Tatbestand
Der Kläger verlangt die Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 31.03.2015 bis 22.11.2015. Umstritten ist, ob der Kläger
während dieses Zeitraums mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten versichert war.
Der am 00.00.1988 geborene und bei der Beklagten aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung als Fleischer krankenversicherte
Kläger erkrankte am 18.08.2014 arbeitsunfähig (Diagnose M53.1G). Das Arbeitsverhältnis wurde - während fortbestehender Arbeitsunfähigkeit
- mit Wirkung zum 30.09.2014 gekündigt. Die Beklagte gewährte Krankengeld aufgrund fortlaufend bescheinigter Arbeitsunfähigkeit
bis zum 31.03.2015 mit Ausnahme des Zeitraums vom 05.03.2015 bis 26.03.2015, in dem der Kläger eine Maßnahme zur medizinischen
Rehabilitation in der Abteilung für Orthopädie des Reha- Zentrums Bad E, Klinik Berlin, Bad E, zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung
Bund absolvierte. Nach dem vom 30.03.2015 datierenden Entlassungsbericht des Chefarztes Dr. L, Reha-Zentrum Bad E, wurde der
Kläger am 26.03.2015 als arbeitsunfähig aufgrund "noch vorhandener Restbeschwerden für ca. 3 bis 4 Wochen in die weitere hausärztliche
und fachärztliche Betreuung entlassen". Am 27.03.2015 stellte der behandelnde Arzt für Allgemeinmedizin Arbeitsunfähigkeit
bis zum 31.03.2015 als Erstbescheinigung fest (Diagnosen M54.15G, M79.19G, R52.2G). Am 01.04.2015 stellte der Facharzt für
Orthopädie und Sportmedizin N, C, (zunächst) weiter Arbeitsunfähigkeit bis zum 04.05.2015 fest. Darüber hinaus lag beim Kläger
Arbeitsunfähigkeit bis zum 22.11.2015 vor.
Durch Bescheid vom 03.07.2015 entschied die Beklagte, dass der Anspruch des Klägers auf Krankengeld sowie die beitragsfreie
Mitgliedschaft am 31.03.2015 endeten: Der Krankengeldanspruch des Klägers habe am 31.03.2015 geendet. Deshalb habe auch die
Mitgliedschaft des Klägers (mit Anspruch auf Krankengeld) gemäß §
192 Abs.
1 Nr.2
SGB V nicht über den 31.03.2015 hinaus fortbestanden. Aufgrund der ab 01.04.2015 erneut festgestellten Arbeitsunfähigkeit habe
nämlich ein Krankengeldanspruch frühestens ab 02.04.2015 entstehen können.
Dagegen legte der Kläger am 17.07.2015 Widerspruch ein, mit dem er vorbrachte, dass sich das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit
aus dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik Bad E ergebe. Die Beklagte wies den Widerspruch durch den Widerspruchsbescheid
vom 10.09.2015 zurück: Der Anspruch gemäß §
44 SGB V auf Krankengeld habe nur bis zum 31.03.2015 bestanden. Am 31.03.2015 habe ebenfalls die durch §
192 Abs.
1 Nr.
2 SGB V vermittelte Mitgliedschaft des Klägers geendet, weil wegen der erst am 01.04.2015 bescheinigten weiteren Arbeitsunfähigkeit
für diesen Tag ein Anspruch auf Krankengeld nicht mehr bestanden habe. Arbeitsunfähigkeit könne nur durch Vertragsärzte, nicht
aber durch den Entlassungsbericht einer Reha-Klinik festgestellt werden.
Dagegen hat der Kläger am 02.10.2015 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben.
Zur Begründung hat der Kläger sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 03.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2015 aufzuheben
und ihm über den 31.03.2015 hinaus Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an der in den angefochtenen Bescheiden geäußerten Rechtsauffassung festgehalten.
Das Sozialgericht hat der Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 13.05.2016 ganz überwiegend stattgegeben und die
Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2015 verurteilt,
dem Kläger Krankengeld ab dem 02.04.2015 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen. Wegen der Einzelheiten
der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 21.06.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04.07.2016 Berufung eingelegt.
Zur Begründung bringt sie vor: Gemäß §
73 Abs.
2 Nr.
9 SGB V sei das Ausstellen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen Bestandteil der kassenärztlichen Versorgung. Ärztinnen und Ärzte
in Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation seien erstmalig durch die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien vom 17.12.2015,
in Kraft getreten am 17.03.2016, aufgrund der §§ 3, 4, 4a und 5 Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie befugt, die Attestierung von
Arbeitsunfähigkeit vorzunehmen, soweit es sich um Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation bei Leistungen nach den §§
40 Abs.
2,
41 SGB V handele. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt: Weder habe die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie vom 17.12.2015 im Zeitpunkt
der Absolvierung der Rehabilitationsmaßnahme durch den Kläger gegolten, noch habe es sich um eine Einrichtung i.S.d. §§
40 Abs.
2,
41 SGB V gehandelt. Wegen des fehlenden Anspruchs auf Krankengeld für den 01.04.2015 sei deshalb von einem Ende der Mitgliedschaft
gemäß §
93 Abs.
1 Nr.
2 SGB V mit Ablauf des 31.03.2015 auszugehen; eine Versicherung mit Krankengeldanspruch nach diesem Zeitpunkt bis zu dem Zeitpunkt
der Aussteuerung am 22.11.2015 habe deshalb nicht mehr bestanden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.05.2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und meint, da fortlaufend Arbeitsunfähigkeit bis zum Zeitpunkt der Aussteuerung
am 22.11.2015 bescheinigt worden sei, stehe ihm auch ein Krankengeldanspruch für diesen Zeitraum zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der
Verwaltungsakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger ein
Anspruch auf Krankengeld ab dem 02.04.2015 zusteht. Dieser Anspruch besteht bis zum 22.11.2015, denn erst hier endet der Anspruch
des Klägers auf Krankengeld gemäß §
48 Abs.
1 Satz 1
SGB V.
Rechtsgrundlage für den Krankengeldanspruch sind die §§
44,
46 SGB V. Nach §
44 Abs.
1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse
stationär behandelt werden. Dabei bestimmt allein das bei Entstehen des Krankengeldanspruchs bestehende Versicherungsverhältnis,
wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krankengeld hat (vgl. BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 14). Der Kläger war in der Zeit vor Beginn seines Krankengeldanspruchs am 19.08.2014 (aufgrund der am 18.08.2014 festgestellten
Arbeitsunfähigkeit) aufgrund der versicherungspflichtigen Beschäftigung als Fleischer mit Anspruch auf Krankengeld versichert
(§
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V). Während des anschließenden Bezugs von Krankengeld blieb seine Mitgliedschaft nach §
192 Abs.
1 Nr.
2 SGB V erhalten, weil er Anspruch auf Krankengeld hatte. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankengeld waren hier auch im Zeitraum
vom 02.04.2015 bis 22.11.2015 gegeben, weil der Kläger arbeitsunfähig gewesen ist und ferner auch eine Mitgliedschaft des
Klägers bei der Beklagten mit Anspruch auf Krankengeld vorgelegen hat.
Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit aber - wie hier - abschnittsweise Krankengeldbewilligung (seit dem 19.09.2014), ist jeder
Bewilligungsabschnitt eigenständig zu prüfen (BSG, Urteile vom 16.12.2014, B 1 KR 37/14 R; B 1 KR 35/14 R; Urteile vom 10.05.2012, B 1 KR 19/11 R , B 1 KR 20/11 R jeweils m.w.N.). Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs aus dem Beschäftigungsverhältnis ist erforderlich, dass
die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut festgestellt wird (BSG a.a.O.). Eine solche Feststellung liegt hier entgegen der Ansicht der Beklagten vor. Der den Kläger während der Rehabilitationsmaßnahme
behandelnde Chefarzt Dr. L hat in dem Entlassungsbericht vom 30.03.2015 eine nach der Entlassung des Klägers aus der Reha-Maßnahme
am 26.03.2015 fortbestehende Arbeitsunfähigkeit für einen Zeitraum von drei bis vier Wochen festgestellt. Dies reicht aus.
Das BSG hat bereits mehrfach entschieden, dass sich die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit nicht nur aus den Feststellungen von
behandelnden (an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden) Ärzten ergeben könne (vgl. Urteil vom 10.05.2012, B 1 KR 20/11 R, Rn. 13 ([...]); Urteil vom 14.12.2014, B 1 KR 35/14 R, Rn 13f ([...]).). Demgemäß hat hier Dr. L nach ausführlicher Auseinandersetzung mit dem Beruf des Klägers und Würdigung
des bestehenden Restleistungsvermögen sowie unter Berücksichtigung der bestehenden Restbeschwerden ausgeführt, dass für einen
weiteren Zeitraum von drei bis vier Wochen nach Entlassung aus der Rehabilitationsmaßnahme Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Diese
Feststellung umfasst den hier streitbefangenen Zeitraum und ist auch inhaltlich eindeutig. Diesbezügliche Einwendungen hat
die Beklagte nicht erhoben. Schließlich ist diese Feststellung von Arbeitsunfähigkeit durch Dr. L auch nicht etwa durch die
"zusätzliche", zeitlich nachfolgende Feststellung von Arbeitsunfähigkeit durch den behandelnden Arzt für Allgemeinmedizin
vom 27.03.2015 als überholt anzusehen. Dessen Feststellung bezog sich nur deshalb auf den (kurzen) Zeitraum bis zum 31.03.2015,
weil der Kläger dann den behandelnden Orthopäden N aufsuchen sollte, der die weitere Beurteilung einer fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit
vornehmen sollte.
Es besteht ferner aufgrund der vorliegenden Bescheinigungen über das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit der behandelten Ärzte
auch kein Zweifel daran, dass über den 02.04.2015 hinaus Arbeitsunfähigkeit bis zum 22.11.2015 festgestellt worden ist und
vorgelegen hat.
Da der Beklagten der Reha-Entlassungsbericht vom 30.03.2015 erst am 02.07.2015 zugegangen ist, ruhte Anspruch des Klägers
auf Krankengeld gemäß §
49 Absatz
1 Nr.
5 SGB V; dieses endete am 02.04.2015, als der Beklagten die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Orthopäden N vom 01.04.2015 vorgelegt
wurde. Demgemäß hat die Beklagte dem Kläger vom 02.04.2015 bis zum 22.11.2015 Krankengeld zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.