LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04.06.2012 - 20 AY 8/10
Vorinstanzen: SG Köln 20.12.2009 S 21 AY 2/06
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.12.2009 insoweit geändert, als für den
Hilfeempfänger N nur ein Betrag von 109,87 EUR zu erstatten ist und die darüber hinausgehende Klage bzgl. dieses Hilfeempfängers
abgewiesen wird. Im Übrigen wird die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Das beklagte Land trägt die Kosten des
Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen.
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Tatbestand
Die Klägerin ist in ihrem Zuständigkeitsbereich Leistungsträgerin nach dem AsylbLG. Als solche erbrachte sie auch solchen Personen Leistungen, die zuvor in Aufnahmeeinrichtungen des beklagten Landes untergebracht
waren und durch landesinterne Verteilungen (Zuweisungen) in kommunale Einrichtungen überführt worden waren. Für diesen Personenkreis
erhielt sie vom beklagten Land Pauschalen nach § 4 Flüchtlingsaufnahmegesetz Nordrhein-Westfalen (FlüAG NRW) in der bis zum
31.12.2004 geltenden Fassung. Auch ab dem 01.01.2005 erfolgten Zahlungen des Landes nach Maßgabe des mit Wirkung zum Jahreswechsel
geänderten FlüAG NRW.
Mit Urteil vom 02.10.2003 - 5 C 4/03 erkannte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), dass Kommunen eine Kostenerstattung nach § 10b Abs. 3 AsylbLG auch für diejenigen Bezieher von Leistungen nach dem AsylbLG verlangen können, die durch länderübergreifende Umverteilung nach § 51 Asylverfahrensgesetz ( AsylVfG) verteilt worden sind.
Mit Erlass seines Innenministeriums vom 18.10.2004 (16-39.15.01-37-58/04) bestimmte das beklagte Land, dass dieses Urteil
des BVerwG nicht nur für länderübergreifende oder landesinterne Umverteilungen aus kommunalen in andere kommunale Einrichtungen
gelte, sondern auch für landesinterne Zuweisungen von Asylsuchenden aus Landesaufnahmeeinrichtungen in kommunale Einrichtungen;
auch in diesen Fällen handele es sich um ein "Verziehen" i.S.v. § 10b Abs. 3 AsylbLG. Der Erstattungsanspruch bestehe in Höhe des Differenzbetrages zwischen dem sich aus § 10b Abs. 3 AsylbLG ergebenden Betrag und den nach § 4 FlüAG NRW gezahlten Pauschalen. Die Kommunen hätten ihre Ansprüche in jedem Einzelfall unter strikter Berücksichtigung der
Tatbestandsmerkmale des § 10b Abs. 3 AsylbLG sowie der gezahlten Pauschalen nach dem FlüAG NRW konkret nachzuweisen. Zur Frage, bis zu welchem Zeitpunkt in der Vergangenheit
entstandene Kostenerstattungsansprüche nach § 10b Abs. 3 AsylbLG rückwirkend geltend gemacht werden könnten, werde im Einvernehmen mit dem Finanzministerium darauf hingewiesen, dass die
Kommunen die ihnen in der Vergangenheit entstandenen Kostenerstattungsansprüche nach § 10b Abs. 3 AsylbLG gegenüber dem Land geltend machen könnten, sofern die Ausschlussfrist nach § 9 Abs. 3 AsylbLG, § 111 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) noch nicht abgelaufen sei. Die Ausschlussfrist beginne nach § 111 Satz 1 SGB X grundsätzlich mit Ablauf des letzten Tages zu laufen, für den die Leistung erbracht worden sei. § 111 Satz 2 SGB X schränke Satz 1 dahingehend ein, dass der Fristablauf frühestens mit der Entstehung des Erstattungsanspruchs beginne. Das
sei der Zeitpunkt, in dem die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10b Abs. 3 AsylbLG erfüllt seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Erlass Bezug genommen.
Mit Erlass vom 18.11.2004 (16-39.15.01-37-58/04) an die Bezirksregierungen führte das Innenministerium des beklagten Landes
aus, bei Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen nach § 10b Abs. 3 AsylbLG sei für den Beginn der Ausschlussfrist nach § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. § 111 SGB X ausschließlich § 111 Satz 1 SGB X maßgeblich. § 111 Satz 2 SGB X habe im Bereich der Kostenerstattung zwischen den Trägern der Sozialhilfe keine Auswirkung, sondern solle lediglich Erstattungsansprüche
gegenüber Sozialleistungsträgern außerhalb der Sozialhilfe sowie der Kinder- und Jugendhilfe in den Fällen sichern, in denen
sie erst verspätet von einer nachträglich bewilligten, vorrangigen Sozialleistung Kenntnis erlangt hätten.
Mit weiterem Erlass vom 01.12.2004 (16-39.15.01-37-58/04) führte das Innenministerium des beklagten Landes unter Hinweis auf
Klärungsbedarf zu den Fristen aus, zur bloßen Wahrung der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X reiche es aus, dass die Kommunen ihren Anspruch gegenüber der Bezirksregierung Arnsberg ausdrücklich vorbrächten, anführten
oder behaupteten, ohne dass eine Darlegung in allen Einzelheiten erforderlich sei. Eine Mitteilung, aus der deutlich werde,
dass für einen Leistungsberechtigten ein Erstattungsanspruch nach § 10b Abs. 3 AsylbLG erhoben werde, reiche aus. Die Vorschrift werde voraussichtlich demnächst aufgehoben. Ansprüche der Kommunen in denjenigen
Fällen, in denen ein Asylbewerber vor weniger als einem Jahr zugewiesen worden sei, bestünden also nur für den Zeitraum bis
zum Inkrafttreten der Gesetzesänderung, sofern der Jahreszeitraum nach § 10b Abs. 3 Satz 2 AsylbLG bis dahin nicht ohnehin abgelaufen sei. Der Erlass führt weiter aus, es seien zwei Fristen zu beachten: Zum einen diejenige
in § 10b Abs. 3 Satz 2 AsylbLG, wonach der Erstattungsanspruch längstens für ein Jahr nach dem Aufenthaltswechsel (aus der Landesunterkunft in eine kommunale
Unterkunft) bestehe. Daneben bestimme § 111 Satz 1 SGB X die Frist, innerhalb derer der Anspruch nach § 10b Abs. 3 AsylbLG gegenüber der Bezirksregierung Arnsberg geltend zu machen sei; die Norm stelle auf den Ablauf des letzten Tages ab, für den
die Leistung nach dem AsylbLG dem Asylbewerber innerhalb des Jahreszeitraums nach § 10b Abs. 3 Satz 2 AsylbLG erbracht worden sei. Weiter ist ausgeführt: "Die Zwölfmonatsfrist nach § 111 Satz 1 SGB X beginnt also mit Ablauf des letzten Tages, an dem die Kommune innerhalb eines Jahres nach der Zuweisung Leistungen nach dem
AsylbLG gegenüber dem Leistungsberechtigten erbracht hat." Beispielsweise müsse bei einem für den Zeitraum vom 01.02.2003 bis zum
31.01.2004 bestehenden Erstattungsanspruch dieser "also innerhalb von zwölf Monaten, beginnend mit dem 01.02.2004, geltend
gemacht werden"; nach Ablauf der Zwölfmonatsfrist sei eine Erstattung ausgeschlossen. Ende die Leistungsgewährung durch die
Kommune bereits vor Ablauf eines Jahres seit der Zuweisung, so beginne die Zwölfmonatsfrist des § 111 Satz 1 SGB X "bereits mit Ablauf des Tages, an dem die Kommune dem Leistungsberechtigten letztmalig eine Leistung nach dem AsylbLG gewährt" habe (beispielsweise seien bei letztmaliger Leistungserbringung am 01.09.2003 der Fristbeginn am 02.09.2003 und
das Fristende am 01.09.2004, so dass eine Erstattung dann ausgeschlossen wäre). Weiterhin ist in dem Erlass ausgeführt: "Aus
alledem folgt, dass Kostenerstattungsansprüche für die Vergangenheit längstens für die letzten zwei Jahre, rückwirkend ab
dem Zugang meines Erlasses vom 18.10.2004, geltend gemacht werden können. Dieser Zweijahreszeitraum setzt sich aus der Jahresfrist
nach § 10b Abs. 3 Satz 2 AsylbLG und der sich daran unmittelbar anschließenden zwölfmonatigen Ausschlussfrist nach § 111 Satz 1 SGB X zusammen." Bei einer Zuweisung, die bereits mehr als ein Jahr zurückliege, reiche es aus, für die jeweilige Person den gesamten
Anspruchszeitraum geltend zu machen; eine Differenzierung nach Monaten sei nicht erforderlich. Gegenzurechnen seien die Pauschalen
nach § 4 Abs. 1 FlüAG NRW.
Die Klägerin beantragte daraufhin unter dem 13., 19., 21., 22., 27., 29.04. sowie am 02. und 09.05.2005 beim beklagten Land
(vertreten durch die Bezirksregierung Arnsberg) unter Verweis auf § 10b Abs. 3 AsylbLG die Erstattung der für zwölf Monate nach dem Umzug aus Landesaufnahmeeinrichtungen infolge einer Erstzuweisung gemäß § 50 AsylVfG in ihre (kommunalen) Einrichtungen nach dem AsylbLG aufgewandten Leistungen für insgesamt 23 im Einzelnen benannte Ausländer. Belegt wurde, dass die betreffenden Personen Leistungen
nach dem AsylbLG bezogen hatten; der jeweils geltend gemachte Anspruch wurde jedoch nicht beziffert. Die Klägerin bat das beklagte Land, die
Erstattungsansprüche dem Grunde nach anzuerkennen.
Das beklagte Land bestätigte mit Schreiben vom 09.05.2005 den Eingang der Anträge und bat um Bezifferung der Forderung unter
Verwendung eines über das Internet bereitgestellten Vordrucks.
Nach Aufhebung des § 10b Abs. 3 AsylbLG mit Wirkung ab dem 01.07.2005 verfügte das Innenministerium des Beklagten mit Erlass vom 15.07.2005 (16-39.15.01-37-12/05),
dass ab dem 01.07.2005 entsprechende Erstattungsanträge nicht mehr positiv beschieden werden könnten. Es sei die Sach- und
Rechtslage zum Zeitpunkt der maßgeblichen Entscheidung zugrunde zu legen. Bei allen Bescheiden nach dem 01.07.2005 müsse beachtet
werden, dass § 10b Abs. 3 AsylbLG entfallen sei. Geltend gemachte Ansprüche müssten jedoch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eines gerichtlichen
Klageverfahrens noch bestehen; hieran fehle es jetzt.
Mit Bescheid vom 05.08.2005 lehnte das beklagte Land daraufhin die Anträge der Klägerin auf Kostenerstattung ab; nach Außerkrafttreten
des § 10b Abs. 3 AsylbLG fehle eine Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies das beklagte Land mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.2005 - zugestellt
am 05.12.2005 - zurück. Zur Begründung führte es u.a. aus, die Aufhebung des § 10b Abs. 3 AsylbLG zum 01.07.2005 habe vor allem den Zweck gehabt, Bürokratie abzubauen; nach der Gesetzesänderung seien deshalb auch die noch
nach altem Recht begründeten Ansprüche entfallen. Die Klägerin könne dabei auch keinen Vertrauensschutztatbestand geltend
machen.
Am 05.01.2006 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Köln erhoben. Sie hat ausgeführt, bei den Personen, für die eine Kostenerstattung
auf der Grundlage von § 10b Abs. 3 AsylbLG begehrt werde, handele es sich sämtlich um Asylsuchende, die aus Landesaufnahmeeinrichtungen im Rahmen einer Erstzuweisung
nach § 50 AsylVfG landesintern in kommunale Einrichtungen der Klägerin verteilt worden seien. Die bereits entstandenen Erstattungsansprüche
seien durch Aufhebung des § 10b Abs. 3 AsylbLG zum 01.07.2005 nicht untergegangen. Die zur Erstattung geltend gemachten Kosten seien vor dem 01.07.2005 entstanden. Die
Tatsache, dass die Klägerin die Erstattungsansprüche bis zum 30.06.2005 nicht abschließend habe beziffern können, ändere nichts
daran, dass die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt und die Sozialleistungen an die Betroffenen erbracht worden seien. Folgte
man der Auffassung des beklagten Landes, so griffe die Gesetzesänderung nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit
angehörende Tatbestände ein; es läge somit ein Fall einer echten Rückwirkung vor. Für die Bezifferung des konkreten Betrages
würden weitere Informationen Dritter z.B. hinsichtlich der Krankenhilfekosten benötigt, die ihr zum Teil bis jetzt noch nicht
vorlägen. Die vom beklagten Land konstruierte Pflicht, Ansprüche bereits sieben Wochen nach Antragstellung abschließend zu
beziffern oder keine Zahlungen mehr zu erhalten, erscheine höchst zynisch. Es sei einzig und allein darauf abzustellen, dass
die Ansprüche nach Grund und Höhe bereits entstanden seien. Die Klägerin habe sich im Rahmen des vom Land vorgegebenen Verfahrens
immer an die verschiedenen Erlasse des Innenministeriums gehalten. Nach dem Erlass vom 01.12.2004 sei es ausreichend gewesen,
dass die Kommunen ihren Anspruch gegenüber der Bezirksregierung Arnsberg ausdrücklich vorbrächten, anführten oder behaupteten,
ohne dass eine Darlegung in allen Einzelheiten erforderlich gewesen sei. Es gehe nicht an, dass über die Abgabe eines Kostenanerkenntnisses
dem Grunde nach gar nicht entschieden werde, um dann die Anträge mit der Begründung abzulehnen, die Rechtsgrundlage sei entfallen.
Mit Schriftsatz vom 11.05.2006 hat die Klägerin die Ansprüche erstmals beziffert, sich aber eine abschließende Bezifferung
wegen einzelner Rechnungspositionen noch vorbehalten. Dabei hat sie für jeden einzelnen Leistungsempfänger den jeweiligen
Leistungszeitraum sowie Art und Höhe der gewährten Leistungen benannt. Auf die insoweit gefertigten Leistungsübersichten wird
wegen der Einzelheiten verwiesen.
Ergänzend hat die Klägerin ausgeführt, sie habe die vom Land angeführte weitere Erstattungsregelung des § 4 FlüAG NRW berücksichtigt
und die entsprechenden Zahlungen des Landes bei ihrem Erstattungsbegehren nach § 10b Abs. 3 AsylbLG für den Zeitraum bis zum 31.12.2004 in Abzug gebracht. Aufgrund der Änderung des § 4 FlüAG NRW mit Wirkung vom 01.01.2005
hätten diese Zahlungen des Landes wegen fehlenden Bezuges zu einzelnen Leistungsfällen nicht mehr berücksichtigt werden können.
Die Vorschrift sei im Übrigen keine abschließende Spezialregelung zur Kostenerstattung zwischen Land und Kommune. Durch das
FlüAG NRW werde vielmehr eine allgemeine Kostenbeteiligung des Landes an den den Kommunen entstehenden Kosten für die Aufnahme,
Unterbringung und Versorgung ausländischer Flüchtlinge sichergestellt. Aufgrund des Verteilungsschlüssels solle eine gleichmäßige
Belastung der Kommunen im Land erreicht werden. Das FlüAG NRW sei deshalb als eine allgemeine Regelung zur Kostenbeteiligung
anzusehen. § 10b Abs. 3 AsylbLG stelle demgegenüber eine Billigkeitsregelung bei Umzug der verteilten Personen dar und sei deshalb insoweit die speziellere
Regelung. Auch die Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts stünden einer Anwendbarkeit von § 10b Abs. 3 AsylbLG nicht entgegen. Soweit das beklagte Land ausgeführt habe, dass § 10b Abs. 3 AsylbLG eine "bis zur Unerträglichkeit komplizierte Überlagerung zweier unterschiedlicher Abrechnungssysteme" bewirkt habe "und angesichts
des eklatanten Missverhältnisses zwischen Aufwand und Ergebnis bei der Prüfung dieser Ansprüche ohne Weiteres der Wille des
Gesetzgebers (alle noch nicht abschließend entschiedenen Sachverhalte zu erfassen) unterstellt werden kann", könne dies nicht
dazu führen, dass eine neue Rechtslage auf die Zeit vor der Gesetzesänderung anzuwenden sei. Entsprechendes Gewicht und Dringlichkeit
für eine solche Regelung lägen beispielsweise dann vor, wenn das Gesetz auf Gründen der Sittlichkeit beruhe oder einen verfassungswidrigen
Zustand beseitigen solle. Dies sei hier aber nicht der Fall; das Ziel des Gesetzgebers, Bürokratieabbau voranzutreiben, sei
sicherlich ein wichtiges Ziel, begründe jedoch keine Dringlichkeit dergestalt, dass etwa ein verfassungswidriger Zustand hätte
beseitigt werden sollen.
Mit Schriftsatz vom 27.11.2009 hat die Klägerin die nach § 10b AsylbLG aufgewendeten Kosten hinsichtlich der einzelnen Leistungsempfänger abschließend beziffert; hierauf wird wegen der Einzelheiten
Bezug genommen. Soweit sich die einzelnen Beträge im Vergleich zur vorherigen Bezifferung erhöht hätten, beruhe dies auf Leistungen,
die aufgrund von ausgestellten Krankenscheinen erbracht worden seien. Ergänzend hat die Klägerin ausgeführt, die Jahresfrist
des § 111 SGB X sei bei dem streitgegenständlichen Erstattungsanspruch gewahrt. Insoweit hat sie auf den Erlass des Innenministeriums des
beklagten Landes vom 18.10.2004 verwiesen, wonach der Fristablauf frühestens mit der Entstehung des Erstattungsanspruchs beginne.
Das sei der Zeitpunkt gewesen, in dem die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10b Abs. 3 AsylbLG erfüllt gewesen seien. Dieser Zeitpunkt bestimme sich nach der Bekanntgabe des genannten Erlasses, der bei der Klägerin mit
Anschreiben der Bezirksregierung Köln am 02.11.2004 eingegangen sei. Die Rechtslage sei bis zu diesem Erlass unklar gewesen.
Es werde noch einmal klargestellt, dass sämtliche dem Erstattungsanspruch zugrunde liegenden Personen über das Buchungsprogramm
EASY durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verteilt worden seien. Da die zuständige Aufnahmeeinrichtung insoweit
vom Bund bestimmt worden sei, greife die Fiktion des gewöhnlichen Aufenthalts nach § 46 AsylVfG. Der Erlass vom 18.10.2004 entfalte über Artikel 3 Grundgesetz ( GG) Bindungswirkung, so dass das beklagte Land nur bei Vorliegen eines rechtfertigenden Grundes seine Praxis hätte umstellen
dürfen. Artikel 3 GG sei im Verhältnis des Landes und der Klägerin als Gemeinde im Sinne von Artikel 28 GG auch anwendbar. Die von der Klägerin aufgewandten Kosten nach dem AsylbLG gehörten zu ihren Selbstverwaltungsangelegenheiten. Insoweit trete sie im Rahmen der Kostenerstattung nach § 10b Abs. 3 AsylbLG nicht als nachgeordnete Behörde des beklagten Landes auf, sondern als eigenständige Rechtspersönlichkeit. Dies möge das beklagte
Land auch dazu bewogen haben, den Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt abzulehnen. § 10b Abs. 3 AsylbLG verleihe allerdings keine entsprechende Verwaltungsaktsbefugnis. Die inhaltliche Regelung des Erlasses sei jedoch verbindlich.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht vom 21.12.2009 haben die Beteiligten hinsichtlich der Hilfeempfängerin
T, des Hilfeempfängers T und des Hilfeempfängers X durch Teilunterwerfungsvergleich das Schicksal der Kostenerstattung vom
rechtskräftigen Ausgang des vorliegenden Klageverfahrens abhängig gemacht und insoweit das Kostenerstattungsverfahren für
erledigt erklärt.
Das beklagte Land hat den Bescheid vom 05.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2005 aufgehoben.
Die Klägerin hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, nach § 10b Abs. 3 AsylbLG die aufgewendeten Kosten 1. für die Hilfeempfängerin N N in Höhe von 1.238,36 EUR, 2. für den Hilfeempfänger V in Höhe von
1.976,24 EUR, 3. für den Hileempfänger F in Höhe von 626,66 EUR, 4. für den Hilfeempfänger B B in Höhe von 1.667,59 EUR, 5.
für die Hilfeempfängerin M I in Höhe von 848,21 EUR, 6. für den Hilfeempfänger T M in Höhe von 1.410,45 EUR, 7. für den Hilfeempfänger
N G in Höhe von 1.301,43 EUR, 8. für die Hilfeempfängerin E in Höhe von 1.127,59 EUR, 9. für den Hilfeempfänger N in Höhe
von 109,87 EUR, 10. für den Hilfeempfänger C T in Höhe von 1.754,27 EUR, 11. für den Hilfeempfänger T I in Höhe von 1.668,56
EUR, 12. für die Hilfeempfängerin T P in Höhe von 1.196,40 EUR, 13. für den Hilfeempfänger B T in Höhe von 997,00 EUR, 14.
für die Hilfeempfängerin T in Höhe von 1.537,31 EUR, 15. für die Hilfeempfängerin L I in Höhe von 857,77 EUR, 16. für die
Hilfeempfängerin U N in Höhe von 1.537,31 EUR, 17. für den Hilfeempfänger B S in Höhe von 1.111,03 EUR, 18. für die Hilfeempfängerin
B1 S in Höhe von 993,07 EUR, 19. für die Hilfeempfängerin B2 S in Höhe von 795,79 EUR sowie 20. für den Hilfeempfänger B3
S in Höhe von 795,79 EUR zu erstatten.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat vorgetragen, zwischen den Beteiligten bestehe kein Dissens, dass die Aufwendungen für die in den einzelnen
Anträgen jeweils bezeichneten weiteren Angehörigen der Asylbewerber mitbeschieden worden und ebenfalls Gegenstand des Verfahrens
seien. Es hat jedoch in Frage gestellt, dass der Klägerin tatsächlich erstattungsfähige Kosten entstanden seien. Der geltend
gemachte Anspruch sei von der Beklagten weder zurückgewiesen noch verzögert worden. Vielmehr sei die Klägerin aufgefordert
worden, ihren Anspruch zügig zu beziffern. Dazu habe sie sich nicht in der Lage gesehen. Sie müsse daher die später erfolgte
Änderung der Rechtslage gegen sich gelten lassen. Die Klägerin werde auch nicht rechtlos gestellt, da ihr ein Anspruch nach
§ 4 Abs. 1 FlüAG NRW verbleibe. In den Rechtsbeziehungen zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und den Gemeinden habe die
Aufhebung des § 10b Abs. 3 Asylbewerberleistungsgesetz die Rechte der Gemeinden daher nur unwesentlich beeinträchtigt; denn die Kostenerstattung zwischen diesen Rechtsträgern sei
im FlüAG NRW abschließend geregelt. Im Verhältnis zwischen Land und den Gemeinden sei mit der Aufhebung des § 10b Abs. 3 AsylbLG lediglich die bis zur Unerträglichkeit komplizierte Überlagerung zweier unterschiedlicher Abrechnungssysteme beendet worden.
Mit der Aufhebung des § 10b Abs. 3 AsylbLG sei eine gesetzestechnische Fehlkonstruktion beseitigt worden. Im Übrigen habe das BVerwG in seiner Entscheidung vom 02.10.2003
nicht die Frage beantwortet, ob § 10b Abs. 3 AsylbLG auf das Rechtsverhältnis zwischen dem zuweisenden Land und der Gemeinde überhaupt anwendbar sei; das erkennende Gericht sei
an die Auffassung des Innenministeriums nicht gebunden. Der Landesgesetzgeber habe die Kompetenz zur Beteiligung des Landes
an den Kosten der Gemeinde für Asylbewerber durch die Regelung des § 4 Abs. 1 FlüAG NRW ausgefüllt. Die Erstzuweisung eines
Asylbewerbers aus einer Landeseinrichtung an eine Gemeinde betreffe im Wesentlichen alle im Land zu verteilenden Asylbewerber.
Die Regelungsbefugnis des Landes würde durch eine Auslegung des § 10b Abs. 3 AsylbLG im Sinne der Klägerin dazu führen, dass die Regelungsbefugnis des Landes jedenfalls für das erste Jahr nach der Zuweisung
weitestgehend ausgeschlossen würde. Das FlüAG NRW sei insoweit als abschließende Regelung beabsichtigt und konzipiert. Das
erkennende Gericht könnte unter Umständen zu dem Ergebnis kommen, dass ein Anspruch der Klägerin schon deshalb nicht habe
untergehen können, weil er zu keiner Zeit entstanden sei. Im Übrigen seien die Sachverhalte gerade nicht abgeschlossen, weil
die Klägerin nicht einmal abschließend geprüft habe, ob die Voraussetzungen des bisher geltenden Anspruchstatbestandes erfüllt
seien.
Mit Urteil vom 21.12.2009 hat das Sozialgericht der Klage weitestgehend stattgegeben.
Zwischen der klagenden Kommune und dem beklagten Land liege kein Über-/Unterordnungsverhältnis vor, das zur Regelung der streitbefangenen
Angelegenheit durch Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X berechtige. Im Hinblick darauf, dass das beklagte Land in der mündlichen Verhandlung den Bescheid vom 05.08.2005 und den
Widerspruchsbescheid vom 01.12.2005 aufgehoben habe, bedürfe es seitens der insoweit zuvor durch einen rechtswidrigen Bescheid
beschwerten Klägerin keines Anfechtungsantrages und seitens der Kammer keiner Aufhebung im Tenor mehr.
Der Erstattungsanspruch der Klägerin ergebe sich aus § 10b Abs. 3 S. 1 AsylbLG in der bis zum 30.06.2005 geltenden Fassung. Die tatbestandlichen Voraussetzungen seien erfüllt. Mit Blick auf die Unterbringung
sowie die jeweilige Umverteilungsentscheidung nach § 50 AsylVfG setze das Tatbestandsmerkmal des "Verziehens" nicht voraus, dass am Wegzugsort eine "Wohnung" im Sinne einer durch freiwillige
Aufenthaltsnahme begründeten und auf Dauer angelegten, selbstgestalteten Häuslichkeit bestanden habe. Die Leistungsempfänger
hätten in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes ihren "gewöhnlichen Aufenthalt" begründet. § 10a Abs. 3 S. 4 AsylbLG bestimme, dass als gewöhnlicher Aufenthalt eines zugeteilten oder zugewiesenen Leistungsberechtigten derjenige Bereich gelte,
dem er zugeteilt oder zugewiesen worden sei. Diese Fiktion des gewöhnlichen Aufenthalts greife für sämtliche Personen, für
die Erstattungsansprüche geltend gemacht würden, da diese sämtlich gemäß § 46 Abs. 2 S. 1 AsylVfG aufgrund einer Entscheidung der Zentralen Verteilungsstelle auf die Aufnahmeeinrichtungen des beklagten Landes verteilt worden
seien.
Die Aufhebung des § 10b Abs. 3 AsylbLG ab dem 01.07.2005 tangiere den geltend gemachten Anspruch nicht. Maßgeblich seien insoweit die Grundsätze des intertemporalen
Verwaltungsrechts. Zum Zeitpunkt der Rechtsänderung bereits abgewickelte Rechtsverhältnisse bzw. bereits geregelte, abgeschlossene
Sachverhalte richteten sich noch nach altem Recht. Sowohl die Leistungszeiträume als auch die Geltendmachung der Ansprüche
gegenüber dem beklagten Land lägen vor dem 01.07.2005. Eine Überleitungsvorschrift fehle; das Aufhebungsgesetz enthalte keine
ausdrückliche Regelung, dass eine Kostenerstattung für die Zeit vor Außerkrafttreten des § 10b Abs. 3 AsylbLG a. F. entfallen solle. Es bestehe keine Veranlassung, von den Grundsätzen des intertemporalen Verwaltungsrechts abzuweichen.
Die gesetzgeberische Intention, Verfahrensabläufe innerhalb der Verwaltung zu vereinfachen, rechtfertige nicht den Schluss,
dass der Gesetzgeber nicht nur eine Regelung für die Zukunft habe treffen, sondern auch in bestehende Rechtsverhältnisse habe
eingreifen wollen.
Eine fehlende Bezifferung stehe der geltend gemachten Forderung nicht entgegen. Maßgeblich sei allein, dass sich das Erstattungsbegehren
auf Leistungen nach dem AsylbLG, die noch zu Zeiten der alten Gesetzeslage gewährt worden seien, erstrecke, zumal die Klägerin ihre Erstattungsansprüche
auch noch vor dem 01.07.2005 beim beklagten Land geltend gemacht habe. An eine solche Geltendmachung i.S.d. § 111 SGB X seien keine strengen Anforderungen zu stellen. Insbesondere sei eine Bezifferung nicht nötig.
Schließlich stelle § 4 FlüAG NRW keine abschließende Regelung hinsichtlich der zwischen Kommunen und dem Land erfolgenden
Kostenerstattungen dar. Aus den Regeln über die Gesetzgebungskompetenz ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine einschränkende
Auslegung des § 10b Abs. 3 AsylbLG a.F. dergestalt, dass Kommunen keine Erstattungsansprüche gegen das Land haben sollten, zumal auch der Wortlaut des § 10b Abs. 3 AsylbLG a.F. keinerlei Anhalt dafür biete, dass einzelne Leistungsträger von der Erstattungspflicht ausgenommen werden sollten. Die
Regelungen des FlüAG NRW seien nicht so zu verstehen, dass sie die bundesrechtliche Regelung des § 10b Abs. 3 AsylbLG verdrängten, ergänzten oder ausfüllten. § 10b Abs. 3 AsylbLG erweise sich sowohl hinsichtlich des Tatbestandes als auch hinsichtlich der Rechtsfolge als eindeutig und abschließend und
lasse für eine landesrechtliche Ergänzung oder Ausfüllung inhaltlich keinen Raum. Letztlich könne nur auf diese Weise dem
eindeutigen Willen des Gesetzgebers, durch die § 107 BSHG nachgebildete Regelung einen Belastungsausgleich zwischen den für die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG zuständigen Behörden im Falle eines Aufenthaltswechsels zu erreichen, Rechnung getragen werden, da nach Bundesrecht nicht
zu beurteilen sei, wie im Einzelnen eine landesinterne Kostenverteilung erfolge, und allein dem Landesrechtsgeber eine inhaltliche
Bestimmung obliege.
Die dem Grunde nach bestehenden Kostenerstattungsansprüche seien jedoch wegen der über § 9 Abs. 3 AsylbLG entsprechend anwendbaren Ausschlussfrist des § 111 SGB X zum Teil hinsichtlich der geltend gemachten Höhe zu reduzieren. Die Ausschlussfrist des § 111 S. 1 SGB X beginne nicht mit Ablauf des ersten Bewilligungsabschnitts, sondern mit Ablauf des jeweiligen Kalendermonats, für den die
Hilfe gewährt worden sei. Hiervon ausgehend ergebe sich für den Hilfeempfänger V, für den von der Klägerin ein Kostenerstattungsanspruch
am 19.04.2005 bei dem beklagten Land angemeldet worden sei, dass sämtliche ihm in der Zeit vom 19.09.2003 bis 31.03.2004 gewährten
Leistungen der Ausschlussfrist des § 111 SGB X unterfielen. Auch die Forderungen hinsichtlich M I, E sowie N bestünden nicht in der geltend gemachten, sondern nur in geringerer
Höhe.
Eine Anrechnung der ab dem 01.01.2005 zugeflossenen Zahlungen nach dem FlüAG NRW erfolge nicht. Insoweit fehle ein Bezug zu
den einzelnen Leistungsfällen, und eine entsprechende Anspruchsminderung komme nicht mehr in Betracht. Während die bis zum
31.12.2004 geltende Fassung des § 4 FlüAG NRW vierteljährliche Kostenpauschalen von 990,00 EUR vorgesehen habe, die in Abs.
1 explizit an die durch die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG bzw. BSHG entstandenen Kosten der Leistungsträger anknüpften, erfolge gemäß der ab dem 01.01.2005 geltenden Fassung der Vorschrift
eine Kostenerstattung allgemein aufgrund der Bestandserhebungen über die Zahl der ausländischen Flüchtlinge zu bestimmten
Stichtagen, ausgehend von der gesetzlich festgelegten Gesamtsumme, anhand der Zuweisungsschlüssel auf alle Gemeinden im Land.
Mit seiner Berufung vom 03.01.2010 hält das beklagte Land an seiner Auffassung fest, § 10b Abs. 3 AsylbLG sei in der vorliegenden Konstellation nicht anwendbar. Die Regelungen des FlüAG NRW seien insoweit für die Erstattung von
aufgewendeten Kosten für Asylbewerber abschließend. Die bundesgesetzliche Norm habe dagegen den Ausgleich zwischen den Kommunen
zum Inhalt.
Eine Anwendbarkeit des § 10b Abs. 3 AsylbLG unterstellt, wären die im Einzelnen erbrachten Leistungen grundsätzlich auch erstattungsfähig. Insoweit würden die vom Sozialgericht
gemachten Ausführungen zum intertemporalen Verwaltungsrecht geteilt. Den Ansprüchen stehe jedoch entgegen, dass sie nicht
beziffert worden seien und damit ein geregelter, abgeschlossener Sachverhalt fehle, auf den das alte Recht noch Anwendung
finden könne. Die Erstattungsforderung hätte auch erfüllbar sein müssen; das sei nicht der Fall, solange Ansprüche nicht beziffert
würden. Hierfür spreche auch der Wortlaut des § 10b Abs. 3 AsylbLG. Denn anders als bei § 107 BSHG seien nur die "erforderlichen" Leistungen zu erstatten, nicht die "erforderlich werdenden" Hilfen.
Jedenfalls sei ein Erstattungsanspruch der Klägerin um die Zahlungen nach dem FlüAG NRW in der seit dem 01.01.2005 geltenden
Fassung zu reduzieren. Nach wie vor gewähre das FlüAG NRW für die Aufnahme und Unterbringung sowie die Versorgung der ausländischen
Flüchtlinge pauschale Leistungen. Eine personenscharfe Erstattung könne auch für 2005 berechnet werden, indem die Bestandserhebung
zwischen den einzelnen Quartalen ins Verhältnis zur Quartalspauschale gesetzt werde. Nach den quartalsweise gemeldeten Asylbewerbern
sowie den zu Beginn eines Jahres an die Bezirksregierung anhand des Zuweisungsschlüssels sowie der Gesamtpauschale erlassenen
Bescheiden könne (abzüglich einer Betreuungspauschale i.H.v. 4,5%) eine "Kopfpauschale" errechnet werden, die wiederum auf
die Erstattungsleistungen nach AsylbLG anrechenbar sei.
Ausweislich einer (vom Beklagten vorgelegten) Berechnung kämen neben den Erstattungsbeiträgen für die nur dem FlüAG NRW 2004
zuzuordnenden Hilfeempfänger V (852,92 EUR) und M I (187,92 EUR) nur Erstattungen für E (62,82 EUR) und B T (997,00 EUR) in
Betracht.
Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass der im FlüAG NRW ursprünglich angesetzte (Gesamterstattungs-) Betrag von 120 Mio.
EUR sich alsbald als zu hoch erwiesen habe und noch im Jahr 2005 auf 84 Mio. EUR gesenkt worden sei, weil die Zahl der Asylbewerber
unter der zunächst angenommenen Zahl gelegen habe. Insofern bestehe weiterhin eine Korrelation zwischen der Anzahl der Asylbewerber
und den Erstattungsleistungen nach dem FlüAG NRW.
Das beklagte Land sieht seine Rechtsauffassung durch die Gesetzesbegründung (LT-Drs. 13/6224) bestätigt. Auch werde seitens
des Verfassungsgerichtshofes NRW eine volle Kostendeckung der Leistungen der Kommunen nach dem FlüAG NRW nicht gefordert.
Das beklagte Land beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.12.2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Habe bis Ende 2004 eine Verbindung zwischen dem tatsächlichen
Leistungsbezug eines Asylbewerbers und der für diesen gezahlten Pauschalen bestanden, so sei dies seither nicht mehr der Fall.
Im Übrigen seien die nach dem FlüAG NRW gezahlten Leistungen zu keinem Zeitpunkt kostendeckend gewesen. Hierzu verweist die
Klägerin auf ein (zu den Gerichtsakten gereichtes) Schreiben des Städtetages und des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen
vom 20.01.2011. Zwar ergebe sich aus der Gesetzesbegründung für die Änderung des FlüAG NRW, dass das Land den Kommunen "wie
bisher" eine angemessene Finanzausstattung für die "Unterbringung und Versorgung" des vom FlüAG NRW erfassten Personenkreises
gewährleiste. Jedoch sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass eine neue Finanzierung eingeführt werde, die unabhängig von
der Zahl der zu bestimmten Stichtagen in den einzelnen Gemeinden anwesenden ausländischen Flüchtlinge sei bzw. losgelöst von
Fristen und Anrechnungszeiten erfolge. Erstattungen nach dem FlüAG NRW könnten ab 2005 nicht mehr erstattungsmindernd berücksichtigt
werden. Jede Einschränkung der Erstattung nach § 10b AsylbLG stelle einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung dar. Eine gesetzliche Grundlage für die Anrechnung fehle. Sofern
man diese unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung rechtfertigen wolle, scheide dies nach Wegfall des Einzelfallbezuges
seit Januar 2005 aus.
Die Beteiligten gehen zuletzt übereinstimmend von 599 bei der Klägerin gemeldeten Hilfeempfängern nach dem AsylbLG aus (laut Korrekturmeldung vom 19.09.2005). Das beklagte Land ermittelt hieraus (weitere) Erstattungsbeträge (bei Bejahung
eines Anspruchs gemäß § 10b AsylbLG und Berücksichtigung der Pauschalen gemäß § 4 FlüAG NRW) für die Hilfeempfänger N N (89,20 EUR), B B (519,03 EUR), T M (261,89 EUR), N G (152,87 EUR), E (62,82 EUR), C
T (605,71 EUR), B T (997,00 EUR), T (388,75 EUR) und U N (388,75 EUR).
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten
hinsichtlich der dem geltend gemachten Erstattungsanspruch zugrundeliegenden Hilfeempfänger Bezug genommen. Der Inhalt liegt
der Entscheidung des Senats zu Grunde.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des beklagten Landes ist nur zu einem geringen Teil im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
I. Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) zulässig. Einer Regelung des streitigen Erstattungsanspruchs durch Verwaltungsakt und dementsprechend der Durchführung eines
Widerspruchsverfahrens vor Klageerhebung hätte es von vornherein nicht bedurft. Denn das beklagte Land besaß insoweit gegenüber
der Klägerin mangels Über- bzw. Unterordnungsverhältnisses keine Verwaltungsaktskompetenz (hoheitliche Entscheidungskompetenz;
vgl. Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 31 Rn. 8). Vielmehr leitet sich der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch (ggf.) unmittelbar aus dem Gesetz her. Das beklagte
Land hat dem durch Aufhebung des Bescheides vom 05.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2005 Rechnung
getragen.
II. Die Klage ist zum Teil begründet. Der Senat folgt insoweit weitestgehend der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts durch
das Sozialgericht.
1. Soweit das Sozialgericht hinsichtlich des Hilfeempfängers N (mit 111,09 EUR) einen 109,87 EUR übersteigenden Erstattungsbetrag
zugesprochen hat, kann die Verurteilung allerdings schon deshalb keinen Bestand haben, weil dem Gericht eine Verurteilung
des beklagten Landes über den von der Klägerin insoweit gestellten Antrag hinaus nicht möglich ist ("ne ultra petita"). Gemäß
§ 123 SGG entscheidet das Gericht zwar über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Diese
fehlende Bindung des Gerichts an die Antragsfassung durch die Beteiligten erstreckt sich indes nicht auch auf die erhobenen
Ansprüche; das Gericht darf nicht etwa mehr zusprechen, als vom Kläger selbst gewollt ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage 2012, § 123 Rn. 4; der Senat weist insoweit darauf hin, dass der Tenor der vorliegenden Entscheidung, soweit er die über 109,87 EUR hinausgehende
Klage bzgl. des Hilfeempfängers N zurückweist, wegen des ohnehin entsprechend begrenzten Klageantrages in Leere geht; insoweit
erfolgte die Tenorierung irrtümlich).
2. Im Übrigen ist die Verurteilung der Beklagten jedoch zu Recht erfolgt.
Die Klägerin hat, wie im Tenor des Sozialgerichts zutreffend benannt, im jeweils berücksichtigungsfähigen Zeitraum für die
Hilfeempfängerin N N (mindestens) existenzsichernde Leistungen nach dem AsylbLG von 1.238,36 EUR, für den Hilfeempfänger V von 852,92 EUR, für den Hilfeempfänger F von 626,66 EUR, für den Hilfeempfänger
B B von 1.667,59 EUR, für die Hilfeempfängerin M I von 187,92 EUR, für den Hilfeempfänger T M von 1.410,45 EUR, für den Hilfeempfänger
N G von 1.301,43 EUR, für die Hilfeempfängerin E von 223,83 EUR, für den Hilfeempfänger C T von 1.754,27 EUR, für den Hilfeempfänger
T I von 1.668,56 EUR, für die Hilfeempfängerin T P von 1.196,40, für den Hilfeempfänger B T von 997,00 EUR, für die Hilfeempfängerin
T von 1.537,31 EUR, für die Hilfeempfängerin L I von 857,77 EUR, für die Hilfeempfängerin U N von 1.537,31 EUR, für den Hilfeempfänger
B S von 1.111,03 EUR, für die Hilfeempfängerin B1 S von 993,07 EUR, für die Hilfeempfängerin B2 S von 795,79 EUR, für den
Hilfeempfänger B3 S von 795,79 EUR und im Übrigen für den Hilfeempfänger N von 109,87 EUR Hilfen nach dem AsylbLG aufgewandt. In keinem Fall bezogen sich diese Aufwendungen auch nur teilweise auf Aufwandsentschädigungen für Arbeitsgelegenheiten
nach § 5 Abs. 2 AsylbLG. Die genannten Beträge errechnen sich aus den Angaben der Klägerin zu den von ihr erbrachten Leistungen nach dem AsylbLG; die Beklagte ist diesen Angaben insoweit nicht entgegengetreten, und auch sonst sind dem Senat keine Gründe ersichtlich,
die die Angaben der Klägerin fehlerhaft erscheinen lassen könnten; er geht deshalb davon aus, dass in den jeweils berücksichtigungsfähigen
Zeiträumen existenzsichernde Leistungen jeweils (mindestens) in der genannten Höhe an die Hilfeempfänger erbracht worden sind.
Anspruchsnorm zugunsten der Klägerin ist die zum 01.07.2005 außer Kraft getretene Regelung des § 10b Abs. 3 AsylbLG. Danach ist, verzieht ein Leistungsberechtigter ohne Verstoß gegen eine asyl- oder ausländerrechtliche räumliche Beschränkung
vom Ort seines bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts, die Behörde des bisherigen Aufenthaltsortes verpflichtet, der nunmehr
zuständigen Behörde die dort erforderlichen Leistungen außerhalb von Einrichtungen im Sinne des § 10a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG zu erstatten, wenn der Leistungsberechtigte innerhalb eines Monats nach dem Aufenthaltswechsel dieser Leistungen bedarf (Satz
1). Die Erstattungspflicht endet spätestens nach Ablauf eines Jahres seit dem Aufenthaltswechsel (Satz 2).
2. Das BVerwG hat zur Auslegung dieser Norm im Urteil vom 02.10.2003 - 5 C 4/03 erkannt, der Kostenerstattungsanspruch nach § 10b Abs. 3 AsylbLG bestehe auch in Fällen einer (vorliegend nicht betroffenen) länderübergreifenden Umverteilung von Asylbewerbern nach § 51 AsylVfG. In den Urteilsgründen ist darüber hinaus weiter ausgeführt, der Begriff des "Verziehens" i.S.d. Norm setze nicht voraus,
dass am Wegzugsort eine Wohnung i.S. einer durch freiwillige Aufenthaltsnahme begründeten und auf Dauer angelegten, selbstgestalteten
Häuslichkeit bestanden habe (Rn. 11). Der Begriff beziehe sich auf den tatsächlichen Vorgang des (dauerhaften) Ortswechsels,
bei dem es auf Freiwilligkeit nicht ankomme. So sei es unerheblich, ob dieser Ortswechsel in Vollzug einer ausländer- oder
asyl(verfahrens)rechtlichen Rechtspflicht erfolgt sei; Letzteres sei erst durch das weitere Tatbestandsmerkmal ("ohne Verstoß
gegen ...") erfasst (Rn. 12). § 10b Abs. 3 AsylbLG führe "einen Belastungsausgleich auf der Ebene der einzelnen, für den Vollzug des AsylbLG zuständigen Behörden herbei, und zwar in Umverteilungsfällen unabhängig davon, ob es sich um eine landesinterne (§ 50 AsylVfG) oder eine länderübergreifende (§ 51 AsylVfG) (Um)Verteilung" handele (Rn. 16).
Um einen Fall des § 50 AsylVfG (landesinterne Verteilung aus der Aufnahmeeinrichtung heraus) geht es gerade im vorliegenden Fall.
Der Senat folgt dieser Auslegung des § 10b Abs. 3 AsylbLG durch das BVerwG. Dies gilt insbesondere in Bezug auf eine Geltung der Norm auch in Fällen der Erstzuweisung an eine landesangehörige
Kommune aus der Aufnahmeeinrichtung des betreffenden Landes heraus (§ 50 AsylVfG). Diese Ansicht ist jedenfalls nicht ersichtlich fehlerhaft, sondern stellt eine zulässige Lesart des Gesetzes dar; das beklagte
Land hat sich überdies mit Erlass seines Innenministeriums vom 18.10.2004 selbst dieser Lesart des BVerwG angeschlossen und
damit nicht nur Anspruchsanmeldungen der Kommunen veranlasst, sondern diese Ansprüche (in anderen Fällen als demjenigen der
Klägerin) auch schon in einem Leistungsvolumen von über 700.000,00 EUR befriedigt.
3. Hinsichtlich der Begründetheit der Klage nimmt der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG zunächst Bezug auf die weitestgehend zutreffenden Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts.
Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Grundsätze des intertemporalen Rechts, die das Sozialgericht (unter Heranziehung
des Urteils des BSG vom 24.03.2009 - B 8 SO 34/07 R zu Rn. 9) zutreffend dargelegt hat. Das beklagte Land sieht diese Ausführungen in seinen
Äußerungen im Berufungsverfahren auch selbst als grundsätzlich zutreffend an (vgl. hierzu sowie zu den nachfolgenden Ausführungen
bereits das Urteil des erkennenden Senats vom 23.05.2011 - L 20 AY 7/10, Revision anhängig unter B 7 AY 5/11 R).
a) Soweit das Land gleichwohl gegen ein grundsätzliches Entstehen eines Erstattungsanspruchs einwendet, dieser Anspruch hätte
durch die Klägerin bereits zur Geltungszeit des § 10b Abs. 3 AsylbLG beziffert werden müssen, ist darauf abzustellen, dass der für die Anspruchsentstehung entscheidende Umstand - nämlich die
Erbringung der Leistungen nach dem AsylbLG - schon zu Zeiten der Geltung der Norm eingetreten war. Eine Bezifferung des Anspruchs war deshalb für die Anspruchsentstehung
selbst nicht nötig. Denn der Anspruch entsteht nach dem Wortlaut des § 10b Abs. 3 AsylbLG kraft Gesetzes, ohne dass es eines entsprechenden Antrags oder sonstiger Mitwirkungshandlungen des Anspruchsberechtigten
bedarf.
Der Hinweis des beklagten Landes auf den Gesetzeswortlaut, der von den "erforderlichen Leistungen", nicht aber (wie § 107 Abs. 1 BSHG) von "erforderlich werdenden" Leistungen spricht, ändert daran nichts: Genau in dem Moment, in dem die Leistungen erforderlich
waren und erbracht worden sind, entstand der Erstattungsanspruch ohne Weiteres (selbst wenn die spätere Bezifferung bei der
Klägerin verwaltungspraktisch noch Schwierigkeiten bereitet haben mag). Einen Untergang dieses einmal entstandenen Anspruchs
mangels Abwicklung bis zum Zeitpunkt der Rechtsänderung sieht das Gesetz nicht vor; es hat vielmehr auf jegliche Übergangsregelung
verzichtet und allein (erst) ab dem 01.07.2005 den vormals im Leistungszeitpunkt ipso iure entstehenden Anspruch gänzlich
abgeschafft. Ohnehin ergibt sich aus der unterschiedlichen Formulierung von § 10b Abs. 3 AsylbLG und § 107 Abs. 1 BSHG kein Bedeutungsunterschied; denn § 10b AsylbLG wurde ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/2746, S. 18) § 107 BSHG nachgebildet. Auch wenn die Vorschriften nicht identisch gefasst sind (Fasselt in Fichtner, BSHG, 2. Auflage 2003, § 10b AsylbLG Rn. 1), ergibt sich aus dem unterschiedlichen Wortlaut für den vorliegenden Zusammenhang einer Erstattung bereits erbrachter
Leistungen keinerlei entscheidungserheblicher Gesichtspunkt.
Im Übrigen wird auch im Rahmen von § 111 Abs. 1 SGB X eine Bezifferung der zu erstattenden Leistung nicht gefordert (vgl. Roller in von Wulffen, a.a.O., § 111 Rn. 13, der unter Hinweis u.a. auf BSG, Urteil vom 25.04.1989 - 4/11a RK 4/87 ausführt, eine Bezifferung des Anspruchs könne auch später - d.h. nach Geltendmachung - erfolgen; vgl. auch Hanseatisches
OVG, Beschluss vom 21.11.2007 - 4 Bf 154/06 Rn. 7).
Schließlich sei darauf hingewiesen, dass das beklagte Land selbst in seinem Erlass vom 01.12.2004 noch - zutreffend - davon
ausging, zur Wahrung der Ausschlussfrist reiche eine Mitteilung aus, aus der deutlich werde, dass für einen Leistungsberechtigten
ein Erstattungsanspruch nach § 10b Abs. 3 AsylbLG erhoben werde, ohne dass eine Darlegung in allen Einzelheiten erforderlich wäre. Wenn das Land im Rahmen des vorliegenden
Verfahrens davon abweichen möchte, obwohl es die betroffenen Kommunen sich darauf hat einstellen lassen, so muss dies zumindest
verwundern.
b) Gründe für eine Verwirkung des Anspruchs der Klägerin sind von vornherein nicht ersichtlich. Bereits der Zeitraum zwischen
Geltendmachung des Anspruches mit diversen Schreiben aus April und Mai 2005 und der Klage im Januar 2006 erscheint hierfür
zu kurz, zumal die Beteiligten seinerzeit noch von der Notwendigkeit der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ausgingen
und die Klägerin dieses auch betrieb. Auch sonst hat die Klägerin mit keinerlei Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass sie
auf die Forderung verzichten werde; das Gegenteil ist der Fall. Nur der Umstand, dass ein Anspruch wie der bereits entstandene
der Klägerin bei Sachverhalten, die sich ab dem 01.07.2005 ereignen, nicht mehr denkbar wäre, kann nicht die Annahme rechtfertigen,
die Klägerin hätte sich des Anspruchs anscheinend begeben wollen.
c) Soweit das beklagte Land schließlich die pauschale Landeszuweisung nach § 4 FlüAG NRW (in der bis Ende 2004 geltenden Fassung)
für eine abschließende Regelung hält, so setzt es sich auch damit in Widerspruch zu seiner eigenen Handhabung laut Erlass
des Innenministeriums vom 18.10.2004 (16-39.15.01-37-58/04). Ohnehin könnte eine solche landesgesetzliche Norm weitergehende
bundesrechtliche Erstattungsansprüche der Klägerin von vornherein nicht ausschließen (Art. 31 GG).
4. Die vom Sozialgericht zugesprochenen Erstattungsansprüche sind auch nicht gemäß § 111 Satz 1 SGB X untergegangen. Nach dieser Regelung ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht
spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht.
a) Die Vorschrift ist nach § 9 Abs. 3 AsylbLG auf Erstattungsansprüche nach § 10b Abs. 3 AsylbLG anwendbar. Das Verstreichen der zwölfmonatigen Geltendmachungsfrist ist ein materiell-rechtlicher Ausschlussgrund; der Anspruch
ist im Falle eines Fristablaufs untergegangen (Roller, a.a.O. Rn. 16 m.N. zur Rechtsprechung des BSG).
b) Eine Anwendung des § 111 Satz 1 SGB X ist im vorliegenden Fall nicht etwa nach § 111 Satz 2 SGB X ausgeschlossen. Danach beginnt der Lauf der nach Satz 1 bestehenden zwölfmonatigen Geltendmachungsfrist frühestens mit dem
Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger (Klägerin) von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers
(beklagtes Land) über seine (= dessen) Leistungspflicht (gegenüber dem Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG, also nicht etwa gegenüber der Klägerin) Kenntnis erlangt (vgl. Roller, a.a.O., § 111 Rn. 7, m.N. zur Rechtsprechung des BSG).
Wenn jedoch eine materiell-rechtliche Entscheidung des Erstattungspflichtigen über Leistungen, wie sie der Erstattungsberechtigte
bereits erbracht hat, nicht mehr oder von vornherein nicht getroffen werden kann und darf, beginnt nicht etwa die Ausschlussfrist
nicht zu laufen; vielmehr gelangt § 111 Satz 2 SGB X in solchen Fällen nicht zur Anwendung (vgl. Roller, a.a.O., Rn. 8 m.N. zur Rechtsprechung des BSG). Im Falle des beklagten Landes ist es jedoch so, dass dieses überhaupt keine Entscheidung gegenüber den Leistungsberechtigten
zu treffen hatte; die Leistungspflicht nach dem AsylbLG lag von Anfang an bei der Klägerin.
Aus diesem Grund ist § 111 Satz 2 SGB X im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Denn die Norm betrifft allein Fälle, in denen ein Träger nachträglich rückwirkend Sozialleistungen
für einen Zeitraum bewilligt, für den ein anderer Sozialleistungsträger bereits Sozialleistungen gewährt hatte (z.B. wird
nach Ende eines zunächst erfolgten Arbeitslosenhilfebezugs rückwirkend für den gleichen Zeitraum eine Versichertenrente aus
der Unfallversicherung gewährt). Wenn der zuerst leistende Sozialleistungsträger in einem solchen Fall erst nach Ablauf der
Jahresfrist des § 111 Satz 1 SGB X Kenntnis von der späteren Leistung des zweiten Trägers erhält, wäre er ohne Satz 2 der Regelung von der Erstattung ausgeschlossen.
Insofern lässt Satz 2 die Kenntniserlangung maßgeblich sein (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 23.01.2003 - 12 LC 527/02 unter
Hinweis auf BT-Drucks. 14/4375, S. 60). Um einen solchen Fall einer nach Leistungsarten "konkurrierenden" Gewährung geht es
jedoch in einer lediglich "lastenverteilenden" Erstattungssituation wie nach § 10b Abs. 3 AsylbLG nicht: Das ggf. erstattungspflichtige Land kann gegenüber den Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG, die im Rahmen der weiteren Zuweisung von einer Kommune als zuständigem Träger Leistungen erhalten, von vornherein nicht
selbst leistungspflichtig gewesen sein. Dann aber ist für die Anwendung von § 111 Satz 2 SGB X kein Raum.
c) Ist damit für den von der Klägerin geltend gemachten Erstattungsanspruch § 111 Satz 1 SGB X grundsätzlich einschlägig, so ist für die (nach §§ 187 ff. Bürgerliches Gesetzbuch vorzunehmende) Berechnung der Zwölfmonatsfrist anerkannt, dass für den Ablauf des Leistungszeitraums i.S.v. § 111 Satz 1 SGB X bei wiederkehrenden Leistungen auf den jeweiligen Teilzeitraum (Bewilligungszeitraum; im Rahmen des AsylbLG regelmäßig ein Monat) abzustellen ist, und dass die Ausschlussfrist damit für jeden Teilzeitraum neu beginnt (Roller, a.a.O.
Rn. 6 m.N. zur Rechtsprechung des BSG).
Das Sozialgericht hat dementsprechend die geltend gemachten Erstattungsansprüche für die Hilfeempfänger V, M I, E und N mit
zutreffender Begründung nur zum Teil als erstattungsfähig anerkannt. Mangels Berufung der Klägerin hat der Senat (ohne dass
hierfür im Übrigen Anhaltspunkte bestünden) nicht darüber zu befinden, ob bezüglich dieser Hilfeempfänger ein höherer Erstattungsbetrag
anzuerkennen gewesen wäre (vgl. zur Frage, ob die Klägerin aus den fehlerhaften Ausführungen des Innenministeriums des beklagten
Landes vom 01.12.2004 zu § 111 SGB X Ansprüche herleiten kann, Urteil des Senats vom 23.05.2011, a.a.O. zu II.4.d). Eine weitere Einschränkung der einzelnen von
der Klägerin geltend gemachten Erstattungsansprüche scheidet insoweit aus, weil die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X im Übrigen gewahrt ist.
5. Der Senat stimmt entgegen der Auffassung des beklagten Landes mit dem Sozialgericht darin überein, dass eine Reduzierung
der auf das erste Halbjahr 2005 entfallenden Erstattungsansprüche um Zahlungen gemäß § 4 FlüAG NRW in der ab 01.01.2005 geltenden
Fassung nicht zu erfolgen hat. Denn mit der Gesetzesänderung ist die bis dahin, d.h. bis zum 31.12.2004, bestehende Möglichkeit
der Zuordnung solcher Zahlungen zu einem individuellen Hilfeempfänger entfallen.
Bis zum 31.12.2004 hatte das beklagte Land gemäß § 4 FlüAG NRW a.F. für jeden ausländischen Flüchtling i.S.d. § 2 FlüAG NRW, der a) Grundleistungen nach § 3 des AsylbLG vom 30.06.1993 (BGBl. I Seite 1074) in der jeweils geltenden Fassung oder b) nach § 2 AsylbLG entsprechend dem BSHG laufende Hilfe zum Lebensunterhalt oder c) laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG durch eine kreisfreie Stadt oder eine durch nach § 3a BSHG vom 15.06.1999 (GV NRW S. 386) in der jeweils geltenden Fassung herangezogene Kreisangehörige Gemeinden erhielt, für die
Dauer der Anrechnung nach § 3 Abs. 3 eine Vierteljahrespauschale i.H.v. 990,00 EUR zu gewähren (und zusätzlich eine Vierteljahrespauschale
in Höhe von 46,00 EUR zur Abgeltung des Betreuungsaufwandes gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 FlüAG NRW). Die konkrete Zahl der ausländischen
Flüchtlinge war zum Ende eines jeden Quartals zu melden.
Durch die Neufassung des § 4 FlüAG NRW zum 01.01.2005 (Neufassung durch Gesetz vom 15.02.2005 - GV NRW S.48) ist jedoch eine
konkrete Zuordnung der Landeszahlungen auf jeweils individuelle Hilfeempfänger entfallen. Nach der nunmehr geltenden Gesetzesfassung
stellt das Land für die Aufnahme und Unterbringung nach § 1 FlüAG NRW sowie für die Versorgung der ausländischen Flüchtlinge
im Sinne des § 2 FlüAG NRW den Gemeinden jährlich Finanzmittel i.H.v. 120 Mio. EUR zur Verfügung, soweit nicht eine Anpassung
nach Abs. 2 S. 4 erfolgt. Von den zur Verfügung gestellten Mitteln sind 4,5% ausschließlich für die soziale Betreuung zu verwenden.
Die Mittel werden auf die Gemeinden entsprechend dem Zuweisungsschlüssel nach § 3 Abs. 1 FlüAG NRW verteilt, korrigiert um
die sich aus § 3 Abs. 4 und Abs. 5 FlüAG NRW ergebenden Änderungen (Finanzschlüssel). Der Betrag nach Satz 1 wird zum 01.03.,
01.06., 01.09. und 01.12. mit jeweils einem Viertel durch die Bezirksregierungen ausgezahlt.
Der Verweis auf § 3 Abs. 1 FlüAG NRW ermöglicht keine hinreichend konkrete Zuordnung der nach § 4 FlüAG NRW n.F. zu gewährenden
Leistungen zu dem einzelnen ausländischen Flüchtling mehr. Denn die Zuweisung erfolgt gemäß § 3 Abs. 1 FlüAG NRW (im maßgeblichen
Zeitraum) unter Berücksichtigung der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten und ihren Kindern unter 18 Jahren entsprechend dem
Einwohneranteil der Gemeinden an der Gesamtbevölkerung des Landes (Einwohnerschlüssel) und entsprechend dem Flächenanteil
der Gemeinde an der Gesamtfläche des Landes (Flächenschlüssel). 90 v.H. des Einwohnerschlüssels bilden mit 10 v.H. des Flächenschlüssels
den Zuweisungsschlüssel. Für die einzelne Gemeinde wird eine sich durch die Anwendung des Flächenschlüssels ergebende Erhöhung
des Zuweisungsschlüssels auf höchstens 25 v.H. eines Zuweisungsschlüssels, der allein nach dem Einwohnerschlüssel berechnet
würde, begrenzt. Die übersteigenden Anteile werden auf alle übrigen Gemeinden entsprechend deren Zuweisungsschlüssel verteilt.
Gemäß § 3 Abs. 2 FlüAG NRW ist dem Einwohnerschlüssel und dem Flächenschlüssel dabei der vom Landesamt für Datenverarbeitung
und Statistik jeweils zuletzt fortgeschriebene und veröffentlichte Stand zugrunde zu legen. Darüber hinaus enthalten § 3 Abs.
3 und 4 FlüAG NRW Regelungen zur Anrechnung bestimmter ausländischer ("Bestands"-) Flüchtlinge und anderer Ausländer.
Zudem werden die Zuweisungen gemäß § 4 Abs. 1 FlüAG NRW n.F. nunmehr nicht allein für die Aufnahme und Unterbringung sowie
für die Versorgung der ausländischen Flüchtlinge erbracht, sondern sind zu 4,5% ausschließlich für die soziale Betreuung zu
verwenden. Ließe sich durch den Abzug dieser prozentual bemessenen Betreuungspauschale zwar ggf. sicherstellen, dass lediglich
die Leistungen für die Aufnahme und Unterbringung sowie für die Versorgung - wenn auch nicht bedarfsdeckend - berücksichtigt
würden, und bliebe die Zielrichtung der Leistungserbringung ggf. identisch, so geht es mit der Neuregelung gleichwohl nicht
mehr darum, den Aufwand für jeden einzelnen Hilfeempfänger auszugleichen; vielmehr geht es um die Verteilung der durch das
Land zur Verfügung gestellten, jährlich geänderten Finanzmittel entsprechend der durch § 3 FlüAG NRW vorgesehenen Zuweisung.
Die bis zum 31.12.2004 nicht zuletzt auch durch die Berücksichtigung der quartalsweise gemeldeten ausländischen Flüchtlinge
gesicherte Verknüpfung zum konkreten Hilfeempfänger hat sich - wie nicht zuletzt die vom beklagten Land vorgelegte Berechnung
belegt - damit verloren.
Zwar führt die Gesetzesbegründung (LT-Drs. 13/6224) aus, eine Änderung der Lastenverteilung sei nicht beabsichtigt. Gleichwohl
erscheint eine Anrechnung der Zahlungen nach § 4 FlüAG NRW n.F. auf den Erstattungsanspruch gemäß § 10b Abs. 3 Satz 1 AsylbLG nicht gerechtfertigt. Verfolgen die Leistungen gemäß § 4 FlüAG NRW n.F. und der Erstattungsanspruch gemäß § 10b Abs. 3 Satz 1 AsylbLG von vornherein keine deckungsgleichen Zielrichtungen, kommt eine Anrechnung der Leistungen gemäß § 4 FlüAG NRW n.F. ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn sich (anders als bei § 4 FlüAG
NRW a.F.) im Wege der Berechnung nicht mehr gewährleisten lässt, dass der ermittelte Betrag auch einem einzelnen Leistungsfall
konkret zugeordnet werden kann. Ohnehin wird eine Gefahr der Überkompensation kommunaler Leistungen für Hilfeempfänger nach
dem AsylbLG auch vom beklagten Land nicht behauptet.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass bereits der Gesamtbetrag der den Kommunen im Rahmen des FlüAG NRW zur Verfügung
gestellten Mittel lediglich auf Schätzungen beruht.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 und § 155 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsordnung. Soweit die Berufung im Umfang von 1,22 EUR erfolgreich war, rechtfertigt dies eine anteilige Belastung der Klägerin mit
Kosten des Berufungsverfahrens nicht.
IV. Der Senat lässt die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Das beklagte Land hat (im Verfahren L 20 AY 7/10) deutlich gemacht, dass bei der Bezirksregierung Arnsberg eine Vielzahl
gleichgelagerter Fälle zur weiteren Bearbeitung nach Maßgabe des rechtskräftigen Ausgangs des vorliegenden Verfahrens ansteht.
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