Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der vom Kläger zu entrichtenden Prämien für die sog. Aufstockungsversicherung mit Mehrleistungsanspruch.
Der am 00.00.1955 geborene Kläger, der im deutschen Steinkohlebergbau unter Tage beschäftigt war, ist freiwilliges Mitglied
der beklagten Krankenkasse. Ab 01.04.2006 erhielt der Kläger Anpassungsgeld (APG) an Arbeitnehmer des Steinkohlebergbaus nach
den Richtlinien vom 25.10.2005 von der Bundesrepublik Deutschland - Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Ab 01.12.2010 erhält der Kläger Knappschaftsausgleichsleistung (KAL). Die Versicherung des Klägers bei der Beklagten umfasste
- bis zur Kündigung durch den Kläger zum 31.08.2011 - die Aufstockungsversicherung mit Mehrleistungsanspruch (Zweibettzimmerbehandlung
und Chefarztbetreuung). Mehrleistungen bei der Krankenhausbehandlung sah die Satzung der Beklagten in der seinerzeit geltenden
Fassung aufgrund der Ermächtigung in § 2 Abs. 1 der Verordnung über den weiteren Ausbau der knappschaftlichen Versicherung
vom 19.05.1941 (RGBl. I S. 287) vor. Danach stellt die Satzung Richtlinien für die Gewährung von Mehrleistungen auf. Diese
können für Arbeiter, Angestellte und Rentner unterschiedlich sein. Für mehrleistungsberechtigte Aktive (z.B. angestellte Arbeitnehmer,
APG-Bezieher ohne Rentenanspruch) sowie für freiwillig versicherte Rentner wurde bis zum 31.12.2008 ein zusätzlicher Beitrag
von 1,4 % erhoben. Für Mitglieder der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) war neben dem allgemeinen Beitragssatz bis zum
31.12.2008 ein Beitragssatz von 4,5 % zu entrichten. Mit der allgemeinen Öffnung der Beklagten zum 01.04.2007 wurde der Zugang
zu diesem Anspruch geschlossen und nach §
173 Abs.
2a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) im Rahmen einer Besitzstandsregelung ausschließlich den am 31.03.2007 mit Mehrleistungsanspruch versicherten Mitgliedern
vorbehalten.
Anlässlich der Einführung eines einheitlichen Beitragssatzes für sämtliche Krankenkassen mit Wirkung zum 01.01.2009 und der
damit verbundenen Errichtung des Gesundheitsfonds wurde das Mehrleistungssystem beendet. Es besteht nur noch für Mitglieder,
die bereits zum 31.03.2007 Mehrleistungen in Anspruch nehmen konnten. Dementsprechend ordnet §
173 Abs.
2a des Fünftes Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) an, dass §
2 Abs.
1 der Verordnung über den weiteren Ausbau der knappschaftlichen Versicherung nicht für Versicherte gilt, die nach dem 31.03.2007
Versicherte der Beklagten werden. Die Beklagte änderte daraufhin ihre Satzung (Beschluss der Vertreterversammlung vom 14.11.2008
- Genehmigung durch das Bundesversicherungsamt durch Bescheid vom 19.12.2008) und führte zur Finanzierung ihres Mehrleistungsanspruchs
mit Wirkung ab dem 01.01.2009 ein Prämiensystem ein. Nach der Neufassung des § 59 Abs. 5 der Satzung ist die monatliche Prämienhöhe
bei Versicherten, die nicht Rentner sind, bis zum 64. Lebensjahr nach dem Lebensalter in fünf Jahresschritten gestaffelt (Anlage
10 zu § 59 Abs. 5 der Satzung). Bei Rentnern, Rentenantragstellern sowie Mitgliedern ab Vollendung des 65. Lebensjahres bestimmt
sich die zu entrichtende Monatsprämie nach den Einkommensverhältnissen der Versicherten. Hierbei hat die Beklagte 500,- Euro
Staffeln festgelegt (Anlage 11 zu § 59 Abs. 5 der Satzung).
Die Beklagte wies ihre Versicherten - so auch den Kläger - mit einem Rundschreiben aus November 2008 auf die bevorstehenden
Änderungen hin.
Mit Bescheid vom 28.01.2009 teilte sie dem Kläger die ab Januar 2009 zu zahlende Prämie in Höhe von 31,40 Euro mit. Mit seinem
unter dem 17.02.2009 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe als junges Mitglied 28 Jahre lang Beiträge
gezahlt und werde nun als 53.-jähriger Versicherter mit überhöhten Beiträgen aus dem Mehrleistungsanspruch herausgedrängt.
Ein Wechsel zu einer anderen Versicherung sei ihm jetzt nicht mehr möglich. Die Gestaltung der Prämienhöhe sei ungerecht.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch den Widerspruchsbescheid vom 19.11.2009 zurück: Die mit dem angefochtenen Bescheid
erhobene Prämie entspreche der Regelung des § 59 Abs. 5 der Satzung in der ab 01.01.2009 gültigen Fassung. Anhaltspunkte,
die gegen das formell rechtmäßige Zustandekommen der Satzungsänderung oder gegen ihre Vereinbarkeit mit dem Gesetz oder sonstigem
höherrangigen Recht sprechen könnten, seien nicht ersichtlich. Aufgrund der Einführung des allgemeinen Beitragssatzes sei
die Möglichkeit entfallen, separate Beitragssätze für den Mehrleistungsanspruch festzulegen. Darüber hinaus führe der Umstand,
dass das System nur noch für Versicherte gelte, die bis zum 31.03.2007 mehrleistungsberechtigt gewesen seien, zu einem immer
kleiner werdenden Mitgliederbestand im Bereich der Mehrleistung. Gerade diese Gegebenheiten erforderten eine Umstellung der
Finanzierung des Mehrleistungssystems. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da ein Vertrauen dahingehend,
dass Satzungsrecht für alle Zukunft unverändert bestehen bleibe, nicht bestehe.
Dagegen hat der Kläger am 08.12.2009 Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben.
Der Kläger hat sein Vorbringen aus dem Vorverfahren wiederholt und hat auf seiner Auffassung beharrt, die Satzungsänderung
verstoße gegen höherrangiges Recht, weil sie insbesondere vergleichbare Versicherte in der Prämieneinstufung ungleich behandle
und in seinem Fall die Besonderheiten des APG-Bezuges nicht berücksichtigt würden.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28.01.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2009 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide gestützt und entgegnet: Im Zuge der Neukonzeption der Finanzierung
des Mehrleistungsanspruchs sei durch die einkommensabhängige Prämieneinstufung eine unter den freiwillig- und pflichtversicherten
Rentnern bestehende Ungleichbehandlung behoben worden. Denn freiwillig versicherte Rentner hätten lediglich einen 1,4 prozentigen
Beitragssatz zu zahlen gehabt, wohingegen Mitglieder der KVdR einem Beitragssatz von 4,5 % unterworfen gewesen seien.
Durch Urteil vom 08.07.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe
Bezug genommen.
Gegen das ihm am 30.07.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.08.2010 Berufung eingelegt.
Während des laufenden Streitverfahrens hat die Beklagte durch den Bescheid vom 19.10.2010 wegen der Aufnahme des Klägers in
die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) die Prämie für den Mehrleistungsanspruch ab 12.10.2010 auf monatlich 146,87 Euro
festgesetzt. Durch weiteren Bescheid vom 23.11.2010 hat die Beklagte die Prämie wegen einer Änderung in den Einkommensverhältnissen
ab 01.12.2010 auf monatlich 124, 37 Euro festgestellt. Schließlich hat die Beklagte die vom Kläger monatlich zu zahlenden
Prämien für die Zeit ab 01.01.2011 auf 145,51 Euro erhöht (Bescheid vom 18.01.2011). Der Kläger hat die Aufstockungsversicherung
daraufhin mit Wirkung zum 31.08.2011 gekündigt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.11.2011 hat die Beklagte den angefochtenen
Bescheid vom 28.01.2009 hinsichtlich der Prämie für den Monat Januar 2009 aufgehoben.
Der Kläger hält an seiner erstinstanzlich vertretenen Rechtsauffassung fest.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 08.07.2010 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 28.01.2009 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2009 sowie die weiteren Bescheide vom 18.01.2011, 19.10.2010 und 23.11.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Prämienbescheid ist rechtmäßig. Dies gilt ebenso für die im Berufungsverfahren
ergangenen und angefochtenen Bescheide.
Gegenstand des Verfahrens sind die die Zeit vom 01.02.2009 bis zum 31.08.2010 regelnden Bescheide vom 28.01.2009 (in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2009) sowie vom 19.10.2010, 23.11.2010 und 18.01.2011. Im Hinblick auf den Monat Januar
2009 hat die Beklagte den Bescheid vom 28.01.2009 in der mündlichen Verhandlung aufgehoben.
Der angefochtene Bescheid vom 28.01.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2009 sowie die weiteren Bescheide
vom 19.10.2010, 23.11.2010 und 18.01.2011 finden ihre Rechtfertigung in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Diese Regelung bestimmt: Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes
mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft
aufzuheben. Eine Änderung in den rechtlichen Verhältnissen ist eingetreten, wenn die rechtliche Grundlage des Verwaltungsaktes
geändert worden ist und der Änderung Geltung für den Verwaltungsakt zukommen soll. Derartige Änderungen können durch Gesetzesänderungen,
Änderungen von Rechtsverordnungen und Satzungen sowie sonstiger - für den Erlass des Verwaltungsaktes bedeutsamer - Rechtsquellen
verursacht werden (Schütze in: v. Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 48, Rdn. 10 m.w.N.). Wesentlich ist die Änderung, wenn der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen rechtlichen Verhältnissen
so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden durfte (vgl. Schütze in: v. Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 48, Rdn. 12 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Formelle Rechtmäßigkeit ist gegeben. Insbesondere hat die Beklagte den Kläger gemäß § 24 Abs. 1 SGB X angehört. Denn die Beklagte hat die Versicherten - also auch den Kläger - mit ihrem Rundschreiben aus November 2008 über
die bevorstehenden Änderungen in Kenntnis gesetzt und insbesondere darüber informiert, dass ab 01.01.2009 für die Mehrleistung
eine individuelle Prämie nach Einkommensklassen zu zahlen sei.
Der angefochtene Bescheid ist inhaltlich hinreichend bestimmt. Zwar wird insbesondere im Bereich des SGB II und SGB XII die
Auffassung vertreten, dass im Falle der Rücknahme eines rechtswidrigen Bewilligungsbescheides im Verfügungssatz der betreffende
Bescheid ausdrücklich zu benennen ist. Allerdings handelt es sich hier nicht um eine Rücknahme nach § 45 SGB X. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Kläger deutlich erkennen konnte, ab welchem Zeitpunkt welche Prämie von
ihm verlangt wird und dies - wie sich dem geführten Schriftverkehr und dem Ablauf des Widerspruchsverfahrens entnehmen lässt
- auch tatsächlich erkannt hat. Dies reicht in Konstellationen der vorliegenden Art für die Annahme hinreichend bestimmter
Änderungsbescheide aus.
Auch materiell ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.
Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der mit durch Satzung der Beklagten für die Zeit ab 01.01.2009 beschlossenen Ausgestaltung
des Mehrleistungssystems bestehen nicht. Die Vertreterversammlung der Beklagten hat die Satzungsänderung am 14.11.2008 beschlossen
(§§ 33a Abs.
1 Satz 1,
31 Abs.
1 Satz 1
SGB IV). Das BVA als Aufsichtsbehörde hat die Satzung durch Bescheid 19.12.2008 genehmigt. Die Satzungsänderung wurde sodann auch
öffentlich bekannt gemacht.
In den rechtlichen Verhältnissen, die dem Erlass des Beitragsbescheides nach dem bis 31.12.2008 geltenden Recht zu Grunde
lagen, ist mit der Neugestaltung der Finanzierung des Mehrleistungssystems durch § 59 Abs. 5 der Satzung i.V.m. den Anlagen
10 und 11 eine Änderung eingetreten, die es der Beklagten gestattet hat, die mit dem Bescheid vom 28.01.2009 geltend gemachten
monatlichen Prämien zu erheben. Diese - letztlich auf §
173 Abs.
2a SGB V beruhende - Satzungsänderung mit Wirkung vom 01.01.2009 unterliegt keinen materiell-rechtlichen Bedenken. Entsprechendes
gilt für die weiteren Bescheide vom 19.10.2010, 23.11.2010 und 18.01.2011. Auch hier sind jeweils Änderungen in den tatsächlichen
Verhältnissen (Zugehörigkeit zur KVdR, Änderung der Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens) bzw. rechtlichen Verhältnissen
(Satzungsänderung mit höherer Prämie) eingetreten.
Grundrechte des Klägers werden - insbesondere durch die Rechtsänderung zum 01.01.2009 - nicht verletzt.
Ein Verstoß gegen Art.
14 Abs.
1 GG (Eigentumsgarantie) ist nicht gegeben. Das Vermögen als solches ist durch Art.
14 Abs.
1 GG nicht gegen die Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten geschützt, soweit es dadurch nicht zu einer grundlegenden
Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse kommt. Diese Gefahr besteht hier nicht, weil es der Kläger selber in der Hand hatte,
die Aufstockungsversicherung zu beenden und diese auch tatsächlich beendet hat. Ungeachtet dessen ist mit der prämienbasierten
Umstellung des Mehrleistungssystems zwar für Rentner eine erhebliche Erhöhung der Zahlbeträge verbunden. Zu berücksichtigen
ist jedoch, dass Rentner auch nach alter Rechtslage bereits einen Beitrag von 4,5 % zu entrichten hatten. Bei einem Rentenbezug
von z.B. 1.000,00 Euro belief sich der Beitrag damit auf 45,00 Euro. Nach der neuen Beitragsstaffel in Anlage 11 zu § 59 Abs.
5 der Satzung war in dem hier streitigen Zeitraum ein Betrag von 77,11 Euro zu entrichten, was einem Beitragssatz von 7,71
% für die Aufstockungsversicherung entspricht. Dass ein solcher Beitragssatz, für den die Versicherten auch eine Gegenleistung
in Form von Leistungen (Zweibettzimmer und Chefarztbehandlung) erhalten, die üblicherweise nicht zum Leistungsgegenstand der
GKV gehören, keine erdrosselnde Wirkung entfaltet, liegt auf der Hand.
Ein Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Zwar werden durch die Satzungsregelungen die Prämien für Rentner, Rentenantragsteller und Mitglieder
ab Vollendung des 65. Lebensjahres anders - und in der Regel höher - als für erwerbstätige Mitglieder vor Vollendung des 65.
Lebensjahres berechnet. Diesbezüglich hat die Beklagte jedoch zutreffend darauf verwiesen, dass an sich eine einkommensbezogene
Prämienbildung für Rentner nicht zu beanstanden ist. Richtete sich demgegenüber die Prämienstaffelung für Rentner, Rentenantragsteller
und Versicherte ab Vollendung des 65. Lebensjahres nach dem Lebensalter, würden die Prämien zwangsläufig für ältere Mitglieder
gänzlich unbezahlbar.
Auch wenn trotz einkommensabhängiger Prämienbildung die Beiträge für Rentner im Vergleich zu Arbeitnehmern bis zur Vollendung
des 65. Lebensjahres erheblich höher ausfallen, ist dies letztlich nicht zu beanstanden. Die - regelhafte - Annahme, dass
Rentner höhere Kosten in der Krankenversicherung verursachen, ist sachlich zutreffend. Ferner konnte die Beklagte sich vor
dem Hintergrund der Rechtsentwicklung der letzten Jahrzehnte auch bei der Prämienbildung im Mehrleistungssystem von dem Grundgedanken
leiten lassen, erwerbstätige - in der Regel jüngere - Krankenversicherte von der Finanzierung eines höheren Aufwandes für
Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen. Das Bestreben
einer Entlastung der jüngeren versicherten Generation ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG SozR 4-2500
§ 248 Nr. 3, juris Rdn. 39; SG Dortmund, Urteil vom 26.01.2011 - S 8 KN 243/09 KR, juris Rdn. 30, jeweils m.w.N.). Abgesehen davon ist zu berücksichtigen, dass Bezieher von APG, die neben dem APG noch
eine (allerdings auf das APG anzurechnende) Rente erhalten und die somit i.d.R. in der KVdR versichert sind, nur mit der Rente,
nicht aber mit dem APG, für die Prämien zur Aufstockungsversicherung herangezogen werden.
Die neu strukturierte Finanzierung des Mehrleistungssystems verletzt nicht Art.
2 Abs.
1 GG i.V.m. dem rechtstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die vom Kläger beanstandeten Regelungen greifen zwar mit Wirkung
für die Zukunft in ein öffentlich-rechtliches Versicherungsverhältnis ein und gestalten dieses auf der beitragsrechtlichen
Ebene zum Nachteil für die betroffenen Versicherten um (sog. unechte Rückwirkung). Solche Regelungen sind verfassungsrechtlich
grundsätzlich zulässig und genügen dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse
des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt (BVerfG
SozR 4-2500 § 248 Nr. 3, juris Rdn. 43).
Die Beklagte hat dem Grundsatz des Vertrauensschutzes bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass sie das Mehrleistungssystem
für diejenigen Versicherten, die bereits am 31.03.2007 an der Aufstockungsversicherung teilgenommen haben, aufrecht erhalten
hat (vgl. auch BT-Drucks. 16/3100, S. 157). Überdies ist das Vertrauen der Versicherten auf den Fortbestand einer günstigen
Rechtslage zwar in der Regel hoch einzuschätzen (BVerfG SozR 4-2500 § 248 Nr. 3, juris Rdn. 44; BVerfGE 103, 392 = SozR 3 2500 § 240 Nr. 39). Ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der für die Versicherten im Vergleich zum aktuellen
Prämiensystem i.d.R. günstigeren Beitragsregelung bestand jedoch nicht. Sowohl Gesetz- als auch Satzungsgeber haben in der
gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in der Vergangenheit wiederholt Änderungen hinsichtlich der Beitragspflichten angeordnet
(vgl. BSG, Urteil v. 10.05.2006 - B 12 KR 21/05 R -, juris Rdn. 35). Angesichts dessen konnte der Kläger weder darauf vertrauen, dass das BAFA die Beiträge für die Aufstockungsversicherung
trotz der zum 01.01.2009 eingetretenen Änderungen weiter übernimmt, noch darauf, dass das Mehrleistungssystem im Hinblick
auf die zu entrichtenden Beiträge unverändert bestehen bleibt.
Zwar sind mit der Aufstockungsversicherung insbesondere für Rentner, Rentenantragsteller und Versicherte, die das 65. Lebensjahr
vollendet haben, nicht unerhebliche finanzielle Mehrbelastungen verbunden. Allerdings hat die Beklagte eine einkommensabhängige
Staffelung der Prämien vorgenommen und hierdurch der finanziellen Leistungsfähigkeit der Versicherten Rechnung getragen. Im
Übrigen kann den Mehrbelastungen durch Beendigung der Aufstockungsversicherung begegnet werden, zumal es sich bei den versicherten
Leistungen (Zweitbettzimmer und Chefarztbehandlung) nicht um i.S.d. §
2 Abs.
4, 12 Abs.
1 SGB V notwendige Leistungen der GKV handelt. Nachdem das Mehrleistungssystem geschlossen wurde und nur noch für diejenigen Mitglieder
fortgesetzt wird, die bereits zum 31.03.2007 an der Aufstockungsversicherung teilgenommen haben, wird der Mitgliederkreis
(Rentnerquote: mehr als 50 % - Schriftsatz der Beklagten vom28.02.2011) immer kleiner und älter. Um dieses System aufrecht
erhalten zu können, ist es nicht zu beanstanden, im Rahmen einer typisierenden Betrachtung die Morbidität von Rentnern sowie
die daraus resultierende höhere Leistungsinanspruchnahme zu berücksichtigen und diese Aspekte bei der Kalkulation der Prämien
zu berücksichtigen. Dieser Gesichtspunkt der Finanzierbarkeit des nunmehr geschlossenen Systems überwiegt das Interesse der
Versicherten - also auch des Klägers - an der Beibehaltung eines lediglich beitragsfinanzierten - i.d.R. mit geringeren finanziellen
Lasten verbundenen - Mehrleistungssystems.
Die Beklagte war schließlich nicht verpflichtet, Übergangsregelungen zu treffen. Das BVerfG hat im Bereich der Krankenversicherung
bereits in der Vergangenheit Gesetze mit unechter Rückwirkung ohne Übergangsregelungen auch dann gebilligt, wenn diese mit
erheblichen Belastungen für die Versicherten verbunden waren (vgl. nur BVerfGE 69, 272; BVerfGE 103, 392).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).