Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Insolvenzgeld.
Der 1956 geborene Kläger ist gelernter Kfz- Mechaniker und war bis zum 31.05.2007 als Industriemechaniker bei der Firma O
versicherungspflichtig beschäftigt. Nach dem Ende der Tätigkeit meldete er sich am 02.05.2007 arbeitslos und beantragte bei
der Beklagten Arbeitslosengeld. Mit Bescheiden vom 01.06.2007 wurde dem Kläger für die Zeit vom 21.06.2007 bis zum 13.06.2008
für die Dauer von 360 Tagen Arbeitslosengeld in Höhe von 42,18 Euro täglich unter Berücksichtigung einer Sperrzeit vom 01.06.2007
bis zum 07.06.2007 sowie eines Ruhens wegen Urlaubsabgeltung vom 01.06.2007 bis zum 20.06.2007 bewilligt.
Mit notariellem Vertrag vom 11.06.2007 gründete der Kläger zusammen mit den Herren F1 (geb. 1958), einem gelernten Elektrotechniker,
und I (geb. 1973), einem gelernten Büroinformationselektroniker, unter der Firma D GmbH eine Gesellschaft mit beschränkter
Haftung. Nach § 3 des Gesellschaftsvertrages war Gegenstand des Unternehmens der Vertrieb, die Wartung und Reparatur von Geldbearbeitungsmaschinen.
Das Stammkapital betrug 60.000,- Euro, von dem die drei Gesellschafter als Stammeinlage jeweils 20.000,- Euro übernahmen (§§
5 und 6 des Gesellschaftsvertrages). Zum Geschäftsführer hieß es in § 8 des Gesellschaftsvertrages:
"Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer.
Die Gesellschafter F1 und G (Erg.: der Kläger) sind kraft Sonderrechts Geschäftsführer. Das Sonderrecht geht auf Rechtsnachfolger
von F1 und G nicht über. Die Gesellschafter F1 und G können nur durch Gesellschafterbeschluss abberufen werden, dem alle Gesellschafter
zustimmen.
Jedem der Gesellschafter F1 und G steht solange er Gesellschafter und Geschäftsführer ist, als Sonderrecht die Befugnis zur
Einzelgeschäftsführung zu. Auf Rechtsnachfolger des F1 oder G geht dieses Sonderecht nicht über.
Die Gesellschafter können die Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss an eine Geschäftsordnung binden. Diese kann die
umfassende Einzelgeschäftsführungsbefugnis bezüglich der Gesellschafter F1 und G jedoch nur mit Zustimmung aller Gesellschafter
abweichend regeln.
Die Geschäftsführer bedürfen der vorherigen Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss für alle Geschäfte, welche die Gesellschafter
durch Gesellschaftsbeschluss für zustimmungsbedürftig erklären. Für einen solchen Beschluss bedarf es der Zustimmung aller
Gesellschafter."
Zur Vertretung hieß es in § 9 des Gesellschaftsvertrages:
"Jedem der Gesellschafter F1 und G steht, solange er Gesellschafter und Geschäftsführer ist, als Sonderrecht die Einzelvertretungsmacht
für die Gesellschaft zu. Auf Rechtsnachfolger von F1 und G geht diese Recht nicht über.
Die Gesellschaft wird im Übrigen durch einen Geschäftsführer einzeln vertreten, wenn er alleiniger Geschäftsführer ist oder
die Gesellschafter ihn zur Einzelvertretung ermächtigt haben. Sonst wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer vertreten.
Die Gesellschafter können einen Geschäftsführer nur durch einstimmigen Beschluss von den Beschränkungen des §
181 BGB befreien. Die Geschäftsführer F1 und G sind von den Beschränkungen des §
181 BGB befreit."
In § 11 des Gesellschaftsvertrages war geregelt, dass Beschlüsse der Gesellschafter in und außerhalb von Versammlungen schriftlich,
mündlich oder auch fernmündlich gefasst werden können, allerdings hierüber unverzüglich eine Niederschrift anzufertigen ist.
Nach § 11 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages wurden Gesellschafterbeschlüsse mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst,
soweit nicht Gesetz oder Gesellschaftsvertrag eine größere Mehrheit vorsahen. Je 1.000,- Euro Geschäftsanteil gewährten eine
Stimme. Stimmenthaltungen galten als Nein-Stimmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den in Bl. 20 ff. der Insolvenzgeldakte der Beklagten befindlichen Gesellschaftsvertrag
Bezug genommen.
Ebenfalls am 11.06.2007 schloss die D GmbH, vertreten durch die Gesellschafterversammlung, mit dem Kläger einen schriftlichen
Geschäftsführervertrag. Nach dessen § 1 Abs. 1 war der Geschäftsführer berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft nach
Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrags und einer etwaigen Geschäftsführungsordnung allein zu vertreten und die Geschäfte
allein zu führen. Weisungen der Gesellschafterversammlung waren zu befolgen, soweit Vereinbarungen im Geschäftsführervertrag
nicht entgegenstanden. In § 3 des Geschäftsführervertrages war geregelt, dass für alle Geschäfte und Maßnahmen, die über den
gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgingen, die ausdrückliche Einwilligung der Gesellschafterversammlung
erforderlich war. Als Bezüge waren ein festes Jahresgehalt von 57.600,- Euro (§ 7 Abs. 1 Satz 1 des Geschäftsführervertrages)
sowie eine Tantieme in Höhe von 5% des zu versteuernden Einkommens im Sinne des Körperschaftssteuergesetzes vereinbart (§
7 Abs. 2 Satz 1 des Geschäftsführervertrages). Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 des Geschäftsführervertrages konnten die Bezüge von
der Gesellschafterversammlung jederzeit bezüglich ihrer Höhe überprüft werden, um sie der allgemeinen wirtschaftlichen Lage
und der Lage der Gesellschaft einvernehmlich mit dem Kläger anzupassen. Weiterhin war geregelt, dass der Gehaltsanspruch im
Krankheitsfall für die Dauer von 3 Monaten bestehen blieb (§ 7 Abs. 4 Satz 1 des Geschäftsführervertrages). Dem Kläger wurden
30 Tage Urlaub zugestanden, den er mit dem weiteren Geschäftsführer abzustimmen hatte (§ 9 Abs. 1 des Geschäftsführervertrages).
Der Vertrag war mit einer Frist von 3 Monaten zum Quartalsende sowie jederzeit aus wichtigem Grund fristlos kündbar (§ 11
Abs. 2 und 3 des Geschäftsführervertrages). Nach § 11 Abs. 6 des Geschäftsführervertrages war die Abberufung als Geschäftsführer
jederzeit zulässig und galt zugleich als Kündigung des Anstellungsverhältnisses zu dem nächst zulässigen Zeitpunkt. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf den in Bl. 33 ff. der Insolvenzgeldakte der Beklagten befindlichen Geschäftsführervertrag
Bezug genommen.
Am 14.06.2007 wurde die D GmbH sowie die Bestellung des Klägers und des Herrn F1 als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen.
Mit Vertrag vom 21.06.2007 übernahmen der Kläger und Herr F1 selbstschuldnerische Bürgschaften zur Sicherung von Darlehensrückzahlungsansprüchen
der H Bank AG gegenüber der D GmbH in Höhe von insgesamt jeweils 285.000,- Euro. Im Übrigen gewährte der Kläger der H Bank
weitere Sicherheiten in Gestalt der Verpfändung von Wertpapieren mit einem Wert von ca. 85.000,- Euro.
Bereits am 11.05.2007 hatte der Kläger die Gewährung eines Gründungszuschusses beantragt und dabei u.a. angegeben, er werde
eine hauptberufliche selbstständige Tätigkeit als "Geschäftsführender Gesellschafter Techn. Leiter" aufnehmen, sei nicht durch
örtliche, zeitliche, inhaltliche oder fachliche Weisungen eingebunden und trage ein eigenes Unternehmerrisiko. Mit Bescheid
vom 22.06.2007 gab die Beklagte diesem Antrag statt und bewilligte zunächst für die Zeit vom 21.06.2007 bis zum 20.03.2008
einen Gründungszuschuss in Höhe von 1.565,40 Euro monatlich. Auf den Weitergewährungsantrag des Klägers bewilligte sie für
die Zeit vom 21.03.2008 bis zum 20.09.2008 einen Gründungszuschuss in Höhe von 300,- Euro monatlich.
Während seiner Tätigkeit für die D GmbH war der Kläger bei der DAK freiwillig krankenversichert. Beiträge zur Renten- und
Arbeitslosenversicherung wurden für ihn nicht abgeführt. Lohnsteuer wurde ebenfalls nicht abgeführt. Entsprechend wurde bei
dem Mitgeschäftsführer F1 verfahren. Der Mitgesellschafter I wurde demgegenüber als Angestellter der D GmbH zur Sozialversicherung
angemeldet. Für ihn wurden auch Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer abgeführt.
Nach der Aufnahme der Tätigkeit der D GmbH kam es zu Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern. Mit Schreiben vom 28.03.2008
warfen die beiden Mitgesellschafter F1 und I dem Kläger respektloses Verhalten gegenüber Herrn I und Misstrauen gegenüber
Herrn F1 vor und legten dies näher dar. Das Schreiben schloss mit der Bemerkung, aus all dem schlössen die beiden Mitgesellschafter,
dass der Kläger nicht mehr hinter seinem Entschluss stehe, ein eigenes Unternehmen mit ihnen beiden gegründet zu haben. Sie
erwarteten deshalb in den nächsten Tagen seine Vorschläge, wie es diesbezüglich weitergehen solle. Mit Schreiben vom gleichen
Tage erteilte Herr F1 als geschäftsführender Gesellschafter der D GmbH eine "Abmahnung wegen unzureichender Arbeitsleistung".
Diese Schreiben schloss wie folgt:
"Wir fordern sie auf, Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten ab sofort ordnungsgemäß zu erfüllen. Ansonsten sehen wir uns gezwungen,
das bestehende Arbeitsverhältnis fristgerecht zu kündigen."
In einer E-Mail vom 30.04.2008 teilte Herr F1 dem Kläger mit, aufgrund der geschäftlichen Situation der D GmbH sehe er sich
gezwungen, ihre beiden Gehälter auf 3.000,- Euro pro Monat herabzusetzen, da er keine andere Möglichkeit sehe, ihr Unternehmen
vor weiterem finanziellen Schaden zu bewahren. Er gehe davon aus, dass der Kläger ebenfalls eine Rettung des Unternehmens
in dieser Handlung sehe.
Der Kläger erhielt sodann als "Gehalt April 2008" den Betrag von 2.308,93 Euro überwiesen.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 23.05.2008 widersprach der Kläger zum einen der Kürzung seines Gehalts und
forderte u.a. die Zahlung eines Aufwands- und Spesenersatzes in Höhe von 1.678,13 Euro bis zum 30.05.2008 und forderte zum
anderen Herrn F1 auf, ihm Zugang zum E-Mail-Server der D GmbH und zu diversen Informationen zu verschaffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die auf Bl. 21 bis 30 der Gerichtsakte befindlichen Schreiben vom 28.03.2008, 30.04.2008
und 23.05.2008 Bezug genommen.
Weitere Gehaltszahlungen erhielt der Kläger nicht. Ihm wurden lediglich später Abrechnungen seiner Bezüge bis einschließlich
September 2008 auf der Basis des ungekürzten Gehalts übersandt.
Aufgrund des Insolvenzantrages des Klägers vom 19.06.2008 eröffnete das Amtsgericht Köln (71 IN 241/08) durch Beschluss vom 18.08.2008 die Insolvenz über das Vermögen der D GmbH. Der Insolvenzverwalter kündigte mit Schreiben
vom 20.08.2008 das mit dem Kläger "bestehende Arbeitsverhältnis" zum 30.09.2008.
Am 21.08.2008 beantragte der Kläger die Gewährung von Insolvenzgeld. Die Zahlung des Gründungszuschusses wurde daraufhin eingestellt.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 27.08.2008 ab dem 22.08.2008 Arbeitslosengeld in Höhe von 42,18 Euro täglich
für Dauer von 83 Kalendertagen, d.h. bis zum 13.11.2008. Mit Bescheid vom 05.02.2009 bewilligte die Beklagte ab dem 14.11.2008
ungeachtet des gewährten Gründungszuschusses erneut Arbeitslosengeld in entsprechender Höhe für die Dauer von weiteren 270
Kalendertagen bis zum 13.08.2009. Nach Rücknahme der Berufung im Verfahren L 9 AL 302/11 sind diese Bescheide bestandskräftig.
Nachdem die DAK der Beklagten mit Schreiben vom 10.06.2009 mitgeteilt hatte, dass der Kläger ihrer Auffassung nach selbstständig
gewesen sei, lehnte die Beklagte die Gewährung von Insolvenzgeld mit Bescheid vom 17.06.2009 mit der Begründung ab, der Kläger
sei kein Arbeitnehmer gewesen. Aus dem Gesellschaftsvertrag und dem Geschäftsführervertrag ergebe sich, dass der Kläger seine
Tätigkeit habe frei bestimmen können, selbst habe Personal einstellen und entlassen können, ein Weisungsrecht von der Gesellschaft
nicht ausgeübt worden sei, der Kläger sich seinen Urlaub nicht habe genehmigen lassen müssen und am Gewinn beteiligt gewesen
sei.
Hiergegen legte der Kläger am 01.07.2009 Widerspruch ein und trug vor, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei er als abhängig Beschäftigter einzustufen, da er weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine Sperrminorität
verfügt habe. Besondere Umstände, die den Schluss zuließen, es liege trotzdem keine Weisungsgebundenheit vor, seien nicht
ersichtlich, zumal die Beklagte in ihrem Bescheid offensichtlich selbst von einem bestehenden Weisungsrecht ausgegangen sei,
das lediglich nicht ausgeübt worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2007 wies die Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Bescheid
vom 17.06.2009 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 18.08.2009 Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Er hat sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, aus den Schreiben
vom 28.03.2008 und 23.05.2008 sowie der vorgenommenen Gehaltskürzung ergebe sich, dass der Mitgeschäftsführer F1 versucht
habe, ihn aus der Geschäftsführung zu verdrängen. Durch § 1 Abs. 1 Satz 2 des Geschäftsführervertrages sei zudem klargestellt
worden, dass der Kläger, wie jeder andere Geschäftsführer auch, sich an die Weisungen der Gesellschafterversammlung zu halten
gehabt habe. Hieran hätten die Regelungen des § 8 des Gesellschaftsvertrages nichts geändert. § 8 des Gesellschaftsvertrages
ändere auch nichts daran, dass die Gesellschafterversammlung den von der gesellschaftsrechtlichen Bestellung zum Geschäftsführer
zu unterscheidenden Anstellungsvertrag nach dessen Bestimmungen mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Quartalsende habe
kündigen können. Die Übernahme von Bürgschaften sei bei Gesellschaftergeschäftsführern üblich, zumal bei Geschäftsführern
ohnehin nicht entscheidend auf das Tragen eines unternehmerischen Risikos abgestellt werden könne. Im Übrigen begründe die
Stellung einer Sicherheit kein unternehmerisches Risiko. Dass der Kläger schließlich seinen Urlaub mit dem anderen Geschäftsführer
habe abstimmen müssen, ändere nichts an seiner Weisungsgebundenheit insoweit.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.06.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2009 zu verurteilen,
ihm Insolvenzgeld zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen. Unter Berücksichtigung aller Umstände
und der vertraglichen Regelungen sei davon auszugehen, dass der Kläger nicht abhängig, sondern selbständig tätig gewesen sei.
Nach dem Geschäftsführeranstellungsvertrag habe er eine nahezu uneingeschränkte Gestaltungsfreiheit hinsichtlich Inhalt, Ort
und Zeitpunkt seiner Tätigkeit gehabt. Auch sei er allein vertretungsberechtigt gewesen und eine Abberufung als Geschäftsführer
sei nach dem Gesellschaftsvertrag ohne seine Zustimmung nicht möglich gewesen. Zudem habe er ein erhebliches unternehmerisches
Risiko getragen, nicht nur durch seine Beteiligung zu einem Drittel sondern darüber hinaus durch Übernahme einer Bürgschaft
in Höhe von 285.000,- Euro sowie weiterer Sicherheiten in Form der Verpfändungen.
Das SG hat den Kläger in einem Erörterungstermin am 07.07.2011 angehört. Der Kläger hat dabei u.a. ausgeführt, nach der Gründung
der Gesellschaft seien zunächst keine formellen Gesellschafterversammlungen durchgeführt worden. Es sei alles informell geregelt
worden. Erst nachdem bereits die Insolvenz beantragt worden sei, habe eine formelle Gesellschafterversammlung stattgefunden.
In dieser Versammlung hätten die anderen Gesellschafter versucht, ihm zu kündigen. Herr F1 sei kaufmännischer und er technischer
Geschäftsführer gewesen. In kaufmännischen Dingen habe Herr F1 ihm Weisungen erteilt, z.B. dass er zu einem bestimmten Kunden
habe fahren sollen, nicht jedoch in technischen Dingen. In Geschäftsunterlagen habe er tatsächliche keinen Einblick nehmen
können, da das Büro der Firma im Haus des Herrn F1 untergebracht gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das
Terminsprotokoll Bezug genommen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 29.09.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht die Gewährung von Insolvenzgeld an den Kläger abgelehnt, da es an der hierfür
erforderlichen Arbeitnehmereigenschaft des Klägers fehle. Zwar sei der Kläger nur zu einem Drittel am Gesellschaftskapital
beteiligt gewesen und nach dem Gesellschaftsvertrag seien Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst worden. Damit habe der
Kläger grundsätzlich keinen entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen können. Allerdings sei er nach
den Regelungen des Gesellschaftsvertrages als Geschäftsführer nicht ohne seine Zustimmung abzuberufen und aus diesem Grunde
nicht weisungsgebunden gewesen. Aus den Regelungen der §§ 8 und 9 des Gesellschaftsvertrages ergebe sich, dass der Kläger
einzelgeschäftsführungs- und einzelvertretungsberechtigt gewesen sei. Er sei darüber hinaus von den Beschränkungen des §
181 BGB befreit gewesen und seine Geschäftsführungsbefugnis habe nur mit seiner Zustimmung eingeschränkt werden können. Auch ein
Zustimmungsbedürfnis für einzelne Geschäfte habe nur mit seiner Zustimmung beschlossen werden können, genau wie seine Abberufung
als Gesellschafter. Damit habe ihm die Gesellschafterversammlung ohne seine Zustimmung keine Weisungen erteilen können. Zwar
sei im Geschäftsführervertrag vom 11.06.2007 in § 11 eine Kündigungsmöglichkeit eingeräumt gewesen, diese Regelung müsse allerdings
im Zusammenhang mit den gesellschaftsrechtlichen Regelungen gesehen werden. Die Regelung im Gesellschaftsvertrag über die
nur einstimmig mögliche Abberufbarkeit des Geschäftsführers überlagere insoweit die Regelung im Geschäftsführervertrag. Zudem
hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, da er von den Beschränkungen des §
181 BGB befreit gewesen sei, bei einer eventuellen Kündigung des Geschäftsführervertrages durch den anderen Geschäftsführer, umgehend
mit sich selbst für die Gesellschaft einen neuen Geschäftsführervertrag abzuschließen. Auch dadurch sei eine Beendigung des
Geschäftsführervertrages gegen seinen Willen nicht möglich gewesen.
Die tatsächlichen Verhältnisse in der Gesellschaft seien auch nicht entscheidend von den rechtlichen Möglichkeiten abgewichen.
So habe der Kläger sich gegen die Versuche seiner Mitgesellschafter, ihm Weisungen zu erteilen, und eine Abmahnung wegen unzureichender
Arbeitsleistung zur Wehr gesetzt. Er habe auch die Gehaltskürzung durch den Mitgesellschafter F1 und die Kündigung durch die
Mitgesellschafter in der Gesellschafterversammlung am 26.07.2008 nicht akzeptiert. Weiterhin habe er auch versucht, in die
Geschäftsunterlagen Einblick zu nehmen, nachdem ihm der kaufmännische Geschäftsführer F1 keinen Zugang zu den Geschäftsunterlagen
gewährt habe, und habe die Buchhalterin der Gesellschaft aufgefordert, ihm entsprechende Unterlagen auszuhändigen. Dies zeige,
dass er sich gerade nicht von seinen Mitgesellschaftern in seinen Befugnissen habe einschränken lassen, sondern durchaus versucht
habe, seine Rechte als Gesellschafter und Geschäftsführer durchzusetzen. Eine Unterordnung unter die Führung der Geschäfte
durch die beiden anderen Gesellschafter könne darin jedenfalls nicht gesehen werden.
Abgesehen von der fehlenden Weisungsgebundenheit des Klägers spreche auch das erhebliche unternehmerische Risiko, das er durch
Übernahme der Bürgschaft in Höhe von 285.000,- Euro übernommen habe, gegen seine Arbeitnehmereigenschaft. Darüber hinaus sei
auch zu berücksichtigen, dass der Kläger selbst sich als Selbständigen betrachtet habe. Aus diesem Grunde habe er bei der
Beklagten einen Gründungszuschuss beantragt und auch erhalten. Auch seien für ihn keine Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung
abgeführt worden.
Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 13.10.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.11.2011 Berufung eingelegt.
Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und meint darüber hinaus, die in § 8 des Gesellschaftsvertrages getroffenen
Regelungen änderten nichts an der gesetzlichen Kompetenzverteilung innerhalb einer GmbH, wonach die Gesellschafterversammlung
gegenüber den Geschäftsführern weisungsberechtigt sei. Zudem sei die Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 38 Abs. 2 GmbHG nicht ausgeschlossen. Wiederholte Verstöße gegen Weisungen der Gesellschafterversammlung stellten jedoch einen wichtigen
Grund dar. Im Übrigen sei durch § 8 des Gesellschaftsvertrags die Befugnis der Gesellschafterversammlung, einzelne Geschäftsführungsentscheidungen
in konkreten Angelegenheiten entweder negativ-verbietend oder positiv gebietend zu treffen, unberührt geblieben. Beschränkt
worden seien nur die Einführung von Zustimmungserfordernissen und die Aufstellung einer Geschäftsordnung. Auch habe § 8 des
Gesellschaftsvertrages nichts daran geändert, dass der Kläger nicht befugt gewesen sei, irgendwelche Geschäfte vorzunehmen,
denen der mit den gleichen Rechten wie der Kläger ausgestattete Mitgeschäftsführer F1 widersprochen habe. Die Regelungen seien
deshalb für die Handlungsbefugnisse des Klägers bedeutungslos und als reine Vertragslyrik zu bewerten. Wenn das SG weiterhin meine, die Regelung im Gesellschaftsvertrag über die nur einstimmig mögliche Abberufbarkeit des Geschäftsführers
überlagere insoweit die Regelungen im Geschäftsführervertrag, stelle dies nichts anderes als den Versuch dar, das angegriffene
Urteil mit Hilfe von Worthülsen an der Rechtswirklichkeit vorbei zu begründen. Der von der gesellschaftsrechtlichen Bestellung
zum Geschäftsführer zu unterscheidende Geschäftsführeranstellungsvertrag sei nach dessen Regelungen eindeutig jederzeit aufgrund
eines einfachen Mehrheitsbeschlusses der Gesellschafter kündbar gewesen. Dass der Kläger sich selbst als Selbstständigen betrachtet
habe, sei ebenso irrelevant wie die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen. Schließlich sei auch die Befreiung vom
Selbstkontrahierungsverbot des §
181 BGB kein Indiz für die Selbstständigkeit des Klägers, da eine solche Regelung bei einer kleinen GmbH üblich sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.09.2011 abzuändern und ihm unter Aufhebung des Bescheids vom 17.06.2009 und
des Widerspruchsbescheids vom 24.07.2009 für die Zeit vom 18.05.2008 bis zum 17.08.2008 Insolvenzgeld nach Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf die Prozessakte und die beigezogene Verwaltungsakte
sowie die gleichfalls beigezogene Insolvenzgeldakte der Beklagten Bezug. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Der Kläger ist durch den die Gewährung von Insolvenzgeld
ablehnenden Bescheid vom 17.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.07.2009 nicht im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beschwert, denn die Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Insolvenzgeld, weil er nicht Arbeitnehmer
im Sinne von § 183 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch in der hier anwendbaren, bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung
(
SGB III a.F.) ist.
1. Der durch die Insolvenzgeld-Vorschriften nicht geregelte Begriff des Arbeitnehmers ist nach der Rechtsprechung des BSG anhand der Vorschriften über die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung zu konkretisieren (vgl. BSG, Urt. v. 04.07.2007 - B 11a AL 5/06 R -, [...] Rn. 14).
Nach §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB III sind Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige
Beschäftigung) sind. Die Beschäftigung wird in §
7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV), der gemäß §
1 Abs.
1 Satz 1
SGB IV auch für die Arbeitsförderung gilt, gesetzlich definiert. Nach §
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung
sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV). Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Erforderlich ist insbesondere eine Eingliederung
in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes Weisungsrecht des
Arbeitgebers. Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit in erster Linie durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein
einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete
Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche
Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich
relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung"
vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich
vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von
ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich
getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich
gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich
möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam
abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem
Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie
von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung
so wie sie rechtlich zulässig ist.
Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem abhängigen
Beschäftigungsverhältnis steht. Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft ist nicht bereits durch die Stellung des Geschäftsführers
als Gesellschafter ausgeschlossen. Beim am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist der Umfang der Beteiligung
und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenen Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal. Bei Fremdgeschäftsführern,
die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt sind, hat das BSG dementsprechend regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die eine Weisungsgebundenheit
im Einzelfall ausnahmsweise aufheben. Vergleichbares gilt auch bei Geschäftsführern, die zwar zugleich Gesellschafter sind,
jedoch weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte Sperrminorität verfügen. Auch für diesen
Personenkreis ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen, insbesondere dann, wenn der Geschäftsführer
bei seiner Tätigkeit der Kontrolle durch die Gesellschafter unterliegt und diese ihre Gesellschafterrechte tatsächlich ausüben
(vgl. BSG, Urt. v. 06.03.2003 - B 11 AL 25/02 R -, [...] Rn. 18 f.). Eine hiervon abweichende Beurteilung kommt wiederum nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände des
Einzelfalls den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor (vgl. zum gesamten Vorstehenden BSG, Urt. v. 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R -, [...] Rn. 21 ff.; Urt. v. 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R -, [...] Rn. 16 f.; Urt. v. 04.07.2007 - B 11a AL 5/06 R -, [...] Rn. 15 f.; Urt. v. 04.07.2007 - B 11a AL 45/06 R -, [...]
Rn. 15 f., jeweils m.w.N.).
Solche besonderen Umstände hat die Rechtsprechung zum Beispiel dann bejaht, wenn - insbesondere bei Familiengesellschaften
- ein Fremdgeschäftsführer in einer GmbH nach eigenem Willen "schalten und walten" kann, weil er die Gesellschafter persönlich
dominiert oder weil sie wirtschaftlich von ihm abhängig sind (vgl. BSG, Urt. v. 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R -, [...] Rn. 14) oder wenn der Geschäftsführer hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit im wesentlichen
weisungsfrei ist und, wirtschaftlich gesehen, seine Tätigkeit nicht für ein fremdes, sondern für ein eigenes Unternehmen ausübt
(vgl. BSG, Urt. v. 24.09.1992 - 7 RAr 12/92, [...] Rn. 18). Letzteres liegt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung vor, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer ohne
Sperrminorität mit allen anderen Gesellschaftern gleichberechtigt ist und die maßgebliche Entscheidungen im Konsens getroffen
werden müssen oder wenn alle Gesellschafter partnerschaftlich zusammenwirken (vgl. Urt. des Senats vom 04.03.2004 - L 9 AL 150/02 -, [...] Rn. 23; LSG für das Saarland, Urt. v. 26.07.2005 - L 6 AL 27/02 -, [...] Rn. 54 ff.). Weitere, wenngleich nicht zwingende Indizien für eine selbstständige Tätigkeit sind die Übernahme hoher
Bürgschaften (vgl. LSG NRW, Urt. v. 10.12.2009 - L 5 KR 124/09 -, [...] Rn. 64) oder die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot gemäß §
181 BGB (vgl. BSG, Urt. v. 06.03.2003 - B 11 AL 25/01 R -, [...] Rn. 18). Dagegen liegt kein maßgeblicher gesellschaftsrechtlicher Einfluss - und damit in der Regel eine Stellung
als Beschäftigter - vor, wenn der Geschäftsführer-Gesellschafter so wesentliche Entscheidungen wie die Auflösung der Gesellschaft,
die operative Neuausrichtung oder seine eigene Abberufung bzw. Entlassung nicht verhindern kann (vgl. LSG BW, Urt. v. 20.11.2009
- L 4 R 1540/08 -, [...] Rn. 31).
2. Nach diesen Grundsätzen war der Kläger für die Dauer seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bei der D GmbH kein Arbeitnehmer
im Sinne von §
183 Abs.
1 Satz 1
SGB III a.F. Er verfügte zwar nicht über die Mehrheit am Stammkapital der GmbH und ihm war auch keine formelle Sperrminorität eingeräumt,
da nach § 11 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst wurden und deshalb
die beiden anderen Gesellschafter den Kläger überstimmen konnten. Es liegen jedoch besondere Umstände vor, die den Schluss
zulassen, dass der Kläger nicht weisungsgebunden und wirtschaftlich betrachtet für sein eigenes und nicht für ein fremdes
Unternehmen tätig war. Entscheidend ist, dass der notarielle Gesellschaftsvertrag vom 11.06.2007 dem Kläger in mehrfacher
Hinsicht höchstpersönliche und damit nicht übertragbare mitgliedschaftsrechtliche Sonderrechte einräumte, und der Kläger ein
erhebliches unternehmerisches Risiko getragen hat.
a) Zum einen war der Kläger nach § 8 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages zusammen mit dem Gesellschafter F1 kraft Sonderrechts
Geschäftsführer und konnte nur durch Gesellschafterbeschluss abberufen werden, dem alle Gesellschafter zustimmen. Insoweit
handelt es sich um eine gesellschaftsvertragliche Abweichung von dem in § 38 Abs. 1 GmbHG geregelten dispositiven Grundsatz, dass die Bestellung zum Geschäftsführer jederzeit widerruflich ist. Ohne sein Einverständnis
konnte der Kläger seine Stellung als Geschäftsführer damit grundsätzlich nicht verlieren. Durch die Einräumung eines grundsätzlich
nicht einseitig entziehbaren mitgliedschaftsrechtlichen Sonderrechts als Geschäftsführer wird zwar die Abberufung aus wichtigem
Grund, die grundsätzlich durch einfachen Mehrheitsbeschluss umzusetzen ist, nicht ausgeschlossen (vgl. § 38 Abs. 2 GmbHG). Dennoch verfügt ein Gesellschafter-Geschäftsführers kraft Sonderrechts über eine gegenüber einem normalen Geschäftsführer
deutlich herausgehobene und gesichertere Position, zumal in der gesellschaftsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung vertreten
wird, dass die Abberufung aus wichtigem Grund gegen den Willen des Geschäftsführers kraft Sonderrechts nur mit Hilfe des Gerichts
festgestellt werden kann (vgl. Altmeppen, in: ders/Roth, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 38 Rn. 61 m.w.N.) und zudem an Verhältnismäßigkeitsgesichtpunkten zu messen ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.08.2006 - 9 U 171/05 -, [...] Rn. 27). Mit dem Ausschluss der jederzeitigen Widerrufbarkeit der Bestellung zum Geschäftsführer gegen dessen Willen
entfällt ein wesentliches Druckmittel, auf die Willensbildung und das Handeln des Geschäftsführers kraft Sonderrechts Einfluss
zu nehmen.
Aus den Bestimmungen des Geschäftsführervertrages ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nichts anderes. Der Geschäftsführervertrag
enthält zwar in § 11 Abs. 6 insoweit eine Abweichung vom Gesellschaftsvertrag, als die Abberufung des Geschäftsführers jederzeit
zulässig sein sollte. Die Regelung in § 8 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags ist jedoch vorrangig. Entscheidend ist, dass der
notarielle Gesellschaftsvertrag dem Kläger ein mitgliedschaftsrechtliches Sonderrecht als Geschäftsführer eingeräumt hat,
das im Übrigen im Geschäftsführervertrag an keiner Stelle erwähnt wird. Für die Beseitigung dieses Sonderrechts wäre eine
Änderung des Gesellschaftsvertrages notwendig gewesen, welche wiederum gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG der notariellen Form bedurft hätte (vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 14 Rn. 19). Ein einfacher Gesellschafterbeschluss, wie er dem Geschäftsführervertrag zugrunde liegt, genügte auch bei Einverständnis
aller Gesellschafter nicht. Nach § 8 Abs. 2 des Gesellschaftervertrages konnte nur die Abberufung selbst durch einvernehmlichen
Gesellschafterbeschluss erfolgen, nicht jedoch die Aufhebung des Sonderrechts als Geschäftsführer. Die Rechtsstellung des
Klägers aufgrund des Gesellschaftsvertrages ist deshalb durch den Geschäftsführervertrag nicht formwirksam abbedungen worden.
Der Einwand des Klägers, die in § 11 Abs. 3 des Geschäftsführervertrages vorgesehene Befugnis der Gesellschafterversammlung
zur Kündigung des von der organisationsrechtlichen Bestellung zum Geschäftsführer zu unterscheidenden Geschäftsführeranstellungsvertrages
mit einer Frist von 3 Monaten bleibe unberührt, greift nicht durch. Aufgrund des gegenüber der Regelung des § 11 Abs. 6 des
Geschäftsführervertrages vorrangigen mitgliedschaftlichen Sonderrechts als Geschäftsführer wäre der Kläger im Falle einer
ohne seine Zustimmung erfolgten Kündigung des Geschäftsführervertrages weiterhin Geschäftsführer geblieben und hätte weiterhin
für die GmbH handeln können. Er wäre auch nicht infolge der Kündigung des Geschäftsführervertrages seiner Vergütungsansprüche
verlustig gegangen und deshalb faktisch zum Verzicht auf sein mitgliedschaftliches Sonderrecht gezwungen gewesen. Bei einem
Geschäftsführer kraft Sonderrechts bedarf es bereits keines besonderen Dienstvertrages, um ein von der Bestellung zum Geschäftsführer
zu unterscheidendes Anstellungsverhältnis zu begründen. Vielmehr ergibt sich bei Geschäftsführern kraft Sonderrechts bereits
unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag ein Anstellungsverhältnis gesellschaftsrechtlicher Art (vgl. Altmeppen, in: ders/Roth,
GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 6 Rn. 73 i.V.m. 64 ff.). Bei fehlender Vergütungsregelung gilt §
612 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB), d.h. es ist die übliche Vergütung zu zahlen (vgl. Altmeppen, a.a.O., Rn. 91). Ohne formwirksame Beseitigung des gesellschaftsrechtlichen
Sonderrechts blieb das Kündigungsrecht hinsichtlich des Geschäftsführeranstellungsvertrages mithin faktisch wirkungslos.
b) Zum anderen und vor allem waren dem Kläger als weitere mitgliedschaftliche Sonderrechte die Befugnis zur umfassenden Einzelgeschäftsführung
und Einzelvertretungsmacht eingeräumt (§ 8 Abs. 3 und § 9 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages). In Kombination mit der in der
Sache ebenfalls als Sonderrecht eingeräumten Befreiung von dem Verbot der Selbstkontrahierung gemäß §
181 BGB und dem Ausschluss der jederzeitigen Widerrufbarkeit der Geschäftsführerstellung verfügte der Kläger damit über eine Rechtsposition,
aufgrund derer er in der GmbH weitgehend schalten und walten konnte, wie er wollte, oder zumindest hinsichtlich Zeit, Dauer,
Umfang und Ort seiner Tätigkeit im wesentlichen weisungsfrei war.
aa) Die Befugnis zur Einzelgeschäftsführung und die Einräumung von Einzelvertretungsmacht kraft Sonderrechts bedeuten nicht
nur im Gegensatz zu der an sich in § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GmbHG vorgesehenen Gesamtvertretung im Außenverhältnis und - in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift - Gesamtgeschäftsführung
im Innenverhältnis, dass der Kläger unabhängig von dem mit den gleichen Sonderrechten ausgestatteten Geschäftsführer F1 handeln
konnte und dessen Einverständnis für einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen nicht benötigte. Vielmehr ergibt sich aus der ausdrücklichen
Bezeichnung als "umfassende" Einzelgeschäftsführungsbefugnis (vgl. § 8 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages) sowie aus der Struktur
der D GmbH, in der neben dem Kläger und dem weiteren Geschäftsführer F1 nur noch Herr I als weiterer Gesellschafter vorhanden
war, dass der Kläger die Geschäfte auch unabhängig von dem Willen der anderen Gesellschafter führen konnte und wegen seines
Sonderrechts nicht deren Weisungen unterworfen war. Das ausdrücklich eingeräumte Sonderrecht zur umfassenden Einzelgeschäftsführung
wäre unvollkommen gewesen, wenn der Mitgeschäftsführer F1 mit Hilfe des Gesellschafters I auf die Geschäftsführung des Klägers
hätte Einfluss nehmen können und der Kläger in der Sache damit immer die Zustimmung des Gesellschafters I benötigt hätte,
um sich gegen den Geschäftsführer F1 durchzusetzen. Es hätte eine Entwertung der Einzelgeschäftsführungsbefugnis kraft Sonderrechts
bedeutet, wenn der Kläger darauf angewiesen gewesen wäre, sich jeweils Mehrheiten in der Gesellschafterversammlung zu verschaffen.
Bei einer anderen Betrachtungsweise wäre dem Gesellschafter I im Falle eines Konfliktes zwischen den beiden Geschäftsführern
kraft Sonderrechts quasi die Rolle des "Züngleins an der Waage" zugekommen. Eine solch starke Stellung wollten der Kläger
und Herr F1 Herrn I aber offensichtlich nicht einräumen. Im Gegensatz zu den beiden Geschäftsführern kraft Sonderrechts wurde
Herr I übereinstimmend als weisungsabhängiger Arbeitnehmer der D GmbH angestellt und zur Sozialversicherung angemeldet. Ein
irgendwie gearteter Einfluss auf die Geschäftsführung sollte ihm offensichtlich nicht eingeräumt werden.
bb) Darüber hinaus folgt unmittelbar aus § 8 des Gesellschaftsvertrages, dass Beschränkungen der Einzelgeschäftsführungsbefugnis
des Klägers nur mit dessen Einverständnis möglich waren. So sah § 8 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages zwar die Möglichkeit
vor, die Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss an eine Geschäftsordnung zu binden. Eine abweichende Regelung der umfassenden
Einzelgeschäftsführungsbefugnis des Klägers konnte jedoch nur mit seiner Zustimmung erfolgen. Nach § 8 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages
bedurfte es auch zur Einführung eines Zustimmungsvorbehalts zugunsten der Gesellschafterversammlung der Zustimmung des Klägers.
Entgegen der Auffassung des Klägers waren nach § 8 des Gesellschaftsvertrages aufgrund der umfassenden Einzelgeschäftsführungsbefugnis
kraft Sonderrechts auch einzelne Weisungen in Gestalt negativ-verbietender oder positiv-gebietender Geschäftsführungsentscheidungen
der Gesellschafterversammlung ohne Zustimmung des Klägers ausgeschlossen. Es trifft zwar zu, dass der Gesellschaftsvertrag
insoweit keine ausdrückliche Regelung enthielt. Die grundsätzliche Freiheit des Klägers von jeglichen, seine umfassende Einzelgeschäftsführungsbefugnis
einschränkenden Weisungen ergibt sich jedoch aufgrund der (ergänzenden) Auslegung des §
8 des Gesellschaftsvertrages sowie aus §
35 BGB, der im Recht der GmbH entsprechend anwendbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.1988 - II ZR 3/88 -, [...] Rn. 9 m.w.N.). Nach §
35 BGB können Sonderrechte eines Mitglieds nicht ohne dessen Zustimmung durch Beschluss der Mitgliederversammlung beeinträchtigt
werden. Die Annahme einer Einzelweisungsbefugnis durch Mehrheitsbeschluss der Gesellschafterversammlung würde aber eine erhebliche
Beeinträchtigung des Sonderrechts auf umfassende Einzelgeschäftsführung bedeuten. Die ausdrücklich in § 8 Abs. 4 und 5 des
Gesellschaftsvertrages getroffenen Regelungen dienen zudem gerade dem Schutz dieses Sonderrechts. Es würde dem Sinn und Zweck
dieser Regelungen widersprechen, wenn man annähme, einzelne konkrete Geschäftsführungsweisung wären ohne Zustimmung des Klägers
möglich.
Die vom Kläger in der Berufungsbegründung vertretene Auffassung, von seiner Zustimmung seien nur bestimmte Weisungen, nämlich
in Gestalt einer Geschäftsordnung, d.h. in Form von Regelungen über eine unbestimmte Vielzahl von Geschäften, und in Gestalt
eines Zustimmungsvorbehalts, abhängig, würde demgegenüber zu einer Entwertung der umfassenden Einzelgeschäftsführungsbefugnis
kraft Sonderrechts führen. Der Einwand des Klägers geht auch deshalb fehl, weil es sich bei einer Geschäftsordnung um nichts
anderes als eine Weisung in abstrakt-genereller Hinsicht handelt (vgl. Fuhrmann, in: GmbH-Handbuch, Stand: März 2012, Rz.
I 2279). Regelmäßig werden in einer Geschäftsordnung u.a. Informations- und Beteiligungspflichten des Geschäftsführers gegenüber
der Gesellschafterversammlung oder Zustimmungserfordernisse geregelt, um dadurch die Einflussnahme der Gesellschafterversammlung
auf die Geschäftsführung sicherzustellen. Die Regelung des § 8 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages ist vor diesem Hintergrund
dahingehend auszulegen, dass das Weisungsrecht der Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern kraft Sonderrechts in Bezug
auf die ihnen eingeräumte Einzelgeschäftsführungsbefugnis nur in Form einer Geschäftsordnung ausgeübt werden kann, der die
Geschäftsführer kraft Sonderrechts zustimmen müssen. Einzelne Weisungen ohne Zustimmung der Geschäftsführer kraft Sonderrechts
scheiden deshalb aus.
Dies folgt auch daraus, dass einzelne positiv-gebietende oder negativ-verbietende Weisungen die Einzelgeschäftsführungsbefugnis
kraft Sonderrechts des Klägers weitergehend einschränken konnten als eine Informations- und Zustimmungserfordernisse regelnde
abstrakt-generelle Geschäftsordnung. Wenn eine die Einzelgeschäftsführungsbefugnis des Klägers abweichend regelnde Geschäftsordnung
nur mit Zustimmung des Klägers ergehen konnte, musste dies erst recht für beschränkende Einzelweisungen gelten.
Der Verweis des Klägers auf die gesetzliche Kompetenzordnung innerhalb einer GmbH geht ebenfalls fehl. Zwar gehört es nach
§ 45 Nr. 6 GmbHG zu den Aufgaben der Gesellschafterversammlung, die Geschäftsführung zu prüfen und zu überwachen. Insoweit handelt es sich
jedoch um dispositives Recht, das durch den Gesellschaftsvertrag geändert und auch eingeschränkt werden kann, was hier durch
§ 8 des Gesellschaftsvertrags geschehen ist. Zwar dürfen die Gesellschafter den Geschäftsführer nicht ganz von der Überwachung
befreien, zumal sie andernfalls gegenüber den Gesellschaftsgläubigern womöglich schadensersatzpflichtig würden (vgl. zum Ganzen
BSG, Urt. v. 22.08.1973 - 12 RK 24/72 -, [...] Rn. 16 m.w.N.). Die in § 8 des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit, die Geschäftsführer
an eine Geschäftsordnung zu binden und einen Zustimmungsvorbehalt einzuführen, gewährleistet jedoch nach wie vor eine ausreichende
Überwachung des Klägers. Das Zustimmungserfordernis des Klägers zur Einführung dieser abstrakt-generellen Maßnahmen stellt
dies nicht in Frage. Zum einen war eine Zustimmung des Klägers im Hinblick darauf, dass die genannten Maßnahmen seinen Mitgeschäftsführer
F1 gleichermaßen binden würden, nicht von vornherein ausgeschlossen. Zum anderen wäre bei einer Weigerung des Klägers zur
Mitwirkung im Rahmen eines Konsenses die Erreichung des Gesellschaftszwecks insgesamt gefährdet gewesen. Die in diesem Fall
als ultima ratio verbleibende Auflösung der Gesellschaft hätte einem kompromisslosen, unkontrollierten Handeln des Klägers
ein Ende bereitet. In § 3 des Geschäftsführervertrages vom 11.06.2007 ist im Übrigen ein Zustimmungsvorbehalt im Sinne von
§ 8 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages mit Zustimmung aller Gesellschafter für Geschäfte und Maßnahmen, die über den gewöhnlichen
Betrieb des Handelsgewerbes der GmbH hinausgehen, vereinbart worden.
cc) Der Kläger und seine Mitgesellschafter sind im Übrigen auch selbst davon ausgegangen, dass der Kläger nicht weisungsunterworfen
war. Der Kläger selbst hat anlässlich der Beantragung eines Gründungszuschusses angegeben, dass er keinen Weisungen unterliege.
Die beiden Mitgesellschafter des Klägers sind ebenfalls offensichtlich davon ausgegangen, dass sie auch im Zusammenwirken
miteinander keine Weisungsbefugnis gegenüber dem Kläger hatten, obwohl Beschlüsse der Gesellschaft nach § 11 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages
auch außerhalb von förmlichen Gesellschafterversammlungen mündlich gefasste werden konnten. In ihrem Schreiben an den Kläger
vom 28.03.2008 kritisierten sie zwar das Verhalten des Klägers in mehrfacher Hinsicht. Sie erteilten ihm jedoch keinerlei
Anweisungen, sondern appellierten in der Sache an ihn, zu seinem Entschluss, einen Unternehmen mit ihnen beiden zu gründen,
zu stehen. Sie haben damit die Pflichten des Klägers als Mitgesellschafter angesprochen, ihn jedoch nicht wie einen weisungsgebundenen
Angestellten behandelt.
Aus der mit Schreiben vom gleichen Tag erteilten Abmahnung folgt nichts anderes. Insoweit handelt es sich zwar um eine Maßnahme,
die grundsätzlich nur Arbeitnehmern gegenüber vorgenommen wird. Zudem wird der Kläger zur Einhaltung seiner arbeitsvertraglichen
Pflichten allgemein aufgefordert. Dennoch berühmen sich die Mitgesellschafter des Klägers im Abmahnungsschreiben keines Weisungsrechtes,
zumal der Mitgesellschafter I dieses Schreiben nicht unterschrieben hat. Konkrete Geschäftsführungsentscheidungen und -anweisungen
enthält das Abmahnungsschreiben nicht. Der Zweck des Abmahnungsschreibens bestand offensichtlich darin, die Kündigung des
Geschäftsführervertrages vorzubereiten. Dass diese wegen des mitgliedschaftlichen Sonderrechts des Klägers als Geschäftsführer
nicht ohne weiteres möglich bzw. faktisch wirksam gewesen wäre, war dem Mitgeschäftsführer F1 offensichtlich im Zeitpunkt
der Abfassung des Schreibens nicht bewusst, sondern ist ihm und dem Mitgesellschafter I vermutlich erst in der Gesellschafterversammlung
nach dem Insolvenzantrag deutlich geworden, als sie sich mit ihrem Wunsch, den Kläger zu kündigen, nicht durchsetzen konnten.
Unter Berücksichtigung des Ausschlusses der jederzeitigen Widerruflichkeit der Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer
konnte dieser Abmahnung objektiv betrachtet allein die Funktion zukommen, die gemäß § 38 Abs. 2 GmbHG weiterhin mögliche Abberufung aus wichtigem Grund vorzubereiten. Die mit den mitgliedschaftlichen Sonderrechten unvereinbare
Inanspruchnahme einer Weisungsbefugnis kann dem Abmahnungsschreiben jedoch nicht entnommen werden.
dd) Auch die tatsächliche Aufteilung und Ausübung der Kompetenzen innerhalb der Gesellschaft spricht für eine weitgehend weisungsfreie
Stellung des Klägers als einzelgeschäftsführungsbefugter Geschäftsführer kraft Sonderrechts. Der Kläger hat sich selbst bei
der Beantragung des Gründungszuschusses, aber auch im vorliegenden Klageverfahren als "Technischer Leiter" bezeichnet. Nach
den Ausführungen im Schreiben seiner Mitgesellschafter vom 28.03.2008 hat er sich offensichtlich sogar gegenüber dem Gesellschafter
I, der als Angestellter der GmbH bei der Reparatur der Banknotenzählmaschinen mitgewirkt hat, für weisungsbefugt gehalten,
indem er dessen Bitten abgeschlagen, dessen Äußerungen ignoriert oder ihn Maschinen hat reparieren "lassen".
ee) Die Stellung des Klägers als weitgehend weisungsfreier, einzelgeschäftsführungsbefugte Geschäftsführer kraft Sonderrechts
wurde auch nicht dadurch beeinträchtig, dass der Mitgeschäftsführer F1 mit den gleichen Sonderrechten ausgestattet war. Für
eine vorrangige Rechtsstellung des Geschäftsführers F1 fehlen jegliche Anhaltspunkte im Gesellschaftsvertrag. Vielmehr waren
der Kläger und Herr F1 gleichberechtigt. Nach den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war
dies auch gerade das Ziel der Regelungen in den §§ 8 und 9 des Gesellschaftsvertrages. So hat sich der Kläger nach eigenen
Angaben gegen die zunächst vorgesehene herausgehobene Stellung des Gesellschafters F1 gewehrt und durchgesetzt, dass er eine
gleichrangige Stellung erhielt.
Herrn F1 stand auch nach dem Gesellschaftsvertrag kein Widerspruchsrecht gegenüber Geschäftsführungsmaßnahmen des Klägers
zu. Selbst wenn sich ein solches aufgrund der gleichberechtigten Stellung des Herrn F1 in analoger Anwendung von § 115 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) ergeben haben sollte (vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 37 Rn. 30), bliebe die weitgehende Weisungsfreiheit des Klägers aufgrund von § 8 des Gesellschaftsvertrages bestehen. Entgegen
der Auffassung des Klägers handelt es sich im Hinblick auf die gleiche Berechtigung des Geschäftsführers F1 bei den Bestimmungen
der Absätze 4 und 5 des § 8 des Gesellschaftsvertrags gerade nicht um "reine Vertragslyrik". Ein entsprechendes Widerspruchsrecht
hätte nämlich auch dem Kläger in Ansehung von Geschäftsführungsmaßnahmen des Herrn F1 zugestanden. Die Konflikte der gleichberechtigten
Partner hätten dann nach § 8 des Gesellschaftvertrages nur im Konsens gelöst werden können, namentlich durch eine im Einvernehmen
mit den Geschäftsführern erlassenen Geschäftsordnung. Können Entscheidungen unter gleichberechtigten Gesellschaftern nur im
Konsens getroffen werden, spricht dies gerade gegen eine Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit des gleichberechtigten Gesellschafter-Geschäftsführers.
Die persönlich haftenden Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft (OHG), für die § 115 Abs. 1 HGB unmittelbar Anwendung findet, sind im Übrigen in der Regel ebenfalls nicht Arbeitnehmer (vgl. Brand, in: Niesel/Brand,
SGB III, 5. Aufl. 2010, §
25 Rn. 23).
Eine andere Bewertung ergibt sich weder daraus, dass Herr F1 nach den Angaben des Klägers versucht haben soll, diesen aus
der Geschäftsführung zu verdrängen, und ihm wesentliche Unterlagen vorenthalten habe, noch aus der von Herrn F1 mit E-Mail
vom 30.04.2008 angekündigten und auch vorgenommenen Kürzung des Gehalts des Klägers für April 2008. Zum einen hat der Kläger
den genannten Maßnahmen des Herrn F1 unter Verweis auf seine Rechte als Gesellschafter-Geschäftsführer mit den Schreiben vom
23.05.2008 widersprochen. Damit hat der Kläger deutlich gemacht, dass er Übergriffe des Herrn F1 in seine Rechtsstellung nicht
akzeptiert, und gerade keine rechtliche Vorrangstellung des Herrn F1 anerkannt, für die es auch keine Grundlage gäbe. Zum
anderen ist Herr F1, der sein Gehalt ebenfalls gekürzt hat, in seiner E-Mail vom 30.04.2008 offensichtlich davon ausgegangen,
dass er grundsätzlich die Zustimmung des Klägers für die Herabsetzung des Gehalts benötigt, indem er ausgeführt hat, er gehe
davon aus, dass der Kläger in der Herabsetzung des Gehalts ebenfalls eine Rettung des Unternehmens sehe. Eine rechtlich wirksame
Verschiebung der laut Gesellschaftsvertrag gleichberechtigten Kompetenzen des Klägers und des Herrn F1 zu dessen Gunsten ist
jedenfalls nicht ersichtlich.
Selbst wenn sich der Kläger tatsächlich Herrn F1 untergeordnet hätte, würde dies nichts an seiner Rechtsstellung und seiner
fehlenden Arbeitnehmereigenschaft ändern. Die Nichtausübung seiner nicht formwirksam abbedungenen gleichberechtigten Stellung
als umfassend einzelgeschäftsführungsbefugter Geschäftsführer kraft Sonderrechts wäre für die Beurteilung, ob der Kläger selbstständig
oder anhängig beschäftigt war, irrelevant.
ff) Die dem Kläger aufgrund des Gesellschaftsvertrages zustehenden Sonderrechte zur umfassenden Einzelgeschäftsführungs- und
Einzelvertretungsbefugnis wurden schließlich auch nicht durch den Geschäftsführervertrag vom 11.06.2007 tangiert. Wie bereits
oben unter a) ausgeführt, wurden die mitgliedschaftlichen Sonderrechte des Klägers durch den Geschäftsführervertrag nicht
formwirksam abbedungen. Eine andere Beurteilung der Weisungsfreiheit des Klägers ist deshalb auch nicht aufgrund von § 1 Abs.
1 Satz 2 des Geschäftsführervertrages, wonach Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen sind, geboten. Im Übrigen
enthält diese Bestimmung keine Ermächtigung der Gesellschafterversammlung, dem Kläger durch Mehrheitsbeschluss Weisungen zu
erteilen. § 1 Abs. 1 Satz 2 des Geschäftsführervertrages setzt vielmehr eine Weisung in Übereinstimmung mit den Regelungen
des Gesellschaftsvertrages voraus. Wie bereits ausgeführt, ist nach dem Gesellschaftsvertrag eine Einflussnahme auf die Geschäftsführung
des Klägers nur mit dessen Einvernehmen möglich. Aus § 1 Abs. 1 Satz 2 des Geschäftsführervertrages ergibt sich dann, dass
der Kläger verpflichtet ist, eine mit seiner Zustimmung beschlossene Geschäftsführungsmaßnahme auszuführen.
c) Weiterhin spricht die Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft in Höhe von 285.000,- Euro sowie die Verpfändung
von Wertpapieren mit einem Wert von ca. 85.000,- Euro durch den Kläger entscheidend für eine selbstständige Tätigkeit. Der
Kläger hat damit über die Beteiligung am Stammkapital der D GmbH hinaus ein erhebliches unternehmerisches Risiko übernommen,
was für einen Arbeitnehmer untypisch ist. Soweit in der Rechtsprechung vereinzelt die Auffassung vertreten wird, die Übernahme
einer Bürgschaft begründe keine unternehmerische wirtschaftliche Position, weil damit nur ein Interesse am Fortbestehen der
Gesellschaft bestehe, das auch jedem Arbeitnehmer zu eigen sei (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urt. v. 24.02.2010 - L 5 KR 3/09 -, [...] Rn. 29), folgt dem der Senat jedenfalls für die vorliegenden Fallkonstellation nicht. Bemerkenswert ist hier nicht
nur die Höhe der Bürgschaft, sondern auch der Umstand, dass zwar auch der Mitgeschäftsführer F1, nicht aber der Mitgesellschafter
I eine entsprechende Bürgschaft übernommen hat. Vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund erschließt sich auch, warum nur dem
Kläger und Herrn F1 die Sonderrechte in § 8 des Gesellschaftsvertrages eingeräumt wurden. Beide sind durch die Gründung der
GmbH ein erhebliches Risiko eingegangen und durften im Gegenzug die Geschicke der Gesellschaft weitgehend alleine ohne Einflussnahme
des Mitgesellschafters I bestimmen. Dies macht deutlich, dass der Kläger - und im Übrigen auch Herr F1 - als Selbstständiger
für sein eigenes Unternehmen tätig geworden ist und - im Gegensatz zu Herrn I - nicht abhängig Beschäftigter der GmbH war.
d) Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist der Kläger auch nicht deshalb als Arbeitnehmer zu bewerten, weil ihm nach dem
Geschäftsführervertrag ein festes Jahresgehalt, ein zeitlich bestimmter Anspruch auf Urlaub und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall
zugesprochen wurden. Diese Gesichtspunkte treten hinter die unter a) bis c) genannten Gesichtspunkte zurück. Es handelt sich
vielmehr um besondere Vergünstigungen, die der Kläger aufgrund seiner besonderen gesellschaftsrechtlichen Stellung und des
von ihm übernommenen unternehmerischen Risikos für sich durchsetzen konnte. Hierfür spricht auch, dass nach § 7 Abs. 1 Satz
3 des Geschäftsführervertrages eine Herabsetzung des Festgehalts des Klägers nur mit seinem Einvernehmen möglich war. Eine
solche Regelung ist für Arbeitnehmer, denen gegenüber auch eine Änderungskündigung erfolgen kann, untypisch.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG.
4. Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor. Es handelt es sich um die Anwendung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze
auf den konkreten Einzelfall.