK iSv Ziffer
2102
BKV anzuerkennen und verneinte auch hier einen Anspruch auf besondere Leistungen oder Maßnahmen nach der
BKV, die dem Entstehen dieser BK entgegenwirkten. Geeignete berufliche Einwirkungen im Sinne der BK hätten nicht festgestellt
werden können.
Unter dem 26.02.2016 erhob die Ast jeweils Widerspruch gegen die Bescheide.
Am 03.04.2016 beantragte sie die Bewilligung von Übergangsleistungen gem. §
3 BKV.
Mit Schreiben vom 12.04.2016 teilte die Ag mit, dass über Leistungen nach §
3 BKV bereits mit Bescheiden vom 22.02.2016 entschieden wurde.
Mit Schreiben vom 24.04.2016 teilte die Ast mit, dass das Gutachten des IMB zahlreiche Passagen enthalte, welche die Besorgnis
der Befangenheit (§
42 Zivilprozessordnung [ZPO] analog) begründeten. Zur Begründung der Widersprüche teilte sie mit, dass die Feststellungen der AG zur BK 2108, dass
nicht die Gefahr des Entstehens einer BK bestehe, da die Erkrankung schon nicht durch die berufliche Tätigkeit verursacht
worden sei, offensichtlich an der ständigen Rechtsprechung des BSG vorbeigehe, wonach es überhaupt nicht darauf ankomme, ob eine berufsbedingte Erkrankung bereits eingetreten oder die BK bereits
förmlich anerkannt sei. Die Ag könne hier nicht auf den fehlenden Kausalzusammenhang abstellen. Es genüge die konkrete Gefahr
der Entstehung oder Verschlimmerung einer solchen Erkrankung. Diese sei zwischenzeitlich durch mehrere sozialmedizinische
Gutachten und ärztliche Stellungnahmen, u.a. des behandelnden Hausarztes, der beratenden Ärzte der Agentur für Arbeit und
der DRV hinreichend belegt. Hinsichtlich der BK 2109 liege eine entsprechende berufliche Belastung vor. Pflegebedürftige umklammerten
die Schultern und den Nacken des Personals, dieses trage das Gewicht der Pflegebedürftigen (oftmals über 100 kg) auf bzw.
über den Schultern. Die Hebe- und Tragevorgänge gingen dabei in aller Regel auch mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen
Zwangshaltung einher.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 10.10.2016 wies die Ag die Widersprüche der Ast betreffend die Bescheide vom 22.02.2016 bezüglich
der BK Ziffern 2102, 2108, 2109
BKV zurück.
Hinsichtlich der BK 2108
BKV führte sie u.a. aus, ausgehend vom Zeitpunkt des Eintritts einer Erkrankung der LWS im Jahr 1999 (operative Versorgung eines
Bandscheibenvorfalls L4/L5) sei festzustellen, dass die Ast bis zu diesem Zeitpunkt maximal über die Zeit von 01/1995 bis
09/1997 durch die Pflege von Angehörigen eine im Sinne der BK 2108 belastende Tätigkeit ausgeübt habe. Eine langjährige Belastung,
welche in der Regel eine über 10 Jahre dauernde i.S. der BK relevante Einwirkung voraussetze, habe im Jahr 1999 nicht vorgelegen.
Bei einer bis 1999 anzunehmenden Einwirkung von nur ca. 19 % des Orientierungswertes sei ein Ursachenzusammenhang zwischen
LWS-Erkrankung und Hebe-/Tragebelastung nicht wahrscheinlich. Die weitere Pflegetätigkeit bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit
Ende 2013 habe zwar dazu geführt, dass eine insgesamt relevante LWS-Belastung erreicht worden sei, es lägen nach dem dokumentierten
Befund- und Behandlungsverlauf jedoch weder objektive Befunde vor, die von einem Fortschreiten der radiologischen LWS-Befunde
ausgehen lassen würden, noch sei eine klinische Symptomatik dokumentiert, die von einer aktuellen bandscheibenbedingten Erkrankung
der LWS ausgehen lasse. Bei fehlender LWS-Symptomatik im Verlauf nach 1999 sei auch nicht auf eine konkret individuelle Gefahr
der Entstehung einer solchen BK 2108 zu schließen. Für ein manifestes Erkrankungs- und Beschwerdebild mit einer klinischen
Symptomatik bezogen auf die LWS, welches derart ausgeprägt wäre, dass deshalb die berufliche Tätigkeit nicht weiter ausgeübt
werden könne, fänden sich bereits keine ärztlich dokumentierten Befunde.
Betreffend die BK 2109 führte die Ag unter Verweis auf das Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS)
zur BK 2109 aus, für den begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der HWS sei der Nachweis
einer langjährigen, außergewöhnlich intensiven mechanischen Belastung der HWS erforderlich. Eine vergleichbare Belastung liege
bei der Ast nicht vor.
Betreffend die BK 2102 führte die Ag unter Darlegung der im Merkblatt des BMAS zur BK 2102 niedergelegten Voraussetzungen
aus, kennzeichnend für das Belastungsprofil der BK 2102 sei, dass die Dauerzwangshaltung und kniebelastenden Arbeitsvorgänge
andauernd über die Dauer einer gesamten Arbeitsschicht vorkämen (z.B. Bergmann unter Tage). Von der Ast seien zwar Tätigkeiten
in der Hocke oder im Fersensitz beschrieben worden, ein vergleichbares Belastungsprofil ergebe sich daraus jedoch nicht, da
sie nicht für die Dauer einer gesamten Arbeitsschicht anfielen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Ast nicht in häufig
beengten Verhältnissen vergleichbar im Bergbau unter Tage gearbeitet habe und insofern keine Zwangshaltung eingenommen habe,
die nicht jederzeit wieder gelöst werden könne. Eine erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere mit Laufen oder Springen
mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage sei ebenfalls nicht anzunehmen. Ferner sei aus
den Auswertungen und Erhebungen zur BK 2112 und 2102 zu schließen, dass bei Pflegekräften, Reinigungskräften und Verkäuferinnen
relevante Belastungen durch kniende oder hockende Tätigkeit eher nicht als Risikofaktor für die Ausbildung einer Knieerkrankung
in Betracht kämen (IFA-Report 1/2010; GonKatast).
Am 03.11.2016 hat die Ast Klage vor dem Sozialgericht Dortmund (SG) erhoben (Az. S 18 U 967/16) mit dem Begehren, die Ag unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verurteilen, bei ihr das Vorliegen einer BK
2109
BKV anzuerkennen und rückwirkend ab dem 05.05.2014 Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu bewilligen, hilfsweise,
das Vorliegen einer Wie-BK nach §
9 Abs.
2 SGB VII anzuerkennen und derentwegen rückwirkend ab dem 05.05.2014 Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu bewilligen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, das Gutachten der Drs. N/T unterliege einem Beweisverwertungsverbot. Zudem habe die Ag
den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, da sie nicht zu den halswirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten der Ast ermittelt habe.
Überdies ergebe sich unter Zugrundelegung des Urteils des BSG vom 04.07.2013 (B 2 U 11/12 R), dass die zum Pflegealltag der Ast zählenden Tätigkeiten dem vom BSG beschriebenen Belastungsprofil mit schädlicher Wirkung für die HWS entsprechen.
Mit einer weiteren vor dem SG am 03.11.2016 erhobenen Klage (Az. S 18 U 975/16) begehrt die Ast, die Ag unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verurteilen, bei ihr das Vorliegen einer BK 2102
BKV anzuerkennen und rückwirkend ab dem 08.10.2015 Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu bewilligen. In der Begründung
hat sie sich ebenfalls auf ein Beweisverwertungsverbot des Gutachtens der Drs. N/T und auf eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes
wegen unterlassener Ermittlung zu kniebelastenden Tätigkeiten der Ast berufen. Die Meniskusschäden der Ast seien durch die
aktenkundigen wie vorgelegten aktuellen medizinischen Befunde belegt, die kniegelenksbelastenden Tätigkeiten habe die Ast
im Erhebungsbogen gegenüber der AG dargelegt.
Die Ast hat vor dem SG am 03.11.2016 eine weitere Klage erhoben (Az. S 18 U 983/16) mit dem Begehren, die Ag unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verurteilen, bei ihr das Vorliegen einer BK
2108
BKV anzuerkennen und rückwirkend ab dem 05.05.2014 Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu bewilligen. Unter Vorlage
bislang nicht aktenkundiger ärztlicher Befunde hat sie vorgetragen, bereits im Jahr 1999 seien Befunde an den Bandscheiben
L 3/4, L4/5 und L 5/S1 festgestellt worden, im Jahr 2002 seien erneut Beschwerden im Bereich der LWS aufgetreten, auch eine
Untersuchung aus dem Jahr 2005 belege Klagen über Kopfschmerzen und Rückenbeschwerden beidseits. Untersuchungen ab September
2016 zeigten weitere behandlungsbedürftige Befunde der LWS. Auch in diesem Verfahren hat die Ast ein Beweisverwertungsverbot
hinsichtlich des Gutachtens der Drs. N/T geltend gemacht. Sie sei vom 01.01.1989 bis 18.09.1997 als pflegende Angehörige und
ab dem 04.03.2002 bis zum 25.11.2013 als Altenpflegehelferin gefährdend tätig gewesen. Die Zeit vom 01.01.1989 bis zum 31.12.1994
habe die Ag unberücksichtigt gelassen, wobei sie unter dem 02.07.2017 detaillierte Angaben zur Pflege der Großeltern gemacht
hat. Bei zutreffender Belastung unter Zugrundelegung des gesamten Tätigkeitszeitraumes der Pflege ergebe sich eine Belastung
von 10,58 MNh, insgesamt eine Belastung von 24,38 MNh für alle Tätigkeitszeiträume. Dass hier von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit
eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den versicherten Tätigkeiten einerseits und den bereits festgestellten schädigenden
Einwirkungen andererseits auszugehen sei, bedürfe keiner weiteren Erörterung. Auch die medizinischen Kriterien lägen vor,
bei ihr liege bereits im August 1999 ein bildgebender Nachweis eines altersuntypischen Bandscheibenschadens vor. Dies habe
Prof. Dr. F bestätigt. Nach Einschätzung ihres Prozessbevollmächtigten sei auch der Befund in CT-Aufnahmen vom 18.12.2002
als "altersuntypisch" im Sinne der Konsensempfehlungen einzustufen. Auch die radiologischen Aufnahmen aus 2015 und 2016 zeigten
altersuntypische Bandscheibenschäden der LWS. Im April 2017 sei schließlich eine erneute Operation der LWS mit Dekompression
L4/L5 und L5/S1 von rechts, Neuroforaminotomie und partieller Arthrektomie sowie Hemilaminektomie vorgenommen worden. Zudem
belegten diverse medizinische Befunde seit 1999 ein klinisches Krankheitsbild und eine plausible zeitliche Korrelation zwischen
der Exposition und der Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung. Die Erstmanifestation der Erkrankung habe sich 1999
gezeigt, eine erste Verschlimmerung im Jahr 2002 und eine weitere Verschlimmerung bzw. ein Wiederaufleben der Erkrankung im
Jahr 2015/2016. Zudem entspreche das festgestellte Schadensbild der Befundkonstellation B1, jedenfalls aber B2 nach den Konsensempfehlungen.
Der Kausalzusammenhang zwischen schädigender Einwirkung und Erkrankung sei zu bejahen. Anhaltspunkte für eine Alternativursache
bestünden nicht. Überdies sei sie im Rahmen der von ihr ausgeübten Pflegetätigkeiten einer erhöhten Gefahr einer Erkrankung
i.S.v. §
9 Abs.
3 SGB VII ausgesetzt gewesen, so dass auch diese Vermutungsregel für das Vorliegen eines berufsbedingten Kausalverlaufes spreche. Ein
Aufgabezwang sei durch ärztliche Äußerungen belegt. Sie habe ihre Tätigkeit auch tatsächlich spätestens ab dem 13.08.2014
aufgegeben.
In allen drei genannten Klageverfahren hat die Ast den Antrag gestellt, die Ag zu verurteilen, das Gutachten vom 16.10./11.12.2015
aus der Akte zu entfernen bzw. zu löschen, hilfsweise, festzustellen, dass die Ag verpflichtet ist, das vorbezeichnete Gutachten
aus der Akte zu entfernen bzw. zu löschen.
Am 15.02.2017 hat sich der Bevollmächtigte der Ast telefonisch an die Ag gewandt mit dem Begehren, Leistungen nach §
3 BKV zu erhalten, wofür die Ag laut Telefonvermerk keine Grundlage gesehen hat.
Am 04.03.2017 hat die Ast einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §
86b Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) gestellt mit dem Begehren, ihr rückwirkend ab dem 13.08.2014 Übergangsleistungen gemäß §
3 Abs.
2 BKV nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung hat sie sich auf den Vortrag in den Verwaltungs- und
Klageverfahren bezogen. Ergänzend hat sie ausgeführt, die Ag habe im Verwaltungsverfahren gegen den Amtsermittlungs- und Untersuchungsgrundsatz
verstoßen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des §
3 Abs.
2 BKV seien gegeben. Dabei sei unerheblich, ob der aktuelle gesundheitliche Zustand durch in der Vergangenheit liegende, beruflich
bedingte Einwirkungen ausgelöst sei, maßgeblich sei allein, dass sie bei Fortsetzung ihrer bisherigen versicherten Tätigkeit
ein erhöhtes Risiko einer weiteren Gesundheitsschädigung im Sinne der Bken 2108, 2109 und 2102 zu befürchten habe. Mittel
(Arbeitsschutzmaßnahmen), welche geeignet seien, die für sie bestehenden Gesundheitsgefahren auszuräumen, seien nicht ersichtlich.
Sie habe die Tätigkeit als Altenpflegehelferin insbesondere aufgrund ihrer Wirbelsäulenerkrankung und aus Angst vor einer
weiteren Schädigung der Wirbelsäule aufgegeben. Das Kniegelenksleiden sei zum Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe noch nicht ausschlaggebender
Beweggrund gewesen, jedoch sei es spätestens nach der dritten (Knie-) Operation im Mai 2016 sowohl objektiv als auch subjektiv
wesentliche Mitursache dafür, dass sie ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr aufgenommen habe. Zur wirtschaftlichen Situation
hat die Ast vorgetragen, vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ein monatliches Gehalt von 1.204,80 EUR brutto/915,78 EUR netto
bezogen zu haben, vom 12.08.2014 - 22.05.2015 Krankengeld in Höhe von monatlich 904,20 EUR brutto/792,90 EUR netto; vom 23.05.2015
- 21.05.2016 Arbeitslosengeld von 594,60 EUR netto. Daneben beziehe sie laufend Leistungen einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung
in Höhe von monatlich 599,99 EUR. Sie bewohne mit dem Ehemann ein Eigenheim, welches diesem im Wege der vorweggenommenen Erbfolge
übertragen worden sei. Zudem verfüge sie über Spareinlagen der Sparkasse Hochsauerland in Höhe von 54.625,54 EUR. Gemeinsam
mit dem Ehegatten verfüge sie über ein weiteres Sparguthaben von 5.252,06 EUR. Daneben verfüge der Ehegatte über Sparguthaben
von 16.898,01 EUR bei der Sparkasse und 26.244,01 EUR bei der Volksbank C. Der Ehegatte beziehe Arbeitslohn, welcher sich
im Jahr 2016 auf 24.628,20 EUR brutto belaufen habe. Ein Anordnungsgrund sei darin zu sehen, dass Übergangsleistungen als
Unterstützungsleistung zum Ausgleich aktueller wirtschaftlicher Nachteile gedacht sei. Diese gesetzgeberische Zielvorstellung
könne aber nur dann erreicht werden, wenn und sobald die Situation akut sei. Übergangsleistungen seien nur so lange sinnvoll,
als durch deren Zahlung überhaupt noch ein infolge der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit einsetzendes Absinken im wirtschaftlichen
Status verhindert bzw. abgefedert werden könne. Bei einem weiteren Zuwarten drohe eine Vereitelung des Rechts, namentlich
des Anspruchs auf die Gewährung von Übergangsleistungen, da diese Leistung nicht außerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums rückwirkend
bewilligt werden könne. Es sei zwar zuzugeben, dass ihr ohne die hier streitgegenständlichen Übergangsleistungen nicht unmittelbar
und sofort existentielle Nachteile drohten, welche sie nicht vorerst noch aus eigener Kraft abwenden könne. Nach der gesetzlichen
Zielsetzung solle aber gerade ein Zwang zum Rückgriff auf Rücklagen vermieden werden. Im Falle eines Unterliegens im Hauptsacheverfahren
sichere sie bereits jetzt zu, zu Unrecht ausgezahlte Beträge zurückzuerstatten und sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung
zu berufen.
Die Ast hat schriftsätzlich beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, der Antragstellerin (rückwirkend ab dem
13.08.2014) Übergangsleistungen gemäß §
3 Abs.
2 BKV nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren,
hilfsweise,
vorläufig festzustellen, dass die Antragsgegnerin dem Grunde nach verpflichte ist, der Antragstellerin (rückwirkend ab dem
13.08.2014) Übergangsleistungen gemäß §
3 Abs.
2 BKV nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren,
hilfsweise,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Ag hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Ag hat die Auffassung vertreten, dass weder Anordnungsgrund noch Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht seien. In keinem
der anhängigen Streitverfahren sei geklärt, dass für die Ast die konkret individuelle Gefahr bestehe, dass eine der streitbefangenen
BKen entstehe. Darüber hinaus sei nicht geklärt, ob eine solche Gefahr nicht durch den Einsatz geeigneter Mittel zu beseitigen
sei. Schließlich sei eine existenzgefährdende Notlage der Ast nicht glaubhaft gemacht.
Mit Beschluss vom 21.06.2017 hat das SG den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch auf die begehrte Übergangsleistung nach §
3 Abs.
2 BKV bestehe unter Berücksichtigung des im Eilverfahren zu berücksichtigenden Prüfungsumfangs nicht. Ein objektiver Zwang zur
Tätigkeitsaufgabe aufgrund der Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 2109 oder 2108 oder wegen der Gefahr des Entstehens einer
BK 2102 oder einer Wie-BK nach §
9 Abs.
2 BKV habe nicht bestanden. Hinsichtlich der BK 2109 habe keine bedeutsame Exposition im Sinne dieser BK vorgelegen, ferner sprächen
die konkreten Wirbelsäulenveränderungen gegen eine Kausalität. Auch eine Erkrankung der LWS, die einen Ursachenzusammenhang
zwischen beruflicher Tätigkeit und körperlicher Veränderung als wahrscheinlich erscheinen lasse, sei unter Berücksichtigung
der Gutachten des Prof. Dr. F und des Dr. T nicht erkennbar. Das Vorliegen der arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen
der BK 2102
BKV sei ebenso nicht erkennbar. Die Entstehung einer Wie-BK sei ebenfalls nicht absehbar.
Gegen den ihr am 27.06.2017 zugestellten Beschluss hat die Ast am 21.07.2017 Beschwerde eingelegt. Bei ihr seien im Bereich
der HWS, der LWS und im Bereich beider Kniegelenke hinreichende Schäden (röntgenmorphologische Veränderungen) Im Sinne der
BKen 2108, 2109 und 2102 objektiviert. Durch mehrere arbeitsmedizinische Gutachten/Stellungnahmen sei festgestellt, dass sie
aus arbeitsmedizinischen Gründen ihre bisher ausgeübte Tätigkeit als Altenpflegehelferin nicht mehr ausüben könne, weil die
damit einhergehenden Gesundheitsgefahren gerade im Hinblick auf die bereits objektivierten Vorschäden zu groß wären. Sie sei
auch einer Exposition im Sinne der BK 2109 ausgesetzt gewesen und habe dies im Hauptsacheverfahren unter Beifügung von Anschauungsmaterial
belegt. Ferner liege bei ihr ein mehrsegmentaler Schaden der HWS vor mit gleichzeitig zu erwartenden Schäden an der unteren
HWS und damit ein geradezu typisches belastungskonformes Schadensbild. Hinsichtlich der BK 2108 sei das Gutachten der Dres.
N/T nicht verwertbar, da Dr. N dies allein erstellt und Dr. T die Ast nie gesehen und nie untersucht habe. Ferner hätten weder
Prof. Dr. F noch Dres. N/T vollständige Aktenunterlagen vorgelegen. Zudem seien LWS-belastende Tätigkeiten betreffend die
Pflege der Großeltern vor 1995 völlig unberücksichtigt geblieben. Die BK 2108 bzw. die Konsensempfehlungen sähen überdies
kein "Mindestalter" für die Erkrankung vor, ferner spreche ein Bandscheibenvorfall in jungen Jahren nicht dagegen, dass nicht
doch noch eine BK 2108 entstehen könne. Hinsichtlich der BK 2102 lägen nachweislich Meniskusveränderungen an beiden Knien
vor, auch eine hinreichende Exposition sei gegeben. Zum Vorliegen einer Wie-BK habe sie im vorliegenden Verfahren gar nicht
vorgetragen.
Dem schriftsätzlichen Vorbringen der Ast lässt sich sinngemäß der Antrag entnehmen,
den Beschluss des SG Dortmund vom 21.06.2017 aufzuheben und
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, der Antragstellerin (rückwirkend ab dem
13.08.2014) Übergangsleistungen gemäß §
3 Abs.
2 BKV nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren,
hilfsweise,
vorläufig festzustellen, dass die Antragsgegnerin dem Grunde nach verpflichtet ist, der Antragstellerin (rückwirkend ab dem
13.08.2014) Übergangsleistungen gemäß §
3 Abs.
2 BKV nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren,
hilfsweise,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Ag beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Ag hält den Beschluss des SG für zutreffend. Eine relevante Belastung liege weder für die BK 2102 noch für die BK 2109 vor. Ergänzend weist sie zur BK
2109 unter Verweis auf einen Aufsatz von S. Freitag et al., The Annals of Occupational Hygiene, Juli 2012, S. 1, darauf hin,
dass im (Alten-)Pflegebereich allenfalls wenige Minuten HWS-Belastung anfallen und dies nicht mit einem Zeitanteil von über
30 bis 75 Minuten pro Tag, wie er unter Berücksichtigung der Wegstrecken von Fleisch- und Kohlenträgern für die Wissenschaftliche
Stellungnahme zur BK 2109 vom 01.12.2016 ermittelt worden sei, vergleichbar sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte sowie die beigezogenen
Akten der vor dem SG geführten Verfahren S 18 U 967/17, S 18 U 975/17 und S 18 U 983/17 Bezug genommen.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§
172,
173 SGG) ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt.
Statthaft ist vorliegend der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG. Die Voraussetzungen für die begehrte Anordnung liegen aber nicht vor. Gemäß §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer
Regelungsanordnung im Sinne dieser Vorschrift setzt zum einen die Glaubhaftmachung (vgl. §
86b Abs.
2 Satz 2 und
4 SGG in Verbindung mit §§
920 Abs.
2,
294 Abs.
1 ZPO) eines Anordnungsanspruchs, also eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die begehrte Leistung voraus, zu der der Antragsgegner
im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll. Darüber hinaus bedarf es eines Anordnungsgrundes, also
der Eilbedürftigkeit einer vorläufigen gerichtlichen Regelung vor einer Entscheidung in der Hauptsache, der ebenfalls glaubhaft,
d.h. überwiegend wahrscheinlich (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
Sozialgerichtsgesetz, 12. Auflage, §
128 Rn 3d m.w.N) zu machen ist. Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund allerdings nicht isoliert nebeneinander.
Vielmehr besteht zwischen beiden eine Wechselbeziehung in dem Sinne, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit
zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt. Ist die Klage in der Hauptsache
offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Rücksicht auf
den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache
dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag
auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet
werden kann. Dabei reicht es für die insofern notwendige Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache grundsätzlich
aus, die Sach- und Rechtslage summarisch zu prüfen. Abweichend hiervon ist eine abschließende Prüfung vor allem dann erforderlich,
wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige
Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05). Die einstweilige Anordnung wird erlassen, wenn es dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten
nicht zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig et al, a.a.O., § 86b Rn
29 ff. m.w.N.).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze war der Eilantrag abzuweisen, da weder Anordnungsanspruch (hierzu unter Ziffer 1) noch Anordnungsgrund
(nachfolgend unter Ziffer 2) glaubhaft gemacht wurden.
1. Die Ast hat bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn es kann allenfalls als offen angesehen werden, ob
der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Übergangsleistungen besteht. Nach §
3 Abs.
1 Satz 1
BKV haben die Unfallversicherungsträger der Gefahr, dass eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert,
mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Ist die Gefahr gleichwohl nicht zu beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger
darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen (§
3 Abs.
1 Satz 2
BKV). Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, haben zum Ausgleich hierdurch verursachter
Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile Anspruch auf Übergangsleistungen (§
3 Abs.
2 Satz 1
BKV). Der Anspruch auf Übergangsleistungen setzt danach voraus,
a) dass der Versicherte aufgrund seiner versicherten Tätigkeit Einwirkungen auf seine Gesundheit ausgesetzt ist, die aktuell
eine konkrete individuelle Gefahr des Entstehens, Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer Berufskrankheit begründen,
b) wegen der fortbestehenden Gefahr die gefährdende Tätigkeit eingestellt wird, und es
c) dadurch zu einer konkreten Verdienstminderung und/oder sonstigen wirtschaftlichen Nachteilen kommt.
Dabei ist ein doppelter Kausalzusammenhang erforderlich. Er muss einerseits zwischen der (drohenden) Berufskrankheit und der
Einstellung der gefährdenden Tätigkeit und andererseits zwischen dieser Einstellung der Tätigkeit und der Minderung des Verdienstes
oder den sonstigen wirtschaftlichen Nachteilen bestehen (BSG, Urteil vom 22.03.2011- B 2 U 12/10 R; Mehrtens/Brandenburg, Die
Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, Stand: Lfg. 1/17, §
3 Rdnr. 5.2 m. w. N.).
BKen sind nach §
9 Abs.1 Satz 1
SGB VII Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die Versicherte
infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3,
6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach §
9 Abs.
1 Satz 2
SGB VII ist die Bundesregierung ermächtigt, Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft
durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad
als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Dies geschieht in der
BKV, der eine Liste der entschädigungspflichtigen BKen angefügt ist. Die Feststellung einer BK setzt grundsätzlich voraus, dass
die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, d.h. dass der Versicherte im Rahmen einer grundsätzlich versicherten
Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK ausgesetzt war, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden
zu bewirken, und dass die Einwirkungen eine Krankheit im Sinne der jeweiligen BK verursacht haben. Dabei müssen die versicherte
Tätigkeit, die Verrichtung, die Einwirkung und die Krankheit im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge
genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit; diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht
und ernste Zweifel ausscheiden. Die bloße Möglichkeit reicht nicht (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 07.04.2013, B 2 U 11/12 R, Rn. 12 m.w.N.).
Die konkrete individuelle Gefahr des Entstehens, Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer BK nach Nr. 2102
BKV ist von der Ast nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die BK 2102
BKV erfasst Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden
Tätigkeiten. Wie die Ag und das SG zu Recht ausgeführt haben, ist schon nicht ersichtlich, dass die Ast während ihrer beruflichen Tätigkeit Einwirkungen im
Sinne dieser BK ausgesetzt ist. Nach dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK 2102 (Bek. des BMA vom 11.10.1989,
BArbBl. 1990 H. / S. 135, II) ist eine überdurchschnittliche Belastung der Kniegelenke biomechanisch gebunden an eine Dauerzwangshaltung,
insbesondere bei Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung oder häufig wiederkehrende erhebliche
Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener
Unterlage, da nur unter diesen Umständen die halbmondförmigen, auf den Schienenbeinkopfgelenkflächen nur wenig verschiebbaren
Knorpelscheiben, insbesondere der Innenmeniskus, in verstärktem Maße belastet werden. Auch nach der wissenschaftlichen Begründung
(BR-Drs. 33/88 S. 5 zu Nr. 2) sind anspruchsbegründend nur Arbeiten im Hocken und Fersensitz, mit erzwungener maximaler Knieanwinkelung
und gleichzeitiger Verdrehung zwischen Ober- und Unterschenkel, auch raue Bewegungsbeanspruchungen, insbesondere unter besonders
beengten räumlichen Verhältnissen, nicht jedoch Tätigkeiten nur im Knien und im Kriechen (Mehrtens/Brandenburg, Kommentar
zur
BKV, M 2101, Anmerkungen Nr. 3 zum Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK 2102; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall
und Berufskrankheit, 9. Auflage, 8.10.5.9.3, Seite 664 f.). Meniskusbelastend, im besonderen Maße gefährdend, sind Arbeiten,
die verrichtet werden unter räumlich eng begrenzten Verhältnissen, in Zwangshaltung oder mit häufig wiederkehrender erheblicher
Bewegungsbeanspruchung. Dabei werden rezidivierende Mikrotraumen durch häufige Überforderungen bei muskulär nicht oder nur
unvollkommen kontrollierten Bewegungen als entscheidender Schädigungsmechanismus angesehen. Nicht meniskusbelastend im Sinne
der BK 2102 hingegen sind kniende Positionen (rechtwinklige Beugung des Kniegelenks), da die Menisken weder stark verschoben,
noch stark verformt oder erheblich druckbelastet sind, und Einzeltätigkeiten, kurzfristige Arbeiten, Tätigkeiten mit einem
Wechsel zwischen Be- und Entlastung, obwohl grundsätzlich meniskusbelastend (siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.,
8.10.5.9.3, Seite 665). Dementsprechend muss in jedem Einzelfall geklärt werden, ob es sich nur um knieende und kriechende
Tätigkeiten - ohne Ursachenrelevanz - gehandelt hat, oder ob hockende Belastungen inklusive des Fersensitzes dann auch mit
Dauerzwangshaltungen unter besonderer Kraftaufwendung - gegebenenfalls auch in beengten räumlichen Verhältnissen - durchgeführt
wurden, die über einen Zangen-Rotationsmechanismus eine "Meniskusquetschung" hätten bewirken können und damit mikrotraumatisierend
zu einer berufsbedingten Verschleißerkrankung des Meniskusgewebes führen konnten (siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall
und Berufskrankheit, 9. Auflage, 8.10.5.9.3, Seite 664 f.). Voraussetzung für eine überdurchschnittliche Kniegelenksbelastung
ist ferner, dass das Erscheinungsbild des Berufes und/oder des jeweiligen Arbeitsplatzes hierdurch geprägt wird (siehe Mehrtens/Brandenburg,
a.a.O., Anmerkungen Nr. 3 m.w.N. auf die Rechtsprechung). Die Einwirkungen pro Schicht müssen eine gewisse Zeit andauern und
den Menisken keine ausreichende Zeit für eine Erholung belassen (siehe Urteil des BSG vom 21.11.1958, 5 RKn 33/57). Der Verordnungsgeber gibt zwar keinen bestimmten, zeitlich fassbaren Anteil der kniebelastenden Tätigkeiten an der täglichen
Arbeitszeit vor. Die Ansicht, bei einer zeitlichen Belastung von weniger als einem Drittel der Arbeitsschicht hätten die Menisken
ausreichend Zeit, sich zu erholen, ist wissenschaftlich nicht begründet (zum Vorstehenden bereits Urteil des erkennenden Senats
vom 14.06.2017, Az. L 17 U 469/17). Die Einschätzung gründet sich vielmehr auf die tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall, die Arbeitsabläufe und -verrichtungen
und die hierdurch bedingten Kniegelenksbelastungen. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse hat die Ast nicht glaubhaft
gemacht, im Laufe ihres Berufslebens und bei ihrer letzten Tätigkeit andauernde oder wiederkehrende, die Kniegelenke überdurchschnittlich
belastenden Tätigkeiten ausgeführt zu haben. Es ist insbesondere weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Ast in ihrer
Tätigkeit als Altenpflegehelferin entsprechenden Einwirkungen im o.g. Sinne ausgesetzt war. Insoweit hat die Ag bereits zu
Recht darauf verwiesen, dass nach den Auswertungen im IFA-Report 1/2010; Gonkatast, S. 103 ff., bei Pflegekräften relevante
Belastungen durch kniende oder hockende Tätigkeiten eher nicht in Betracht kommen. Vor diesem Hintergrund erscheinen auch
die zeitlichen Angaben der Ast zu den kniebelastenden Tätigkeiten als Altenpflegehelferin von 90 Minuten pro Schicht nicht
plausibel. Diesbezüglich hat die Ag ebenfalls zutreffend darauf verwiesen, dass gemäß IFA-Report 2/2012, S. 45, bei der Selbsteinschätzung
zur Dauer einzelner Kniebelastungsformen eine deutlich höhere Belastung im Vergleich zu den tatsächlich ermittelten Messergebnissen
angenommen wurde. Ist die Ast nicht entsprechenden Gefährdungen ausgesetzt, welche geeignet sind, eine BK entstehen zu lassen,
kann es entgegen der Auffassung der Ast nicht darauf ankommen, dass behandelnde Ärzte bzw. Gutachter der Deutschen Rentenversicherung
oder der Agentur für Arbeit der Auffassung sind, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung ihre berufliche Tätigkeit nicht mehr ausüben
darf. Denn die Gewährung von Übergangsleistungen nach §
3 Abs.
2 BKV knüpft allein an das Entstehen, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben einer BK an, nicht einer solchen Krankheit, die
nicht als BK zu qualifizieren wäre.
Neben den fehlenden arbeitstechnischen Voraussetzungen, die eine konkret-individuelle Gefahr des Entstehens, Wiederauflebens
oder Verschlimmerns einer BK 2102
BKV annehmen lassen, hat das SG überdies bereits zu Recht darauf verwiesen, dass auch nicht glaubhaft gemacht ist, dass bei der Ast ein Krankheitsbild im
Sinne einer BK 2102
BKV, welche allein eine primäre Meniskopathie erfasst, entstehen, wiederaufleben oder sich verschlimmern könnte. Dazu verhalten
sich die von der Ast vorgelegten medizinischen Befunde nicht.
Die konkrete individuelle Gefahr des Entstehens, Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer BK nach Nr. 2109
BKV ist von der Ast ebenfalls nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die BK 2109
BKV erfasst bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter,
die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben
der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Auch diesbezüglich hat die Ast schon nicht hinreichend glaubhaft gemacht,
während ihrer Arbeitstätigkeit Einwirkungen im Sinne dieser BK ausgesetzt gewesen zu sein. Nach dem Merkblatt des BMAS zur
BK 2109 vom 14.06.2016 (Bek. d. BMAS v. 1.12.2016 - IVa 4-45222 - 2109 - [GMBl. - 31.01.2017, S. 29 ff]) müssen für die Entstehung
einer BK 2109 mindestens folgende arbeitsbedingte Einwirkungen vorliegen:
1. Der Versicherte hat Lasten mit einem Lastgewicht von 40 kg oder mehr auf der Schulter oder über der Schulter mit Beteiligung
des Rückens während eines Schichtanteils von etwa einer halben Stunde oder mehr getragen.
2. Der Tragevorgang hat zu einer Kopfbeugehaltung nach vorne oder seitwärts oder zu einer Verdrehung der Halswirbelsäule geführt.
Dies ist beim Tragen von Tierkörperteilen und Säcken sowie Balken, Rohren, Baumstämmen, Schläuchen, Kabeln oder ähnlichen
Lasten auf der Schulter oder über der Schulter mit Beteiligung des Rückens der Fall.
3. Die arbeitsbedingte Einwirkung im Sinne von Ziffer 1 und 2 geht mit einer kumulativen Gesamtbelastung in Höhe von mindestens
4,4 x 104 (kg x h) einher.
Selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass diese Mindestbelastungswerte auf Studien mit Männern beruhen, hat die Ast
nicht glaubhaft gemacht, während ihrer beruflichen Tätigkeit als Altenpflegerin auch nur annähernd entsprechenden Belastungen
ausgesetzt gewesen zu sein. Wie bereits die von ihr im Verfahren S 18 U 967/18 vorgelegten Bilder veranschaulichen, wird die Last bei den dargestellten Transfervorgängen nicht ausschließlich oder weitgehend
auf der Schulter getragen, denn die Pflegebedürftigen halten sich zwar im Schulter/Nackenbereich fest, der Tragevorgang erfolgt
aber unter Zuhilfenahme der Arme und unter Belastung weiterer Körperteile der Pflegekraft. Dementsprechend wurden die entsprechenden
Transfervorgänge auch bei der Berechnung der Einwirkungen auf die Lendenwirbelsäule der Ast berücksichtigt. Selbst wenn man
unterstellt, die auf der Schulter oder über der Schulter getragene Last erreiche das nach o.g. Kriterien genannte Lastgewicht
von 40 kg, ergibt sich aus der Stellungnahme Arbeitsplatzexposition der Ag vom 19.05.2015, dass die dort unter Nummer 1a,
2, 3, 4 und 6 aufgeführten Tätigkeiten der Ast, bei denen auch eine Belastung des Schulter-Nacken-Bereichs denkbar ist, einen
Zeitanteil von lediglich 4 Minuten 45 Sekunden pro Schicht einnehmen. Einen Schichtanteil von einer halben Stunde und mehr,
wie er als gefährdende Einwirkung im Sinne einer BK 2109
BKV angesehen wird, erreicht die Ast nicht.
Betreffend die BK 2108
BKV kann aufgrund der vorliegenden Unterlagen vom Senat im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht abschließend
geklärt werden, ob die Gefahr des Entstehens, Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer Berufskrankheit besteht. Die
BK 2108 erfasst bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten
oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung. Insofern ist die Ast zwar in ihrer Tätigkeit als Altenpflegehelferin
entsprechenden Belastungen ausgesetzt gewesen. Ebenso lag bei der Ast nach der Stellungnahme des Prof. Dr. F im Jahr 1999
eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor. Zudem hat die Ast neue Befund- und Behandlungsberichte betreffend Erkrankungen
der LWS vorgelegt. Indes ist damit die Gefahr des Entstehens, Wiederauflebens oder einer Verschlimmerung einer BK 2108 nicht
glaubhaft gemacht. Denn Prof. Dr. F hat einen Kausalzusammenhang der 1999 diagnostizierten bandscheibenbedingten Erkrankung
mit der beruflichen Tätigkeit verneint. Soweit die Ast nunmehr vorträgt, dies sei bereits deshalb falsch, weil bereits 1999
aufgrund der bis zum 31.12.1994 nicht berücksichtigten Pflegetätigkeit der Großeltern die arbeitstechnischen Voraussetzungen
erfüllt gewesen wären, ist schon nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass diese Pflegetätigkeit überhaupt eine versicherte
Tätigkeit i.S.v. § 539
Reichsversicherungsordnung (
RVO) darstellte. Aus dem bisherigen Vortrag kann insbesondere nicht ohne weitere Ermittlungen darauf geschlossen werden, dass
und in welchem Umfang die Ast zu dem hier in Betracht kommenden, nach § 539 Abs. 1 Nr. 7
RVO in der bis 31.12.1994 geltenden Fassung versicherten Personenkreis gehört oder eine Wie-Beschäftigung i.S.v. § 539 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 7
RVO ausübte oder ob möglicherweise aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen ein Versicherungsschutz auszuschließen ist (vgl.
dazu BSG, Urteile vom 25.10.1989, 2 RU 4/89, Rn. 19, 21 ff. und vom 29.11.1990, 2 RU 18/90, Rn. 21 ff. - zitiert nach [...]).
Auch hinsichtlich der aktuell vorgelegten Berichte ist für den Senat nicht glaubhaft gemacht, dass bei Fortsetzung der Berufstätigkeit
die Gefahr des Entstehens, Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer BK 2108 besteht, denn die von der Ast im Klageverfahren
umfangreich nachgereichten medizinischen Unterlagen verhalten sich nicht zum Kausalzusammenhang iSd BK 2108 und müssten zunächst
einer Begutachtung durch einen Sachverständigen zugeführt werden. Soweit von der Ast eine umfangreiche Auseinandersetzung
mit den Konsensempfehlungen vorgenommen wird, ist einzuwenden, dass es sich bei der Ast bzw. ihrem Bevollmächtigten um medizinische
Laien handelt. Zur Glaubhaftmachung einer medizinisch zu bewertenden Tatbestandsvoraussetzung reicht jedoch eine Bewertung
aus der Laiensphäre nicht aus. Hier ist es auch dem Gericht mangels eigener medizinischer Sachkunde verwehrt, eine eigene
Wertung zu treffen. Wie das BSG wiederholt entschieden hat (vgl. nur Urteil vom 18.01.2011, B 2 U 5/10 R m.w.N.), ist die Frage, ob ein Ursachenzusammenhang - zB zwischen beruflichen Einwirkungen und einer Erkrankung - zu bejahen
ist, vom Tatsachengericht unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im
Entscheidungszeitpunkt bestehenden aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten. Dabei reicht es aber nicht
aus, dass der Senat selbst den Sachverhalt anhand der Konsensempfehlungen bewertet. Zwar können die Gerichte zur Entscheidungsfindung
auch einschlägige wissenschaftliche Publikationen heranziehen (BSG, aaO m.w.N.). Diese dienen aber regelmäßig nicht der Beurteilung eines Ursachenzusammenhangs durch das Gericht selbst, sondern
der kritischen Überprüfung eingeholter Gutachten daraufhin, ob sie dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen.
Ein entsprechendes Gutachten bzw. eine medizinische Stellungnahme unter Berücksichtigung der aktuellen Befunde liegt nicht
vor. Soweit die Ast sich wiederholt auf ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich des Gutachtens der Dres. N/T beruft, ist
darauf hinzuweisen, dass selbst bei Nichtberücksichtigung des Gutachtens der geltend gemachte Anspruch nicht positiv glaubhaft
gemacht wurde. Im Übrigen begegnet das entsprechende Vorbringen der Ast Bedenken, da sie vor der Begutachtung ausdrücklich
erklärt hat, den vorgeschlagenen Gutachter widerspruchslos zu akzeptieren und darauf zu vertrauen, dass Dr. N die Begutachtung
neutral durchführen werde.
2. Des Weiteren hat die Ast einen Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung nicht
glaubhaft gemacht. Es ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen ihr ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar
sein soll.
Soweit die Ast im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen für den Zeitraum vom 13.08.2014 bis zum Eilantrag am 06.03.2017
begehrt, besteht bereits aus grundsätzlichen Erwägungen kein Leistungsanspruch im Wege der gerichtlichen Eilanordnung. Das
Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen
Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anderes abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher
Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.11.2001 - 1 BvR 1586/02). Insoweit besteht grundsätzlich - so auch hier - kein Anordnungsgrund, wenn es sich um Zeiträume in der Vergangenheit handelt,
die regelmäßig keine gegenwärtige akute Notlage mehr begründen. Dies gilt nur dann nicht, wenn glaubhaft gemacht ist, dass
eine in der Vergangenheit eingetretene Notlage in die Gegenwart hinein wirkt, wenn also fehlende oder unzulängliche Leistungen
in der Vergangenheit wirtschaftliche Auswirkungen in der Gegenwart zeitigen. Eine insoweit rückwirkende Verpflichtung des
Leistungsträgers zur vorläufigen Leistungsgewährung ist daher grundsätzlich vom Fortbestehen der Notlage oder von einem aktuell
noch bestehenden Nachholbedarf abhängig (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.08.2010 - L 5 AS 353/10 B ER, [...]Rn 33). Für eine solche Annahme bedarf es jedoch einer entsprechenden Darlegung und Glaubhaftmachung, die hier
nicht gegeben ist.
Unabhängig davon ist von der Ast eine existenzgefährdende finanzielle Notlage nicht glaubhaft gemacht worden. Vielmehr hat
sie selbst eingeräumt, dass ihr ohne die hier streitgegenständlichen Übergangsleistungen nicht unmittelbar und sofort existentielle
Nachteile drohen, welche sie nicht vorerst noch aus eigener Kraft abwenden kann. Im Hinblick auf das laufende Einkommen der
Ast und ihres Ehemannes sowie das vorhandene Vermögen sind derartige Nachteile auch nicht glaubhaft. Eine besondere Eilbedürftigkeit
ergibt sich entgegen dem Vortrag der Ast auch nicht aus dem drohenden Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums, für den die Übergangsleistungen
längstens gewährt werden. Das von der Ast zitierte Urteil des BSG vom 22.03.2011 (B 2 U 12/10 R) ist nicht einschlägig, denn dort hat der Kläger im Jahr 2003 erstmals nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums rückwirkend
Übergangsleistungen für die Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1998 geltend gemacht. Vorliegend hat die Ast den Anspruch jedenfalls
rechtzeitig innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums geltend gemacht, selbst wenn die Ag diesen zunächst abschlägig beschieden
hat. Die Rechtshängigkeit des insofern im Hauptsacheverfahren noch zu konkretisierenden Anspruchs hemmt die Verjährung und
es steht nicht zu befürchten, dass die Ag im Falle eines Obsiegens der Ast im Hauptsacheverfahren die Leistungen nicht entsprechend
nachzahlt. Aus dem Sinn und Zweck der Übergangsleistungen ist entgegen der Auffassung der Ast auch nicht zu schließen, dass
die Ag diese Leistungen präventiv zu erbringen hat, solange noch ungeklärt ist, ob ein entsprechender Anspruch überhaupt besteht.
Die bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens und im Eilverfahren nicht möglicher vollständiger Aufklärung des Sachverhalts
gebotene Folgenabwägung geht nach alledem vorliegend zu Lasten der Ast aus. Schwerwiegende Nachteile, die es aus Sicht der
Ast unzumutbar erscheinen ließen, den Ausgang eines Hauptsachverfahrens abzuwarten, sind nicht erkennbar. Nach der vorzunehmenden
Interessenabwägung hat im Hinblick auf den offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens im Hinblick auf die Anerkennung einer
BK 2108
BKV und das Fehlen eines Anordnungsgrundes das Interesse der Ast an einer vorläufigen Zahlung des Übergangsgeldes gegenüber dem
Interesse der Ag an der Vermeidung ungerechtfertigter Leistungen zurückzutreten.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).