Anerkennung eines Wegeunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung auf dem Weg zu einem dritten Ort
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein vom Kläger erlittener Verkehrsunfall als Arbeitsunfall unter dem Schutz der
gesetzlichen Unfallversicherung steht.
Der 1983 geborene Kläger, der als Elektriker bei der Firma S Sch in D -L beschäftigt war, erlitt am 11.02.2009 gegen 6:10
Uhr auf der Landstraße hinter M in Richtung L einen Verkehrsunfall, als er auf einer nicht vom Schnee geräumten glatten Straße
mit seinem Pkw ins Schleudern kam und rückwärts gegen einen Baum prallte. Er zog sich dabei Verletzungen im Bereich des 5.
Halswirbelkörpers sowie eine Prellung der Brust- und Lendenwirbelsäule und des rechten Unterschenkels zu.
Der Arbeitsplatz des Klägers befand sich bei der Firma S Sch in D -L Er war zum Unfallzeitpunkt in der K Straße 15, W , dem
Haus seiner Eltern, polizeilich gemeldet. Dort hatte er ein Zimmer und konnte Bad und Küche mitbenutzen. Am Unfalltag hatte
er die Fahrt zur Arbeit von der Wohnung seiner damaligen Freundin in G , S straße 28, angetreten. Die Entfernung vom Haus
seiner Eltern bis zu seiner Arbeitsstätte betrug 6,57 Kilometer bei einer Fahrzeit von ca. 10 Minuten; die Entfernung von
der Wohnung seiner ehemaligen Verlobten bis zur Arbeitsstätte betrug 55,02 Kilometer bei einer Fahrzeit von ca. 59 Minuten.
Der Kläger gab gegenüber der Beklagten im März 2009 an, von der Wohnung seiner Verlobten zur Arbeitsstelle gefahren zu sein,
wo er übernachtet habe. Dies mache er bereits seit ca. 12 Monaten so. Er übernachte etwa 3- bis 4-mal in der Woche dort.
Mit Bescheid vom 16.04.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 22.08.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen
aus Anlass des Unfallereignisses vom 12.02.2009 mit der Begründung ab, es habe sich nicht um einen versicherungspflichtig
geschützten Weg zur Arbeit gehandelt. Unter Berücksichtigung der Entfernung der Wohnung der Verlobten zur Arbeitsstätte (55,02
km) und des üblichen Wegs des Klägers zur Arbeitsstätte (6,57 km) sei die Entfernung zwischen Betriebsstätte und Wohnung der
Freundin unverhältnismäßig weit gewesen. Der Weg vom dritten Ort sei daher nicht durch die beabsichtigte betriebliche Tätigkeit
geprägt, sondern durch die eigenwirtschaftliche Verrichtung am dritten Ort.
Mit der am 21.08.2009 bei Sozialgericht (SG) Koblenz erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.
Er hat vorgetragen, er habe damals ca. 3 bis 4 Mal pro Woche bei seiner Freundin übernachtet, und zwar über einen Zeitraum
von ca. 12 Monaten vor dem Verkehrsunfall hinweg. Er habe die Fahrt nur unternommen, um zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen.
Bei der zurückgelegten Fahrstrecke habe es sich daher um den üblichen Arbeitsweg gehandelt und nicht um einen Weg vom dritten
Ort. Im Übrigen komme auch Versicherungsschutz nach §
8 Abs.
2 Nr.
4 SGB VII in Betracht.
Mit Urteil vom 22.07.2010 hat das SG den angefochtenen Bescheid vom 16.04.209 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2009 aufgehoben und die Beklagte
verpflichtet, das schädigende Ereignis vom 12.02.2009 als Arbeitsunfall festzustellen und zu entschädigen. Zur Begründung
hat es ausgeführt, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt des erlittenen Verkehrsunfalls auf einem nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII versicherten Weg befunden habe. Der Kläger sei als Arbeitnehmer der Firma S S nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII versichert gewesen. Zu den versicherten Tätigkeiten eines Versicherten zähle nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII das Zurücklegen des mit der nach den §§
2,
3 und
6 versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Die in §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII gebrauchte Formulierung "des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges" kennzeichne den sachlichen
Zusammenhang des Weges mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit. Dieser bestehe, wenn der Weg wesentlich zu dem Zweck zurückgelegt
werde, den Ort der Tätigkeit zu erreichen oder nach deren Beendigung zu verlassen. Maßgebliches Kriterium hierfür sei, ob
die anhand objektiver Umstände zu beurteilende Handlungstendenz des Versicherten beim Zurücklegen des Weges darauf gerichtet
gewesen sei, die Haupttätigkeit aufzunehmen oder nach deren Beendigung in seinen Privatbereich zurückzukehren, denn nur dann
stehe sein Handeln im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Die unfallbringende Tätigkeit des Klägers am
12.02.2009 habe in sachlichem Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit gestanden. Er habe sich auf dem Weg zwischen
der Wohnung seiner Verlobten und seinem Arbeitsplatz befunden. In §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII sei als Ziel und Ausgangspunkt des Weges nur der Ort der versicherten Tätigkeit genannt. Daher sei der Schutz der gesetzlichen
Unfallversicherung nicht auf die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beschränkt. Anstatt von oder zur Wohnung könne der
Weg nach oder von dem Ort der versicherten Tätigkeit auch an einem anderen Ort - einem sogenannten dritten Ort - beginnen
oder enden. Dem dritten Ort als Ausgangs- oder Endpunkt des Weges von oder zur Arbeitsstätte sei dabei allerdings begriffsnotwendig
immanent, dass er anstelle der Wohnung des Versicherten aufgesucht werde. Die Wohnung der ehemaligen Verlobten des Klägers
sei als dritter Ort anzusehen. Dies gelte insbesondere, weil der Kläger nicht zuvor bereits seine eigene Wohnung verlassen
und via Wohnung der Verlobten zum Arbeitsplatz habe gelangen wollen, sondern weil er nach Beendigung der Nachtruhe direkt
von der Wohnung der ehemaligen Verlobten zu seinem Arbeitsplatz fahren wollte und auf diesem Weg verunglückt sei. Zudem habe
die Fahrt des Klägers von der Wohnung seiner damaligen Verlobten zu seinem Arbeitsplatz auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts zu zwei Teilbereichen eines einzigen häuslichen Wirkungskreises unter Versicherungsschutz gestanden.
Nach dieser Rechtsprechung könne, wenn der Versicherte über eine gespaltene Wohnung verfüge, jeder Teil für sich Endpunkt
des Weges von und zur Arbeitsstätte sein. Jeder der beiden häuslichen Bereiche müsse dann den ihm zugewiesenen Zweck in einem
wesentlichen Umfang dienen und mit einer gewissen Regelmäßigkeit benutzt werden. Der Kläger habe über eine eigene Wohnung
in W verfügt, in der er mehrmals pro Woche alle lebensnotwendigen Verrichtungen wie Essen, Duschen, Schlafen usw. durchführen
konnte und auch durchführte. Es sei nicht ersichtlich, dass seiner Wohnung etwas zum Wohnen Wesentliches gefehlt habe. Das
Gleiche gelte für die Wohnung der Verlobten, die er ebenfalls mehrmals pro Woche für alle lebensnotwendigen Verrichtungen
wie Essen, Duschen, Schlafen usw. benutzen konnte. Es spiele daher keine Rolle, dass die Fahrtstrecke von der Wohnung des
Klägers in W zu seiner Arbeitsstätte wesentlich kürzer gewesen sei, als die Fahrtstrecke von der Wohnung der Verlobten zur
Arbeitsstätte. Entscheidend sei vielmehr die innere Handlungstendenz des Klägers gewesen, am 12.02.2009 morgens seinen Arbeitsplatz
aufzusuchen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 09.08.2010 zugestellte Urteil am 25.08.2010 Berufung eingelegt.
Zu deren Begründung trägt sie vor, dass das SG die Rechtsfigur der " gespaltenen Wohnung" unzutreffend angewandt habe. Diese setze voraus, dass sich beide Aufenthaltsorte
in ihrer Benutzbarkeit in der Weise ergänzten, dass das zum Wohnen oder Schlafen Wesentliche dem einen Ort fehle, dem anderen
aber zu Eigen sei. Dies könne hinsichtlich der Wohnung des Klägers in W und der Wohnung seiner Freundin jedoch nicht festgestellt
werden. Vielmehr seien ausschließlich private Gründe dafür maßgeblich gewesen, dass der Kläger den Weg zu seiner Arbeitsstätte
von einem dritten Ort angetreten habe.
Der Berichterstatter hat den Kläger am 24.02.2011 persönlich angehört und seine damalige Freundin, L K , als Zeugin vernommen.
Der Kläger hat erklärt, dass er zum Zeitpunkt des Unfalls in W wohnhaft gewesen sei. Er habe dort im Haus seiner Eltern gewohnt,
wo er ein eigenes Zimmer gehabt habe. Bad und Küche des Hauses habe er mitbenutzt. Er sei etwa acht Monate bis ein Jahr mit
der Zeugin befreundet gewesen. Diese habe ihre Wohnung vor Weihnachten 2008 angemietet; er sei bis etwa Juli 2009 mit ihr
zusammen gewesen. In dieser Zeit sei er öfter bei ihr als bei ihm zuhause gewesen. In der Woche sei er etwa 3-4 Tage bei ihr
gewesen. Die übrige Zeit habe er dann zuhause im Haus der Eltern verbracht. Manchmal sei er auch die ganze Woche bei seiner
Freundin gewesen. Er sei dann direkt von deren Wohnung zur Arbeit gefahren und meistens auch direkt von seiner Arbeitsstelle
zu ihr zurück. Er habe auch Sachen in der Wohnung seiner Freundin gehabt. Wenn Wäsche zu waschen gewesen sei, sei dies entweder
bei seinen Eltern oder beim Vater seiner Freundin erfolgt. Ob er schwerpunktmäßig mehr am Wochenende bei seiner Freundin gewesen
sei oder aber auch unter der Woche, könne er nicht mehr genau sagen. Es sei sowohl die eine als auch die andere Situation
vorgekommen.
Die Zeugin K hat ausgeführt, dass sie Mieterin der Wohnung gewesen sei. Diese sei vollständig ausgestattet gewesen. Der Kläger
habe mit ihr zusammen zum Teil die Wohnung eingerichtet und dabei auch ein paar kleinere Einrichtungsgegenstände, wie Gardinen
und Leisten bezahlt. Auch habe er handwerkliche Arbeiten in ihrer Wohnung vorgenommen. Anfangs hätten sie sich nur an den
Wochenenden gesehen. Später sei der Kläger dann überwiegend bei ihr gewesen; er habe fast bei ihr gewohnt.
Die Beklagte hat zur Beweisaufnahme ausgeführt, dass diese erbracht habe, dass erheblich mehr gegen als für die Annahme sprechen,
dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt im Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse in der Wohnung der Zeugin gehabt habe.
Der Kläger hat ausgeführt, dass er jedenfalls zum Unfallzeitpunkt den Lebensmittelpunkt in der Wohnung seiner Freundin gehabt
habe. Maßgeblich hierfür seien die tatsächlichen Verhältnisse.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 22.07.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten
verwiesen, die vorlagen und Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die nach §§
143 ff
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte,
führt in der Sache zum Erfolg. Das SG ist zu.U.nrecht davon ausgegangen, dass der vom Kläger am 11.02.2009 erlittene Verkehrsunfall ein Arbeitsunfall im Sinne
der gesetzlichen Unfallversicherung gewesen ist.
Nach §
8 Abs.
1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Versicherte Tätigkeit ist gemäß §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle
sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen
(S. 2).
Der Kläger stand vorliegend nicht nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII unter Unfallversicherungsschutz. Nach dieser Vorschrift ist der Versicherungsschutz für die Wege nach und von dem Ort der
Tätigkeit nicht auf die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beschränkt. Die Vorschrift verlangt nur, dass die Arbeitsstätte
Ziel oder Ausgangspunkt des Weges ist; der andere Grenzpunkt des Weges ist gesetzlich nicht festgelegt (vgl. zu alledem etwa
BSG, Urt. v. 03.12.2002 - B 2 U 18/02 R - u. Urt. v. 12.05.2009 - B 2 U 11/08 R-). Allerdings ist nicht jeder Weg unter Versicherungsschutz gestellt, der zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus begonnen
wird. Vielmehr ist erforderlich, dass der Weg mit der Tätigkeit in dem Unternehmen (rechtlich) zusammenhängt, d.h. dass ein
innerer Zusammenhang zwischen dem Weg und der Tätigkeit in dem Unternehmen besteht. Dieser innere Zusammenhang setzt voraus,
dass der Weg, den der Versicherte zurücklegt, wesentlich dazu dient, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung - in
der Regel - die eigene Wohnung oder einen anderen Endpunkt des Weges von dem Ort der Tätigkeit zu erreichen. Maßgebend ist
dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch objektive Umstände des Einzelfalls bestätigt wird.
Die unfallbringende Fahrt des Klägers vom 11.02.2009 stand nicht im sachlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit.
Die Fahrt des Klägers konnte keinen Versicherungsschutz aufgrund der Rechtsprechung zum so genannten dritten Ort begründen.
Wenn nicht der häusliche Bereich, sondern ein so genannter dritter Ort - wie hier - den Ausgangspunkt des nach dem Ort der
Tätigkeit angetretenen Weges bildet, ist für den inneren Zusammenhang entscheidend, ob dieser Weg noch von dem Vorhaben des
Versicherten sich zur Arbeit zu begeben oder aber rechtlich davon wesentlich geprägt ist, einen eigenwirtschaftlichen Besuch
am dritten Ort abzuschließen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein nicht von der Wohnung angetretener Weg nach Sinn und
Zweck des §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen
Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit stehen muss (vgl. BSG, a.a.O.). Ein wesentliches, wenn auch nicht das allein entscheidende Kriterium für die Prüfung der Angemessenheit ist mithin
die Entfernung, wobei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat folgt, die Umstände des jeweiligen Einzelfalls
stärker zu berücksichtigen sind. Ist der Weg vom dritten Ort unverhältnismäßig unangemessen länger als von der Wohnung zum
Ort der Tätigkeit, wird die erheblich längere Wegstrecke grundsätzlich nicht durch die beabsichtigte betriebliche Tätigkeit
geprägt, sondern durch die eigenwirtschaftliche Verrichtung am dritten Ort.
In Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall vermag zur Überzeugung des Senats der innere Zusammenhang im Unfallzeitpunkt
nicht angenommen werden. Beim Vergleich der Entfernungen ist einerseits von der Entfernung vom Haus der Eltern des Klägers
bis zu seiner Arbeitsstätte, andererseits von der Entfernung von der Wohnung seiner Freundin zur Arbeitsstätte auszugehen.
Die erstgenannte Wegstrecke beträgt 6,57 km, die zweitgenannte 55,02 km. Diese Wegstrecken stehen nach Auffassung des Senats
nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander. Zwar lässt sich der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
keine feste Vorgabe entnehmen, wann das Verhältnis der beiden Strecken zueinander nicht mehr als angemessen anzusehen ist.
Das BSG hat die Grenze zur Unangemessenheit bei einem Zehnfachen der üblichen Entfernung als nach der Verkehrsanschauung deutlich
überschritten angesehen (vgl. Urt. v. 03.12.2002, a.a.0.).
Vorliegend bejaht der Senat eine Unangemessenheit des Verhältnisses der beiden Strecken. Die Entfernung vom Haus seiner Eltern
bis zu seiner Arbeitsstätte betrug 6,57 Kilometer bei einer Fahrzeit von ca. 10 Minuten; die Entfernung von der Wohnung seiner
Freundin zur Arbeitsstätte betrug 55,02 Kilometer bei einer Fahrzeit von ca. 59 Minuten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass
die vom Kläger von der Wohnung seiner Freundin bis zur Arbeitsstätte zurückzulegende Wegstrecke 8,37mal so lang war wie diejenige,
die er vom Hause seiner Eltern bis zur Arbeitsstätte zurückzulegen hatte. Hinzu kommt, dass der Kläger diese wesentlich längere
Fahrt bei winterlichen Straßenverhältnissen zurückgelegt hat. Nach alledem ist Überzeugung des Senats ein innerer Zusammenhang
des zum Unfallzeitpunkt zurückgelegten Weges zur betrieblichen Tätigkeit nicht zu bejahen. Schließlich war der Aufenthalt
am dritten Ort auch nicht durch betriebsdienliche Zwecke geprägt, sondern war allein eigenwirtschaftlich motiviert, da er
der Aufrechterhaltung der zwischenmenschlichen Beziehungen des Klägers zu seiner damaligen Freundin dienen sollte.
Der Kläger stand auch nicht unter dem Versicherungsschutz der Bestimmung des §
8 Abs.
2 Nr.
4 SGB VII, denn Ausgangspunkt des unfallbringenden Weges war nicht seine ständige Familienwohnung. Als ständige Familienwohnung im
Sinn dieser Bestimmung ist eine Wohnung anzusehen, die für "nicht unerhebliche Zeit" den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse
des Versicherten bildet. Die Beurteilung, ob die hiernach erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, richtet sich nach der
tatsächlichen Gestaltung der Lebensverhältnisse des Versicherten zur Unfallzeit, die insbesondere durch die soziologischen
und psychologischen Gegebenheiten ihren Ausdruck findet (vgl. BSG, Urt. v. 03.12.2002 - B 2 U 18/02 R -). Bei einem Ledigen, wie dem Kläger, kann die Familienwohnung weiterhin bei den Eltern sein, wenn er seine Freizeit regelmäßig
dort verbringt, die Bindung zu den Eltern nicht gelockert ist und er am Ort der Tätigkeit nicht einen neuen Lebensmittelpunkt
gefunden hat (vgl. BSG, a.a.O.). Ein Familienverhältnis im Sinne des bürgerlichen Rechts oder entsprechender Normen wird nicht vorausgesetzt.
In Anwendung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung der vom Kläger im Verlauf des Verfahrens,
insbesondere im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter gemachten Ausführungen sowie der Aussagen seiner Freundin, der
Zeugin K , fest, dass dieser sich im Zeitpunkt des Unfalls nicht überwiegend in deren Wohnung aufhielt, so dass diese nicht
als Lebensmittelpunkt angesehen werden kann. Zum Unfallzeitpunkt hatte die Zeugin die eigene Wohnung seit etwa zwei Monaten
angemietet. Das Verhältnis zum Kläger bestand zu diesem Zeitpunkt seit etwa fünf Monaten. Die Zeugin hat ausgeführt, dass
der Kläger anfangs nur an den Wochenenden bei ihr gewesen sei. Später sei dies dann überwiegend der Fall gewesen. Der Kläger
hat erklärt dass er genauere Angaben zur Verteilung der Tage, an denen er bei seiner damaligen Freundin gewesen sei, nicht
mehr machen könne. Ob er schwerpunktmäßig mehr am Wochenende bei ihr gewesen sei oder aber unter der Woche, konnte er auf
Nachfrage nicht näher beschreiben. Die gemachten Angaben sprechen vielmehr dafür, dass er in der Wohnung der Klägerin eher
zu Besuch war. Dies wird auch durch seine Angaben im Verwaltungsverfahren bestätigt, wonach er seine "Verlobte" "besuche".
Diese ungenauen Darlegungen sind jedoch nach Auffassung des Senats nicht geeignet, einen vollen Nachweis für die tatsächlichen
Grundlagen hinsichtlich des Vorliegens einer Familienwohnung zu erbringen. Das Vorhandensein der versicherten Tätigkeit muss
jedoch sicher feststehen.
Die Wohnung der Freundin des Klägers war mithin zum Unfallzeitpunkt nicht ständige Familienwohnung des Klägers mit der Folge,
dass ein Versicherungsschutz nach §
8 Abs.
2 Nr.
4 SGB VII zu verneinen ist
Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.