Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Insolvenzgeld streitig.
Die am 00.00.1957 geborene Klägerin beendete durch Eigenkündigung ihr Arbeitsverhältnis als Musiklehrerin mit der Stadt E
zum 31.08.2010.
Bereits am 04.09.2009 hatte sie einen "Anstellungsvertrag" mit der U Business Academy GmbH geschlossen. Nach der vertraglichen
Vereinbarung nahm die Klägerin mit Wirkung ab dem 01.09.2009 eine Tätigkeit im Bereich Marketing (Außendienstmitarbeiterin)
mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden auf. Das vertraglich vereinbarte monatliche Grundgehalt betrug
1.834 EUR brutto. Die U Business Academy GmbH sollte gemeinsam mit vier weiteren Gesellschaften in einer in Holding-Struktur
aufgebauten Unternehmensgruppe als Tochtergesellschaft - mit der U Capital Group GmbH als Muttergesellschaft - eingegliedert
werden. Die vier weiteren Tochtergesellschaften sollten die U Capital Management GmbH, die U Absicherungsgesellschaft mbH,
die U Seniorenresidenz GmbH und die U Media Group GmbH bilden. Tatsächlich wurden jedoch nur die U Business Academy GmbH und
die U Capital Management GmbH gegründet und in das Handelsregister bei dem Amtsgericht Bonn eingetragen. Die Finanzierung
beider Schwestergesellschaften erfolgte überwiegend durch sog. Nachrangdarlehen. Auch die Klägerin gewährte der Firma U Capital
Management GmbH bei Tätigkeitsbeginn am 04.09.2009 ein Nachrangdarlehen in Höhe von 20.000 EUR. Im Januar 2010 stockte die
Klägerin das Darlehen um weitere 10.000 EUR auf, wodurch sich ein vertraglich vereinbartes, höheres Bruttogehalt von monatlich
2.751 EUR ergab.
Am 01.10.2010 wurde über das Vermögen der U Business Academy GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet; bereits zuvor wurde das
"Arbeitsverhältnis" der Klägerin betriebsbedingt zum 30.09.2010 gekündigt.
Am 12.10.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld. Sie gab an, sie habe noch Anspruch
auf Arbeitsentgelt für die Monate Juli 2010 bis September 2010. Ihre Tätigkeit bei der U Business Academy GmbH habe in der
Vermarktung der U-Produkte durch mündliche Werbung und der Werbung für das Projekt "Seniorenresidenz" bestanden. Diese Tätigkeit
habe sie hauptberuflich sowohl im Betrieb der U als auch von zuhause zu unregelmäßigen Zeiten - nach Kundenwunsch - ausgeübt.
Mit Bescheid vom 02.03.2011 lehnte die Beklagte die Gewährung von Insolvenzgeld ab, da die Klägerin nicht Arbeitnehmerin im
Sinne der Insolvenzgeldvorschriften gewesen sei.
Zur Begründung ihres hiergegen am 04.04.2011 eingelegten Widerspruchs führte die Klägerin aus, dass sie die Tätigkeit hauptberuflich
sowohl im Unternehmenssitz in B als auch von zuhause sowie in der Gemeinde ausgeübt habe. Es habe sich um unregelmäßige Arbeitszeiten
gehandelt, da die Informationsveranstaltungen, zu denen sie potentielle Interessenten hinbringen sollte, zu unterschiedlichen
Zeiten angesetzt worden seien. Sie hätten jedoch regelmäßig in B stattgefunden. Sie sei gegenüber der Geschäftsführung, insbesondere
Herrn U, Herrn X und Frau F weisungsunterworfen gewesen. Diese hätten in regelmäßigen Abständen konkrete Weisungen bezüglich
der Art und Weise der Produktpräsentation und Werbung erteilt. Sie - die Klägerin - habe regelmäßig über die von ihr durchgeführten
Arbeiten ebenso wie andere Kollegen der Geschäftsführung Rede und Antwort stehen müssen. Sie sei verpflichtet gewesen, wöchentlich
mindestens bei den jeweiligen Informationsveranstaltungen vor Ort in B zu sein und hier konkret dann die Betreuung der Interessenten
zu übernehmen. Zudem habe sie montags in der Zeit von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr ihre Tätigkeit in B verrichten müssen. Da es
sich um eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit gehandelt habe, sei ihr das beantragte Insolvenzgeld zu gewähren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie verblieb bei ihrer Auffassung,
dass die Klägerin nicht als Arbeitnehmerin bei der U Business Academy GmbH eingesetzt gewesen sei. Es habe weder Weisungsgebundenheit
vorgelegen, noch seien die monatlichen Zahlungen als Entlohnung für erbrachte Leistungen zu betrachten. Denn diese Zahlungen
hätten sich ausschließlich nach der Höhe der gestellten Darlehen, und zwar monatlich 9,17 % des geleisteten Darlehensbetrages,
bemessen.
Mit der am 05.09.2011 bei dem Sozialgericht Aachen erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und über ihr
bisheriges Vorbringen hinaus vorgetragen, dass sie von dem Unternehmenskonzept der U überzeugt gewesen sei und sich dafür
begeistert habe. Zusammen mit ihrem Ehemann habe sie sich finanziell stark an dem Unternehmen beteiligt und auch aktiv durch
ihre Arbeitskraft den Aufbau des Unternehmens unterstützen wollen. Ein Zusammenhang zwischen den gewährten Nachrangdarlehen
und der Höhe ihres Arbeitsentgeltes habe nicht bestanden, zumal die Darlehen überwiegend nach Beginn des Arbeitsverhältnisses
gewährt worden seien.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2011 zu verpflichten,
ihr Insolvenzgeld für die Monate Juli 2010 bis September 2010 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, dass sowohl eine Weisungsgebundenheit als auch betriebliche Eingliederung der Klägerin in dem Betrieb
des insolventen Unternehmens gefehlt habe. Die Ermittlungen im Vorverfahren hätten ergeben, dass tatsächlich kein Beschäftigungsverhältnis
ausgeübt worden, sondern lediglich ein schriftlicher Arbeitsvertrag im Gegenzug zur Gewährung eines Nachrangdarlehens vereinbart
worden sei.
Das Sozialgericht hat im Rahmen eines am 21.06.2013 durchgeführten Verhandlungstermins Beweis erhoben durch Vernehmung des
Zeugen E. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen (Bl. 86 ff. der
Gerichtsakte).
Nachdem sich die Beteiligten sodann mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben, hat das
Sozialgericht mit Urteil vom 26.09.2013 die Beklagte unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide verpflichtet, der Klägerin
Insolvenzgeld für die Monate Juli bis September 2010 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung
hat es im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:
Die zulässige Klage sei begründet. Die angegriffenen Bescheide seien rechtswidrig, denn die Klägerin habe einen Anspruch auf
Gewährung von Insolvenzgeld. Gemäß §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB III hätten Anspruch auf Insolvenzgeld Arbeitnehmer, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch
Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Unzweifelhaft habe die Klägerin von der Insolvenzschuldnerin das vertraglich vereinbarte
Entgelt für die Monate Juli 2010 bis September 2010 nicht erhalten. Ferner gehe die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
davon aus, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum auch Arbeitnehmerin im Sinne der Insolvenzgeld-Vorschriften
gewesen sei.
Maßgeblich für die Arbeitnehmereigenschaft sei nach den auch im Insolvenzgeldrecht anwendbaren Vorschriften über die Versicherungspflicht
in der Arbeitslosenversicherung (§
25 SGB III, §
7 SGB IV) und den in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zum Arbeitnehmerbegriff das Vorhandensein einer abhängigen Beschäftigung
gegen Arbeitsentgelt. Anhaltspunkte hierfür seien eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation
des Weisungsgebers. Arbeitnehmer sei hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Erforderlich sei insbesondere
eine Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes
Weisungsrecht des Arbeitgebers.
Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin bei der U Business Academy
GmbH Arbeitnehmerin in diesem Sinne gewesen sei. Hierfür sprächen die Regelungen des Anstellungsvertrages vom 04.09.2009 mit
der Festlegung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, des monatlichen Festgehalts, des Urlaubsanspruchs, der Vereinbarung
einer Probezeit und der Kündigungsfristen sowie die Regelung bei Arbeitsverhinderung. Trotz fehlender Organisationsstruktur
des noch im Aufbaustadium befindlichen Unternehmens seien seitens der Unternehmensführung Vorgaben hinsichtlich der Arbeitsausführung
gemacht worden. So seien die Mitarbeiter im Bereich Marketing seit Anfang des Jahres 2010 zur Führung von Beratungsprotokollen
verpflichtet gewesen. Auch seien schriftliche Urlaubsanträge verpflichtend eingeführt worden. Ferner habe die Klägerin Pflichttermine
am Unternehmenssitz wahrnehmen müssen. Soweit sie darüber hinaus in der Arbeitszeitgestaltung habe frei entscheiden können,
habe ein System der sog. Vertrauensarbeitszeit bestanden, welches einer abhängigen Beschäftigung der Klägerin nicht entgegengestanden
habe. So sei sie verpflichtet gewesen, ihre vertraglich geschuldete Arbeitszeit zu erbringen. Sie habe die genaue Einteilung
den jeweiligen Wünschen und Bedürfnissen der (potentiellen) Kunden anpassen können. Dies habe sie nach ihren glaubhaften Angaben
gewissenhaft und teilweise sogar überobligatorisch erfüllt. Auch die Gewährung von Nachrangdarlehen und damit die eigene Beteiligung
der Klägerin am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens spreche nicht gegen ihre abhängige Beschäftigung. Denn auch bei abhängig
Beschäftigten von Aktiengesellschaften, die Aktien des eigenen Unternehmens hielten, liege eine Beteiligung am wirtschaftlichen
Erfolg des Unternehmens vor. Gleichwohl schließe dies eine Beschäftigung im Sinne der Insolvenzgeld-Vorschriften nicht aus.
Auch gehe die Kammer nicht davon aus, dass der schriftliche Anstellungsvertrag vom 04.09.2009 nur im Gegenzug zur Gewährung
eines Nachrangdarlehens vereinbart und tatsächlich keine Beschäftigung ausgeübt worden sei.
Gegen dieses ihr am 17.10.2013 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 15.11.2013 eingelegten Berufung (urspr.
Az.: L 16 AL 310/13), die sie wie folgt begründet:
Die Klägerin habe in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu der U Business Academy GmbH gestanden und deshalb keinen
Anspruch auf Insolvenzgeld. Das Sozialgericht habe unbeachtet gelassen, dass nach den Ermittlungsergebnissen der Beklagten
in dem Gesamtkomplex der U-Gesellschaften die gewährten Nachrangdarlehen im unmittelbaren Zusammenhang mit dem "Arbeitsvertragsschluss"
gestanden hätten und die monatlichen Zahlungen von der Höhe des selbst erbrachten Darlehens abhängig gewesen seien. Damit
fehle es an einem Zusammenhang zwischen der erbrachten Arbeitsleistung und den monatlichen Zahlungen und somit an einem ein
abhängiges Beschäftigungsverhältnis kennzeichnenden Austauschverhältnis. Auch habe die Aussage des Zeugen E keineswegs die
Weisungsgebundenheit in dem von der Klägerin behaupteten Umfang bestätigt. Der Zeuge habe ausdrücklich über den genauen Ablauf
der Tätigkeit der Klägerin keine Angaben machen können. Auch ergebe sich aus der Aussage insbesondere nicht, dass die Herren
U und X oder Frau F der Klägerin Weisungen erteilt hätten. Insbesondere seien der Teilnahme der Klägerin an freitäglichen
Informationsveranstaltungen sowie ihre Pflicht, montags in der Hauptverwaltung zu erscheinen, um über Neuerungen und sonstige
Aktivitäten unterrichtet zu werden, nicht zu entnehmen, dass bei diesen Veranstaltungen inhaltliche oder organisatorische
Vorgaben gemacht worden seien. Insbesondere sei hieraus eine Weisungsgebundenheit nicht abzuleiten. In diesem Zusammenhang
habe der Zeuge E in dem Parallelverfahren des Ehemanns der Klägerin vor dem Sozialgericht Aachen am 06.12.2012 ausgesagt,
dass auf der Montagsveranstaltung überlegt worden sei, wie das Unternehmen gefördert werden könne; außerdem hätten Andachten
stattgefunden. Es habe seitens der Firma keine Vorgaben gegeben, welche Kunden besucht werden mussten. Hinsichtlich der Pflicht
zur Führung von Beratungsprotokollen habe der Zeuge ebenfalls im o.a. Parallelverfahren ausgesagt, dass diese Protokolle von
den Interessenten gegengezeichnet worden seien, jedoch auf freiwilliger Basis. Dies deute darauf hin, dass die Vorgabe, Beratungsprotokolle
zu führen, jedenfalls nicht konsequent habe nachgehalten werden können. Dass ferner eine Organisationsstruktur gefehlt habe,
in die sich etwaige Arbeitnehmer hätten eingliedern können, lasse sich auch aus dem Umstand schließen, dass laut der Aussage
des Zeugen E die Klägerin wie die übrigen für die U-Gesellschaften Tätigen Krankheits- und Urlaubszeiten hätten melden müssen,
jedoch keine Vertretungsregelung getroffen worden sei. Das vorrangige Interesse eines Arbeitgebers im Dienstleistungssektor
an der Information über Krankheits- und Urlaubszeiten dürfte jedoch darin bestehen, die Kundenbetreuung durchgehend durch
Vertretungsregelungen sicherzustellen. Da dies offenbar gerade nicht geschehen sei, spreche dies dafür, dass die "Mitarbeiter"
eher auf eigenes Risiko tätig geworden seien. Zusammenfassend biete die Aussage des Zeugen E in diesem Verfahren allenfalls
bruchstückhaft Anhalt für die Annahme, es habe eine Betriebsorganisation gegeben, in die die Klägerin sich eingebunden habe,
und für eine Weisungsgebundenheit spreche kaum etwas. Die von der Klägerin mit genauen Zeitangaben behaupteten Abläufe fänden
in der Zeugenaussage keinerlei Stütze.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 26.09.2013 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Sozialgerichts. Sie sei Arbeitnehmerin der U Business Academy GmbH gewesen. Insbesondere hätten
ihr die Herren U, X und Frau F Weisungen erteilt. Ebenso sei der abgeschlossene Arbeitsvertrag richtig gelebt worden, was
von dem Zeugen E auch bestätigt worden sei. Ferner spreche der Zusammenhang zwischen Darlehensgewährung und ihrem Gehalt nicht
gegen ihre Arbeitnehmereigenschaft. Denn maßgeblich sei das Gesamtbild der Tätigkeit und nicht ein einziges Merkmal.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten
Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere statthaft und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
vom 26.09.2013 ist begründet. Das Sozialgericht hat der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage zu Unrecht stattgegeben.
Der Bescheid der Beklagten vom 02.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2011 ist rechtmäßig und verletzt
die Klägerin nicht in ihren Rechten (§
54 Abs.
2 SGG). Sie hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von Insolvenzgeld, weil sie nicht als Arbeitnehmerin i.S.d. §
183 Abs.
1 Satz 1
SGB III (in der bis 31.03.2012 geltenden Fassung, nachfolgend a.F.) tätig gewesen ist.
Wie das Sozialgericht im Ausgangspunkt zutreffend dargestellt hat, ist der durch die Insolvenzgeld-Vorschriften nicht geregelte
Begriff des Arbeitnehmers i.S.d. §
183 Abs.
1 Satz 1
SGB III a.F. anhand der Vorschriften über die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung zu konkretisieren (BSG, Urt. v. 04.07.2007 - B 11a AL 5/06 R -, [...] Rn. 14; Senat, Urt. v. 19.07.2012 - L 9 AL 291/11 -, [...] Rn. 51). Nach §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB III sind Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige
Beschäftigung) sind. Die Beschäftigung wird in §
7 SGB IV, der gemäß §
1 Abs.
1 Satz 1
SGB IV auch für die Arbeitsförderung gilt, gesetzlich definiert. Nach §
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung
sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV). Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Erforderlich ist insbesondere eine Eingliederung
in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes Weisungsrecht des
Arbeitgebers. Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit in erster Linie durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein
einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete
Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche
Merkmale überwiegen (BSG, Urt. v. 04.07.2007 - B 11a AL 5/06 R -, [...] Rn. 15 m.w.N.; Senat, Urt. v. 19.07.2012 - L 9 AL 291/11 -, [...] Rn. 52; s. zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung BVerfG, Kammerbeschluss v. 20.05.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Dabei bestimmt sich das Gesamtbild nach den tatsächlichen Verhältnissen, insbesondere wenn diese
von den formellen vertraglichen Vereinbarungen abweichen (Senat, Urt. v. 19.07.2012 - L 9 AL 291/11 -, [...] Rn. 53).
Auf der Grundlage dieser Maßstäbe überwiegen hier bei weitem die Umstände, die gegen den gesetzlichen Typus einer abhängigen
Beschäftigung der Klägerin sprechen:
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ergibt sich weder aus den Einlassungen der Klägerin, den Aussagen des Zeugen E
im Verhandlungstermin vom 21.06.2013, noch den aktenkundigen Unterlagen, dass die Klägerin hinsichtlich ihrer Außendiensttätigkeit
im Marketing einem für ein Arbeitsverhältnis typischen, umfassenden Weisungsrecht bezüglich Art, Zeit und Ort ihrer Arbeit
unterlag. Reduziert man die Aussage des Zeugen E auf ihren Wesensgehalt, so ergibt sich, dass die Klägerin lediglich verpflichtet
gewesen ist, an Informationsveranstaltungen am Freitag sowie in der Hauptverwaltung der Firma U am Montag zu erscheinen, um
über Neuerungen und sonstige Aktivitäten unterrichtet zu werden. Schon im Hinblick auf diese Veranstaltungen unterliegt es
durchgreifenden Zweifeln, ob hier überhaupt inhaltliche und organisatorische Vorgaben von Seiten der Firma U bzw. der von
der Klägerin benannten Personen U, X und F gemacht worden sind. Hierzu hat der Zeuge im o.a. Termin lediglich ausgesagt, dass
auf den wöchentlichen Treffen montags in der Hauptverwaltung "öffentliche Lob- oder Tadeläußerungen seitens der Geschäftsführung"
nicht stattgefunden hätten. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass der Zeuge E bereits
im Parallelverfahren des Ehemannes der Klägerin vor dem Sozialgericht Aachen am 06.12.2012 zu den sog. Montagsveranstaltungen
ausgesagt habe. Danach sei auf diesen überlegt worden, wie das Unternehmen gefördert werden könne, und es hätten Andachten
stattgefunden; es habe seitens der Firma keine Vorgaben gegeben, welche Kunden besucht werden müssten. Diese Aussage, die
die Klägerin im Rahmen ihrer Berufungserwiderung unwidersprochen gelassen hat, spricht eindeutig gegen die Ausübung eines
auf die konkrete Tätigkeit der Klägerin bezogenen Weisungsrechts. Der Zeuge hat weiterhin ausgeführt, dass von Seiten der
Geschäftsleitung keinerlei Vorgaben gemacht worden seien, wie viele Kunden die mit dem Marketing betrauten Mitarbeiter zu
besuchen oder zu bewerben hatten. Damit war der vertraglich vereinbarte Tätigkeitskern der Klägerin praktisch weisungsfrei.
Der 16. Senat des LSG hat in seinem rechtskräftigen Urteil vom 17.10.2013 - L 16 AL 27/13 -, welches die Arbeitnehmereigenschaft ihres Ehemannes betraf, der ebenfalls im Bereich Marketing als Außendienstmitarbeiter
für die Firma U Business Academy GmbH eingesetzt werden sollte, ausgeführt, dass der verantwortliche Personalreferent, der
von dem Sozialgericht Aachen im dortigen Verfahren vernommene Zeuge C, ausgesagt habe, er habe absolut keinen Überblick über
die Tätigkeit der Marketingleute gehabt. Von ihrem operativen Geschäft sei ihm nichts bekannt gewesen. Der einzige von der
U Business Academy GmbH nachweisbar kontrollierte Organisationsablauf seien die regelmäßigen Informationsveranstaltungen freitags
und montags gewesen. Genau dies ist auch der Kern der Aussagen des Zeugen E im Termin des Sozialgerichts vom 21.06.2013. Daraus
kann nur der Schluss gezogen werden, dass die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und insbesondere deren -inhalte
zu keinem Zeitpunkt kontrolliert oder gar - bei deren Nichteinhaltung - sanktioniert worden ist.
Soweit das Sozialgericht in diesem Zusammenhang von einer "Vertrauensarbeitszeit" spricht, ändert dies nichts an der rechtlichen
Bewertung. Es ist zwar nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Arbeitgeber sein Weisungsrecht zum Zwecke der Einräumung von mehr
Eigenverantwortung für die Arbeitnehmer zurücknimmt. Allerdings würde ein wirtschaftlich denkender Arbeitgeber eine faktische
Rücknahme von Weisungen zum zeitlichen Umfang der Tätigkeit durch eine verstärkte Ergebniskontrolle kompensieren (zutr. LSG
NRW, Urt. v. 17.10.2013 - L 16 AL 27/13 - n.v.). Die Klägerin hat aber zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, dass ihre erzielten Arbeitsergebnisse bei der Vermarktung
der U-Produkte überhaupt einer systematischen Kontrolle durch die U Business Academy GmbH unterlagen. Auch aus den aktenkundigen
Unterlagen ist für eine solche Ergebniskontrolle nichts ersichtlich. Ferner ergibt sich eine Weisungsgebundenheit der Klägerin
auch nicht aus der laut Aussage des Zeugen E seit Januar 2010 bestehenden Verpflichtung, Beratungsprotokolle über Gespräche
mit potentiellen Kunden bzw. Investoren zu führen. Hierzu hat die Beklagte von der Klägerin unwidersprochen ausgeführt, dass
die für eine solche ordnungsgemäße Beratung unerlässliche Gegenzeichnung durch die Interessenten laut Aussage des Zeugen E
im Parallelverfahren des Ehemanns der Klägerin nur auf freiwilliger Basis erfolgt sei. Auch dies wiederum zeigt, dass eine
solche Verpflichtung allenfalls "auf dem Papier" gestanden hat, deren Einhaltung jedoch zu keinem Zeitpunkt kontrolliert worden
ist. Gegenteiliges hat auch die Klägerin nicht behauptet. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass nach den Angaben des
Zeugen E die Beratungsprotokolle zwar in der Hauptverwaltung eingereicht werden mussten, er jedoch nicht sagen konnte, was
mit diesem weiter geschehen ist. Damit kann auch in Ansehung der Beratungsprotokolle nicht davon ausgegangen werden, dass
zumindest eine Ergebniskontrolle der Tätigkeit der im Marketing eingesetzten Klägerin stattgefunden hat.
Neben der fehlenden tatsächlichen Weisungsgebundenheit der Klägerin fehlte es dieser auch an einer Eingliederung in eine betriebliche
Arbeitsorganisation. Zwar ist insoweit zu berücksichtigen, dass sich die "werbenden" Unternehmen der U-Gruppe im Zeitpunkt
der Tätigkeitsaufnahme der Klägerin noch im Aufbau befanden. Dies ändert aber nichts daran, dass zu keinem Zeitpunkt wenigstens
ein Mindestmaß eines verfestigten organisatorischen Rahmens bei der Firma U Business Academy GmbH bezogen auf die im Marketing
tätigen Außendienstmitarbeiter bis zum Insolvenzverfahren erkennbar war. Dass die Firma U etwa personelle oder sächliche Mittel
zur Bewältigung der Arbeitsaufgabe wie zum Beispiel Räumlichkeiten bereitgestellt oder diese zumindest auf ihre Rechnung organisiert
hätte, ist nach den aktenkundigen Unterlagen nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht behauptet worden (vgl. hierzu
auch LSG NRW, Urt. v. 17.10.2013 - L 16 AL 27/13 - n.v.). Die einzige nach Aktenlage erkennbare "Verfestigung" war die stetige Versorgung der "Mitarbeiter" mit Werbe- und
Infomaterial. Dies allein reicht aber ersichtlich nicht aus, betriebliche Strukturen und die Eingliederung der Klägerin in
diese zur Überzeugung des Senats zu bejahen.
Endlich fehlt es in ganz entscheidendem Maße an einer das abhängige Beschäftigungsverhältnis und Arbeitsverhältnis gleichermaßen
typisierenden und charakterisierenden Erbringung einer Arbeitsleistung gegen Zahlung eines Entgelts (§§
611,
612 BGB). Denn die Höhe der "Entlohnung" der Klägerin hat sich nicht maßgeblich nach ihrer (vermeintlichen oder tatsächlichen) Arbeitsleistung
gerichtet, sondern ausweislich der insoweit eindeutigen Unterlagen der Beklagten sowie der Klägerin selbst ausschließlich
nach der Höhe des von ihr gestellten Nachrangdarlehens in Höhe von anfänglich 20.000 EUR, welches sie im unmittelbaren zeitlichen
Zusammenhang mit ihrer Tätigkeitsaufnahme am 04.09.2009 der U Capital Management GmbH gewährt hatte. Im Hinblick auf die geplante
und auch teilweise umgesetzte Holdingstruktur der Unternehmensgruppe ist es auch rechtlich unerheblich, dass dieses Darlehen
nicht dem "Vertragsarbeitgeber", sondern der Schwestergesellschaft gewährt worden ist. Das "Arbeitsentgelt" entsprach auch
stets einem festen Prozentsatz des eingesetzten Kapitals, nämlich exakt 9,17% der Darlehenssumme (20.000 EUR x 9,17% = 1.834
EUR). Gleiches gilt für die Zeit ab Januar 2010, als die Klägerin das Darlehen um weitere 10.000 EUR auf insgesamt 30.000
EUR aufstockte (30.000 EUR x 9,17% = 2.751 EUR). Damit war die "Entlohnung" der Klägerin letztlich von dem Gewinn abhängig,
den die Gesellschaft mit diesen und anderen Darlehen durch Kundenaquise im Marketing und auch Devisengeschäfte angeblich erwirtschaften
wollte. Demzufolge ist die Klägerin sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich, bedenkt man die Folgen eines Nachrangdarlehens
in der Insolvenz (s. §
39 Abs.
2 der
Insolvenzordnung -
InsO), ein erhebliches wirtschaftliches Risiko eingegangen, dessen Verwirklichung vom Geschäftserfolg der U Business Academy GmbH
und ihrer Schwestergesellschaft U Capital Management GmbH und dabei wesentlich von den beabsichtigten Devisengeschäften abhing
(so auch LSG NRW, Urt. v. 17.10.2013 - L 16 AL 27/13 - n.v.). Dabei hatte die U Business Academy GmbH an der Tätigkeit der Klägerin nur insoweit Interesse, als sie mit der beabsichtigten
Gewinnung neuer Kunden und den hierbei erhofften Gewinnen jenes "Schneeballsystem" mit aufrecht erhalten sollte, dessen Funktionieren
von der stetigen Zufuhr frischen Kapitals abhing. Damit glich die Rechtsstellung der Klägerin eher derjenigen eines beschränkt
haftenden Gesellschafters, der auf eigenes Risiko wirtschaftet, als derjenigen eines abhängig beschäftigten Arbeitnehmers
(ebenso LSG NRW, Urt. v. 17.10.2013 - L 16 AL 27/13 - n.v.). Soweit das Sozialgericht die Klägerin hingegen mit abhängig Beschäftigten von Aktiengesellschaften wertungsmäßig
gleichsetzen will, die Aktien des eigenen Unternehmens halten und auch dort eine Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg des
Unternehmens vorliegt, überzeugt dies nicht. Denn der entscheidende Unterschied besteht bei solchen Beschäftigten gerade darin,
dass sie ein "normales" regelmäßiges Grundgehalt beziehen und der in Aktien verkörperten Unternehmensbeteiligung mit einer
Gewinnpartizipation lediglich eine untergeordnete Bedeutung zukommt (soweit es nicht um "Spitzenmanager" geht). Schon gar
nicht finanzieren diese Beschäftigten ihr vertragliches Gehalt ausschließlich durch (Nachrang-)Darlehen zu Gunsten der Aktiengesellschaft.
Nach alledem vermag sich die Klägerin auch nicht auf den formellen Arbeitsvertrag mit der U Business Academy GmbH zu berufen,
weil dieser nach Maßgabe der vorangegangenen Ausführungen zu keinem Zeitpunkt tatsächlich umgesetzt wurde, was seine Indizwirkung
für eine abhängige Beschäftigung entkräftet (vgl. BSG, Urt. v. 29.01.1981 - 12 RK 63/79 - SozR 2400 § 2 Nr. 16).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG) bestehen nicht.