Aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im sozialgerichtlichen Verfahren gegen einen nach einem Betriebsprüfungsverfahren
erlassenen Beitragsbescheid
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Feststellung, hilfsweise die Herstellung, der aufschiebenden
Wirkung seiner Anfechtungsklage.
Nach einer bei dem Antragsteller durchgeführten Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch - (
SGB IV) stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 13.11.2012 fest, die sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellung nach
§
7 Abs.
1 SGB IV habe ergeben, dass der Waldfacharbeiter J (J.T.) im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig geworden sei.
Es habe sich nicht um eine selbstständige Tätigkeit gehandelt. Für den Prüfzeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2010 ergebe
sich für den Antragsteller die Verpflichtung, Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagebeiträge
nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs bzw. des Aufwendungsausgleichsgesetzes in Höhe von EUR 48.639,42 nachzuzahlen.
Den Widerspruch des Antragstellers wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2013 zurück.
Zuvor hatte sie den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 13.11.2012 abgelehnt (Mitteilung vom 04.03.2013).
Der Antragsteller hat bei dem Sozialgericht Koblenz am 13.08.2013 Klage erhoben und außerdem beantragt,
festzustellen, dass die Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 31.07.2013 aufschiebende Wirkung hat,
hilfsweise,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Der Antragsteller hat geltend gemacht, §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV bestimme, dass Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliege, aufschiebende Wirkung hätten.
Diese Vorschrift gelte nicht nur für Statusverfahren nach §
7a Abs.
1 SGB IV, sondern auch für andere Verwaltungsentscheidungen, die eine Statusentscheidung beinhalteten. §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV sei gegenüber §
86a Abs.
2 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) lex specialis.
Die Antragsgegnerin hat die
Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
beantragt, weil sie §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV nicht für Verwaltungsentscheidungen, die im Rahmen des § 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV erlassen worden seien, für anwendbar hält.
Das Sozialgericht Koblenz hat durch Beschluss vom 22.08.2013 festgestellt, dass die Klage des Antragstellers vom 13.08.2013
gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13.11.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2013 aufschiebende
Wirkung hat. Das Sozialgericht hat ausgeführt, der Feststellungsantrag sei zulässig. Bei Zweifeln am Vorliegen der aufschiebenden
Wirkung einer Anfechtungsklage sei das Rechtsschutzbedürfnis an einer gerichtlichen Klärung zu bejahen, wenn die Behörde nicht
von einer aufschiebenden Wirkung ausgehe. Der Antrag sei auch begründet, weil die Klage aufschiebende Wirkung habe. Nach §
86a Abs.
1 Satz 1
SGG komme Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung zu. Die aufschiebende Wirkung entfalle nach §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG unter anderem bei einer Entscheidung über die Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen,
Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Der angefochtene Bescheid enthalte
zwar eine Beitragsnacherhebung. Er stelle allerdings als Voraussetzung hierfür den Status des Mitarbeiters J.K. als versicherungspflichtig
Beschäftigter fest. Deshalb komme der von dem Antragsteller erhobenen Anfechtungsklage hinsichtlich der statusrechtlichen
Entscheidung grundsätzlich aufschiebende Wirkung zu. Dieser vorläufige Rechtsschutz könne nicht dadurch entfallen, dass von
der Antragsgegnerin zusätzlich Beiträge nachgefordert worden seien. §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV sei gegenüber §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG lex specialis. Nach der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift gelte sie nicht nur für Statusentscheidungen der Deutschen
Rentenversicherung Bund (DRV-Bund), sondern auch für Statusentscheidungen der übrigen Sozialversicherungsträger außerhalb
des Anfrageverfahrens nach §
7a SGB IV. Der von der Antragsgegnerin zitierten Rechtsprechung, wonach im Rahmen einer teleologischen Reduzierung der Norm gegen den
bekannten Willen des Gesetzgebers die Vorschrift des §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV bei Entscheidungen im Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV nicht anwendbar sei, schließe sich das Gericht nicht an.
Gegen den ihr am 29.08.2013 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 12.09.2013 Beschwerde eingelegt.
Die Antragsgegnerin trägt vor, sie sehe sich durch eine große Anzahl von Landessozialgerichtsentscheidungen in ihrer Auffassung
bestätigt, dass §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV auf Betriebsprüfungsbescheide nicht anwendbar sei. In diesem Sinne habe sich auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 10.Auflage §
86a, Rdz. 13 b in Änderung seiner zuvor vertretenen Auffassung in der 9. Auflage geäußert. Bereits die systematische Auslegung
verbiete es, die Vorschrift auf Entscheidungen außerhalb des Anfrageverfahren nach §
7a Abs.
1 Satz 1
SGB IV anzuwenden.
Absatz
7 sei als weiterer Absatz dem §
7a SGB IV zugefügt worden und betreffe nach seiner systematischen Stellung somit ausschließlich Entscheidungen im Rahmen des Anfrageverfahrens.
Wäre es Wille des Gesetzgebers gewesen der Vorschrift einen weiteren Anwendungsbereich zu geben, hätte er eine passendere
Stelle im Gesetz wählen können, beispielsweise bei §
86a SGG, der die aufschiebende Wirkung schwerpunktmäßig behandele. Außerdem sei in Kenntnis der bereits existierenden Vorschrift
des §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV durch den Gesetzgeber die Vorschrift des §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG durch das Sechste
Sozialgerichtsgesetz-Änderungsgesetz vom 17.08.2001 mit Wirkung vom 02.01.2002 eingeführt worden. Diese historische Reihenfolge könne nur so verstanden
werden, dass der Gesetzgeber die sich aus Gesetzeswortlaut und Systematik ergebende enge Auslegung des §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV habe bestätigen wollen. Sinn und Zweck des §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV spreche ebenfalls für eine enge Auslegung des Anwendungsbereichs. Das Anfrageverfahren im Sinne der Vorschrift finde im Gegensatz
zu einem Betriebsprüfungsverfahren in der Regel zu Beginn einer Tätigkeit statt und werde aufgrund einer Initiative des Antragstellers
eingeleitet. Dies rechtfertige es, nur im Anfrageverfahren von einem gutgläubigen Arbeitgeber auszugehen. Dieser gute Glaube
sei nicht mehr zu bejahen, sodass die Vorteile des Anfrageverfahrens nicht mehr zu gewähren seien, wenn bereits die Einzugsstelle
oder ein anderer Versicherungsträger ein Verfahren zur Feststellung des Status eingeleitet habe (§
7a Abs.
1 Satz 1, letzter Halbsatz,
SGB IV). Nur der gute Glaube des Arbeitgebers, der eigeninitiativ die Statusklärung auf den Weg bringe, solle nach dem Willen des
Gesetzgebers durch die Vorteile des Anfrageverfahrens geschützt werden (BT-Drucksache 14/1855 Seite 6). Bescheide nach Betriebsprüfungen
träfen regelmäßig Entscheidungen über den Beitragstatbestand als Ganzes. Dies solle nach dem Willen des Gesetzgebers zur sofortigen
Vollziehbarkeit einer Verwaltungsentscheidung nach §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG führen, um die Funktionsfähigkeit der Leistungsträger der Sozialversicherung zu gewährleisten. Soweit sich das Sozialgericht
auf den Willen des Gesetzgebers berufe (BT-Drucksache 14/1855 Seite 8), lasse sich der zitierten Passage nicht entnehmen,
dass die Vorschrift auch für Prüfbescheide gelten solle. Nach dem Wortlaut der Gesetzesbegründung solle sich §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV allenfalls auf reine Statusentscheidungen der übrigen Sozialversicherungsträger außerhalb des Anfrageverfahrens erstrecken.
Dem hilfsweise gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG könne nicht entsprochen werden. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes seien nicht ersichtlich
oder dargelegt worden. Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für den Antragsteller
durch die Vollziehung des Prüfbescheides sei ebenfalls nicht ersichtlich oder nachgewiesen worden. Die hierzu von dem Antragsteller
vorgelegten Unterlagen reichten für die Annahme einer unbilligen Härte nicht aus.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 22.08.2013 aufzuheben und den Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung
der Klage des Antragstellers und den
hilfsweise
gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen,
hilfsweise,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 13.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2013
anzuordnen.
Der Antragsteller trägt in Ergänzung seines bisherigen Vorbringens vor, dass §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV lex specialis zu §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG sei. Der vorläufige Rechtsschutz entfalle nicht dadurch, dass über die Statusfeststellung hinaus auch Beiträge nachgefordert
worden seien. Der Beschluss des Sozialgerichts stehe zudem mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz
(Beschluss vom 21.09.2009, L 4 R 196/09 B ER) in Einklang. Hilfsweise werde geltend gemacht, dass die aufschiebende Wirkung gemäß §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG anzuordnen sei. Eine Entscheidung habe anhand einer Interessenabwägung zu erfolgen. Diese könne im Einzelfall auch zugunsten
eines Betroffenen ausgehen, obwohl grundsätzlich dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung durch das Gesetz
der Vorrang eingeräumt sei. Demgemäß habe eine Aussetzung der Vollziehung zu erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
der angegriffenen Verwaltungsentscheidung bestünden. Insoweit ergebe die summarische Prüfung, dass der angefochtene Bescheid
in materieller und formeller Hinsicht absolut unkorrekt sei und sich lediglich in Mutmaßungen erschöpfe. Die Aussetzung der
Vollziehung habe auch dann zu erfolgen, wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende
öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Insoweit ergebe sich aus den von ihm vorgelegten Unterlagen eine existentielle
Gefährdung seines Betriebes im Falle einer sofortigen Vollziehung. Eine solche würde zumindest einen schweren wirtschaftlichen
Schaden anrichten, was ebenfalls durch die eingereichten Unterlagen belegt sei.
II.
Die gemäß §§
172 ff.
SGG zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass die von dem
Antragsteller erhobene Klage gegen den Bescheid vom 13.11.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2013 aufschiebende
Wirkung hat.
Nach §
86a Abs.
1 Satz 1
SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten
sowie bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung (Satz 2). Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen-, Umlagen und
sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Ist zwischen den Beteiligten streitig,
ob aufgrund einer Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung eingetreten ist oder nicht, ist auf einen Antrag eines Beteiligten
eine Feststellung durch Beschluss des Gerichts gemäß §
86b Abs.
4 SGG zu treffen. Der einstweilige Rechtsschutz ist in §
86b Abs.
1 SGG geregelt, wenn der Widerspruch sich gegen einen belastenden Verwaltungsakt richtet oder hiergegen Anfechtungsklage erhoben
oder beabsichtigt und noch zulässig ist. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß §
86b Abs.
2 SGG besteht regelmäßig kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn mit der Aufhebung der belastenden Maßnahme in der angefochtenen Verwaltungsentscheidung
dem Begehren des Betroffenen Rechnung getragen werden kann. Ist, wie im vorliegenden Fall, dem Begehren des Antragsstellers
mit einer Anfechtungsklage Rechnung zu tragen, ist einstweiliger Rechtschutz nach §
86b Abs.
1 SGG zu gewähren. Dem Antrag auf Feststellung, ob einem Widerspruch oder einer Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung zukommt,
kann das Rechtschutzinteresse nicht versagt werden, wenn entweder mit einer entsprechenden Feststellung dem vorläufigen Rechtschutzbegehren
des Antragstellers bereits entsprochen oder zumindest mit der Ablehnung der beantragten Feststellung der weitere Weg zur Erlangung
vorläufigen Rechtschutzes im Rahmen des §
86b Abs.
1 SGG aufgezeigt wird.
Nach §
86a Abs.
1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung, was auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten
gilt. Die aufschiebende Wirkung entfällt nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags-
und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf
entfallenden Nebenkosten.
§
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV ordnet an, dass Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt, aufschiebende Wirkung haben.
Nach §
7a Abs.
1 Satz 1
SGB IV können die Beteiligten eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder
ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung
eingeleitet. Über den Antrag entscheidet gemäß §
7a Abs.
1 Satz 3
SGB IV abweichend von §
28h Abs.
2 SGB IV die DRV-Bund. §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV greift die Formulierung - eine Beschäftigung vorliegt - des Absatzes 1 auf und gibt in der Verwendung des Plurals - Entscheidungen
- einen Hinweis darauf, dass sämtliche im Absatz 1 erwähnten Entscheidungen von der Rechtswirkung des Absatzes 7 erfasst sind.
Die Formulierung selbst enthält jedenfalls keine Einschränkung, dass nur einem Widerspruch oder einer Klage gegen die Entscheidung
der DRV-Bund gemäß §
7a Abs.
1 Satz 3
SGB IV aufschiebende Wirkung zukommt. An einer Bezugnahme auf die letztgenannte Regelung fehlt es ebenso wie an einer Formulierung,
die eindeutig nur die Entscheidung der DRV-Bund als diejenige bezeichnet, deren Vollziehung durch Widerspruch und Anfechtungsklage
gehemmt wird. Der Auffassung der Antragsgegnerin, bereits die systematische Auslegung verbiete es, §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV auf Entscheidungen außerhalb des Anfrageverfahrens nach §
7a Abs.
1 Satz 1
SGB IV anzuwenden, kann deshalb nicht gefolgt werden. Der Hinweis, dass der Gesetzgeber eine systematisch passendere Stelle im Gesetz
hätte wählen können, wenn er der Regelung einen weiteren Anwendungsbereich hätte zuordnen wollen, so zum Beispiel die Regelung
in §
86a SGG hätte einfügen können, verkennt, dass die den einstweiligen Rechtschutz regelnden §§ 86a, 86b
SGG erst mit Wirkung vom 02.01.2002 durch das Sechste
SGG-Änderungsgesetz vom 17.08.2001 (Bundesgesetzblatt I, Seite 2144) in das
Sozialgerichtsgesetz eingefügt worden sind. Angesichts dieses zeitlichen Ablaufs kann der Begründung und der Auffassung der Antragsgegnerin nicht
gefolgt werden. Der Umstand, dass §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV mit der das Anfrageverfahren regelnden Vorschrift des §
7a durch das Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20.12.1999 (Bundesgesetzblatt I, Seite 2000) mit Wirkung ab dem 01.01.1999 in das
SGB IV eingefügt worden ist, könnte zwar darauf hindeuten, dass die Anwendung der Regelung auf den von der DRV-Bund zu bearbeitenden
Antrag nach §
7a Abs.
1 Satz 1, erster Teilsatz,
SGB IV und die von ihr zu treffende Entscheidung zu beschränken ist. Eine sich aus der systematischen Stellung der Regelung ergebenden
Folgerung einer insoweit eingeschränkten Anwendung des §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV wäre die Schlüssigkeit dann schwerlich abzusprechen, wenn der Inhalt der Vorschrift sich auf die von der DRV-Bund zu treffende
Entscheidung beschränkte. Dies ist allerdings nicht der Fall. §
7a Abs.
1 Satz 1
SGB IV regelt die Zulässigkeit eines Antrags eines Beteiligten auf Entscheidung darüber, ob eine Beschäftigung vorliegt. Sie ist
davon abhängig, dass die Einzugsstelle (Krankenkasse) oder ein anderer Versicherungsträger (Rentenversicherungsträger) im
Zeitpunkt der Antragstellung noch kein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet hat. Nur wenn kein Verfahren
eingeleitet worden ist, entscheidet die DRV-Bund über den dann zulässigen Antrag gemäß §
7a Abs.
1 Satz 3
SGB IV abweichend von §
28h Abs.
2 SGB IV anstelle der Einzugsstelle darüber, ob eine Beschäftigung vorliegt. Über die nicht nur die DRV-Bund betreffenden Verfahrensregelungen
hinaus trifft §
7a Abs.
1 SGB IV somit weitere Regelungen. Einerseits bestimmt die Vorschrift in Satz 1, dass die bereits eingeleiteten Verfahren der Einzugsstellen
oder anderer Versicherungsträger zur Feststellung einer Beschäftigung dem ebenfalls der Feststellung einer Beschäftigung dienenden
Verfahren der DRV-Bund vorgehen. Andererseits bestimmt die Vorschrift, dass die von den Einzugsstellen gem. §
28h Abs.
2 SGB IV durchzuführenden Verfahren und zu treffenden Entscheidungen über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der gesetzlichen
Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung solche über eine Beschäftigung im Sinne
der Vorschrift sind, was in §
7a Abs.
1 Satz 3
SGB IV bekräftigt wird. Entsprechendes gilt für die von den anderen Versicherungsträgern, den Rentenversicherungsträgern, durchzuführende
Prüfung bei den Arbeitgebern und die von diesen gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV zu treffenden Entscheidungen über die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie
nach dem Recht der Arbeitsförderung. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist das gemäß §
7a SGB IV eingeführte "Anfrageverfahren" ebenso wie die in dieser Vorschrift ebenfalls genannten Verfahren der Einzugsstellen und anderer
Versicherungsträger (Rentenversicherungsträger) auf die Feststellung des Status gerichtet und somit auf die Feststellung der
Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie dem Recht der Arbeitsförderung. Das von der DRV-Bund
durchzuführende Verfahren und die von ihr zu treffende Entscheidung geht ebenso wie das von den Einzugsstellen und den Rentenversicherungsträgern
durchzuführende Verfahren und deren Entscheidungen über die isolierte Feststellung des (Nicht-)Vorliegens einer Beschäftigung
hinaus. Die Verfahren sind gleichwertig (Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 04.06.2009, B 12 R 6/08 R und Urteil vom 11.03.2009, B 12 R 11/07 R). Angesichts der sich aus §
7a Abs.
1 SGB IV ergebenden Gleichwertigkeit der Verfahren und mangels einer in Abs. 7 der Vorschrift aufgezeigten Differenzierung ist daher
davon auszugehen, dass nicht nur Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Entscheidungen der DRV-Bund gem. §
7a Abs.
1 Satz 3
SGB IV aufschiebende Wirkung haben. Vielmehr kommt auch den Rechtsbehelfen gegen Entscheidungen der Einzugsstellen gemäß §
28h Abs.
2 SGB IV und Entscheidungen der Rentenversicherungsträger gemäß § 28p Abs.
1 Satz 5
SGB IV aufschiebende Wirkung zu, sofern zugleich über das Vorliegen einer Beschäftigung befunden wird. Insoweit schränkt §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV die Vorschrift des §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG ein und lässt sie im Übrigen unberührt. Dies hat zur Folge, dass die aufschiebende Wirkung dann entfällt, wenn eine Entscheidung
über Versicherungs- und Beitragspflicht angefochten wird, die nicht auch über das Vorliegen einer Beschäftigung befindet.
§
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV im aufgezeigten Umfang auch auf Verwaltungsakte der Einzugsstellen und Rentenversicherungsträger anzuwenden führt damit nicht
zu dem Ergebnis, dass für §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG kein Anwendungsbereich mehr verbliebe.
Mit der aufschiebenden Wirkung dürfen aus dem angefochtenen Verwaltungsakt keine Vollstreckungsmaßnahmen erfolgen. Es dürfen
aber auch keine weiteren Folgen aus dem Verwaltungsakt abgeleitet oder hierauf gegründet werden. Die aufschiebende Wirkung
ist Ausprägung der Garantie des effektiven Rechtschutzes, der durch Artikel
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG) gewährleistet wird und damit ein fundamentaler Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Verfahrens ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 10.Auflage §
86a, Rdz. 4). Mit der aufschiebenden Wirkung wird verhindert, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden, ohne dass zuvor die
Gerichte die Rechtmäßigkeit des hoheitlichen Eingriffs geprüft haben. Die aufgezeigte Gleichwertigkeit der Statusentscheidungen
der DRV-Bund, der Einzugsstellen und der Rentenversicherungsträger einerseits und das Gebot des effektiven Rechtschutzes andererseits
gebieten es, die in §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV bestimmte aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage auf sämtliche von §
7a Abs.
1 SGB IV erfasste Verfahren zu erstrecken. Die Regelung kann nicht dadurch unterlaufen werden, indem der angefochtene Verwaltungsakt
mehrere Regelungen enthält und sowohl über die Versicherungspflicht im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer Beschäftigung
entscheidet und hierauf gründend über die Pflicht zur Tragung von Beiträgen und Umlagen eine weitere Entscheidung trifft.
Dem von der Antragsgegnerin aufgezeigten Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit der Verwaltung wird insoweit Rechnung getragen,
als die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG dann entfällt, wenn bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten nicht auch über das Vorliegen
einer Beschäftigung entschieden wird. Der Auffassung der Antragsgegnerin, für eine enge Auslegung des Anwendungsbereichs spreche
Sinn und Zweck des §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV, wonach nur der gutgläubige Arbeitgeber, der eigeninitiativ die Statusklärung auf den Weg bringe, durch die Vorteile des
Anfrageverfahrens geschützt werden solle, folgt der Senat nicht. Für die von der Antragsgegnerin vertretene Auffassung findet
sich im Gesetzeswortlaut kein Niederschlag, auch nicht in der von ihr zitierten Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 14/1855
Seite 6). Dort wird lediglich von der Stärkung der Position eines gutgläubigen Arbeitgebers gesprochen. Nicht zu erkennen
ist, dass die Vorteile einer aufschiebenden Wirkung sich nur auf diejenigen erstrecken soll, die sich des Anfrageverfahrens
bedienen. Dass der Gesetzgeber von der Existenz "gutgläubiger Arbeitgeber" auch außerhalb des Anfrageverfahrens ausgeht, ergibt
sich im Übrigen aus der Vorschrift des §
25 Abs.
1 SGB IV, der die Verjährungsfrist für den "gutgläubigen Arbeitgeber" auf vier Jahre beschränkt.
Abschließend ist festzustellen, dass die von dem Antragsteller erhobene Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung hat. Die Beschwerde
der Antragsgegnerin ist zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §
197a Abs.
1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 und 3, 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und dem Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit (Stand 01.04.2009) und berücksichtigt, dass in Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes nach §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache als Streitwert anzusetzen ist.
Gegen diese Entscheidung ist eine Beschwerde zum Bundessozialgericht nicht statthaft (§
177 SGG).