Anspruch auf Krankengeld in der gesetzlichen Krankenversicherung
Anforderungen an das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit bei zwischenzeitlicher Arbeitslosmeldung und an einen neuen Anspruch
bei Beginn einer neuen Blockfrist
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um das Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs für die Zeit vom 01.10.2015 bis 02.02.2017.
Die 1965 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.06.2008 infolge der Ausübung einer abhängigen Beschäftigung im
Rehabilitationszentrum C (Träger: Deutsche Rentenversicherung Bund) als Ergotherapeutin pflichtversichert.
Am 31.07.2012 erkrankte die Klägerin (nach vorausgegangener durch den Allgemeinmediziner E E1 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit
- im Folgenden: AU - vom 16.07.2012 bis 30.07.2012 wegen eines akuten Atemwegsinfektes) erneut arbeitsunfähig, diesmal aufgrund
einer "akuten Belastungsreaktion" (ICD-10: F43.O) und einer "depressiven Episode" (F32), was ihr jeweils durch den Hausarzt
Dr. X (für die Zeit bis einschließlich 30.01.2015) unstreitig durchgehend bestätigt wurde.
Die Klägerin erhielt zunächst durch ihren Arbeitgeber Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und im Anschluss - ab dem 11.09.2012
(faktische Auszahlung wegen verspäteter Meldung erst seit dem 14.09.2012) - durch die Beklagte Krankengeld bis zum Ende der
Höchstanspruchsdauer von 78 Wochen am 28.01.2014 (vgl. Bescheide vom 24.09.2012 und vom 07.11.2013).
Vom 29.01.2014 bis 18.01.2015 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit.
Aufgrund eines vor dem Landesarbeitsgericht I geschlossenen Vergleiches (vom 15.01.2015) - nach dem das Arbeitsverhältnis
erst mit Wirkung zum 30.09.2015 enden und die Klägerin von der Arbeitsleistung unter Lohnfortzahlung freigestellt werden sollte
- wurde die Klägerin von ihrem Arbeitgeber für die Zeit vom 19.01.2015 bis 30.09.2015 wegen Lohnbezuges wieder zur Sozialversicherung
(in der Krankenversicherung unstreitig mit Anspruch auf Krankengeld) angemeldet.
Dabei erkrankte die Klägerin ab dem 06.08.2015 erneut arbeitsunfähig. Die AU wurde wiederum durchgängig durch den Hausarzt
Dr. X wegen einer "akuten Belastungsreaktion" und "depressiven Episode", sowie später zusätzlich aufgrund einer "akuten Bronchitis"
(J.20.9) festgestellt.
Mit Bescheid vom 16.09.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ein Anspruch auf Krankengeld für die seit dem 06.08.2015
bestehende AU nicht bestehe. Die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld sei zeitlich begrenzt. Bei AU wegen derselben Krankheit
werde Krankengeld für höchstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren (Rahmenfrist) gewährt. Innerhalb der für die vorliegende
Erkrankung maßgeblichen Rahmenfrist vom 31.07.2012 bis 30.07.2015 habe vom 01.08.2012 bis 28.01.2014 für die gesetzliche Höchstanspruchsdauer
ein Anspruch auf Krankengeld bestanden. Bei Beginn einer neuen Rahmenfrist hätten Versicherte, die im letzten Dreijahreszeitraum
wegen derselben Krankheit für 78 Wochen Krankengeld bezogen haben, nach §
48 Abs.
2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) nur dann einen neuen Anspruch wegen derselben Krankheit, wenn sie bei Eintritt der erneuten AU mit Anspruch auf Krankengeld
versichert seien und in der Zwischenzeit mindestens 6 Monate nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig sowie erwerbstätig
waren oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden hätten. Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin nicht vor.
Die bezahlte Freistellung stelle keine Erwerbstätigkeit dar. Zwar habe sie zwischenzeitlich Arbeitslosengeld erhalten, jedoch
sei weiterhin AU festgestellt worden, so dass sie auch nicht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe.
Hiergegen legte die Klägerin (mit Schreiben vom 28.09.2015) Widerspruch ein, den sie (mit anwaltlichem Schriftsatz vom 09.10.2015)
dahingehend begründete, dass die Voraussetzungen für einen erneuten Krankengeldbezug nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums
wegen derselben Krankheit nach §
48 Abs.
2 SGB V entgegen der Darstellung der Beklagten erfüllt seien. Die (unwiderrufliche) Freistellung unter Lohnfortzahlung bei fortbestehendem
Arbeitsverhältnis sei als Erwerbstätigkeit zu werten, die Sichtweise der Beklagten sei insoweit überholt. Der bis zur Erschöpfung
des Anspruchs erfolgte Arbeitslosengeldbezug sei als sog. Gleichwohl-Gewährung zu sehen, da die Klägerin grundsätzlich arbeitsfähig
gewesen sei, also dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 15 Stunden wöchentlich für mehr als 6 Monate zur Verfügung gestanden
habe, jedoch wegen der seit Jahren bestehenden Mobbing-Situation (nur) für ihre konkrete letzte Beschäftigung arbeitsunfähig
gewesen sei. Die Beklagte übersehe ferner, dass jedenfalls für die Zeit von Februar 2015 bis August 2015 keine AU bescheinigt
worden sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 11.12.2015 als unbegründet zurück. Die Klägerin sei am 06.08.2015
nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen, weil sie bezahlt freigestellt und damit nicht mehr gegen Arbeitsentgelt
beschäftigt gewesen sei. Sie verweise auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29.08.2012, Aktenzeichen: B 10 EG 7/11.
Mit ihrer hiergegen am 04.01.2016 vor dem Sozialgericht Detmold erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Anliegen weiter verfolgt.
Der Vortrag der Beklagten, sie sei weder erwerbstätig gewesen, noch habe sie der Arbeitsvermittlung mindestens 6 Monate zur
Verfügung gestanden, sei ihr nicht begreiflich.
Sie hat Leistungsnachweise für den Bezug von Arbeitslosengeld in der Zeit vom 29.01.2014 bis 18.01.2015 überreicht und ergänzend
vorgetragen, dass sie im selben Zeitraum regelmäßig Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit erhalten und sich durch
Bewerbungen um eine andere Beschäftigung bemüht habe.
Ferner hat sie eine Bescheinigung des Dr. X vom 19.01.2015 zu den Akten gereicht, nach der sie als Ergebnis einer allgemeinmedizinischen
Untersuchung vom 16.01.2015 ab 19.01.2015 auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wieder vollschichtig vermittelbar sei.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2015 zu verurteilen,
ihr für den Zeitraum vom 01.10.2015 bis 02.02.2017 Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich auf die angefochtenen Bescheide bezogen. Auf die Erkrankung und die Ursache der AU komme es letztlich
nicht an. Sie bleibe dabei, dass die Klägerin während der Freistellung weder erwerbstätig gewesen sei, noch der Arbeitsvermittlung
wenigstens 6 Monate zur Verfügung gestanden habe. Für den einzig in Betracht kommenden Zeitraum vom 28.01.2014 bis 30.01.2015
sei ihr durchgehend AU durch den Allgemeinmediziner Dr. X bescheinigt worden, desweiteren habe sich die Klägerin fortgesetzt
in Behandlung bei der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie V K und dem Psychologen M befunden.
Das SG hat Befundberichte bei den behandelnden Ärzten der Klägerin eingeholt:
Der Allgemeinmediziner Dr. X hat (mit Schreiben vom 19.03.2016) bescheinigt, dass die Klägerin nach seinen Aufzeichnungen
seit dem 01.01.2014 durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei. Dabei beziehe er sich auf ihre alte Arbeitsstelle. Auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt hätte sie in der Zeit vom 28.01.2014 bis 30.01.2015 dagegen theoretisch leichte körperliche Tätigkeiten ausüben
können, was bei ihren persistierenden psychischen Störungen und Belastungen jedoch unrealistisch gewesen sei.
Ergänzend befragt hat Dr. X (mit Schreiben vom 04.10.2016) bestätigt, dass die Klägerin in der Zeit vom 28.01.2014 bis 30.01.2015
in der Lage gewesen sei, körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.
Wiederum ergänzend befragt hat Dr. X (mit Schreiben vom 04.09.2017) erneut bestätigt, dass sich die AU auf den alten Arbeitsplatz
der Klägerin bezogen habe. In der Zeit vom 19.01.2015 bis 05.08.2015 habe er keine AU attestiert. Die Bescheinigung aus der
Zeit vom 06.08.2015 bis 14.08.2017 seien der reaktiv depressiven Stimmung verbunden mit psychosomatischen Beschwerden als
Folge der langwierigen Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber geschuldet gewesen und der Tatsache, dass die vielen Bewerbungen
der Klägerin ohne Erfolg waren, was sie entsprechend mit Zukunftssorgen belastet habe.
Die Neurologin und Psychiaterin V K hat mit Schreiben vom 27.05.2016 bescheinigt, die Klägerin wegen psychovegetativer Erschöpfung
(F48.0 G), einer akuten Belastungsreaktion (F43.0+G) und einer schweren depressiven Reaktion (F32.2+G) bei zunehmenden Infekten
im Therapieverlauf behandelt zu haben. Die AU-Bescheinigungen seien aufgrund von Zweifeln der Klinikleitung an ihrer Kompetenz
durch den Hausarzt ausgestellt worden. Die Klägerin habe sie jedoch informiert, vom 29.01.2014 bis 18.01.2015 arbeitslos gewesen
zu sein. Dabei habe in der Zeit vom 22.09. bis 26.10.2014 AU wegen einer Lungen- und Leberentzündung bestanden. Für ihren
Beruf an sich sei die Klägerin seit dem 01.01.2014 vollschichtig belastbar gewesen.
Ergänzend befragt hat die Ärztin (mit Schreiben vom 30.11.2016) angegeben, die Klägerin u.a. am 06.02.2014 (telefonisch),
am 25.02.2014, am 19.05.2014, am 22.05.2014, am 19.09.2914, am 31.10.2014, am 10.12.2014, am 19.01.2015, am 02.02.2015 (telefonisch)
und am 19.02.2015 behandelt zu haben.
Wiederum ergänzend befragt hat Frau K (mit Schreiben vom 20.09.2017) bestätigt, dass nach ihrer Einschätzung in der Zeit vom
28.01.2014 bis 30.01.2015 Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestanden habe, da sich die psychischen und psychosomatischen
Erkrankungen allein auf den alten Arbeitgeber bezogen hätten.
Ferner hat das SG eine Auskunft der Bundesagentur für Arbeit (vom 24.03.2016) beigezogen, wonach dort aus der Zeit des Arbeitslosengeldbezuges
vom 29.01.2014 bis 30.01.2015 keine ärztlichen Unterlagen bzw. Gutachten zur Frage der Erwerbsfähigkeit vorliegen.
Das SG hat am 12.05.2017 einen Erörterungstermin durchgeführt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich (der Klägerbevollmächtige durch Schriftsatz vom 30.11.2017; die Beklagte durch Schriftsatz vom
24.11.2017) mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 01.12.2017 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch nach §
44 Abs.
1 SGB V zu. Die Klägerin sei in der Zeit vom 01.10.2015 bis 02.02.2017 mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Die Tatsache
der bezahlten Freistellung führe nicht zum Ausschluss des Krankengeldanspruchs. Unstreitig sei die Klägerin auch während des
streitigen Zeitraums durchgehend vorwiegend wegen psychischer Probleme arbeitsunfähig gewesen. Der Anspruch sei wegen des
Vorbezuges von 78 Wochen im Dreijahreszeitraum vom 31.07.2012 bis 30.07.2015 auch nicht erschöpft gewesen. Vielmehr seien
die Voraussetzungen des §
48 Abs.
2 SGB V erfüllt. Die Klägerin sei wegen der ab dem 06.08.2015 erneut aufgetretenen psychischen Beschwerden im hier fraglichen Zeitraum
unstreitig arbeitsunfähig geworden. Unstreitig sei dabei ferner in der Zeit vom 31.01.2015 bis 05.08.2015 keine AU wegen dieser
Tätigkeit ärztlich bescheinigt. Die Klägerin habe dem Arbeitsmarkt auch vom 29.01.2014 bis 18.01.2015 zur Verfügung gestanden,
was der Arbeitslosengeldbezug dokumentierte. Die Beklagte habe die Bewerbungsbemühungen nicht bestritten. Nach den eingeholten
Befundberichten gehe die Kammer davon aus, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 15 Stunden wöchentlich
hätte tätig werden können. Dass die Zeiträume der fehlenden AU-Bescheinigung für 6 Monate und der Erwerbsfähigkeit bzw. Verfügbarkeit
bei der Arbeitsvermittlung nicht kongruent seien, sei für das Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs unerheblich, da das
Gesetz sich mit einem kumulativen Vorliegen beider Voraussetzungen begnüge. Der Anspruch bestehe dem Grunde nach für die Zeit
vom 01.10.2015 bis zum Ende der Höchstanspruchsdauer am 02.02.2017, ruhe jedoch für die Zeit des Arbeitsentgeltbezugs bis
30.9.2015 unter Anrechnung auf die Höchstanspruchsdauer. Etwaige Leistungen anderer Leistungsträger seien anzurechnen.
Die Beklagte hat gegen das Urteil am 15.01.2018 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, das Gericht habe rechtsirrig
und in Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteile vom 12.09.1978, 5 RJ 6/77, BSGE 47, S. 47/51 und 03.10.1984, 5b RJ 96/83) festgestellt, dass die Klägerin der Arbeitsvermittlung wenigstens 6 Monate
zur Verfügung gestanden habe. Eine differenzierte im Sinne von abweichende Beurteilung der Arbeitsfähigkeit für die letzte
Tätigkeit und den allgemeinen Arbeitsmarkt komme nicht in Betracht. Einheitlich sei vielmehr aus den vorgelegten Bescheinigungen
zu folgern, dass die Klägerin arbeitsunfähig gewesen sei. Auch möge die Klägerin in einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis
gestanden haben, sie sei aufgrund der Freistellung jedoch nicht erwerbstätig gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Detmold vom 01.12.2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das erstinstanzliche Urteil sei rechtsfehlerfrei ergangen. Sie weise darauf hin, dass die Beklagte der Klägerin selbst geraten
habe, Arbeitslosengeld zu beantragen.
Der erkennende Senat hat am 30.08.2018 einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem die Klägerin auch ihren Psychotherapeuten
L M von der Schweigepflicht entbunden hat. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Dieser hat (mit Schreiben vom 03.10.2018) berichtet, in der Zeit vom 28.01.2014 bis 01.10.2015 insgesamt 13 Sitzungen mit
der Klägerin durchgeführt zu haben. Er habe die Diagnose einer "Dysthymia" (F.34.1) und einer "unspezifischen Persönlichkeitsstörung"
(F60.9) gestellt. "Ohne Zweifel" sei die Klägerin in der erfragten Zeit in der Lage gewesen, eine Vollzeittätigkeit auszuüben,
es hätten "keinerlei Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit" bestanden. Die Patientin habe mehrfach von Initiativbewerbungen
gesprochen und auch die Möglichkeit einer beruflichen Selbständigkeit angedacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG Detmold hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Beklagte hat der Klägerin das Krankengeld für die Zeit vom 01.10.2015
bis 02.02.2017 zu Unrecht mit Bescheid vom 16.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2015 versagt.
Die insoweit von der Klägerin zulässig erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
4 SGG) ist zulässig und begründet.
Anspruchsgrundlage des klägerischen Begehrens ist §
44 Abs.
1 SGB V. Danach haben Versicherte in der hier allein in Betracht kommenden Alternative Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit
sie arbeitsunfähig macht.
Diese Voraussetzungen sind gegeben.
Die Klägerin war - zum maßgeblichen Zeitpunkt der erneuten Arbeitsunfähigkeit vom 06.08.2015 - was die Beklagte (mittlerweile)
nicht (mehr) bestreitet, infolge der Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld versichert (vgl. §
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V).
Auch die Arbeitsunfähigkeit ist für die streitgegenständliche Zeit dokumentiert. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung
(vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2000, B 1 KR 11/99 R, juris, Rn. 13 m.w.N.) ist Arbeitsunfähigkeit bei Eintritt im Rahmen des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses zu bejahen,
wenn der Versicherte seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht weiter verrichten kann. Dies haben die behandelnden
Ärzte Dr. X, Frau K und der Diplom-Psychologe M im Fall der Klägerin übereinstimmend bescheinigt.
Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Klägerin sich aufgrund der Ungewissheit über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses
zwischenzeitlich arbeitslos gemeldet und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hatte. Die Arbeitsunfähigkeit entfällt
nicht dadurch, dass sich der Versicherte in Anbetracht seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung für eine berufliche Neuorientierung
öffnet und zu erkennen gibt, dass er zu einem Berufswechsel bereit ist (hierzu: BSG, Urteil vom 08.02.2000, a.a.O., Rn. 14). Das Krankengeld ist dazu bestimmt, den krankheitsbedingten Ausfall des bei ihrem
Eintritt bezogenen Arbeitsentgeltes auszugleichen; es behält seine Funktion, solange die Arbeitsunfähigkeit zur Verrichtung
dieser Tätigkeit andauert. Allein die Bereitschaft, eine dem verbleibenden Leistungsvermögen entsprechende Arbeit anzunehmen,
beseitigt deshalb nicht den für den Krankengeldanspruch maßgeblichen Bezug zu der früheren Beschäftigung. Erst mit der tatsächlichen
Aufnahme einer neuen beruflichen Tätigkeit endet dieser Bezug und wird die neue Tätigkeit zur Grundlage für die Beurteilung
der Arbeitsunfähigkeit (BSG, Urteil vom 15.11.1984, 3 RK 21/83, juris, Rn. 23 ff.).
Aus demselben Grunde ändert sich der Maßstab auch nicht im Rahmen des Wiederauflebens des Krankengeldanspruchs des hier einschlägigen
§
48 Abs.
2 SGB V aufgrund einer Erkrankung in der zweiten Blockfrist. Soweit hier weitergehende Verweisungsmöglichkeiten in Betracht gezogen
werden (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 14.02.2001, B 1 KR 30/00 R, juris, Rn. 20 m.w.N.), gilt dies vornehmlich für die Fälle, in denen nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit noch (eine)
andere Erwerbstätigkeit(en) ausgeübt wurde(n) und nicht, wenn die Krankheit wie hier gerade während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses
als Anknüpfungspunkt eintritt.
Unabhängig davon wird die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin von der Beklagten auch nicht nur nicht bestritten, sondern im Gegenteil,
als "durchgehend bestehend" und "für alle Rechtsgebiete gleich zu beurteilend" zum wesentlichen Gegenstand ihres Sachvortrages
erhoben.
Der Krankengeldanspruch der Klägerin ist auch nicht bereits durch den vorausgegangenen Höchstbezug vom 11.09.2012 bis 28.01.2014
erschöpft.
Hierzu bestimmt §
48 Abs.
2 SGB V, dass nach einem Krankengeldbezug von 78 Wochen wegen derselben Krankheit im letzten Dreijahreszeitraum nach Beginn einer
neuen Blockfrist bei Arbeitsunfähigkeit wegen dieser Krankheit ein neuer Anspruch auf Krankengeld nur besteht, wenn der Versicherte
bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Krankengeld versichert ist und er zwischen dem Ende der letzten
Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit und dem Eintritt der neuen Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht wegen
dieser Krankheit arbeitsunfähig war (Nr. 1) und erwerbstätig war oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand (Nr. 2).
Auch diese Voraussetzungen hat das SG zu Recht bejaht.
Nach der anzuwendenden Methode der starren Rahmenfrist setzt der erstmalige Eintritt der AU wegen derselben Krankheit eine
Kette aufeinanderfolgender Dreijahreszeiträume in Gang (ständige Rsprg. des BSG seit dem Urteil vom 17.04.1970, 3 RK 41/69, juris; zuletzt: Urteil vom 21.06.2011, B 1 KR 15/10 R, juris Rn. 12). Dass dieselben psychischen Beschwerden sowohl maßgeblicher Grund für die vom 31.07.2012 bis zum 28.01.2014
vorliegende AU waren als auch für die neu eingetretene AU vom 06.08.2015 sind, ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten,
so dass vom Vorliegen "derselben Krankheit" (hierzu: BSG, Urteil vom 21.06.2011, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.) auszugehen ist. Die erste Rahmenfrist läuft damit vom 31.07.2012 bis 30.07.2015
und die zweite begann am 31.07.2015, so dass die neue AU vom 06.08.2015 in die Zeit einer neuen Blockfrist fällt.
Das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krankengeld im Zeitpunkt des Eintritts der erneuten AU ist
ebenfalls zu bejahen. Nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses zum 30.09.2015 bestand das Mitgliedschaftsverhältnis über
den Krankengeldanspruch fort (§
192 Abs.
1 Nr.
2 SGB V).
Es ist auch davon auszugehen, dass die Klägerin seit dem Ende des Höchstanspruchs zum 28.01.2014 bis zur erneuten Arbeitsunfähigkeit
am 06.08.2015 wenigstens 6 Monate nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig war. Für die Zeit zwischen dem 31.01.2015 und
dem 06.08.2015 liegen (unstreitig) keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Soweit Dr. X auf Nachfrage in einem gerichtlichen
Befundbericht vom 19.03.2016 pauschal angegeben hat, die Klägerin sei seit dem 01.01.2014 "durchgehend AU" gewesen, ersetzt
das entgegen der Behauptung der Beklagten nicht die ärztliche Feststellung im Sinne des §
46 S. 1 Nr. 2
SGB V aufgrund konkreter zeitnaher Untersuchung (vgl. hierzu die Nachweise bei Brandts in KasselerKomm-
SGB V, Stand: 10/2011, §
46 m.w.N.). Eine solche liegt gerade nicht vor, im Gegenteil, mit Schreiben vom 19.01.2015 hatte Dr. X ausdrücklich bescheinigt,
dass die Klägerin nach seiner Untersuchung vom 16.01.2015 ab dem 19.01.2015 wieder vollschichtig einsetzbar sei. Darüber hinaus
hat Dr. X mit Befundbericht vom 04.09.2017 noch einmal ausdrücklich klargestellt, dass er in der Zeit vom 19.01.2015 bis 05.08.2015
keine AU attestiert hat.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch davon auszugehen, dass die Klägerin zwischen dem Ende der letzten AU wegen
derselben Krankheit und dem Eintritt der neuen AU wenigstens 6 Monate erwerbstätig war oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung
stand.
Der Senat kann offen lassen, ob die Klägerin vor dem Hintergrund der faktischen Freistellung im Rahmen ihres gekündigten Arbeitsverhältnisses
als erwerbstätig im Sinne des §
48 Abs.
2 Nr.
2 (1. Alternative)
SGB V anzusehen war (hierzu BSG, Urteil vom 03.11.1993, 1 RK 10/93, juris, Rn. 18: "Beschäftigung gegen Entgelt oder Tätigkeit mit Arbeitseinkommen", während sich das Urteil des BSG vom 29.08.2012, B 10 EG 7/11 R ausschließlich zum Erwerbstätigkeitsbegriff des § 1 Abs. 1 Nr. 4 Bundeselterngeldgesetzes verhält).
Jedenfalls stand sie der Arbeitsvermittlung im Sinne der zweiten Alternative des §
48 Abs.
2 Nr.
2 SGB V wenigstens 6 Monate - konkret in der Zeit vom 29.01.2014 bis 18.01.2015 - zur Verfügung. Zwar ist dies aufgrund der sog.
Gleichwohl-Gewährung des Arbeitslosengeldes (vgl. §
157 Abs.
3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch -
SGB III-) für diesen Zeitraum nicht bereits allein aufgrund des Leistungsbezuges zu unterstellen. Jedoch haben die behandelnden Ärzte
und Therapeuten der Klägerin die Verfügbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entsprechend den Anforderungen des §
138 Abs.
5 SGB III (15 Stunden wöchentlich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes) ebenfalls ausdrücklich und übereinstimmend
bejaht. Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf rentenrechtliche Judikatur des BSG (Urteile vom 12.09.1978 und 03.10.1984, a.a.O.) vorträgt, die im Hinblick auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit unstreitig
auch in der Zeit der in Frage kommenden Zäsur vom 29.01.2014 bis 18.01.2015 anzunehmende Arbeitsunfähigkeit der Klägerin stehe
auch der Annahme einer Verfügbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entgegen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn
die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit orientiert sich bei Arbeitslosen an den Arbeiten, auf die der Arbeitslose im Rahmen
der Arbeitsvermittlung verwiesen werden kann. Arbeitsunfähigkeit ist bei Arbeitslosen daher nur dann gegeben, wenn sie wegen
Krankheit nicht vermittlungsfähig sind, wenn also der Arbeitslose in eine an sich zumutbare Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
allein wegen der Krankheit nicht vermittelt werden kann (vgl. §
140 Abs.
1 SGB III) (siehe auch Noftz in: Hauck/Noftz,
SGB V, 02/16, § 44 Rn. 79 ff. m.w.N.). Das BSG hat dabei mit Urteil vom 14.02.2001 (B 1 KR 30/00 R, juris, Rn. 15 ff.) ausdrücklich klargestellt, dass die Beurteilung, welches Tätigkeitsfeld einem Versicherten zuzumuten
ist, im Recht der Krankenversicherung und dem der Arbeitslosenversicherung unabhängig voneinander zu bestimmen ist und daher
divergent ausfallen kann. Die These, die zu Grunde liegenden Kriterien könnten zwingend nur einheitlich beurteilt werden,
hat die höchstrichterliche Rechtsprechung mit Blick auf die unterschiedlichen Regelungszwecke für "offenkundig unrichtig"
erachtet.
Im vorliegenden Fall erschließt es sich auch bereits aus dem konkreten Krankheitsbild der Klägerin, dass die unterschiedliche
Beurteilung von Arbeitsfähigkeit im Sinne des
SGB V auf der einen Seite und Verfügbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Sinne des
SGB III auf der anderen Seite keinen Widerspruch darstellt, da die mobbingbedingte psychische Belastungssituation, die der Ausübung
der bisherigen Arbeit entgegenstand, bei neuen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes gerade nicht vorlag.
Zutreffend dargestellt hat das SG auch, dass die Zeiträume der sechsmonatigen AU-Pause und die der Erwerbstätigkeit bzw. Verfügbarkeit auf dem Arbeitsmarkt
entsprechend den Anforderungen des §
48 Abs.
1 Nr.
1 und
2 SGB V nicht kongruent vorliegen müssen (vgl. Knittel in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung,
SGB V, Stand: 01/2012, §
48 Rn. 21).
Ebenfalls zutreffend hat das SG ausgeurteilt, dass der Krankengeldanspruch nach §
49 Abs.
1 Nr.
1 SGB V für die Dauer des Entgeltbezuges (vom 19.01.2015 bis 30.09.2015) unter Anrechnung auf die Leistungsdauer (§
48 Abs.
3 SGB V) ruhte, so dass Leistungsbeginn der 01.10.2015 ist. Dabei sind die 78 Wochen des Höchstbezuges innerhalb der zum 31.07.2015
beginnenden zweiten Blockfrist (Ende: 30.07.2018) zum 02.02.2017 erschöpft. §
46 S. 1 Nr. 2
SGB V wurde bereits mit Wirkung zum 23.07.2015 dahingehend geändert, dass der Krankengeldanspruch bereits mit dem Tage der AU-Ausstellung
beginnt (hier: 06.08.2015).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§
193,
183 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach Maßgabe des §
160 Abs.
2 SGG sind nicht ersichtlich.