Streit über die Höhe der im Rahmen von Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung
Prüfung der Entstehung einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV-RVG
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der im Rahmen von Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu erstattende Rechtsanwaltsvergütung.
Mit Beschluss vom 12.07.2012 bewilligte das Sozialgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers
für das am 09.05.2012 angestrengte Klageverfahren unter dem Aktenzeichen S 8 So 116/12, mit welchem die Klägerin u.a. die
Kosten für Beschaffung und behinderungsgerechten Umbau eines Kraftfahrzeuges begehrte. Die Beklagte hatte die Leistungsgewährung
mit Hinweis auf das bei der Klägerin vorhandene Vermögen abgelehnt. Nach Durchführung eines Erörterungstermins vor dem SG und nachdem die Klägerin den überwiegenden Teil ihres Vermögens eingesetzt hatte, bewilligte der beklagte Landschaftsverband
auf den Widerspruch der Klägerin betreffend einen weiteren Ablehnungsbescheid die begehrten Leistungen teilweise unter Berücksichtigung
des eingesetzten sowie des noch verbliebenen Vermögens. Der Beschwerdeführer erklärte daraufhin den Rechtsstreit für erledigt
und beantragte die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in folgender Höhe:
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG 170,00 EUR Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Fahrtkosten für 78 km, Nr. 7003 VV RVG 23,40 EUR Tage- und Abwesenheitsgeld für 2 Std., Nr. 7005 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 82,35 EUR Parkgebühren 1,60 EUR Insgesamt 517,35 EUR
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die Vergütung mit Beschluss vom 29.11.2012 in der geltend gemachten Höhe ohne
Abzüge fest.
Mit Schreiben vom 03.12.2012 beantragte der Beschwerdeführer die weitere Festsetzung folgender Gebühren:
Erledigungsgebühr, Nrn. 1005, 1006 VV RVG 190,00 EUR Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 36,10 EUR Insgesamt 226,10 EUR
Der Beschwerdeführer begründete die weiteren Gebühren mit mehreren Gesprächen, die er mit der Klägerin und deren Eltern geführt
habe, mit welchen er letztlich die Klägerin zur Abgabe der prozessbeendenden Erklärung bewegt habe. Der Urkundsbeamte der
Geschäftsstelle setzte daraufhin mit Beschluss 16.05.2013 die weiter zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 0,00 EUR fest.
Eine gebührenrechtlich erhebliche Mitwirkungshandlung des Antragstellers, die über die allgemeine Pflicht zur Verfahrensführung
hinausgehe, liege nicht vor.
Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer am 23.05.2013 zunächst Beschwerde bei dem Landessozialgericht ein, die er
nach Hinweis des Gerichts als Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss verstanden wissen wollte. Zur Begründung führte
er aus, er habe die Sache mehrfach mit der Klägerin besprochen und erst sein Einwirken habe zu der Erledigung geführt.
Mit Beschluss vom 24.04.2014 hat das SG die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Eine Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG sei nicht entstanden. Eine über die Teilnahme an dem Erörterungstermin und der Tätigkeit in dem Verwaltungsverfahren des
weiteren Widerspruchsverfahrens hinausgehende Tätigkeit im Sinne einer qualifizierten erledigungsgerichteten Mitwirkung des
Beschwerdeführers, die ursächlich für die Erledigung des vorliegenden Verfahrens gewesen sei, liege nicht vor.
Gegen den dem Beschwerdeführer am 26.04.2014 zugestellten Beschluss hat er am 05.05.2014 Beschwerde eingelegt. Er ist weiterhin
der Auffassung, dass erst seine "fachkundige und hoch motivierte Anwaltskunst zur Erledigung der Angelegenheit mit für die
Klägerin verbundenen Rechtsnachteilen" beigetragen habe. Es sei auch erforderlich gewesen, den Widerstand der Mutter der Klägerin
zu brechen. Er begehrt daher die Festsetzung einer Erledigungsgebühr in Höhe von 190,00 EUR zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer
in Höhe von 19%.
Der Beschwerdegegner hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
II.
Über die Beschwerde entscheidet die Berichterstatterin als Einzelrichterin gemäß § 56 Abs. 1 S. 1, § 33 Abs. 8 S. 1 2. Halbs. RVG, weil der Sache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Bislang war streitig, ob bei Beschwerden gegen erstinstanzliche Entscheidungen
in sozialgerichtlichen Erinnerungsverfahren das LSG durch den Senat oder aber den Berichterstatter als Einzelrichter zu entscheiden
hatte (für eine Entscheidung durch den Senat etwa LSG NRW, Beschlüsse vom 16.12.2009 - L 19 B 179/09 AS sowie vom 06.04.2011 - L 8 R 688/10 B; a. A. LSG NRW Beschlüsse vom 14.07.2010 - L 1 AS 57/10 B sowie vom 10.02.2011 - L 9 AS 1290/10 B). Für die Auffassung, dass eine Entscheidung durch den Senat erfolgen müsse, wurde angeführt, dass § 33 Abs. 8 S. 1 2. Halbs. RVG zwar eine Entscheidung über die Beschwerde durch den Einzelrichter vorsehe, wenn die angefochtene Entscheidung durch einen
Einzelrichter erlassen wurde. Eine solche Entscheidung durch den Einzelrichter liege aber im sozialgerichtlichen Verfahren
auch dann nicht vor, wenn die erstinstanzliche Entscheidung allein durch die Vorsitzende bzw. den Vorsitzenden der Kammer
getroffen worden sei. Da §
12 Abs.
1 S. 2
SGG eine Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter bei Entscheidungen durch Beschluss grundsätzlich ausschließe, sei die Entscheidung
über die Erinnerung vielmehr als Kammerentscheidung anzusehen.
Der durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23.07.2013 (BGBl. I 2013, 2586) neu eingefügten § 1 Abs. 3 RVG stellt allerdings nunmehr klar, dass die Vorschriften des RVG über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften
vorgehen. Damit wollte der Gesetzgeber die soeben geschilderte, bislang streitige Frage dahingehend klären, dass der Einzelrichter
in den kostenrechtlichen Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren auch dann zuständig ist, wenn eine Einzelrichterentscheidung
institutionell nicht vorgesehen ist (vgl. BT-Drs.17/11471, S. 154, 243, 266). Demnach entscheidet nunmehr grundsätzlich der
Berichterstatter als Einzelrichter über Beschwerden in Erinnerungsverfahren, wenn den sich stellenden Rechtsfragen keine grundsätzliche
Bedeutung zukommt.
Die Beschwerde ist nach § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes (Gebühr von 190,00 EUR zzgl. 19 % Umsatzsteuer, mithin 226,10 EUR) 200,00
EUR übersteigt.
Sie ist jedoch nicht begründet. Die Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG ist nicht angefallen. Für eine "Erledigung durch anwaltliche Mitwirkung" i.S.v. Nr. 1006 VV RVG i.V.m. Nr. 1005 VV RVG und Nr. 1002 VV RVG muss die anwaltliche Mitwirkung kausal für die Erledigung der Rechtssache gewesen sein. "Mitwirkung" meint dabei mehr als
die bloße Einschaltung oder Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes; sie erfordert vielmehr ein auf die Erledigung der Rechtssache
gerichtetes Tätigwerden, das über die reine Verfahrenseinleitung, Klagebegründung und Terminswahrnehmung hinausgeht (vgl.
BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 22/06 R). Werden diese Tätigkeiten bereits durch sonstige Gebührentatbestände abgegolten, ist für eine Mitwirkung bei der Erledigung
ein qualifiziertes Tätigwerden notwendig, welches gerade darauf abzielt, die bereits eingeleitete Streitsache aufgrund der
besonderen Mitwirkung ohne gerichtliche Entscheidung zu erledigen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 13.11.2008 - L 20 B 59/08 SO, vom 15.07.2009 - L 20 B 27/09 AS sowie vom 30.11.2009 - L 20 B 36/09 SO).
Eine solche besondere Tätigkeit im Sinn einer qualifizierten anwaltlichen Mitwirkung bei der Erledigung des Rechtsstreits
ist vorliegend nicht erkennbar. Der Fortgang des Verfahrens wurde entscheidend mit der Durchführung des Erörterungstermins
vor dem SG gefördert, in dem sich der Beklagte zu einer kurzfristigen Bescheidung des erneuten Widerspruchs bereiterklärte. Die Erörterung
der Sach- und Rechtslage vor dem SG vermag aber nicht den Ansatz der Erledigungsgebühr zu rechtfertigen, weil dieses anwaltliche Tätigkeit bereits mit der Terminsgebühr
honoriert wird.
Der Beschwerdeführer hat die Erledigungsgebühr auch nicht damit verdient, dass er die Klage im Anschluss an die Erteilung
des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2012 für erledigt erklärt hat. Eine Erledigterklärung ist, ebenso wie auch eine Klagerücknahme
oder die Annahme eines Anerkenntnisses, keine über die allgemeine Prozessführung hinausgehende Mitwirkung des Rechtsanwalts
an der Erledigung. Die Abgabe dieser Prozesserklärung ist schon mit der Verfahrensgebühr abgegolten (vgl. Bayer. LSG, Beschluss
vom 01.07.2011 - L 15 SF 82/10 B E; ebenso Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, VV 1002, Rn. 9, 10, 14).
Schließlich liegt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers eine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung nicht schon dann
vor, wenn der Rechtsanwalt auf seinen Mandanten eingewirkt hat, der Erledigung des Rechtsstreits zuzustimmen. Denn ließe man
das für das Entstehen der Erledigungsgebühr genügen, würde diese Gebühr immer anfallen, wenn der Prozess nicht durch eine
schriftliche Entscheidung des Gerichts beendet wurde. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber einen derartig
weiten Anwendungsbereich der Erledigungsgebühr gewollt haben könnte (ebenso Bayer. LSG, Beschluss vom 01.07.2011 - L 15 SF 82/10 B E).
Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 S. 2 RVG). Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S. 3 RVG).
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde zu dem Bundessozialgericht angefochten werden (§ 56 Abs. 2 S. 1, § 33 Abs. 4 S. 3 RVG, §
177 SGG).