Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Übernahme der Kosten der Wahrnehmung des Umgangsrechtes mit dem getrennt lebenden Kind im
Ausland
Gründe:
I. Der Antragsteller begehrt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für eine Reise
in die U zu übernehmen.
Der 1965 geborene Antragsteller ist der Vater des am 2004 geborenen C C . Die Ehe des Antragstellers mit der Mutter D C wurde
2005 geschieden. Das Sorgerecht für den Sohn wurde zunächst der Mutter zugesprochen; durch Beschluss vom 09.09.2011 übertrug
das Amtsgericht P den Eltern die Sorge wieder gemeinsam (26 F 7351/09). Die Mutter zog 2007 mit dem Kind nach B und im Jahr 2009 in die U, wo sie zunächst in L in K lebte. Nunmehr hält sie sich
mit ihrem Sohn in T, A, auf.
Durch Beschluss vom 09.09.2011 billigte das Amtsgericht P gemäß § 156 Abs. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) die Einigung der Eltern über den Umgang des Antragstellers mit dem Kind in der Zeit dessen U -Aufenthaltes (26 F 5845/09). Darin wurde ua. vereinbart, dass der Antragsteller anlässlich von Besuchsreisen in jedem Quartal des Jahres an sieben Tagen
(unter bestimmten näher geregelten Bedingungen) unbegleiteten Umgang mit dem Kind haben darf. Ferner ist der Antragsteller
danach berechtigt und verpflichtet, den Sohn jeden Mittwoch über den Bildtelefondienst Skype anzurufen, wobei er mindestens
10 Minuten mit diesem allein kommunizieren kann.
Der Antragsteller ist seit 2007 mit der 1982 geborenen Z M verheiratet. Er lebt mit ihr und drei aus der Ehe hervorgegangenen
Kindern zusammen; die älteren Kinder sind 2007 und 2009 und das jüngste am 25.11.2011 geboren. Der Antragsteller war in der
Vergangenheit als Handelsvertreter selbstständig tätig, wobei die Gewinne zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht ausreichten.
Seit Februar 2012 nimmt er Elternzeit in Anspruch und erhält Elterngeld von vorläufig 501,24 € im Monat. Z M geht zur Zeit
keiner Tätigkeit nach. Der Antragsgegner gewährt der Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Nachdem die Kreisverwaltung M als Sozialhilfeträger es mehrfach abgelehnt hatte, dem Antragsteller die Kosten für die Ausübung
des Umgangsrechts mit seinem Sohn in K zu erstatten, wurde der Antragsgegner durch Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz
(LSG) vom 24.11.2010, L 1 SO 133/10 B ER, verpflichtet, für die Zeit bis zum 24.05.2011 vorläufig zweimal die notwendigen
Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts für einen jeweils fünftägigen Aufenthalt in L zu übernehmen. Es handele sich um einen
unabweisbaren, laufenden Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II. Für einen Hin- und Rückflug nach L A seien etwa 590,00 Euro aufzubringen; die Kosten für die Unterbringung würden sich pro
Übernachtung in einem Bereich von 38,00 bis 50,00 Euro bewegen. Solche Kosten würde ein verständiger Umgangsberechtigter ohne
Bezug von Grundsicherungsleistungen allenfalls viermal im Jahr aufwenden, solange keine besonderen Anhaltspunkte bestünden,
dass eine für das betroffene Kind nachteilige Entwicklung vorliege. Angesichts der regelmäßigen telefonischen Kontakte des
Antragstellers mit dem Kind seien die Termine ausreichend.
Für eine U -Reise im Januar 2012 wurden dem Antragsteller vom Antragsgegner Leistungen von insgesamt 1.044,42 € gewährt (970,79
€ laut Bescheid vom 29.12.2011 und auf Grund des im vorläufigen Rechtsschutzverfahrens S 6 AS 1566/11 ER vor dem Sozialgericht Koblenz -SG- geschlossenen Vergleiches vom 01.02.2012 zusätzlich 9,93 € sowie weitere 12,74 € pro Nacht für fünf Übernachtungen).
Am 05.03.2012 beantragte der Antragsteller die Übernahme von Kosten zur Wahrnehmung seines Umgangsrechts mit seinem Sohn in
T/U für den Zeitraum vom 08.04.2012 bis 16.04.2012. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20.03.2012 mit
der Begründung ab, im inzwischen ergangenen Beschluss des SG im Verfahren S 6 AS 725/11 ER sei festgelegt worden, dass der Aufenthalt in den U zur Wahrung des Umgangsrechtes nur noch einmal pro Jahr gestattet
werde.
Mit am 26.03.2012 beim Antragsgegner eingegangenen Schreiben änderte der Antragsteller seinen Antrag dahingehend ab, dass
nunmehr Hin- und Rückflug nach und von T/A gewährt werden sollten. Zugleich erhob er Widerspruch gegen den Bescheid. Ergänzend
bat er mit Schreiben vom 27.03.2012 noch um die Übernahme der Kosten für einen Mietwagen.
Am 28.03.2012 hat er den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim SG Koblenz gestellt mit dem Ziel, den Antragsgegner zur
Bewilligung der vollständigen Reisekosten für die Wahrnehmung des Umgangrechts mit seinem Sohn in der Zeit vom 26.04.2012
bis zum 08.05.2012 zu verpflichten und ihm dafür bis zum 30.03.2012 einen Betrag von 1.200,00 € als Vorschuss auszuzahlen.
Das LSG habe im Beschluss vom 24.11.2010 einen viermaligen Besuch im Jahr für angemessen gehalten. Der Umgang mit dem Kind
sei für den genannten Zeitraum mit der Mutter in T vereinbart, die Finanzierung der Reise müsse rechtzeitig vorher sichergestellt
werden.
Durch Beschluss vom 10.04.2012 hat das SG Koblenz den Antrag abgelehnt. Es fehle bereits an einem Anordnungsanspruch im Sinne
von §
86b Abs
2 S 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Als Rechtsgrundlage für die Übernahme der Kosten komme allein § 21 Abs 6 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der ab dem 03.06.2010 geltenden Fassung in Betracht. Danach erhielten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf,
soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf bestehe. Die Gesetzesbegründung
nenne als Anwendung der Härtefallklausel beispielhaft ua die Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrennt lebenden
Eltern. Es könne dahinstehen, ob es sich bei den vom Antragsteller geltend gemachten Reisekosten um einen laufenden Bedarf
handeln könne. Ein Anspruch sei deshalb nicht gegeben, weil sich die geltend gemachten Kosten in einem unangemessen hohen
Bereich bewegten und insofern nicht als erstattungsfähig angesehen werden könnten. Nach Überzeugung des Gerichts sei eine
Rechtfertigungskontrolle anhand des Maßstabes der Sozialüblichkeit angezeigt. Es sei zu prüfen, wie oft ein im Arbeitsleben
stehender umgangsberechtigter Elternteil bei vollschichtiger Ausübung einer Tätigkeit bei einer solchen Entfernung unter Berücksichtigung
seiner finanziellen Möglichkeiten sein Umgangsrecht ausüben würde. In Kenntnis der vom Antragsgegner dem Antragsteller für
die im Januar 2012 durchgeführte U -Reise erstatteten Kosten sei das Gericht überzeugt, dass ein im Arbeitsleben stehender
umgangsberechtigter Elternteil diese nicht ein zweites Mal im selben Kalenderjahr wahrnehmen würde, da er sich eine solche
Reise nicht leisten könnte. Der Antragsgegner sei mithin nicht verpflichtet, die im April 2012 vorgesehene Reise zu finanzieren.
Am 23.04.2012 hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt.
Auf Anfrage des Senats hat er zunächst mitgeteilt, er begehre nunmehr die Kosten für eine vom 25.05.2012 bis 02.06.2012 geplante
Reise, deren Gesamtkosten er auf ca 1.200,00 € beziffert hat (für An- und Abreise von seinem Wohnort A nach F Flugkosten von
F nach T/A, alternativ nach P und Mietwagen, Kosten für öffentliche Verkehrsmittel, Hotelkosten sowie "Bespaßungskosten").
Die Reise hat inzwischen in der Zeit vom 23.05.2012 bis zum 04.06.2012 stattgefunden. Nach den vorgelegten Belegen werden
dafür Kosten von insgesamt 1.035,29 € beansprucht. Der Antragsteller hat dazu angegeben, die finanziellen Mittel als Kredit
erhalten zu haben, den er nicht zurückzahlen könne. Er benötige die beantragten Sondermittel zur Wahrnehmung seines Umgangsrechtes
mit seinem Kind in T . Die Mutter forciere die Entfremdung zwischen Vater und Sohn. Er halte es für seine Pflicht und sein
aus Art
6 Abs
2 Grundgesetz (
GG) abzuleitendes Recht, den Umgang mit dem Kind auszuüben. Die geltend gemachten Fahrtkosten seien gerade nicht außergewöhnlich
hoch, sondern vergleichsweise günstig. Es sei zu beachten, dass der deutsche Staat ihm die relativ hohen Fahrt- und Unterkunftskosten
mittelbar dadurch auferlegt habe, dass er es zugelassen habe, dass das Kind dauerhaft an einen so entfernt von seinem Wohnort
liegenden Ort verbracht werde. Hätte der Staat durch seine Familiengerichtsbarkeit und unter Einschaltung insbesondere der
Bundespolizei in Form der Überwachung von Ausreisen Minderjähriger dafür gesorgt, dass das Kind weiterhin im Hoheitsgebiet
der Bundesrepublik Deutschland verblieben wäre, wären die Kosten wesentlich geringer. Ihm könne auch nicht entgegengehalten
werden, dass er nach der Erreichbarkeitsanordnung (EAO) nicht mehr als 21 Tage im Jahr abwesend sein dürfe. Die Vorschrift des § 3 EAO sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ihm im Rahmen des notwendigen Umgangs mit seinem Kind eine längere Abwesenheit
gestattet werde.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die Reisekosten von insgesamt 1.035,29 € für die
Reise vom 23.05.2012 bis 04.06.2012 zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07.11.2006 (B 7b AS 14/06 R) sei zu entnehmen, dass Fahrt- und Umgangskosten im Rahmen der Sozialhilfe zu übernehmen seien, sofern es sich nicht um
außergewöhnlich hohe Kosten handele. Es komme nicht darauf an, ob das vergleichsweise günstigste Verkehrsmittel gewählt worden
sei, sondern auf die absolute Summe. Im vorliegenden Fall würde die Reise so hohe Kosten verursachen, dass die Übernahme aus
Steuergeldern nicht gerechtfertigt sei.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte des Antragsgegners sowie der vorliegenden
Prozessakte und der beigezogenen Prozessakten des SG Koblenz (S 6 AS 1164/11 ER, S 6 AS 1566/11 ER und S 6 AS 722/11= L 3 AS 580/11) verwiesen, der Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen ist.
II. Die Beschwerde ist gemäß den §§
172 ff
SGG zulässig. Zwar richtet sich das Begehren des Antragstellers nicht mehr, wie noch beim SG, darauf, ihm die Kosten für eine Reise in die U für die Zeit vom 26.04.2012 bis zum 08.05.2012 zu gewähren. Diese Reise hat
er, nachdem der Zeitraum während des Beschwerdeverfahrens abgelaufen ist, nicht angetreten. Nunmehr begehrt er die Kosten
für den vom 23.05.2012 bis zum 04.06.2012 durchgeführten Besuch. Insoweit liegt nach Auffassung des Senats eine zulässige
Antragsänderung im Sinne von §
99 SGG vor.
Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erlass der begehrten einstweiligen
Anordnung. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat zunächst gemäß §
142 Abs
2 Satz 3
SGG bzgl. der Rechtsgrundsätze für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §
86b Abs
2 S 2
SGG auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
Der Antrag hat schon deshalb keinen Erfolg, weil ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht ist. Der Antragsteller hat die
Reise inzwischen durchgeführt, wobei er die Mittel dafür nach seinem eigenem Vorbringen durch einen Kredit aufgebracht hat.
Er macht insoweit geltend, dass ihm die Rückzahlung aus eigenen Mitteln nicht möglich sei. Allein das Bestehen von Schulden
stellt aber keinen den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigenden und glaubhaft gemachten Anordnungsgrund dar.
Der Antragsteller hat nicht dargetan und glaubhaft gemacht, dass ihm wegen der Rückzahlungsverpflichtung darüber hinaus wesentliche
Nachteile entstehen, die ausnahmsweise die sofortige Zahlung von Leistungen nach dem SGB II zur Schuldentilgung erforderlich machen.
Im Übrigen fehlt es auch an einem Anordnungsanspruch für die begehrte einstweilige Anordnung. Zu den Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs
nach § 21 Abs 6 SGB II verweist der Senat wiederum auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und ergänzt diese wie folgt:
Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des 1. Senats des LSG in seinem Beschluss vom 24.11.2010 an, dass die Kosten
des Umgangsrechts einen laufenden Bedarf darstellen, der über den in den Regelleistungen enthaltenen Bedarf hinausgeht und
damit § 21 Abs 6 SGB II unterfällt. Die Kosten des Umgangsrechts sind bereits unter Geltung des BSHG zu den persönlichen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gerechnet worden, für die über die Regelsätze für laufende Leistungen
hinaus einmalige oder laufende Leistungen zu erbringen gewesen sind. Die Grundsätze für die Gewährung der Leistungen können
dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 25.10.1994 (1 BvR 1197/93 in NJW 1995, S 1342) entnommen werden, die sinngemäß auf die Regelungen des SGB II übertragen werden können.
In dem zitierten Beschluss hat das BVerfG einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, die die Frage betroffen hat, in welchem
Umfang die Sozialhilfebehörde Leistungen an einen sozialhilfeberechtigten Vater zu erbringen hat, um dessen Wahrnehmung des
Umgangsrechts mit seinen Kindern aus einer geschiedenen Ehe zu ermöglichen. Das BVerfG hat dazu ausgeführt, das Umgangsrecht
des nicht sorgeberechtigten Elternteils stehe ebenso wie die elterliche Sorge des anderen unter dem Schutz des Art
6 Abs
2 S 1
GG. Diese Bestimmung schütze die freie Entscheidung der Eltern darüber, wie sie ihrer natürlichen Elternverantwortung gerecht
werden. Das Umgangsrecht ermögliche dem nicht sorgeberechtigten Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden
des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Absprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen
Beziehungen zu ihm aufrecht zu erhalten und einer Entfremdung vorzubeugen sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung
zu tragen. Zu dem in der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hat es dargelegt,
dass dieses zwar der Bedeutung des Art.
6 Abs.
2 Satz 1
GG Rechnung getragen habe, soweit es annehme, dass die Ausübung des Umgangsrechts durch den nichtsorgeberechtigten Elternteil
im Falle seiner Sozialhilfebedürftigkeit dem Grunde nach mit Mitteln der Sozialhilfe ermöglicht werden müsse. Die verfassungsrechtliche
Bedeutung der Bestimmung sei jedoch verkannt, soweit das BVerwG hinsichtlich des Umfangs der Sozialhilfeleistungen zur Ermöglichung
des Umgangsrechts durch den nichtsorgeberechtigten Elternteil auf die familiengerichtliche Rechtsprechung Bezug nehme und
damit letztlich sozialhilferechtlich nur das Maß an Umgang ermögliche, das auch im Streitfall zwangsweise durchgesetzt werden
könnte. Vielmehr sei das erforderliche Maß des Umgangs nach allen das Eltern-Kind-Verhältnis bestimmenden Umständen zu beurteilen.
Im vorliegenden Fall haben sich der Antragsteller und seine geschiedene Frau laut Beschluss des Amtsgerichts P vom 09.09.2011
dahingehend geeinigt, dass der Antragsteller mit seinem Sohn anlässlich von Besuchsreisen in jedem Quartal des Jahres an sieben
Tagen unbegleiteten Umgang haben kann. Allein daraus ergibt sich aber kein Anspruch des Antragstellers auf die Gewährung von
Geldmitteln nach dem SGB II zur Durchführung von Reisen mit dieser Häufigkeit und Dauer. Das BVerfG hat in dem zitierten Kammerbeschluss zwar entschieden,
dass nicht nur das Maß an Umgang aus Sozialhilfemitteln zu tragen ist, das in der Praxis zur Regelung des Umgangsrechtes gemäß
§ 1634 Abs. 2 Satz 1
Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) a.F. familiengerichtlich festgesetzt würde, weil diese Vorschrift im Fall einer erforderlichen Konfliktentscheidung Anwendung
findet und damit eine andere Konstellation betrifft als den Fall einer einverständlichen Regelung der Eltern. Daraus kann
aber andererseits auch nicht abgeleitet werden, dass in jedem Fall das aus Mitteln der Sozialhilfe zu gewähren ist, was für
die von den Eltern vereinbarten Umgangsregelungen erforderlich ist. Das BVerfG hat insoweit betont, dass alle das Eltern-Kind-Verhältnis
bestimmenden Umstände in Betracht gezogen werden müssen, um das erforderliche Maß des Umgangs festzustellen, so neben der
einverständlichen Regelung z.B. auch das Alter und die Zahl der Kinder. Die Beurteilung ist von dem zur Entscheidung berufenen
Gericht vorzunehmen.
Unter Berücksichtigung sämtlicher und das konkrete Eltern-Kindverhältnis prägender Umstände ergibt sich kein Anspruch auf
Übernahme der Kosten für eine weitere Reise im Jahr 2012. Insoweit sind das Alter und die Entwicklung des Kindes, die Intensität
der bisherigen Beziehungen zum Umgangsberechtigten, sonstige Interessenbindungen von Kindern und Eltern, aber auch die Entfernung
des Wohnortes der Eltern in den Blick zu nehmen.
Nach den Erkenntnismöglichkeiten, die dem Senat im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zur Verfügung stehen und im Hinblick
darauf, dass besondere Umstände nicht vorgetragen sind, geht der Senat davon aus, dass die Bindung zwischen dem Antragsteller
und seinem Sohn einer üblichen Vater-Sohn-Beziehung entspricht. Im Hinblick auf die vorliegenden bekannten Gesamtumstände
hält der Senat daher einen einmaligen Besuch des Antragstellers im Jahr bei seinem Sohn für ausreichend, auch wenn die Eltern
eine höhere Besuchsfrequenz vereinbart haben. Vorliegend kann nicht außer Betracht bleiben, dass über mehrere Jahre eine erhebliche
Entfernung zwischen den Wohnorten des Antragstellers und seines Sohnes liegt. Eine große Entfernung kann auch einer der maßgeblichen
Umstände sein, der die Eltern-Kind-Beziehung wesentlich prägt und ist daher für die Frage, welches Maß an Umgang erforderlich
ist, mit einzubeziehen. Aufgrund des hohen finanziellen, zeitlichen und persönlichen Aufwandes, den ein Besuch bei dem Sohn
in den U mit sich bringt, erscheint dieser einmal im Jahr angemessen.
Der Senat würdigt bei dem erforderlichen Maß des Umgangs auch den Umstand, dass vielfältige moderne Kommunikationsmittel wie
E-Mail, Skype, Internetblogs etc existieren. Diese eröffnen jedenfalls mit Kindern im Schulalter (wie dem Sohn des Antragstellers)
Kommunikationsmöglichkeiten, die zwar keinen körperlichen Kontakt zulassen, aber einen geistigen Austausch und teilweise auch
einen über die Medien vermittelten Sichtkontakt. Diese Mittel erlauben einen zeitnahen Austausch und damit eine Teilnahme
am Leben des Elternteils bzw des Kindes und bieten damit jedenfalls teilweise Ersatz für die fehlende tatsächliche Nähe. Entsprechend
haben die Eltern hier vereinbart, dass der Antragsteller berechtigt und sogar verpflichtet ist, einmal wöchentlich für mindestens
10 Minuten über den Bildtelefondienst Skype mit seinem Sohn zu kommunizieren.
Nicht außer Acht zu lassen ist auch die Tatsache, dass der Antragsteller in Deutschland drei Kinder im Kleinkindalter hat,
die ebenfalls väterlicher Zuwendung und Erziehung bedürfen. Der Antragsteller nimmt für das jüngste Kind Elternzeit in Anspruch.
Die Betreuung dieses Kindes und der übrigen Kinder könnte bei der vom Antragsteller gewünschten viermal 7-tägigen Abwesenheit
durch Aufenthalt bei seinem Sohn C -D (bei dem nun absolvierten Besuch ist der Antragsteller sogar 13 Tage unterwegs gewesen)
zumindest beeinträchtigt sein. Die Wahrnehmung des Rechts auf den Umgang mit einem Kind darf sich aber nicht zu Lasten der
Rechte der anderen Kinder auswirken.
Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass sich aus Art
6 Abs
2 GG kein Anspruch auf Übernahme von Kosten für die Wahrnehmung des Umgangsrechts in beliebiger Höhe ergibt. Das BSG hat in seinem Urteil vom 07.11.2006 (BSGE 97, 242) -zum vor Inkrafttreten des § 21 Abs. 6 SGB II anzuwendenden § 73 SGB XII- ausgeführt, die vom Sozialleistungsträger zu übernehmenden Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechtes müssten sich in einem
Bereich bewegen, der den Einsatz öffentlicher Mittel noch rechtfertige. Auch hinsichtlich des Umgangsrechts mit den Kindern
sei über § 73 SGB XII keine unbeschränkte Sozialisierung von Scheidungsfolgekosten möglich.
Der erkennende Senat folgt der Auffassung des SG im angefochtenen Beschluss, dass die vom Antragsteller geltend gemachten Reisekosten für eine zweite Reise in die U auch
unter diesem Aspekt nicht zu übernehmen sind. Die Kosten sind so außergewöhnlich hoch, dass kein Anspruch auf deren Übernahme
besteht.
Unstreitig sind dem Antragsteller bereits für eine im Januar 2012 durchgeführte U -Reise Leistungen gewährt worden (laut Bescheid
vom 29.12.2011 970,79 € und auf Grund des im vorläufigen Rechtsschutzverfahrens S 6 AS 1566/11 ER geschlossenen Vergleiches vom 01.02.2012 weitere 73,63 €, insgesamt also 1.044,42 €). Die Übernahme von Kosten für weitere
Reisen würde das Maß dessen übersteigen, was von der Allgemeinheit noch mit Steuermitteln zu finanzieren ist.
Welcher Vergleichsmaßstab insoweit anzuwenden ist, ist eine schwierige Rechtsfrage, deren Klärung dem Hauptsacheverfahren
vorbehalten bleiben muss, wobei möglicherweise auch noch Ermittlungen in tatsächlicher Hinsicht, zB durch Beiziehung und Auswertung
statistischer Daten, erforderlich sind. In Anlehnung an die vom ersten Senat des LSG vertretene Auffassung hält es der Senat
jedenfalls für die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu Gunsten des Antragstellers für angezeigt, einen Vergleich
mit den Kosten vorzunehmen, die ein berufstätiger Betroffener mit einem durchschnittlichen Einkommen höchstens aufwenden würde.
Zurückgegriffen werden kann insoweit auf das durchschnittliche Bruttoarbeitsentgelt, das durch Rechtsverordnung der Bundesregierung
mit Zustimmung des Bundesrates jährlich unter Berücksichtigung vom statistischen Bundesamt erhobener Daten festgestellt wird
und Grundlage für die Berechnung der gesetzlichen Rente ist, siehe §§
68,
69 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI). Dieses wird nach §
68 Abs.
2 Satz 1
SGB VI unter Berechnung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer ohne Personen in Arbeitsgelegenheiten mit Entschädigungen
für Mehraufwendungen (sog. "Ein-Euro-Jobs") ermittelt und stellt damit die durchschnittliche Bruttoentlohnung der in der gesetzlichen
Rentenversicherung Versicherten dar. Der Betrag bildet somit ab, über welches Einkommen ein Großteil der in Deutschland lebenden
Berufstätigen durchschnittlich verfügt.
Der für 2012 aufgrund der Einkommensentwicklung der letzten Jahre (§
68 Abs.
2 SGB VI) ermittelte (vorläufige) Wert beträgt nach Anlage 1 zum
SGB VI 32.446 €, also monatlich 2.703,83 €. Bereits der Vergleich dieses Betrages mit den vom Antragsteller geltend gemachten Reisekosten
von über 1.000,00 € pro Reise zeigt die Unangemessenheit der vom Antragsteller beanspruchten vier Reisen im Jahr. Die dafür
anfallenden Kosten von ca. 4.000 € sind ca. eineinhalb mal so hoch wie das Bruttogehalt. Der Senat geht nicht davon aus, dass
ein Arbeitnehmer diesen erheblichen Betrag neben seinen sonstigen Aufwendungen und Lebenshaltungskosten ohne weiteres für
die Realisierung des Umgangsrechts aufwenden könnte und würde.
Dies wird umso deutlicher, wenn man die konkrete Lebenssituation des Antragstellers in die Betrachtung einbezieht und ausgehend
von dem unterstellten Durchschnittsverdienst das verfügbare Einkommen ermittelt. Ausgehend davon würden dem Antragsteller
von dem Bruttogehalt unter Berücksichtigung von drei Kinderfreibeträgen, Lohnsteuerklasse 3 und anfallenden gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträgen
ca 2000,00 € netto verbleiben (errechnet nach Brutto-Netto-Rechner von Focus Online, vergleichbar unter sueddeutsche.de).
Zusätzlich zu berücksichtigen wäre noch das für drei Kinder zu beanspruchende Kindergeld von 558,00 € (2 X 184,00 € + 1 X
190,00 €), woraus sich ein monatliches Einkommen von insgesamt 2.558,00 € ergäbe. Ob bei einer derartigen Familien- und Einkommensituation
grundsätzlich noch eine Berufstätigkeit des zweiten Elternteils, also weiteres Einkommen zu unterstellen wäre, kann hier dahinstehen.
Das dritte Kind der Eheleute M ist am 25.11.2011 geboren; vom Antragsteller wird Elternzeit in Anspruch genommen. Entsprechend
kann auch für die für den Vergleich herangezogene Einkommenssituation des Durchschnittsverdieners unterstellt werden, dass
ein Elternteil so kurz nach der Geburt eines Kindes jedenfalls vorübergehend keiner Berufstätigkeit nachgeht. Mangels anderer
Anhaltspunkte kann als weiteres Einkommen in einem solchen Fall das mindestens zu zahlende Elterngeld von 300,00 € im Monat
zugrunde gelegt werden. Das vergleichbare Familieneinkommen betrüge dann monatlich insgesamt 2.858,00 €. Zieht man davon -insoweit
zugunsten des Antragstellers- als notwendige Kosten des Lebensunterhaltes nur den nach dem SGB II berechneten Bedarf der Familie ab (1.331,00 € Regelleistungen - 2 X 337,00 € + 3 X 219,00 €- und die tatsächlichen Kosten
für Unterkunft und Heizung von 595,25 €, siehe Anlage zum Bescheid vom 24.01.2012 in L 3 AS 580/11), was einen Gesamtbedarf von 1.926,25 € ergäbe, verbliebe ein zur freien Verfügung stehendes Familieneinkommen von monatlich
ca 932,00. Um die errechneten Gesamtkosten von mindestens 1.000,00 € für vier Reisen aufzubringen, müsste die Familie davon
ca. 335,00 € im Monat zurücklegen, also über 35 % des "freien" Einkommens. Dass ein derart hoher Anteil des Verdienstes allein
für die Wahrnehmung des Umgangsrechtes mit einem Kind ausgegeben werden könnte und auch würde, ist nicht nachvollziehbar,
zumal es sich um Ausgaben handelt, die unabhängig von sonstigen, über das lebensnotwendige hinausgehenden Ausgaben, ua. auch
für eigene Urlaubsreisen (ggf. mit neuem Partner und Familie), aufgewandt werden müssten. Dabei ist auch zu sehen, dass sich
ein derart hoher Kosteneinsatz für den Besuch bei dem entfernt lebenden Kindes letztlich zu Lasten der weiteren mit dem Antragsteller
zusammenlebenden Kinder auswirken würde.
Schon von daher kann ein Anspruch auf eine zweite Reise im 1. Kalenderhalbjahr 2012 nicht bejaht werden, sodass es an einem
Anordnungsanspruch für die begehrte einstweilige Anordnung fehlt. Ob sich ein Durchschnittsverdiener zudem den erheblichen
zeitlichen Einsatz leisten könnte, den ein viermaliger mehrtägiger Aufenthalt im weit entfernten Ausland erfordert, ist fraglich,
da der Urlaub eines Arbeitnehmers nach § 3 des Mindesturlaubsgesetzes 24 Werktage beträgt. Nach dem Obengesagten braucht dies
hier aber nicht entschieden zu werden.
Diese Auslegung steht nicht im Widerspruch zum
GG. Laut der Entscheidung des BVerfG zum Kindergeld im Beschluss vom 29.05.1990 (1 BVL 26/84, 1 BVL 4/86, 1 BVL 20/84 in juris)
folgt aus Art
6 Abs
1 GG, wonach der Staat die Pflicht hat, Ehe und Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern, nicht, dass dies ohne Rücksicht
auf sonstige öffentliche Belange zu geschehen hat. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter
dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann. Der
Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohles neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft
zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten.
Dieser Gesichtspunkt ist auch im Rahmen der Anwendung des Art
6 Abs
2 Satz 1
GG zu beachten. Soweit der Antragsteller hier Grundsicherungsleistungen begehrt, macht er einen Anspruch auf staatliche finanzielle
Mittel geltend, die er zur Ausübung seines Umgangsrechtes benötigt. Auch dieser Anspruch muss sich an den Grenzen der Leistungsfähigkeit
des Staates orientieren. Aus Art
6 Abs
2 GG folgt nicht das Recht, Mittel in unbegrenzter Höhe zu beanspruchen, um aus Familienbindungen folgende persönliche Rechte
wahrzunehmen. Es ist nicht Sache des Staates, für jede besondere Lebenssituation einen Ausgleich zu schaffen und damit jegliche
aufgrund eigener Lebensentscheidungen oder auch schicksalhafte entstandene Entwicklungen abzufedern. Dies kann sich entgegen
der Auffassung des Antragstellers auch nicht aus dem Gesichtspunkt ergeben, dass der Staat den Wegzug der früheren Ehefrau
und des Kindes in die U nicht verhindert hat. Ob und wie weit dies durch staatliche Maßnahmen hätte verhindert werden können,
kann hier dahinstehen. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die familienrechtlichen gesetzlichen Regelungen in Deutschland
die Familie grundsätzlich nicht ausreichend schützen. Selbst wenn dies aber der Fall wäre, kann dies nicht dadurch ausgeglichen
werden, dass dem Antragsteller zum Ausgleich unbegrenzte finanzielle Mittel zur Wahrnehmung des Umgangs mit seinem Kind zur
Verfügung gestellt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Diese Entscheidung ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.