Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren
Keine grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage zur Frage einer teilweisen Klagerücknahme
Gründe:
I.
Die Kläger wenden sich mit ihren Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dresden vom
9. November 2017.
Der Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 20. Januar 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem
Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis zum 31. Juli 2010.
Diesen Bewilligungsbescheid nahm der Beklagte mit Bescheid vom 6. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
13. April 2010 teilweise zurück, wogegen die Kläger unter dem Az. S 44 AS 2676/10 Klage erhoben. Ferner erließ der Beklagte in Bezug auf die Zeit vom 1. Mai 2010 bis zum 31. Mai 2010 unter dem 4. August
2010 noch einen Aufhebungsbescheid.
Im Klageverfahren Az. S 44 AS 2676/10 schlossen die Beteiligten einen Vergleich, in Folge dessen der Beklagte unter dem 11. Mai 2012 einen Bescheid erließ, in
dem er den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes beziehungsweise Sozialgeld und Leistungen für Kosten für
Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis zum 31. Juli 2010 in unterschiedlicher Höhe zuerkannte.
Mit Bescheid vom 18. Dezember 2012 nahm der Beklagte die neue Leistungsbewilligung rückwirkend zum 1. März 2010 teilweise
zurück. Außerdem machte er Erstattungsforderungen in Höhe von 167,35 EUR gegenüber der Klägerin zu 1, von 106,30 EUR gegenüber
dem Kläger zu 2, von 151,05 EUR gegenüber dem Kläger zu 3 und von 151,05 EUR gegenüber der Klägerin zu 4, zusammen 575,75
EUR, geltend.
Mit ihren Widersprüchen wandten sich die Kläger ohne Einschränkung gegen die Rückforderungsentscheidungen. Ihre Widersprüche
wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2013 zurück.
Die anwaltlich vertretenen Kläger haben am 11. Dezember 2013 Klagen gegen den Bescheid vom 18. Dezember 2012 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2013 erhoben, ohne hierbei einen Antrag zu formulieren und die Klage zu begründen.
Die angekündigte Klagebegründung ist mit Schriftsatz vom 20. März 2014 erfolgt. In diesem Schriftsatz ist auch beantragt worden,
den angefochtenen Bescheid insoweit aufzuheben, als ein Betrag von mehr als 402,01 EUR zurückgefordert worden ist.
Mit Schriftsatz vom 19. August 2015 haben die Kläger beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, weil er in Gänze rechtswidrig
sei.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2016 ein Teilanerkenntnis des Inhaltes abgegeben, dass der Bescheid vom 18.
Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2013 insoweit aufgehoben wird, als von den Klägern
für die Monate März 2010 bis Juli 2010 nicht mehr als 402,01 EUR zurückgefordert wird. Dieses Teilanerkenntnis haben die Kläger
mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2016 angenommen.
Das Sozialgericht hat die Klagen mit Urteil vom 9. November 2017 abgewiesen und den Beklagten zur Erstattung von einem Drittel
der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger verurteilt. Die Klageabweisung hat es damit begründet, dass die Klagen
unzulässig seien. Die Kläger hätten den Klageantrag mit Schriftsatz vom 20. März 2014 auf den über 402,01 EUR hinausgehenden
Rückforderungsteil beschränkt. Darin liege eine teilweise Klagerücknahme im Sinne von §
102 Abs.
1 Satz 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG). In der Beschränkung des klägerischen Antrages werde eine konkludent erklärte Klagerücknahme gesehen. Dies habe nach §
102 Abs.
1 Satz 2
SGG zur Folge, dass insoweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt und der angefochtene Bescheid teilweise bestandskräftig
geworden sei. Als Prozesshandlung sei die Klagerücknahmeerklärung nicht anfecht- oder widerrufbar. Eine Deutung des Schriftsatzes
vom 19. August 2015 als Klageänderung im Sinne von §
99 Abs.
1 SGG oder Klageerweiterung gemäß §
99 Abs.
3 Nr.
2 SGG führe nicht zu einer Zulässigkeit der Klage, weil der Zulässigkeit in diesem Fall die Versäumung der Klagefrist entgegenstehe.
Die Kläger haben gegen das ihnen am 30. November 2017 zugestellte Urteil am 19. Dezember 2017 Nichtzulassungsbeschwerde einlegen
lassen. In der Beschwerdebegründung im Schriftsatz vom 1. Juni 2018 machen sie geltend, dass der Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache vorliege. Folgende Rechtsfrage sei klärungsbedürftig: "Hat die Bezifferung eines Klageantrages in
einem Schriftsatz im anhängigen Klageverfahren die Konsequenz, dass damit die Klage gegen einen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid
im Übrigen, also über den bezifferten Betrag hinaus, als Klagerücknahme prozessual zu bewerten ist?" Zur Begründung wird ausgeführt,
dass sich das Urteil des Landessozialgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2012 (Az. L 2 AS 2244/11), auf das sich das Sozialgericht bezogen habe, im Sachverhalt vom vorliegenden Fall unterscheide. Zudem stelle ein Klageantrag
in vorbereitenden Schriftsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren im Hinblick auf die Bezifferung keine Prozesserklärung dar.
Dies ergebe sich bereits aus §
99 Abs.
3 Nr.
2 SGG, wonach ein Klageantrag erweitert werden könne, ohne dass dies eine Klageänderung darstellen würde. Der bloßen Bezifferung
in einem nach Klageerhebung gestellten späteren schriftsätzlichen Klageantrag könne nach den gesetzlichen Wertungen nicht
die Bedeutung einer Klagerücknahme zukommen. Außerhalb einer echten Leistungsklage bedürfe es keiner Bezifferung eines Klageantrages.
Die Rechtsauffassung des Sozialgerichtes sei auch nicht mit der "Streitgegenstandstheorie" des Bundessozialgerichtes vereinbar.
Danach sei Voraussetzung für eine Beschränkung des Streitstoffes, dass eine Regelung über einen abtrennbaren Streitgegenstand
vorliege; hinsichtlich bestimmter Berechnungselemente scheide eine Begrenzung des gerichtlichen Prüfungsumfanges aus. Wenn
die Auffassung des Sozialgerichtes zuträfe, bedürfte es der Gesetzesinitiative des Bundesrates zur Neufassung von §
123 SGG (BR-Drs. 18/8971) nicht. Schließlich würde die Auffassung des Sozialgerichtes bedeuten, dass ein Bescheid innerhalb eines
Verfügungssatzes teilweise bestandskräftig werden könne. Dem könne nicht gefolgt werden, weil nur ein gesonderter Verfügungssatz
in materieller Bestandskraft erwachsen könne. Im Übrigen liege ein Verfahrensmangel vor, weil das Sozialgericht zu Unrecht
eine teilweise Klagerücknahme annehme.
Die Kläger beantragen:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 9. November 2017 wird zugelassen.
Der Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Es liege kein Zulassungsgrund vor.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde gemäß §
145 Abs.
1 SGG gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichtes Dresden vom 9. November 2017 ist zulässig, insbesondere
statthaft.
Gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des
Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt
betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt.
Ein auf eine Geldleistung gerichteter Verwaltungsakt ist nicht nur gegeben, wenn eine Leistung bewilligt wird, sondern auch
dann, wenn eine Leistung abgelehnt, entzogen, auferlegt, erlassen oder gestundet wird (vgl. BSG, Urteil vom 19. Januar 1996 - 1 RK 18/95 - NZS 1997, 388 [389f.] = juris Rdnr. 5; Sächs. LSG, Beschluss vom 13. Februar 2018 - L 3 AL 94/17 NZB - juris Rdnr. 16; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG [12. Aufl., 2017], §
144 Rdnr. 10a). §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (vgl. §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG).
Der Wert des Streitgegenstandes richtet sich danach, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er davon
mit seinem Berufungsantrag weiterverfolgt (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 27. Juni 2012 - L 3 AS 148/10 NZB - juris Rdnr. 3; Sächs. LSG, Urteil vom 14. März 2013 - L 3 AS 528/12- NZS 2013, 480 = juris, jeweils Leitsatz 2; Sächs. LSG, Urteil vom 4. April 2019 - L 3 AL 170/16 - juris Rdnr. 21; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG [12. Aufl., 2017], §
144 Rdnr. 14, m. w. N.). Maßgebender Zeitpunkt für die Bestimmung ist dabei die Einlegung der Berufung (vgl. BSG, Beschluss vom 13. Juni 2013 - B 13 R 437/12 B - juris Rdnr. 11; Sächs. LSG, Beschluss vom 13. Februar 2018 - L 3 AL 94/17 NZB - juris Rdnr. 17; Sächs. LSG, Urteil vom 4. April 2019, a. a. O.; Leitherer, a. a. O., § 144 Rdnr. 19).
Gemessen hieran wird mit den Nichtzulassungsbeschwerden der Kläger nicht der Grenzwert aus §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG überschritten. Dies gilt unabhängig davon, ob mit dem Sozialgericht von einer Erledigung des Rechtsstreites oder mit dem
Klägerbevollmächtigten von einer noch offenen Rückforderung in Höhe von insgesamt 402,01 EUR ausgegangen wird. Damit hatte
das Sozialgericht über die Zulassung der Berufung zu befinden. Es hat die Berufung nicht zugelassen.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil Gründe für die Zulassung der Berufung nicht vorliegen.
Nach §
144 Abs.
2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nummer 1), das Urteil von einer Entscheidung
des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts
abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nummer 2) oder ein an der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nummer 3). Keiner dieser Zulassungsgründe ist gegeben.
Eine umfassende inhaltliche Überprüfung der Entscheidung des Sozialgerichts ist im Beschwerdeverfahren nicht vorgesehen.
a) Eine Rechtssache hat dann im Sinne von §
144 Abs.
2 Nr.
1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen
Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die weitere Entwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse
genügt hingegen nicht (vgl. Leitherer, a. a. O., § 144 Rdnr. 28). Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl. BSG, Beschluss vom 16. November 1987 - 5b BJ 118/87 - SozR 1500 § 160a Nr. 60 = juris Rdnr. 3; BSG, Beschluss vom 16. Dezember 1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr. 16 = juris Rdnr. 6; ferner Leitherer, a. a. O., § 144 Rdnr. 28 f. und § 160 Rdnr. 6 ff. [jeweils
m. w. N.]). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht mehr, wenn sie schon entschieden ist oder durch Auslegung des
Gesetzes eindeutig beantwortet werden kann (vgl. BSG, Beschluss vom 30. September 1992 - 11 BAr 47/92 - SozR 3-4100 § 111 Nr. 1 Satz 2 = juris Rdnr. 8). Zur Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage muss die abstrakte Klärungsfähigkeit,
das heißt die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, und die konkrete Klärungsfähigkeit, das heißt die Entscheidungserheblichkeit
der Rechtsfrage, hinzutreten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 14. Juni 1984 - 1 BJ 82/84 - SozR 1500 § 160 Nr. 53 - juris).
Hiervon ausgehend besitzt die vom Klägerbevollmächtigten formulierte Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von
§
144 Abs.
2 Nr.
1 SGG. Diese Rechtsfrage als solche lässt sich ebenso wie die ihr implizit zugrunde gelegten und aus der Beschwerdebegründung zu
entnehmenden weiteren Rechtsfragen durch Auslegung des Gesetzes und unter Rückgriff auf einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung
eindeutig beantworten.
(1) Der Klägerbevollmächtigte spricht mit seiner Rechtsfrage die Frage einer teilweisen Klagerücknahme an.
Nach §
102 Abs.
1 Satz 1
SGG kann der Kläger die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme kann den gesamten Streitgegenstand
oder einen zur selbständigen Entscheidung geeigneten Teil betreffen (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG [12. Aufl., 2017], §
102 Rdnr. 4, m. w. N.). Das Bundessozialgericht hat hierzu bereits im Urteil vom 16. April 1964 (Az. 11/1 RA 206/61, BSGE 21, 13 ff. = SozR Nr. 5 zu §
156 SGG = juris Rdnr. 14) ausgeführt, dass "eine Berufung [ ] teilweise rücknahme- und verzichtsfähig [ist], soweit die Rücknahme
und der Verzicht entweder einen von mehreren Klageansprüchen oder einen abtrennbaren Teil eines Klageanspruchs betreffen.
Unter dem Klageanspruch ist der prozessuale, nicht der materiell-rechtliche Anspruch zu verstehen; er deckt sich mit dem Streitgegenstand
und richtet sich nach dem Ziel der Klage, nicht nach ihrem prozessualen Gewand und auch nicht nach dem tatsächlichen und rechtlichen
Klagegrund; Klageanspruch ist daher das Begehren auf rechtskräftigen Ausspruch bestimmter Rechtsfolgen [ ], die sich nach
Meinung des Klägers aus einem Sachverhalt ergeben." Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes
(vgl. z. B. aus jüngerer Zeit: BSG, Urteil vom 15. Juli 2015 - B 6 KA 32/14 R - BSGE 119, 190 ff. = SozR 4-2500 § 101 Nr. 17 = juris, jeweils Rdnr. 20).
Entsprechend einer nachträglichen teilweisen Klagerücknahme kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes
ein Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel auch bereits von Anfang an auf abtrennbare Teile eines Verwaltungsaktes beschränkt
werden (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 11. März 2009 - B 12 R 6/07 R - BSGE 103, 8 ff. = SozR 4-2500 § 229 Nr. 8 = juris, jeweils Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 15. Juli 2015, a. a. O., m. w. N.). Hierzu hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 11. März 2009 (a. a. O.)
angemerkt: "Von der Statthaftigkeit der Teilanfechtung, [ ], ist die Frage der Teilbarkeit des angegriffenen Verwaltungsakts
zu unterscheiden. Diese liegt nur vor, wenn die rechtlich unbedenklichen Teile nicht in einem untrennbaren rechtlichen Zusammenhang
mit dem rechtswidrigen Teil stehen. Die rechtlich unbedenklichen Teile müssen als selbstständige Regelung weiter existieren
können, ohne ihren ursprünglichen Bedeutungsgehalt zu verändern [ ] bzw die Rechtswidrigkeit des einen Teils darf sich nicht
auf den Rest des Verwaltungsakts auswirken [ ]. Die Frage der Teilbarkeit ist dabei allein nach materiellem Recht zu beurteilen
[ ]."
Auf dieser Grundlage hat das Bundessozialgericht auch zum Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende wiederholt entschieden,
dass eine Beschränkung des Streitstoffs nur in Bezug auf einen abtrennbaren Teil des Streitgegenstands in Betracht kommt,
nicht aber in Bezug auf einzelne Berechnungselemente (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 ff. = SozR 4-4200 § 12 Nr. 10 = NJW 2009, 2327 ff. = juris Rdnr. 21; BSG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - B 4 AS 203/10 R - SozR 4-1300 § 107 Nr. 5 = juris, jeweils Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 - B 4 AS 109/11 R - juris Rdnr. 26; BSG, Urteil vom 17. Juli 2014 - B 14 AS 54/13 R - BSGE 116, 200 ff. = SozR 4-4200 § 7 Nr. 37 = juris, jeweils Rdnr. 12; BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 47/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 87 = juris, jeweils Rdnr. 11). Als abtrennbarer Streitgegenstand ist im Recht der Grundsicherung
für Arbeitsuchende ein Klagebegehren bezüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 6. August 2014 - B 4 AS 55/13 R - BSGE 116, 254 ff. = SozR 4-4200 § 7 Nr. 38 = juris, jeweils Rdnr. 12), der Höhe einer Mehraufwandsentschädigung für eine Arbeitsgelegenheit
(vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 14 AS 66/07 R - BSGE 102, 73 ff. = SozR 4-4200 § 16 Nr. 3 = NJW 2009, 2478 ff. = juris Rdnr. 9), der Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 ff. = SozR 4-4200 § 23 Nr. 1 = juris Rdnr. 13), der Wohnungserstausstattung (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 2011 - B 4 AS 202/10 R SozR 4-4200 § 23 Nr. 13 = juris, jeweils Rdnr. 11) oder der Leistungen für Bildung und Teilhabe (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 12/13 R - SozR 4-4200 § 28 Nr. 8 = juris, jeweils Rdnr. 11) angesehen worden. Auch ein Rechtsstreit darüber, ob ein Anspruch auf
eine - dem Grunde nach unstreitige - Leistungsgewährung in Form eines Zuschusses an Stelle eines zurückzuzahlenden Darlehens
besteht, kann hierauf beschränkt werden (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 49/14 R - juris Rdnr. 15).
Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes anerkannt, dass abtrennbar und damit teilweise anfechtbar
in der Regel zahlenmäßig, zeitlich, örtlich, gegenständlich oder personell abgrenzbare Teile einer Entscheidung sind (vgl.
BSG, Urteil vom 27. Mai 2014 - B 5 R 6/13 R - BSGE 116, 64 ff. = SozR 4-2600 § 97 Nr. 2 = juris, jeweils Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 - B 5 R 12/14 R - BSGE 116, 64 ff. = SozR 4-2600 § 165 Nr. 1 = juris, jeweils Rdnr. 10; BSG, Urteil vom 15. Juli 2015 - B 6 KA 32/14 R - BSGE 119, 190 ff. = SozR 4-2500 § 101 Nr. 17 = juris Rdnr. 23; ähnlich bzgl. eines nach Menge, Größe oder Zeit teilbaren Verwaltungsaktes:
Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier,
VwGO [36. Erg.-Lfg., Februar 2019], § 42 Rdnr. 13; vgl. auch zur Zulässigkeit einer teilweisen Aufhebung einer eine Leistungsbewilligung betreffenden Aufhebungsentscheidung:
BSG, Urteil vom 29. April 2015 - B 14 AS 10/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 70 = juris Rdnr. 15).
(2) Für eine teilweise Klagerücknahme müssen mindestens zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen muss, da eine Klagerücknahme
eine Prozesshandlung in der Gestalt einer einseitigen Prozesserklärung ist (vgl. Burkiczak, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG [2017], §
102 Rdnr. 15; Hauck, in: Hennig:
SGG [44. Erg.-Lfg., September 2019], § 102 Rdnr. 5), für ihre Wirksamkeit ein Handlungs- oder Erklärungswillen vorliegen (vgl. BSG, Beschluss vom 21. Juli 2972 - 6 RKa 31/68 - SozR Nr. 11 zu §
102 SGG = NJW 1972, 2280 = juris Rdnr. 5). Eine Klagerücknahme muss unmissverständlich, völlig eindeutig und unzweifelhaft erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2017 - B 11 AL 2/16 R - juris Rdnr. 15). Zum anderen muss die Klagepartei ihr Rechtsschutzbegehren einschränken (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 - B 9/9a VS 3/06 R - BSGE 99, 1 ff. = SozR 4-3200 § 81 Nr. 3 = juris Rdnr. 15; vgl. zu ähnlichen Definitionen der Klagerücknahme: Burkiczak, a. a. O., Rdnr.
23; Hauck, a. a. O., Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG [12. Aufl., 2017], §
102 Rdnr.2). Ob im Einzelfall ein Erklärungswille und eine Beschränkung des Rechtsschutzbegehrens vorliegen, ist durch Auslegung
zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2007, a. a. O.; BSG, Urteil vom 23. Februar 2017, a. a. O.).
Ob die Klagepartei ihr Rechtsschutzbegehren einschränkt, ergibt sich aus einem Vergleich dessen, was sie bei Klageerhebung
begehrt hat und was sie nach der teilweisen Klagerücknahme weiter verfolgt. Ersteres ist aus der Klageschrift zu entnehmen.
Denn nach §
92 Abs.
1 Satz 1 Alt. 3
SGG muss die Klage "den Gegenstand des Klageverfahrens bezeichnen." Damit bezweckt der Gesetzgeber, dass dem Gericht das Ziel
der Klage, das heißt das Klagebegehren, erkennbar wird, anderenfalls die Klage unzulässig ist (vgl. BFH, Beschluss vom 26.
November 1979 - GrS 1/78 - BFHE 129, 117 = NJW 1980, 1415 ff. = juris Rdnr. 47; Luik, in: in: Hennig:
SGG [44. Erg.-Lfg., September 2019], §
92 Rdnr. 47).
Das Gewollte, das heißt das mit der Klage verfolgte Prozessziel, ist, so das Bundessozialgericht im Urteil vom 14. Juni 2018
(Az. B 9 SB 2/16 R, SozR 4-1500 § 92 Nr. 4 = juris, jeweils Rdnr. 12) unter Verweis auf frühere Rechtsprechung, "im Wege der Auslegung festzustellen
([ ]). In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des §
133 BGB ist der wirkliche Wille zu erforschen. Dabei sind nicht nur der Wortlaut, sondern auch die sonstigen Umstände des Falles,
die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind, zu berücksichtigen ([ ]). Im Zweifel ist davon auszugehen,
dass unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips alles begehrt wird, was dem Kläger aufgrund des Sachverhalts rechtlich
zusteht ([ ])."
Die - auch vorliegend relevante - Frage, ob ein Kläger nur eine Teilanfechtung oder eine teilweise Klagerücknahme vorgenommen
hat, ist durch Auslegung seiner prozessualen Erklärungen zu ermitteln. Hierzu hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 23.
Februar 2005 (Az. B 6 KA 77/03 R, SozR 4-1500 § 92 Nr. 2 = juris Rdnr. 15, m. w. N.) im Einzelnen ausgeführt: "Bei Zweifeln hinsichtlich des Streitgegenstandes
hat das Gericht darauf hinzuwirken, dass unklare Anträge erläutert und sachdienliche Anträge gestellt werden (§
106 Abs.
1 SGG). Ist dies nicht mehr rechtzeitig vor Ablauf der Klagefrist möglich, ist der wirkliche Wille des Klägers bei Erhebung der
Klage durch Auslegung seines bisherigen Vorbringens zu erforschen; Entsprechendes gilt für die Beurteilung von Erklärungen,
deren Deutung als teilweise Klagerücknahme in Frage kommt. Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert, dh wie das Gericht
und die übrigen Prozessbeteiligten bei Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände das Rechtsschutzbegehren verstehen müssen
([ ]). Allein aus fehlenden Äußerungen des Klägers zu abtrennbaren Aspekten eines Verwaltungsakts kann regelmäßig nicht geschlossen
werden, dass die betreffende Teilregelung nicht angefochten sein, sondern in Bestandskraft erwachsen soll. Nur wenn der Wille
des Klägers zur Begrenzung des Streitgegenstands klar und eindeutig zum Ausdruck gekommen ist, kann eine Teilanfechtung oder
eine teilweise Klagerücknahme angenommen werden ([ ])."
Für die zwischen dem Klägerbevollmächtigten einerseits und dem Sozialgericht andererseits unterschiedlich beantworteten Rechtsfrage,
ob im Fall der Klägerin eine anfängliche Teilanfechtung oder eine nachträgliche teilweise Klagerücknahme vorliegt, gibt es
mithin ausreichend einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes.
Ob die rechtliche Bewertung durch das Sozialgericht im Ergebnis zutreffend ist, betrifft hingegen die Rechtsanwendung im Einzelfall
und ist einer Prüfung im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zugänglich. Der Senat merkt deshalb lediglich informatorisch
an, dass die Auffassung des Sozialgerichtes, mit der kommentarlos eingelegten Klage habe der belastender Verwaltungsakt, den
die Kläger im Widerspruchsverfahren uneingeschränkt angegriffen hatten, auch im Klageverfahren in vollem Umfang angefochten
werden sollen, jedenfalls vertretbar wenn nicht auf der Grundlage der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sogar
naheliegend ist.
(3) Eine Klagerücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären (vgl. §
202 Satz 1
SGG i. V. m. §
269 Abs.
2 Satz 1
ZPO). Sie kann entweder in der mündlichen Verhandlung (vgl. §
202 Satz 1
SGG i. V. m. §
269 Abs.
2 Satz 2 Alt. 1
ZPO) zur Niederschrift (vgl. §
122 SGG i. V. m. §
160 Abs.
3 Nr.
8 ZPO) erklärt oder schriftlich (vgl. §
202 Satz 1
SGG i. V. m. §
269 Abs.
2 Satz 2 Alt. 2
ZPO) abgegeben werden.
Eine Klagerücknahme muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann auch konkludent erfolgen, zum Beispiel durch eine
Beschränkung des Klageantrages (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 1969 - 3 RK 99/65 - SozR Nr. 10 zu §
102 SGG juris Rdnr. 15; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG [12. Aufl., 2017], §
102 Rdnr. 7b, m. w. N.) oder, wenn - wie vorliegend - noch kein Antrag formuliert war, durch eine Beschränkung des Klagebegehrens.
Ob mit einem Klageantrag, der erstmals in einem zeitlich nach der Klageschrift eingegangen Schriftsatz formuliert ist, das
ursprüngliche Klagebegehren beschrieben oder das Klagebegehren nachträglich beschränkt werden soll, ist eine Frage des Einzelfalles.
b) Auch der von Amts wegen zu prüfende Zulassungsgrund der Divergenz im Sinne des §
144 Abs.
2 Nr.
2 SGG ist nicht gegeben. Dieser Zulassungsgrund liegt nur dann vor, wenn das Urteil des Sozialgerichts entscheidungstragend auf
einem abstrakten Rechtssatz beruht, der von dem zur gleichen Rechtsfrage aufgestellten Rechtssatz in einer Entscheidung eines
der im §
144 Abs.
2 Nr.
2 SGG genannten Gerichte abweicht (vgl. BSG, Beschluss vom 29. November 1989 - 7 BAr 130/88 - SozR 1500 § 160a Nr. 67 = juris Rdnr. 7; BSG, Beschluss vom 19. Juli 2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr. 32 = juris Rdnr. 21, m. w. N.; Leitherer, a. a. O., § 160 Rdnr. 13). Eine solche Abweichung hat
die Klagepartei weder behauptet, noch ist sie ersichtlich.
c) Schließlich liegt auch der Zulassungsgrund des §
144 Abs.
2 Nr.
3 SGG nicht vor. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Er bezieht
sich begrifflich auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil, nicht aber auf dessen sachlichen Inhalt,
das heißt seine Richtigkeit (vgl. Leitherer, a. a. O., § 144 Rdnr. 32 ff.). Die Zulassung der Berufung aufgrund eines Verfahrensmangels
erfordert, dass dieser Mangel nicht nur vorliegt, sondern auch geltend gemacht wird (vgl. §
144 Abs.
2 Nr.
3 SGG). Ein Verfahrensmangel wurde nicht geltend gemacht. Soweit der Klägerbevollmächtigte vorträgt, das Sozialgericht habe zu
Unrecht "die Prozesserklärung einer teilweisen Klagerücknahme" angenommen, rügt er entgegen seiner Rechtsauffassung nicht
einen Verfahrensmangel, sondern eine aus seiner Sicht unrichtige Rechtsanwendung.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 Abs.
1 Satz 1
SGG.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. §
177 SGG).