SGB-II-Leistungen
Einstweiliger Rechtsschutz
Bezug von Sozialgeld
Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte
Keine Erweiterung der Anspruchsvoraussetzungen
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 15. September 2017, mit dem ihr Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist.
Die 1994 geborene Antragstellerin ist amerikanische Staatsangehörige. Sie reiste am 31. Januar 2017 visumfrei in die Bundesrepublik
Deutschland mit dem Ziel des dauerhaften Aufenthaltes ein und beantragte nach der Einreise bei der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt
A ... einen Aufenthaltstitel. Eine Entscheidung liegt noch nicht vor. Der Antragstellerin wurde am 7. März 2017 bis zur Entscheidung
über ihren Antrag eine bis zum 5. September 2017 gültige Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG), die sie zum Aufenthalt, nicht hingegen zur Erwerbstätigkeit berechtigt, erteilt und bis zum 28. November 2017 verlängert.
Am 3. März 2017 heiratete sie den afghanischen Staatsbürger Y ..., der mit Bescheid vom 6. November 2011 vom Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge unanfechtbar als Flüchtling anerkannt ist und seit dem Jahr 2016 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) bezieht. Y ... hat einen bis zum 9. Dezember 2018 gültigen Aufenthaltstitel. Am 6. April 2017 wurde das gemeinsame Kind
X ... in Deutschland geboren. Ihm wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22. August 2017 die
Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.
Der Ehemann der Antragstellerin hat ab dem 6. April 2017 einen Anspruch auf Elterngeld für das Kind X ... in Höhe von 300,00
EUR. Dem vom Antragsgegner geltend gemachten Erstattungsanspruch vom 31. Mai 2017 hat die Landeshauptstadt A ... (Jugendamt
SG Elterngeld/Erziehungsgeld) mit Bescheid vom 26. Juli 2017 für die Zeit vom 6. April 2017 bis zum 31. Juli 2017 entsprochen.
Der gestellte Kindergeldantrag ist noch nicht verbeschieden.
Die Familie lebte zunächst in einer Wohnung auf der W ... Straße in A ... (39 m²), für die sie eine Warmmiete in Höhe von
389,00 EUR zahlte. Sie zog zum 1. Juli 2017 in eine Wohnung (45,84 m²) auf der V ...-Straße in A ..., für die sie eine Warmmiete
in Höhe von 449,63 EUR zahlt. Der Vermieter mahnte mit Schreiben vom 10. Oktober 2017 die rückständigen Zahlungen aus dem
Mietverhältnis in Höhe von 454,62 EUR für September und Oktober 2017 an.
Am 23. März 2017 stellte die Antragstellerin gemeinsam mit ihrem Ehemann einen Antrag auf Bewilligung von SGB II-Leistungen. Zugunsten des Ehemannes Y ... bewilligte der Antragsgegner für den Zeitraum vom 1. April bis zum 31. August 2017
vorläufig Leistungen in Höhe von 562,50 EUR monatlich. Gegenüber der Antragstellerin wurde der Antrag mit Bescheid vom 29.
März 2017 mit der Begründung abgelehnt, dass im Hinblick auf die fehlende Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit und eines Aufenthaltsrechtes,
das lediglich auf einer Fiktionsbescheinigung beruhe, SGB II-Leistungen nicht bewilligt werden könnten. Allerdings käme ein Anspruch gegenüber dem Sozialamt in Betracht.
Die Antragstellerin legte zunächst keinen Widerspruch ein und beantragte am 11. April 2017 bei der Landeshauptstadt A ...
(Sozialamt) Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Mit Bescheid vom 11. Mai 2017 lehnte die Landeshauptstadt A ... den Antrag ab. Die Antragstellerin habe als Mitglied einer
von Y ... geführten Bedarfsgemeinschaft Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.
In Ansehung dieser Ablehnung legte die Antragstellerin - nunmehr anwaltlich vertreten - am 1. Juni 2017 Widerspruch gegen
den Bescheid des Antragsgegners vom 29. März 2017 ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Es könne ihr nicht
zum Nachteil gereichen, sich auf den Hinweis des Antragsgegners, maßgeblicher Leistungsträger sei die Landeshauptstadt A ...,
verlassen zu haben. Über diesen Widerspruch hat der Antragsgegner noch nicht entschieden.
Die Antragstellerin beantrage am 9. Juni 2017 den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Sozialgericht verpflichtete den
Antragsgegner mit Beschluss vom 3. Juli 2017 (Az. S 6 AS 2210/17 ER), der Antragstellerin vorläufig für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis zum 31. August 2017 bis zur bestandskräftigen Entscheidung
über ihren Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 29. März 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II in Höhe von 497,67 EUR monatlich zu erbringen.
Mit Bescheid vom 6. Juli 2017 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin in Umsetzung des Beschlusses des Sozialgerichts
im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vorläufig bis zur Bestandskraft bzw. Rechtskraft der Entscheidung in der
Hauptsache oder einer anderen Entscheidung im Beschwerdeverfahren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und legte gegen den Beschluss vom 3. Juli 2017 am 14. Juli 2017 Beschwerde (Az. L 3 AS 745/17 B ER) ein.
Auf den (Weiterbewilligungs-)Antrag vom 26. Juli 2017 bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 9. August 2017 dem Ehemann
der Antragstellerin und den mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
für September 2017 bis August 2018 in Höhe von monatlich 247,87 EUR (allein für den Ehemann) und lehnte den Antrag im übrigen
ab. Mit Änderungsbescheid vom 18. August 2017 bewilligte er unter Aufhebung des Bescheides vom 9. August 2017 dem Ehemann
der Antragstellerin monatlich 363,32 EUR und dem gemeinsamen Kind monatlich 271,42 EUR. Der Mietanteil in Höhe von 224,82
EUR wird direkt an den Vermieter überwiesen.
Die Antragstellerin wandte sich gegen den ablehnenden Bescheid mit Widerspruch, über den noch nicht entschieden wurde.
Die Antragstellerin beantragte am 31. August 2017 beim Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie habe in
Ansehung dessen, das sie nicht erwerbsfähig sei, einen Anspruch auf Sozialgeld nach dem SGB II als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ihres Ehemannes. Die Ausschlusstatbestände des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II seien nicht einschlägig. Der Anspruch belaufe sich auf 419,58 EUR unter Berücksichtigung von 368,00 EUR Regelsatz und 149,87
EUR Kosten für Unterkunft und Heizung. Es bestehe eine wirtschaftliche und existentielle Notlage. Die Familie könne ihren
notwendigsten Verpflichtungen nicht nachkommen, insbesondere keine Miete zahlen. Sie, die Antragstellerin, verfüge über ein
materielles Aufenthaltsrecht aus § 4 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 41 Abs. 2 der Aufenthaltsverordnung (AufenthV). Eine ablehnende Entscheidung würde auch gegen Artikel
6 Abs.
1 des
Grundgesetzes verstoßen. Nicht allein dem Kind, auch der Mutter müsse ein Anspruch zuerkannt werden.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 15. September 2017 den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Es bestehe weder
ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund. Die Antragstellerin sei gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von der Gewährung von Leistungen ausgeschlossen. Sie verfüge über kein materiellen Aufenthaltsrecht im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a SGB II. Die Ausländerbehörde hätte die Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts nach §§ 16 bis 38a AufenthG bisher nicht festgestellt. § 81 Abs. 3 AufenthG entfalte Tatbestandswirkung, so dass ein Aufenthaltsrecht gerade nicht festgestellt sei. Diese Rechtsauffassung zur Rechtsnatur
der Fiktionsbescheinigung entspreche der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht
der Antragstellerin seien weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin hat hiergegen am 19. September 2017 Beschwerde eingelegt. Ein Aufenthaltsrecht könne sich aus einem Aufenthaltstitel
und aus Gesetz oder Rechtsverordnungen ergeben. Ihr materielles Aufenthaltsrecht ergebe sich aus § 4 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 41 Abs. 1 AufenthV, der gerade für Staatsangehörige der Vereinigten Staaten von Amerika etwas anderes im Sinne des § 4 Abs. 1 AufenthG bestimme. Da sich das Aufenthaltsrecht aus dem Gesetz ergebe, bedürfe es einer Glaubhaftmachung nicht.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß in Anlehnung an den Antrag im erstinstanzlichen Verfahren -,
den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 15. September 2017 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin
laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von 419,58 EUR monatlich für die Zeit vom 1. September 2017 bis zum 31. August 2018 bis zu einer bestandskräftigen
Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 30. August 2017 zu zahlen.
Der Antragsgegner hat weder eine Stellungnahme abgegeben noch einen Antrag gestellt.
Mit Beschluss vom 2. Oktober 2017 hat der Senat die Landeshauptstadt A ... zum Verfahren beigeladen.
Die Beigeladene vertritt die Auffassung, dass der Beschluss des Sozialgerichts unzutreffend sei. Die Antragstellerin sei nicht
nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen.
Am 26. Oktober 2017 hat der Antragstellerbevollmächtigte telefonisch mitgeteilt, dass die Kündigung des Mietverhältnisses
eingegangen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Gerichtsakten
und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
II.
1. Der Antrag war sachdienlich (vgl. §
123 des
Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) dahingehend auszulegen, dass Leistungen für die Zeit vom 1. September bis zur bestandskräftigen oder rechtskräftigen
Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31. August 2018 und nicht, wie offensichtlich einem Schreibfehler geschuldet,
bis zum 30. August 2017 begehrt werden.
2. Die so verstandene Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet.
Die Vorausaussetzungen für den begehrten Erlass der einstweiligen Anordnung liegen vor.
a) Nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint
(Regelungsanordnung). Voraussetzung für den Erlass einer derartigen einstweiligen Anordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund,
das heißt die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, als auch ein Anordnungsanspruch, das heißt
die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs, glaubhaft gemacht werden
(vgl. §
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i. V. m. §
920 Abs.
2 der
Zivilprozessordnung [ZPO]).
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung
zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch
auf die begehrte Leistung zusteht und deshalb der Antragsteller im Hauptsacheverfahren mit dem gleichen Begehren voraussichtlich
Erfolg haben würde und zudem eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile geboten ist. Dabei wird der Sachverhalt gemäß
§
103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten ermittelt, soweit dies unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des
Rechtsschutzbegehrens geboten ist (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 31. Januar 2008 - L 3 B 465/07 AS ER - juris Rdnr. 19). Hierbei sind Tatsachen, auf die der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund der begehrten einstweiligen
Anordnung gestützt werden, glaubhaft zu machen (vgl. §
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i. V. m. §
920 Abs.
2 ZPO). Glaubhaftmachung ist die Beweisführung aufgrund überwiegender Wahrscheinlichkeit, was anstelle des Vollbeweises einen geringeren
Wahrscheinlichkeitsgrad zulässt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2003 - IX ZB 37/03 - BGHZ 156, 139 [142] = NJW 2003, 3558 ff. = juris Rdnr. 8; Zöller,
ZPO [31. Aufl., 2016], §
294 Rdnr. 1, m. w. N.; vgl. hierzu Sächs. LSG, Beschluss vom 1. August 2005 - L 3 B 94/05 AS ER - juris Rdnr. 34).
b) Vorliegend hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, der sich gegen den gemäß § 36 SGB II für die Leistungsgewährung örtlich zuständigen Antragsgegner richtet.
(1) Allerdings hat die Antragstellerin nicht, wie der Antragstellerbevollmächtigte meint, einen Anspruch auf der Grundlage
von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II.
Denn Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Nach § 8 Abs. 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB II können im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB II Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt
werden könnte. Die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 AufenthG aufzunehmen, ist ausreichend (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Hilfebedürftigkeit ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann
und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
Die Antragstellerin hat im streitbefangenen Zeitraum zwar das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht. Sie ist, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist, hilfebedürftig und hat seit dem 31. Januar
2017 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Auch sind vorliegend ungeachtet ihres noch nicht abschließend
gesicherten ausländerrechtlichen Status keine durchgreifenden Anhaltspunkte gegen die Annahme des gewöhnlichen Aufenthalts
in der Bundesrepublik Deutschland erkennbar (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II). Die zum Zeitpunkt der Einreise schwangere Antragstellerin, reiste in die Bundesrepublik Deutschland ein, um hier eine Familie
zu gründen und dauerhaft zu leben.
Ausweislich der Fiktionsbescheinigung vom 7. März 2017 ist der Antragstellerin aber eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet
(vgl. auch § 81 Aufenthaltsgesetz). Auch ist nicht erkennbar, dass ihr die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden könnte. Aufgrund dessen gehört die Antragstellerin
- nach ihrem derzeitigen Rechtsstatus - für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht dem leistungsberechtigten Personenkreis
nach dem § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II an.
(2) Jedoch hat die Antragstellerin gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II einen Anspruch auf Sozialgeld nach § 19 SGB II.
Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Gemäß
§ 19 Abs.1 Satz 2 SGB II erhalten nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft
leben, Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII haben. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II).
Die Antragstellerin war im streitigen Zeitraum auf Grund ihrer ausländerrechtlichen Situation nicht erwerbsfähig, ohne soweit
ersichtlich deswegen aufgrund ihres Alters oder ihres Gesundheitszustandes einen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten
Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) zu haben. Sie lebt zumindest seit dem 1. Februar 2017 (seit dem 3. März 2017 als dessen Ehefrau) mit Y ... in einer Bedarfsgemeinschaft
im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a SGB II. Der Ehemann der Antragstellerin ist ein erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II und steht seit 2016 im Leistungsbezug nach dem SGB II. Anhaltspunkte, die gegen eine Leistungsberechtigung des Ehemanns der Antragstellerin sprechen würden, sind nicht gegeben.
(3) Für nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II, zu denen die Antragstellerin zählt, gelten die Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II über Leistungsausschlüsse nicht (vgl. Leopold, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [4. Aufl., 2015], § 7 Rdnr. 81, m. w. N.; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB II [Stand: Erg.-Lfg. V/2017, Juni 2017], § 7 Rdnr. 161; im Ergebnis ebenso: Sächs. LSG, Beschluss vom 23. September 2014 - L 7 AS 986/14 B ER - NZS 2014, 875 f. = ZFSH/SGB 2015, 106 ff. = juris Rdnr. 51, 60; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17. Februar 2011 - L 7 AS 1323/10 B - juris Rdnr. 11; Korte/Thie, in: Münder [Hrsg.], SGB II [6. Aufl., 2017], § 7 Rdnr. 23).
Dies ergibt sich zum einen aus dem Gesetzeswortlaut und zum anderen aus der Gesetzessystematik. Im Gegensatz zu § 7 Abs. 1 SGB II sind in § 7 Abs. 2 SGB II keine Ausnahmetatbestände in Bezug auf die dort genannten Leistungsberechtigten geregelt, und zwar weder unmittelbar noch
mittelbar im Wege einer Verweisung. Gesetzessystematisch enthält, wie das Bundessozialgericht im Urteil vom 28. Oktober 2014
dargestellt hat, die Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld II durch erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die Regelung in §
7 Abs. 2 Satz 1 SGB II die Voraussetzungen für den Bezug von Sozialgeld durch nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte. Die Voraussetzungen eines
Leistungsanspruchs für nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte sind nicht um die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II für erwerbsfähige Leistungsberechtigte zu erweitern (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 - B 14 AS 65/13 R - BSGE 117, 186 ff. = SozR 4-4200 § 7 Nr. 39 = juris, jeweils Rdnr. 17). Dieses Nebeneinander für sich stehender Anspruchsgrundlagen schließt
es, so das Bundessozialgericht, aus, § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Ergänzung zu den Voraussetzungen unter anderem von § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II zu verstehen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014, a. a. O., Rdnr. 18). Wenn aber bereits die grundlegenden, erwerbsfähige Leistungsberechtigte
betreffenden Tatbestandsvoraussetzungen nicht bei der Prüfung von § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II herangezogen werden können, gilt dies erst recht für die Ausnahmetatbestände in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, die sich gesetzessystematisch und nach Sinn und Zweck auf erwerbsfähige Leistungsberechtigte beziehen.
Etwas anderes folgt nicht aus dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 21. Dezember 2009. Dort hat das Bundessozialgericht
entschieden, dass der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II für Leistungsberechtigte nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz auch für nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige gilt, die mit einem Leistungsempfänger nach dem SGB II in Bedarfsgemeinschaft leben (vgl. BSG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - B 14 AS 66/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 14 = juris, jeweils Leitsatz und Rdnr. 14 ff.). Dieser Entscheidung lag die Ausschlussregelung des
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II in der bis zum 31. März 2006 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2954) zugrunde. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der damaligen Fassung hatten Ausländer ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und erhielten Leistungen
nach dem SGB II, wenn die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 SGB II vorlagen; dies galt nicht für Leistungsberechtigte nach §
1 des
Asylbewerberleistungsgesetzes (
AsylbLG). Der Ausnahmetatbestand aus dem damaligen § 7 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II findet sich nunmehr in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II. Das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 21. Dezember 2009 ist für den Fall der Antragstellerin nicht maßgebend, weil sich
diese Entscheidung im Kern nicht zum Verhältnis der Regelungen im SGB II zur Leistungsberechtigung von erwerbsfähigen und nichterwerbsfähigen Leistungsberechtigten verhält, sondern zu dem Sonderfall
der Leistungsberechtigung nach dem SGB II auf der einen Seite und der nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz aus der anderen Seite.
(4) Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass die Antragstellerin, wenn entgegen der vorstehenden Ausführungen, aber nach dem
übereinstimmenden Ansatz der Beteiligten von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II auszugehen wäre, im streitbefangenen Zeitraum nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen wäre.
(4.1) Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II sind von Leistung für die ersten drei Monate ihres Aufenthaltes Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen
ausgenommen, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des
§ 2 Abs. 3 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) freizügigkeitsberechtigt sind. Letzteres gilt dabei nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel
nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, wobei aufenthaltsrechtliche Bestimmungen unberührt bleiben (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Dieser Leistungsausschluss ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Februar 2016 -
C-299/14 [Garcia-Nieto] - NJW 2016, 1145 f. = NVwZ 2016, 450 f. = ZFSH/SGB 2016, 189 ff.). Er wäre im Fall der Antragstellerin aber bereits deshalb nicht von Relevanz, weil sich der
in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II geregelte Leistungsausschluss allein auf die ersten drei Monate des Aufenthalts bezieht und die Antragstellerin Leistungen
ab dem achten Aufenthaltsmonat geltend macht.
(4.2) Ein Leistungsausschluss ergäbe sich auch nicht aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b SGB II. Gemäß dieser Vorschrift sind vom Leistungsbezug Ausländer ausgenommen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck
der Arbeitsuche ergibt (vgl. BSG Urteil vom 25. Januar 2012 - B 14 AS 138/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 28 = juris Rdnr. 22; BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 ff. = SozR 4-4200 § 7 Nr. 34 = juris, jeweils Rdnr. 34). Die Antragstellerin reiste aber nicht zum Zwecke der Arbeitsuche
in die Bundesrepublik Deutschland ein. Zweck der Einreise war vielmehr die Eheschließung und die gemeinsame Familienführung
in der Bundesrepublik Deutschland. Ihr Aufenthaltsrecht ergibt sich bis zur Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung eines
Aufenthaltstitels allein aus § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Danach gilt der Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitel
als erlaubt, wenn der Ausländer die Erteilung des Aufenthaltstitels zu einem Zeitpunkt beantragt, zu welchem er sich, ohne
einen Aufenthaltstitel zu besitzen, rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Antragstellerin beantragte unmittelbar nach der
Einreise am 31. Januar 2017 bei der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt A ... einen Aufenthaltstitel. Zum Zeitpunkt der
Beantragung hatte sie sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Als Staatsangehörige der Vereinigten Staaten von Amerika
ist sie ohne Visum am 31. Januar 2017 in das Bundesgebiet rechtmäßig eingereist. Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AufenthV können Staatsangehörige von Australien, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea, von Neuseeland und der Vereinigten Staaten
von Amerika auch für eine Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin
aufhalten. Ein erforderlicher Aufenthaltstitel kann im Bundesgebiet eingeholt werden (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 2 AufenthV).
(4.3) Ein Leistungsausschluss ergäbe sich auch nicht aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II. Die Antragstellerin leitet ihr Aufenthaltsrecht nicht als Freizügigkeitsberechtigte nach Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer
innerhalb der Union ab.
(4.4) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wären auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II ausgeschlossen. Denn Anspruch auf Asylbewerberleistungen hat die Antragstellerin im streitigen Zeitraum ebenfalls unstrittig
nicht.
(4.5) Schließlich ergäbe sich ein Leistungsausschluss im Fall der Antragstellerin entgegen der Auffassung des Antragsgegners
auch nicht aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a SGB II. Danach sind Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben, von Leistungen ausgeschlossen.
Der Ausschlussgrund des fehlenden Aufenthaltsrechts ist mit Wirkung vom 29. Dezember 2016 durch das Gesetz zur Regelung von
Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II und der Sozialhilfe nach dem SGB XII vom 22. Dezember 2016 eingefügt worden (BGBl. I S. 3155). Hintergrund der Gesetzesänderung waren mehrere Entscheidungen des
Bundessozialgerichts (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 [Az. B 4 AS 44/15 R]) zu Ansprüchen von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern auf Sicherung ihres Existenzminimums, nachdem der Europäischen
Gerichtshof die im SGB II geregelten Leistungsausschlüsse von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern als europarechtskonform bestätigt hat (vgl. EUGH,
Urteil vom 11. November 2011 - C 333/13 [Dano] - SozR 4-6065 Art 4 Nr. 3 = NJW 2015, 145 ff.). Das Bundessozialgericht hatte entschieden, dass Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, deren Aufenthaltsrecht sich allein
aus dem Zweck der Arbeitsuche ergab oder die über kein Aufenthaltsrecht verfügten, im SGB II und im SGB XII von einem Anspruch auf Leistungen ausgeschlossen waren. Durch die Gesetzesänderung hat der Gesetzgeber die Leistungsausschlüsse
im SGB II ergänzt und unter anderem klargestellt, dass Personen ohne materielles Aufenthaltsrecht aus dem Freizügigkeitsgesetz/EU von
den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind (vgl. BT-Drucks. 18/10211, S. 1 und 2). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll im SGB II daran festgehalten werden, dass Unionsbürger mit einem Freizügigkeitsrecht aus der Freizügigkeitsrichtlinie insbesondere
als Erwerbstätige Leistungen nach dem SGB II erhalten. Daneben bleibt der grundsätzliche Leistungsausschluss für Unionsbürger, die allein ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche
haben, bestehen (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe b SGB II [neu]). Zusätzlich werden die Leistungsausschlüsse entsprechend der bisherigen Auslegung des Gesetzes (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 43; BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 59/13 R - juris; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 - B 14 AS 18/14 R - juris) ergänzt und damit klargestellt, dass nicht erwerbstätige Personen ohne materielles Freizügigkeits- oder Aufenthaltsrecht
"erst recht" von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a; BT-Drucks. 18/10211, S. 13;).
Der Gesetzgeber unterscheidet ersichtlich zwischen Aufenthaltsrecht und Aufenthaltstitel. Aufenthaltstitel werden gemäß §
4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG erteilt als Visum im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 AufenthG, Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 AufenthG, Blaue Karte EU gemäß § 19a AufenthG, Niederlassungserlaubnis gemäß § 9 AufenthG und Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU gemäß 9a AufenthG. Der Aufenthaltstitel hat ein Aufenthaltsrecht zur Folge. Jedoch kann auch ohne Aufenthaltstitel ein materielles Recht zum
Aufenthalt bestehen.
Der Gesetzgeber wollte auch in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a SGB II (auch mit Blick auf die besondere ausländerrechtliche Situation bei Unionsbürger, welche nach § 2 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU für die Einreise keines Visums und für den Aufenthalt keines Aufenthaltstitels bedürfen) den Leistungsausschluss bewusst
an ein fehlendes Aufenthaltsrecht binden. Denn ein Aufenthaltstitel dürfte bei Unionsbürger grundsätzlich nicht vorliegen.
Sollte jedoch auch das Aufenthaltsrecht fehlen, sollte "erst recht" ein Leistungsausschluss bestehen. Der Gesetzgeber wollte
mit der Gesetzesänderung nicht den Zuzug von Ausländern im Rahmen der Familiennachzugs oder der Familienzusammenführung beschränken.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kommt es daher nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a SGB II nicht auf die Erteilung des Aufenthaltstitels, sondern allein auf das Bestehen des Aufenthaltsrecht an (so bereits Sächs.
LSG, Beschluss vom 6. September 2017 - L 3 AS 736/17 B ER [n. v.; Einzelrichterentscheidung] für den Fall einer brasilianischen Staatsangehörigen, die als Ehefrau eines deutschen
Staatsangehörigen eingereist ist).
Ausländer bedürfen nach § 4 Abs. 1 AufenthG für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union
oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer
Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Wie bereits dargelegt war die Klägerin aufgrund § 41 Abs. 1 AufenthV trotz des nicht nur beabsichtigten Kurzaufenthaltes von dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit und ist nicht nur
rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist, sondern hielt sich jedenfalls 90 Tage nach der Einreise (vgl. hierzu § 41 Abs. 3 AufenthV) auch rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Ihr stand damit zunächst ein Aufenthaltsrecht zu. Dieses endet, wenn nicht innerhalb
der 90 Tage der für einen längeren Aufenthalt erforderliche Aufenthaltstitel beantragt wird (vgl. hierzu § 41 Abs. 3 AufenthV).
Unstreitig stellte die Antragstellerin den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis innerhalb von 90 Tagen nach der
Einreise. Sie hält sich damit bis heute durchgängig rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland auf und verfügt damit seit
dem Zeitpunkt der Einreise bis heute über ein Aufenthaltsrecht. Die Beantragung des Aufenthaltstitels hat zur Folge, dass
der Aufenthalt der Antragstellerin nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG als bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde erlaubt gilt. Der Antragstellerin wurde gemäß § 81 Abs. 5 AufenthG eine Bescheinigung über die Wirkung der Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) ausgestellt, welche derzeit bis zum 28. November
2017 befristet ist. Der Aufenthalt aufgrund der Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 AufenthG und die dies lediglich ausweisende, von Amts wegen auszustellende Fiktionsbescheinigung stellen unstreitig keinen Aufenthaltstitel
im oben beschriebenen Sinne dar. Bei rechtzeitiger Antragstellung und rechtmäßigem Inlandsaufenthalt wird jedoch der rechtmäßige
Inlandaufenthalt und somit auch das Aufenthaltsrecht bis zur Entscheidung über den Antrag als weiter fortbestehend fingiert
(vgl. Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht [14. Ed., Stand 1. Mai 2017], § 81 AufenthG Rdnr. 17; zu § 81 Abs. 3 AufenthG [jedoch vor Geltung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a SGB II]: Hess. LSG, Beschluss vom 6. September 2011 - L 7 AS 334/11 B ER - FEVS 63, 459 ff. = juris Rdnr. 36). Anders ist es, wenn der Antrag verspätet gestellt wird (vgl. § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG) oder eine bloße Duldung vorliegt (§ 60a AufenthG). In diesen Fällen ist lediglich die zwangsweise Durchsetzung einer einem Ausländer obliegenden Ausreisepflicht zeitweise
ausgesetzt. Der Aufenthalt ist in diesen Fällen nicht rechtmäßig.
Da sich die Antragstellerin im streitbefangenen Zeitraum jedoch rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, somit ein Aufenthaltsrecht
hatte, würde sie bereits nicht unter den vorgenannten von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a SGB II erfassten Personenkreis fallen. Da sich ihr Aufenthaltsrecht aus dem Gesetz ergibt, bedarf es keiner weiteren Glaubhaftmachung.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nicht gesichert ist, ob der Antragstellerin ein Aufenthaltstitel erteilt wird oder
ihr Aufenthaltsrecht entfällt. Der Ausländerbehörde obliegt es, über den Antrag zu entscheiden.
(5) Da der Antragsgegner nach den vorstehenden Ausführungen auf jeden Fall der für das Begehrend der Antragstellerin Leistungsverpflichtete
ist, kann dahingestellt bleiben, ob der Antragsgegner als Träger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II (vgl. §§ 6, 44b Abs. 1 SGB II) nicht bereits gemäß §
43 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (
SGB I) als zuerst angegangener Leistungsträger zur Erbringung vorläufiger Leistungen verpflichtet ist (so LSG für das Land Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 7. April 2016 - L 7 AS 288/16 B ER - juris Rdnr. 18).
c) Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie verfügt über kein Einkommen oder Vermögen, um
ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Dies wird hinreichend durch die nunmehr vorliegende Mahnung des Vermieters vom 10. Oktober
2017 belegt. Neben dem drohenden Verlust des Lebensmittelpunkts bestehen weitere mögliche Nachteile wie die Kosten des Kündigungsrechtsstreits,
ein Schufa-Eintrag, die zeit- und kostenaufwändige Suche nach einer preiswerten Ersatzwohnung und der Umzugsaufwand.
d) Der Anspruch setzt sich in der Höhe aus der monatlichen Regelleistung in Höhe von 368,00 EUR und einem kopfteiligen Anspruch
für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 149,87 EUR zusammen. Miete ist in Höhe von 449,63 EUR zu zahlen. Unter Abzug
der Versicherungspauschale ist das Elterngeld anzurechnen (vgl. § 10 Abs. 5 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG), so dass, da ein weiteres zu berücksichtigendes Einkommen nicht bekannt ist, der Anspruch in der geltend gemachten Höhe
zuerkannt werden konnte.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von 193 Abs. 1 Satz 1
SGG.
4. Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.
Dem Antragsgegner steht es frei entsprechend §
86b Abs.
1 Satz 4
SGG eine Änderung oder Aufhebung der einstweiligen Anordnung zu beantragen, wenn sich der ausländerrechtliche Status der Antragstellerin
oder die Anspruchshöhe aufgrund eines anzurechnenden Einkommens ändert (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], §
86b Rdnr. 45, m. w. N.).