Tatbestand:
Die Beteiligten streiten - im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens - über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte
des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für die Jahre 1972
und 1986 bis 1990 (Zuflussjahre) in Form von Jahresendprämien festzustellen.
Der 1943 geborene Kläger arbeitete seit 1. Dezember 1962 als technischer Zeichner im volkseigenen Betrieb (VEB) RAFENA-Werke
C ...; der Betrieb gehörte später zum VEB Kombinat Robotron. Dem Kläger wurde, nach einem kombinierten Fachschul- und Fachschulabendstudium
in der Fachrichtung Elektrofeinwerktechnik an der Ingenieurhochschule Z ... in der Zeit von Februar 1965 bis April 1971, mit
Urkunde vom 2. April 1971 das Recht verliehen, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Er war vom 1. Januar 1971 bis
30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Konstrukteur sowie als Gruppen- und Abteilungsleiter Konstruktion im VEB Kombinat
Robotron - Großforschungszentrum - bzw. VEB Robotron Elektronik C ... beschäftigt. Er erhielt keine Versorgungszusage und
war zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2002 stellte die Beklagte die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. April 1971 (unzutreffend;
richtigerweise: 2. April 1971) bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen
Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest.
Mit Überprüfungsantrag vom 18. September 2007 begehrte der Kläger erstmals die Berücksichtigung von Jahresendprämien bei den
festgestellten Arbeitsentgelten. Auf den Antrag stellte die Beklagte mit - bestandkräftig gewordenem - Bescheid vom 22. Januar
2009 fest, dass der Bescheid vom 17. Oktober 2002 rechtswidrig sei und nicht zurückgenommen werden können, weil die betriebliche
Voraussetzung für eine fingierte Zusatzversorgungsanwartschaft am 30. Juni 1990 ("leere Hülle") nicht vorgelegen habe. Weitere
Rechte seien aus der rechtswidrigen Feststellung nicht herleitbar.
Mit erneutem Überprüfungsantrag vom 18. August 2010 wandte sich der Kläger gegen die - auf der Grundlage des Rechtswidrigkeitsfeststellungsbescheids
vom 22. Januar 2009 - bei seiner Altersrente vorgenommene Aussparung und begehrte die Wiederherstellung der "Zusatzrente".
Nach Überprüfung hob die Beklagte mit Bescheid vom 23. November 2010 den Rechtswidrigkeitsfeststellungsbescheid vom 22. Januar
2009 auf, stellte die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG fest, erklärte den Feststellungsbescheid vom 17. Oktober 2002 für rechtmäßig und lehnte die Berücksichtigung höherer Verdienste
ab, da diese weder nachgewiesen, noch glaubhaft gemacht worden seien. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 3. Dezember
2010 Widerspruch und begehrte die Berücksichtigung von Jahresendprämien in Höhe eines durchschnittlichen Monatsverdienstes.
Er legte eine gemeinsame Erklärung des ehemaligen Betriebsdirektors Y ... und des ehemaligen Hauptbuchhalters F ... des ehemaligen
VEB RAFENA-Werke C ... bzw. des Nachfolgebetriebes VEB Robotron Elektronik C ... von November 2007 vor. In dieser ist ausgeführt,
dass alle ehemaligen Mitarbeiter des Betriebes seit März 1969 eine Jahresendprämie jährlich in Höhe eines durchschnittlichen
Monatsgehaltes erhielten. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2011 als unbegründet zurück.
Zur Begründung führte sie aus: Der Zufluss der begehrten weiteren Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien sei weder nachgewiesen
noch glaubhaft gemacht worden. Die Zeugenerklärung enthalte keine konkreten Angaben zu den Höhen der Prämien. Die Höhe der
Jahresendprämien des Einzelnen sei von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute ohne entsprechende Unterlagen
nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Eine pauschale Berücksichtigung der Prämien könne daher nicht erfolgen.
Mit abermaligem Überprüfungsantrag vom 29. April 2014 begehrte der Kläger erneut die Berücksichtigung von Jahresendprämien
in Höhe von 70 Prozent des Entgelts des jeweils vorangegangenen Kalenderjahres als glaubhaft gemachtes Arbeitsentgelt und
reichte die gemeinsame Erklärung des ehemaligen Betriebsdirektors Y ... und des ehemaligen Hauptbuchhalters F ... des ehemaligen
VEB RAFENA-Werke C ... bzw. des Nachfolgebetriebes VEB Robotron Elektronik C ... von November 2007 nochmals ein.
Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Juni 2014 ab. Den hiergegen am 17. Juni 2014 erhobenen Widerspruch
wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2014 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie erneut aus: Der Zufluss
der begehrten weiteren Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden.
Die Zeugenerklärung enthalte keine konkreten Angaben zu den Höhen der Prämien. Die Höhe der Jahresendprämien des Einzelnen
sei von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute ohne entsprechende Unterlagen nicht mehr nachvollzogen werden
könnten. Eine pauschale Berücksichtigung der Prämien könne daher nicht erfolgen.
Die hiergegen am 6. November 2014 erhobene Klage, mit der der Kläger die Berücksichtigung von Jahresendprämien (lediglich)
für die Jahre 1972 und 1986 bis 1990 (Zuflussjahre) begehrte, hat das Sozialgericht Dresden mit Urteil vom 18. August 2016
abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Kläger nicht in den Anwendungsbereich des AAÜG einbezogen sei, da er keine Versorgungsurkunde oder tatsächliche nachträgliche Einbeziehung erhalten habe. Der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) hinsichtlich der Möglichkeit des Bestehens einer fingierten Zusatzversorgungsanwartschaft sei nicht zu folgen. Höhere Arbeitsentgelte
oder weitere Prämien seien daher von vornherein nicht zu berücksichtigen.
Gegen das am 17. Oktober 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. November 2016 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren
hinsichtlich der Berücksichtigung von Jahresendprämien (lediglich) für die Jahre 1972 und 1986 bis 1990 (Zuflussjahre) weiterverfolgt.
Das Sozialgericht habe die Rechtsprechung des BSG missachtet. Die Jahresendprämienzahlung sei dem Grunde nach durch die Zeugenaussage glaubhaft gemacht worden. Die Höhe der
Prämien könne geschätzt werden.
Der Kläger beantragt - sinngemäß und sachdienlich gefasst -,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 18. August 2016 aufzuheben und die Beklagte, unter Aufhebung des Bescheides vom
4. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2014, zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom
17. Oktober 2002 abzuändern und Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1972 und 1986 bis 1990 als zusätzliche Entgelte im Rahmen
der nachgewiesenen Zusatzversorgungszeiten festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung im Ergebnis, nicht allerdings in der Begründung, für zutreffend.
Das Gericht hat schriftliche Auskünfte der Zeugen D ..., C ..., F ... und E ... im August 2017 eingeholt sowie arbeitsvertragliche
Unterlagen zum Kläger beigezogen.
Mit Schriftsätzen vom 6. September 2017 (Beklagte) und vom 5. Oktober 2017 (Kläger) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis
zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des
Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt
haben (§
153 Abs.
1 in Verbindung mit §
124 Abs.
2 des
Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
I. Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet, weil das Sozialgericht Dresden die Klage teilweise zu Unrecht abgewiesen
hat. Denn der Kläger hat in dem tenorierten Umfang Anspruch auf Feststellung zusätzlicher, ihm im Jahr 1972 zugeflossener,
weiterer Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits mit Bescheid vom 17.
Oktober 2002 festgestellten Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen
gleichgestellten Betrieben. Soweit er darüber hinausgehend noch höhere als die tenorierten Arbeitsentgelte sowie solche für
die Zuflussjahre 1986 bis 1990 begehrt, ist die Berufung unbegründet, weshalb sie im Übrigen zurückzuweisen war. Der Ablehnungsbescheid
der Beklagten vom 4. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2014 ist rechtswidrig und verletzt
den Kläger in seinen Rechten (§
54 Abs.
2 Satz 1
SGG). Deshalb waren das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 18. August 2016 (teilweise) abzuändern, der Ablehnungsbescheid
der Beklagten vom 4. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2014 aufzuheben und die Beklagte
zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 17. Oktober 2002 dahingehend abzuändern, dass für das Jahr 1972 ein weiteres
Arbeitsentgelt wegen einer zu berücksichtigenden Jahresendprämienzahlung im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten
der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, wie
tenoriert, festzustellen ist.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), der nach § 8 Abs. 3 Satz 2 AAÜG anwendbar ist, gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt
oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu
Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar
geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Im Übrigen ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt,
auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für
die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Diese Voraussetzungen liegen vor, denn der Feststellungsbescheid vom 17. Oktober 2002 ist teilweise rechtswidrig.
Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen
Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren
(§
149 des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [SGB VI]) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat
die Beklagte mit dem Feststellungsbescheid vom 13. März 2001 Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der
Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Jahresendprämien hat sie jedoch zu Unrecht teilweise nicht berücksichtigt.
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§
256a Abs.
2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Arbeitsentgelt im Sinne des §
14 des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IV) und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlten Jahresendprämien dar, da es sich um eine Gegenleistung des
Betriebs für die vom Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt,
dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig war (so: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§
256a SGB VI) unter anderen das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem
"aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen
unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten. Sie waren im Regelfall
mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Lohn und Prämien waren "Formen
der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. Kunz/Thiel, "Arbeitsrecht [der DDR] - Lehrbuch", 3. Auflage, 1986, Staatsverlag
der DDR, S. 192f.). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung
mussten in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit
Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben
galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [nachfolgend: DDR-AGB] vom 16. Juni 1977 [DDR-GBl. I
1977, Nr. 18, S. 185]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 DDR-AGB). Die Jahresendprämie diente als
Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben; sie war auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie.
Nach § 117 Abs. 1 DDR-AGB bestand ein "Anspruch" auf Jahresendprämie, wenn - die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv,
dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, - der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen
Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und - der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger
des Betriebs war. Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämien gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger
die Voraussetzungen der §§ 117, 118 DDR-AGB erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast (sog.
Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren, vgl. insgesamt: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend und diese Beweislast, unter Ablehnung einer Schätzungsmöglichkeit,
betonend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14).
Daraus wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung
zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem
einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen,
also tatsächlich gezahlt, worden ist.
Gemäß §
128 Abs.
1 Satz 1
SGG entscheidet das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Neben dem
Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, ist auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens
weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach wird, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der
glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.
Im vorliegenden konkreten Einzelfall hat der Kläger den Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach zwar nicht nachgewiesen,
jedoch glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter 1.). Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die zur Auszahlung an ihn gelangten,
hat er zwar nicht nachgewiesen, zum Teil allerdings, und zwar für das Zuflussjahr 1972 in einer Mindesthöhe glaubhaft machen
können; eine Schätzung hingegen ist nicht möglich (dazu nachfolgend unter 2.).
1. Der Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach ist im vorliegenden Fall zwar nicht nachgewiesen (dazu nachfolgend unter
a), jedoch glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter b):
a) Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen
für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er nicht vorlegen. Er selbst verfügt auch über keine Unterlagen, mit
denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte, wie er selbst wiederholt, beispielsweise im Schreiben vom 9. Januar
2009, ausführte.
Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist
für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. §
28f Abs.
5 SGB IV), weshalb bereits die Beklagte im Verwaltungsverfahren von einer entsprechenden Anfrage an die Rhenus Office Systems GmbH
abgesehen hat.
b) Der Zufluss von Prämienzahlungen dem Grunde nach konkret an den Kläger ist aber im vorliegenden Fall glaubhaft gemacht.
Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche
erreichbare Beweismittel erstrecken sollen (vgl. dazu auch: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14), überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein
einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar
durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges,
absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die "gute Möglichkeit" aus, das heißt es
genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten
ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht
zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer
Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5).
Dies zu Grunde gelegt, hat der Kläger im konkreten Einzelfall glaubhaft gemacht, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen
(§ 117 Abs. 1 DDR-AGB) für den Bezug einer Jahresendprämie in den geltend gemachten Jahren vorlagen und er jeweils eine Jahresendprämie
erhalten hat:
aa) Der Kläger war in den Jahren 1971 bis 1989 während des gesamten Planjahres Angehöriger des VEB RAFENA-Werke C ... bzw.
der jeweiligen Rechtsnachfolgebetrieb VEB Kombinat Robotron - Großforschungszentrum - bzw. VEB Robotron Elektronik C ... (§
117 Abs. 1 Voraussetzung 3 DDR-AGB), wie sich aus den vorgelegten arbeitsvertraglichen Unterlagen (Bl. 86-104 der Gerichtsakte)
sowie aus den Eintragungen in seinen Ausweisen für Arbeit und Sozialversicherung (Bl. 74-84 der Gerichtsakte) ergibt.
bb) Mindestens glaubhaft gemacht ist darüber hinaus auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv,
dem der Kläger angehörte, jeweils in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart war (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 1 DDR-AGB).
Denn der Abschluss eines Betriebskollektivvertrages zwischen dem Betriebsleiter und der zuständigen Betriebsgewerkschaftsleitung
war nach § 28 Abs. 1 DDR-AGB zwingend vorgeschrieben. Die Ausarbeitung des Betriebskollektivvertrages erfolgte jährlich, ausgehend
vom Volkswirtschaftsplan; er war bis zum 31. Januar des jeweiligen Planjahres abzuschließen (vgl. Kunz/Thiel, "Arbeitsrecht
[der DDR] - Lehrbuch", 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 111). Ebenso zwingend waren nach § 118 Abs. 1 DDR-AGB in
Verbindung mit § 28 Abs. 2 Satz 3 DDR-AGB die Voraussetzungen und die Höhe der Jahresendprämie in dem (jeweiligen) Betriebskollektivvertrag
zu regeln. Konkretisiert wurde diese zwingende Festlegung der Voraussetzungen zur Gewährung von Jahresendprämien im Betriebskollektivvertrag
in den staatlichen Prämienverordnungen: So legten die "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds
und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1972) vom 12. Januar
1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 5, S. 49) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 70, S.
810) sowie in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur-
und Sozialfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1973) vom 21. Mai 1973 (DDR-GBl. I 1973, Nr. 30,
S. 293), mit denen die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 über das Jahr 1972 hinaus angeordnet wurden, sowie die "Verordnung
über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1982) vom
9. September 1982 (DDR-GBl. I 1982, Nr. 34, S. 595) jeweils staatlicherseits fest, dass die Verwendung des Prämienfonds, die
in den Betrieben zur Anwendung kommenden Formen der Prämierung und die dafür vorgesehenen Mittel im Betriebskollektivvertrag
festzulegen waren (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 Prämienfond-VO 1982). Dabei war, ohne dass
ein betrieblicher Ermessens- oder Beurteilungsspielraum bestand, in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren bzw. festzulegen,
unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen
des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet werden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz
3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982).
Damit kann in der Regel für jeden Arbeitnehmer in der volkseigenen Wirtschaft, sofern nicht besondere gegenteilige Anhaltspunkte
vorliegen sollten, davon ausgegangen werden, dass ein betriebskollektivvertraglich geregelter Jahresendprämienanspruch dem
Grunde nach bestand (vgl. dazu auch: Lindner, "Die 'leere Hülle' ist tot - wie geht es weiter?", RV [= Die Rentenversicherung]
2011, 101, 104), auch wenn die Betriebskollektivverträge als solche nicht mehr vorgelegt oder anderweitig vom Gericht beigezogen werden
können. Vor diesem Hintergrund ist der von der Beklagten in anderen Verfahren erhobene Einwand, die Betriebskollektivverträge
seien anspruchsbegründend, zwar zutreffend, verhindert eine Glaubhaftmachung jedoch auch dann nicht, wenn diese im konkreten
Einzelfall nicht eingesehen werden können.
cc) Ausgehend von den schriftlichen Auskünften der Zeugen Y ..., F ..., D ..., C ... und E ... sowie den sonstigen Hinweistatsachen
ist zudem glaubhaft gemacht, dass der Kläger und das Arbeitskollektiv, dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien
in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatten (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 DDR-AGB).
In der vom Kläger wiederholt (und auch vom schriftlich befragten Zeugen F ... nochmals) vorgelegten gemeinsamen Erklärung
des ehemaligen Betriebsdirektors Y ... und des ehemaligen Hauptbuchhalters F ... des ehemaligen VEB RAFENA-Werke C ... bzw.
des Nachfolgebetriebes VEB Robotron Elektronik C ... von November 2007 (Bl. 11 der Verwaltungsakte und Bl. 121 der Gerichtsakte)
wird ausgeführt, dass alle ehemaligen Mitarbeiter des Betriebes seit März 1969 eine Jahresendprämie jährlich in Höhe eines
durchschnittlichen Monatsgehaltes erhielten. Die Jahresendprämie war an die kontinuierliche und erfolgreiche Planerfüllung
gebunden, die in den Jahresabschlussdokumenten durch die Staatliche Finanzrevision bestätigt wurden. Dies betraf insbesondere
folgende Zielstellungen: - sortimentsgerechte Warenbereitstellung, - termingerechte Überleitung von neu entwickelten Erzeugnissen,
- Erfüllung aller Exportverpflichtungen, - Produktion von Erzeugnissen mit dem Gütezeichen "Q", - Erfüllung der staatlichen
Auflagen für die Entwicklung und Produktion elektronischer Rechentechnik für Inland und Export, - Zusatzproduktion hochwertiger
Konsumgüter, - Erfüllung aller betriebswirtschaftlicher Kennziffern, insbesondere im Bereich Rationalisierung und Einführung
neuer Technologien. Die Erfüllung dieser Aufgaben wurde im Rahmen des betrieblichen Wettbewerbes zur Basis für die Ermittlung
und Zahlung der Jahresendprämie in Höhe eines Monatsverdienstes unter Regie der Gewerkschaft. Die Auszahlung erfolgte auf
der Grundlage von Prämienlisten in den Abteilungen im besonderen Rahmen einer Veranstaltung zum Jahresende. In der Regel erhielten
die Mitarbeiter kein besonderes betriebliches Dokument über die ausgezahlten Prämien. Insofern gibt es auch keine betrieblichen
gesondert archivierten Prämienunterlagen der Betriebe. Der ehemalige Betriebsdirektor und der ehemalige Hauptbuchhalter, die
für die Ordnungsmäßigkeit und Gewährung der Jahresendprämien verantwortlich waren, erklärten, dass die Darlegungen für alle
ehemaligen Mitarbeiter und somit auch für den Antragsteller, sofern er Mitarbeiter der Betriebe war, als Basis für die Einbeziehung
der Jahresendprämien dienen können. Inwieweit einzelne Mitarbeiter keine Jahresendprämienzahlungen erhalten haben, sei nicht
mehr nachvollziehbar, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit könne jedoch von der Zahlung der Jahresendprämien nach den in der
gemeinsamen Erklärung dargestellten Berechnungsmodus an alle Mitarbeiter ausgegangen werden. In seiner vom Berufungsgericht
mit Schreiben vom 11. August 2017 (B. 116 der Gerichtsakte) eingeholten schriftlichen Erklärung vom 25. August 2017 (Bl. 120
der Gerichtsakte) bestätigte der Zeuge F ..., der den Kläger seit dem Jahr 1970 aus der betrieblichen Zusammenarbeit kannte,
diese Angaben, bezog sich ausdrücklich auf diese gemeinsame Erklärung von November 2007 (Bl. 121 der Gerichtsakte) und führte
aus, die Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger die vollen Jahresendprämien erhalten habe, sei sehr hoch. Denn Kürzungen gab
es nur bei sehr groben Verstößen gegen die Betriebsordnung, was beim Kläger auszuschließen sei.
Der Zeuge D ..., der den Kläger seit 1975 kannte und mit diesem im VEB Robotron Elektronik C ... zusammenarbeitete, gab in
seiner schriftlichen Zeugenerklärung vom 21. August 2017 (Bl. 117-118 der Gerichtsakte) an, dass der Kläger regelmäßig jährlich,
wie alle anderen Betriebsangehörigen auch, Jahresendprämien vom Betrieb ausgezahlt erhielt. Die Abteilungen erhielten von
der Betriebsleitung die jeweils verfügbare Summe genannt. Dies entsprach in der Regel einem Monatslohn. Nur in sehr seltenen
Fällen wurde ein Mitarbeiter abgestuft. Die Auszahlung in den Abteilungen erfolgte in bar. Grundlage der Jahresendprämiengewährung
war die formelle Erfüllung der jährlichen Planauflagen. Der Kläger erhielt Jahresendprämien, weil er zum anspruchsberechtigten
Personenkreis gehörte. An weitere Details konnte sich der Zeuge nicht erinnern.
Der Zeuge C ..., der den Kläger bereits seit 1962 kannte und mit diesem im VEB RAFENA-Werke C ... und im VEB Robotron Elektronik
C ... jeweils im gleichen Direktionsbereich (Forschung und Entwicklung) zusammenarbeitete, gab in seiner schriftlichen Zeugenerklärung
vom 22. August 2017 (Bl. 119 der Gerichtsakte) gleichfalls an, dass der Kläger regelmäßig jährlich, wie alle anderen Beschäftigten
auch, Jahresendprämien vom Betrieb ausgezahlt erhielt. Der Direktionsbereich (Forschung und Entwicklung) erhielt bezüglich
der Höhe der Jahresendprämien eine Vorgabe, die meist in der Größenordnung von 105 Prozent in Bezug auf die monatliche Bruttogehaltssumme
lag. Die Abteilungsleiter erhielten das Geld der Jahresendprämien in bar für ihre jeweilige gesamte Abteilung und teilten
es entsprechend des jeweiligen Prozentsatzes in Umschläge für die jeweiligen Mitarbeiter ihrer Abteilung auf. Der Empfang
wurde dann auf Auszahlungslisten quittiert. Alle Beschäftigten erhielten eine Jahresendprämie, es sei denn, sie hatten große
Fehler oder Versäumnisse zu verantworten gehabt, dann konnten meist geringfügige Abzüge erfolgen. Es wurden dazu jährlich
Betriebskollektivverträge vereinbart. Die Plankennziffern wurden im Betrieb sowie im Direktionsbereich (Forschung und Entwicklung)
in allen Abteilungen immer erfüllt. Die Jahresendprämie wurde meist Ende Februar bis Anfang April für das vorangegangene Jahr
ausgezahlt. Der Kläger hat jährlich eine Jahresendprämie erhalten, weil er an der Erfüllung der betrieblichen Kennziffern
beteiligt war und seine Aufgaben immer gewissenhaft erfüllte.
Der Zeuge E ..., der den Kläger seit 1978 kannte und mit diesem im VEB Robotron Elektronik C ... im gleichen Direktionsbereich
(Forschung und Entwicklung) zusammenarbeitete, gab in seiner schriftlichen Zeugenerklärung vom 23. August 2017 (Bl. 122 der
Gerichtsakte) gleichfalls an, dass der Kläger regelmäßig jährlich, wie alle anderen Beschäftigten auch, Jahresendprämien vom
Betrieb ausgezahlt erhielt. Die Vorgaben für die Jahresendprämie war abhängig von der Planerfüllung und der ökonomischen Ergebnisse
im Kombinat. Die Pläne im Betrieb wurden immer erfüllt, gegebenenfalls erfolgten Planpräzisierungen. Die Jahresendprämien
beliefen sich auf 100 bis 105 Prozent des Bruttomonatsgehaltes. Vom disziplinarischen Vorgesetzten wurden die Prämien festgelegt,
in verschlossenen Briefumschlägen überreicht und auf einer Liste der Empfang bestätigt. Prämienkürzungen sind dem Zeugen nicht
bekannt. Die Auszahlung erfolgte vertraulich und regelmäßig im 1. Quartal eines Jahres für das vorangegangene Planjahr. Alle
Beschäftigten erhielten jährlich eine Jahresendprämie, geringe Kürzungen (bis 50 Mark) waren nur bei längerer Abwesenheit
und Krankheit vertretbar. Der Kläger erfüllte seine Arbeitsaufgaben stets gewissenhaft und hat deshalb auch immer Jahresendprämien
erhalten.
Unzulänglichkeiten des Klägers, die gegebenenfalls eine Kürzung oder Nichtzahlung der Jahresendprämie zur Folge hätten haben
können, ergeben sich auch nicht aus anderweitigen Indizien oder Hinweistatsachen. Im Gegenteil: Die Angaben der Zeugen Y ...,
F ..., D ..., C ... und E ... sind vor dem Hintergrund der beigezogenen Leistungsbeurteilungen und Arbeitseinschätzungen des
Betriebes über den Kläger plausibel und bestätigen die berechtigte Annahme, dass der Kläger die individuellen Leistungskennziffern
konkret erfüllte. So wird in der Beurteilung des VEB Robotron Elektronik C ... vom 26. Juni 1990 (Bl. 85 der Gerichtsakte),
die über den gesamten Beschäftigungszeitraum des Klägers im Betrieb seit 1962 Auskunft gibt, ausgeführt, dass der Kläger in
den gesamten Jahren von 1962 bis 1990 ein zuverlässiger, solider und angenehmer Mitarbeiter und Leiter war, der mit Fleiß,
Umsicht, Kreativität und hoher Arbeitsbereitschaft die ihm obliegenden Leistungsaufgaben gut gelöst hat.
Unterstrichen wird diese vorbildliche und weder zu Kritik noch Tadel Anlass gebende Arbeitsweise des Klägers weiterhin durch
die ihm vom Betrieb verliehenen Auszeichnungen als Mitglied eines "Kollektivs der sozialistischen Arbeit" in den Jahren 1968,
1969, 1970, 1972 und 1973 bis 1984 (vgl. die Eintragungen im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung auf Bl. 75 der Gerichtsakte).
Mit diesen Auszeichnungen wurden unter anderem beispielgebende Arbeitsleistungen des Kollektivs und jedes einzelnen Mitglieds
des Kollektivs im sozialistischen Wettbewerb, also konkret auch des Klägers, gewürdigt (vgl. dazu: § 1 der "Ordnung über die
Verleihung und Bestätigung der erfolgreichen Verteidigung des Ehrentitels 'Kollektiv der sozialistischen Arbeit'", die Bestandteil
der "Bekanntmachung der Ordnungen über die Verleihung der bereits gestifteten staatlichen Auszeichnungen" vom 28. Juni 1978
[DDR-GBl. Sonderdruck Nr. 952, S. 1 ff.] war). Insgesamt ergeben sich daher keinerlei Zweifel daran, dass der Kläger und sein
Arbeitskollektiv die ihnen vorgegebenen Leistungskennziffern jährlich erfüllt hatten.
2. Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die für die geltend gemachten Planjahre (1971 und 1985 bis 1989) in den Zuflussjahren
1972 und 1986 bis 1990 zur Auszahlung an den Kläger gelangten, konnte er zwar nicht nachweisen (dazu nachfolgend unter a),
jedoch für das Zuflussjahr 1972 zum Teil, nämlich in Form eines Mindestbetrages, glaubhaft machen (dazu nachfolgend unter
b). Die Höhe einer dem Grunde nach lediglich glaubhaft gemachten Jahresendprämie darf - entgegen der bisherigen Rechtsprechung
des erkennenden Senats des Sächsischen Landessozialgerichts - allerdings nicht geschätzt werden (dazu nachfolgend unter c).
a) Die dem Kläger für die geltend gemachten Planjahre (1971 und 1985 bis 1989) in den Jahren 1972 und 1986 bis 1990 zugeflossenen
Jahresendprämienbeträge sind der Höhe nach nicht nachgewiesen:
Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen
für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er nicht vorlegen. Er selbst verfügt auch über keine Unterlagen, mit
denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte, wie er selbst wiederholt, beispielsweise im Schreiben vom 9. Januar
2009, ausführte.
Auszahlungs- bzw. Quittierungslisten oder Anerkennungsschreiben der Abteilung des Betriebes konnten auch die Zeugen Y ...,
F ..., D ..., C ... und E ... nicht vorlegen.
Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist
für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. §
28f Abs.
5 SGB IV), weshalb bereits die Beklagte im Verwaltungsverfahren von einer entsprechenden Anfrage an die Rhenus Office Systems GmbH
abgesehen hat. Von einer Anfrage an das Bundesarchiv wurde im vorliegenden Verfahren abgesehen, da dort - wie aus entsprechenden
Anfragen in anderen Verfahren gerichtsbekannt wurde - lediglich statistische Durchschnittwerte der in den Kombinaten gezahlten
durchschnittlichen Jahresendprämienbeträge pro Vollbeschäftigteneinheit aus verschiedenen Jahren vorhanden sind, die keinerlei
Rückschluss auf die individuelle Höhe der an den Kläger in einem konkreten Kombinatsbetrieb gezahlten Jahresendprämienhöhe
erlauben.
b) Die konkrete Höhe der an den Kläger für die geltend gemachten Planjahre (1971 und 1985 bis 1989) in den Jahren 1972 und
1986 bis 1990 zugeflossenen Jahresendprämienbeträge ist zwar ebenfalls nicht glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter aa).
Allerdings ist der für das Planjahr 1971 im Zuflussjahr 1972 ausgezahlte Jahresendprämienbetrag zumindest zum Teil, nämlich
in Form eines Mindestbetrages, glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter bb):
aa) Den Angaben des Klägers sowie der Zeugen Y ..., F ..., D ..., C ... und E ... kann lediglich entnommen werden, dass sich
die Jahresendprämie am Monatsgehalt des jeweiligen Werktätigen orientierte. Der Kläger selbst tätigte keinerlei Angaben zu
den ungefähren oder gar konkreten Höhen der Jahresendprämienbeträge. Er konnte lediglich angeben, dass Basis der Berechnung
der jeweils einzelnen individuellen Jahresendprämien das Monatsgehalt des jeweiligen Beschäftigten war und die Prämienbeträge
auf der Grundlage der Planerfüllung und des Monatsgehalts berechnet wurden. Angaben dazu, in welcher konkreten Höhe der Kläger
Jahresendprämien erhielt, konnte keiner der Zeugen tätigen. Die Zeugen Y ... und F ... gaben lediglich an, dass die Jahresendprämie
die Höhe eines durchschnittlichen Monatsgehaltes erreichte. Der Zeuge D ... hat keine konkreten Erinnerungen an die Jahresendprämienhöhen
mehr. Die Zeugen C ... und E ... gaben jeweils an, die Jahresendprämien bewegten sich in einer Größenordnung von 105 Prozent
bzw. 100 bis 105 Prozent eines monatlichen Bruttogehalts. Die Glaubhaftmachung einer bestimmten Höhe ist damit allerdings
nicht verbunden, denn es handelt sich um eine reine Mutmaßung, die im Ergebnis auf eine - vom BSG inzwischen abschließend als nicht möglich dargelegte (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 16 ff.) - Schätzung hinausläuft, die nicht zu Grunde gelegt werden kann.
Konkretere oder präzisierende Angaben konnten nämlich gerade weder von den Zeugen noch vom Kläger getätigt werden.
In der Gesamtbetrachtung sind die Angaben des Klägers und der Zeugen Y ..., F ..., D ..., C ... und E ... zur Höhe der an
den Kläger geflossenen Jahresendprämienbeträge insgesamt zum einen vage und beruhen zum anderen allein auf dem menschlichen
Erinnerungsvermögen, das mit der Länge des Zeitablaufs immer mehr verblasst und deshalb insbesondere in Bezug auf konkrete,
jährlich differierende Beträge kaum einen geeigneten Beurteilungsmaßstab im Sinne einer "guten Möglichkeit" gerade des vom
Kläger angegebenen Prozentsatzes eines Bruttomonatslohns abzugeben geeignet ist.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass es im Ergebnis grundsätzlich (zu den Ausnahmen nachfolgend unter bb) an einem geeigneten
Maßstab fehlt, an dem die konkrete Höhe der dem Grunde nach bezogenen Jahresendprämien beurteilt werden kann und der von der
Klägerin und der Zeugin behauptete Maßstab, nämlich der durchschnittliche Bruttomonatslohn, nach den rechtlichen Koordinaten
des DDR-Rechts gerade nicht der Basis-, Ausgangs- oder Grundwert zur Berechnung einer Jahresendprämie war:
Nicht der Durchschnittslohn des Werktätigen war Ausgangsbasis für die Festlegung der Höhe der Jahresendprämie, sondern die
Erfüllung der konkreten Leistungs- und Planzielvorgaben (vgl. dazu deutlich: Gottfried Eckhardt u.a., "Lohn und Prämie - Erläuterungen
zum 5. Kapitel des Arbeitsgesetzbuches der DDR" [Heft 4 der Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR], 1989, S. 112; Langanke
"Wirksame Leistungsstimulierung durch Jahresendprämie", NJ 1984, 43, 44). Aus diesem Grund zählte zu den betriebsbezogenen, in einem Betriebskollektivvertrag festgelegten Regelungen über die
Bedingungen der Gewährung einer Jahresendprämie auch die Festlegung und Beschreibung der Berechnungsmethoden, aus denen dann
individuelle Kennziffern für den einzelnen Werktätigen zur Berechnung der Jahresendprämie abgeleitet werden konnten.
Dies verdeutlichen auch sonstige rechtliche Regelungen unterhalb des DDR-AGB: So legten die Prämienfond-VO 1972 in der Fassung
der Bekanntmachung vom 28. November 1972 und in der Fassung der 2. Prämienfond-VO 1973 sowie die Prämienfond-VO 1982 fest,
wie die Jahresendprämie wirksamer zur Erfüllung und Übererfüllung der betrieblichen Leistungsziele beitragen konnte (§ 7 Prämienfond-VO
1972, § 9 Prämienfond-VO 1982). Danach waren den Arbeitskollektiven und einzelnen Werktätigen Leistungskennziffern vorzugeben,
die vom Plan abgeleitet und beeinflussbar waren, die mit den Schwerpunkten des sozialistischen Wettbewerbs übereinstimmten
und über das Haushaltsbuch oder durch andere bewährte Methoden zu kontrollieren und abzurechnen waren (§ 7 Abs. 1 Prämienfond-VO
1972, § 9 Abs. 3 Prämienfond-VO 1982). Die durchschnittliche Jahresendprämie je Beschäftigten war in der Regel in der gleichen
Höhe wie im Vorjahr festzulegen, wenn der Betrieb mit der Erfüllung und Übererfüllung seiner Leistungsziele die erforderlichen
Prämienmittel erarbeitet hatte; für den Betrieb war dieser Durchschnittsbetrag grundsätzlich beizubehalten (§ 9 Abs. 2 Prämienfond-VO
1982). Hervorzuheben ist dabei, dass der Werktätige und sein Kollektiv die ihnen vorgegebenen Leistungskriterien jeweils erfüllt
haben mussten (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972), die Leistungskriterien kontrollfähig und abrechenbar zu gestalten
waren (§ 6 Abs. 1 Satz 2 der "Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds
und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972" [nachfolgend: 1. DB zur Prämienfond-VO 1972] vom 24.
Mai 1972 [DDR-GBl. II 1972, Nr. 34, S. 379]) und bei der Differenzierung der Höhe der Jahresendprämie von den unterschiedlichen
Leistungsanforderungen an die Abteilungen und Bereiche im betrieblichen Reproduktionsprozess auszugehen war (§ 6 Abs. 3 Spiegelstrich
1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972). Außerdem war geregelt, dass die Jahresendprämien für Arbeitskollektive und einzelne
Werktätige nach der Leistung unter besonderer Berücksichtigung der Schichtarbeit zu differenzieren waren (§ 7 Abs. 2 Satz
2 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 3 Spiegelstrich 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Satz 1 Prämienfond-VO 1982),
wobei hinsichtlich der Kriterien für die Zulässigkeit der Erhöhung der durchschnittlichen Jahresendprämie im Betrieb konkrete
Festlegungen nach Maßgabe des § 6 der "Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung
des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: 1. DB zur Prämienfond-VO 1982) vom 9. September 1982 (DDR-GBl. I
1982, Nr. 34, S. 598) in der Fassung der "Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung
des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: 2. DB zur Prämienfond-VO 1982) vom 3. Februar 1986 (DDR-GBl. I 1986,
Nr. 6, S. 50) zu treffen waren. Danach spielte zum Beispiel der Anteil der Facharbeiter sowie der Hoch- und Fachschulkader
in den Betrieben und deren "wesentliche Erhöhung" sowie die "Anerkennung langjähriger Betriebszugehörigkeit" eine Rolle (§
6 Abs. 2 Satz 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die konkreten Festlegungen erfolgten in betrieblichen Vereinbarungen (§
6 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die endgültige Festlegung der Mittel zur Jahresendprämierung für die einzelnen
Bereiche und Produktionsabschnitte einschließlich ihrer Leiter erfolgte nach Vorliegen der Bilanz- und Ergebnisrechnung durch
die Direktoren der Betriebe mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitungen, die entsprechend der im Betriebskollektivvertrag
getroffenen Vereinbarung abhängig vom tatsächlich erwirtschafteten Prämienfonds durch den Betrieb und von der Erfüllung der
den Bereichen und Produktionsabschnitten vorgegebenen Bedingungen war (§ 8 Abs. 1 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 5 der 1. DB
zur Prämienfond-VO 1982).
Weder zu den individuellen Leistungskennziffern des Klägers noch zu den sonstigen, die Bestimmung der Jahresendprämienhöhe
maßgeblichen Faktoren konnten der Kläger oder die Zeugen Y ..., F ..., D ..., C ... und E ... nachvollziehbare Angaben tätigen.
Die Kriterien, nach denen eine hinreichende Glaubhaftmachung erfolgt, sind demnach im konkreten Fall nicht erfüllt. Die bloße
Darstellung eines allgemeinen Ablaufs und einer allgemeinen Verfahrensweise wie auch der Hinweis, dass in anderen Fällen Jahresendprämien
berücksichtigt worden sind - etwa weil dort anderweitige Unterlagen vorgelegt werden konnten -, genügen nicht, um den Zufluss
von Jahresendprämien in einer bestimmten oder berechenbaren Höhe konkret an die Klägerin glaubhaft zu machen. Denn hierfür
wäre - wie ausgeführt - erforderlich, dass in jedem einzelnen Jahr des von der Klägerin geltend gemachten Zeitraumes eine
entsprechende Jahresendprämie nachgewiesen worden wäre, und zwar nicht nur hinsichtlich des Zeitraumes, sondern auch hinsichtlich
der Erfüllung der individuellen Leistungskennziffern, um eine konkrete Höhe als berechenbar erscheinen zu lassen.
bb) Allerdings kommt für die Zeiträume der Geltung - der "Verordnung über die Bildung und Verwendung des Prämienfonds in den
volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, volkseigenen Kombinaten, den VVB (Zentrale) und Einrichtungen für die Jahre 1969 und 1970" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1968) vom 26. Juni 1968 (DDR-GBl.
II 1968, Nr. 67, S. 490) in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Bildung und Verwendung des Prämienfonds in den volkseigenen
und ihnen gleichgestellten Betrieben, volkseigenen Kombinaten, den VVB (Zentrale) und Einrichtungen für die Jahre 1969 und 1970" (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1968) vom 10. Dezember 1969 (DDR-GBl.
II 1969, Nr. 98, S. 626), - der "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und
Sozialfonds für das Jahr 1971" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1971) vom 20. Januar 1971 (DDR-GBl. II 1971, Nr. 16, S. 105) und
- der Prämienfond-VO 1972 in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 sowie in der Fassung der 2. Prämienfond-VO
1973, mit denen die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 über das Jahr 1972 hinaus angeordnet wurden, von Juli 1968 bis Dezember
1982 (also bis zum Inkrafttreten der Prämienfond-VO 1982 am 1. Januar 1983) eine Glaubhaftmachung der Höhe von dem Grunde
nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien in einer Mindesthöhe in Betracht.
Für diese Zeiträume legten - § 9 Abs. 7 Prämienfond-VO 1968, - § 12 Nr. 6 Satz 1 Prämienfond-VO 1971 und - § 6 Abs. 1 Nr.
1 Satz 2 Prämienfond-VO 1972 nämlich verbindlich fest, dass der Prämienfond (auch) bei leistungsgerechter Differenzierung
der Jahresendprämie ermöglichen musste, dass die Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen Werktätigen ein Drittel seines
(durchschnittlichen) Monatsverdienstes betrug. Diese Mindesthöhe der an den einzelnen Werktätigen zu zahlenden Jahresendprämie
durfte nach § 12 Nr. 6 Satz 2 Prämienfond-VO 1971 und § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 Prämienfond-VO 1972 nur dann unterschritten
werden, wenn der Werktätige nicht während des gesamten Planjahres im Betrieb tätig war und einer der Ausnahmefälle des § 5
Abs. 1 Satz 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 vorlag. Diese Regelungen bestätigen damit, insbesondere durch die Formulierung,
dass die für "diese Werktätigen zu zahlende Jahresendprämie die Mindesthöhe von einem Drittel eines monatlichen Durchschnittsverdienstes"
nur in Ausnahmefällen unterschreiten konnte, dass die Vorschriften an eine individuelle und nicht an eine generelle Mindesthöhe
des Jahresendprämienbetrages des einzelnen Werktätigen anknüpften. Diese maßgeblichen DDR-rechtlichen Regelungen sind im hier
vorliegenden Zusammenhang der Jahresendprämienhöhe des einzelnen Werktätigen daher als generelle Anknüpfungstatsachen heranzuziehen
(vgl. zu diesem Aspekt beispielsweise: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19) und bestätigen - im Zeitraum ihrer Geltung - zumindest eine individuelle Mindesthöhe des Jahresendprämienbetrages
jedes einzelnen Werktätigen, der die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach erfüllte. Soweit die Beklagte meint, bei dem
in den vorbenannten Vorschriften enthaltenen Mindestbetrag der Jahresendprämie habe es sich lediglich um einen statistischen
Wert bzw. um eine betriebliche Kennziffer gehandelt habe, die keine auf den einzelnen Werktätigen bezogene Individualisierung
beinhaltet habe, trifft dies ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Regelungen, des systematischen Zusammenhangs der Vorschriften
sowie des Sinn und Zwecks der Normen nicht zu. Denn die Regelungen knüpfen nicht an einen "durchschnittlichen Monatsverdienst"
bzw. an einen "monatlichen Durchschnittsverdienst" aller Beschäftigten des Betriebes sondern an den "durchschnittlichen Monatsverdienst"
bzw. "monatlichen Durchschnittsverdienst" des, also des einzelnen, Werktätigen an (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 Prämienfond-VO
1972) bzw. regeln ausdrücklich, dass "die Mindesthöhe der Jahresendprämie für den einzelnen Werktätigen" ein Drittel des,
also des einzelnen, monatlichen Durchschnittsverdientes zu betragen hatte (§ 12 Nr. 6 Satz 1 Prämienfond-VO 1971). Zutreffend
ist zwar, wie auch die Beklagte vorträgt, dass ein grundsätzlicher Rechtsanspruch des einzelnen Werktätigen auf eine Prämierung
in Form von Jahresendprämie nur dann besteht, wenn es der Prämienfonds ermöglichte, mindestens ein Drittel eines durchschnittlichen
Monatsverdienstes für diese Form der materiellen Interessiertheit zur Verfügung zu stellen. Zutreffend ist auch, wie die Beklagte
weiterhin vorträgt, dass Voraussetzung dafür ist, dass Werktätige einen Rechtsanspruch auf die Leistungsprämienart "Jahresendprämie"
dem Grunde nach haben, dass der Betrieb erarbeitete Prämienmittel zumindest in diesem Umfang für die Jahresendprämie bereitstellte.
Dass der konkrete betriebliche Prämienfond des Beschäftigungsbetriebes des Klägers in den betroffenen Jahresendprämienjahren
diese Voraussetzungen konkret erfüllte, ist im konkreten Fall aber hinreichend tatsächlich glaubhaft gemacht worden, weil
der Kläger sämtliche konkrete Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch auf Jahresendprämie in den streitgegenständlichen Jahresendprämienjahren
erfüllte. Die Beklagte verwischt mit ihrer Argumentation, dass die Anspruchsvoraussetzungen im konkreten Einzelfall dem Grunde
nach vollständig glaubhaft gemacht worden sind, wenn sie meint, eine Glaubhaftmachung der Höhe nach von einem Drittel des
durchschnittlichen Monatsverdienstes käme nicht in Betracht, weil unklar geblieben sei, ob der Prämienfond den Mindestbetrag
in der Mindesthöhe überhaupt zur Verfügung gestellt habe bzw. ob der Betrieb erarbeitete Prämienmittel im Mindestumfang überhaupt
für die Jahresendprämie bereitgestellt habe, mithin, ob der Kläger dem Grunde nach überhaupt Anspruch auf Jahresendprämien
gehabt habe. Deshalb beinhaltet die Argumentation der Beklagten einen unzulässigen, und deshalb unbeachtlichen, Zirkelschluss
(sog. petitio principii).
Für den Zeitraum ab dem Planjahr 1983 unter Geltung der am 1. Januar 1983 in Kraft getretenen Prämienfond-VO 1982 kann ein
derartiges oder ähnliches Ergebnis im Hinblick auf einen individuellen Mindestbetrag einer Jahresendprämie nicht mehr festgestellt
werden. Die Prämienfond-VO 1982 legte einen Mindestbetrag oder eine berechenbare Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen
Werktätigen nicht mehr fest. § 9 Abs. 3 Satz 5 Prämienfond-VO 1982 bestimmte vielmehr nur noch, dass die einzelnen Werktätigen
(bei Erfüllung der für sie festgelegten Leistungskriterien und bei Erfüllung und Übererfüllung der für den einzelnen Betrieb
festgelegten Leistungsziele) eine Jahresendprämie annähernd in gleicher Höhe wie im Vorjahr erhalten sollten. Damit wurde
in der Prämienfond-VO 1982 abweichend von den bisherigen Regelungen der Prämienfond-VO'en 1968, 1971 und 1972 weder eine Mindesthöhe
noch eine zwingende Mindestvorgabe festgeschrieben. Insbesondere die Verwendung des Verbs "sollen" in der vorbezeichneten
Vorschrift verdeutlicht, dass zwingende oder aus bundesrechtlicher Sicht "justiziable" Mindestbeträge nicht vorgegeben waren,
die als generelle Anknüpfungstatsachen gewertet werden könnten. Auch eine "statische Fortschreibung" der zuletzt im Planjahr
1982 unter der Geltung der Prämienfond-VO 1972 ausgezahlten Jahresendprämie des Einzelnen war damit nicht verbunden.
Für die vorliegende Sachverhaltskonstellation haben diese Regelungen damit für das geltend gemachte Planjahr 1971 und damit
für das Zuflussjahr 1972 Bedeutung, weil der Kläger in diesem Jahr den Zufluss einer Jahresendprämie, und damit das Vorliegen
der Zahlungsvoraussetzungen, dem Grunde nach glaubhaft gemacht hat. Die Mindesthöhe ist auch konkret berechenbar, weil sich
der durchschnittliche Monatsverdienst des Klägers, ausgehend von den im Feststellungsbescheid der Beklagten vom 17. Oktober
2002 enthaltenen und auf den Lohnnachweisen und Lohnauskünften des ehemaligen Beschäftigungsbetriebes bzw. der Lohnunterlagen
verwaltenden Stelle basierenden Entgelten, hinreichend individualisiert ermitteln lässt. Etwaigen Ungenauigkeiten bei der
so zu Grunde gelegten Bestimmung des durchschnittlichen Monatsverdienstes bzw. des monatlichen Durchschnittsverdienstes, der
sich nach § 5 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 nach der "Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes
und über die Lohnzahlung" (nachfolgend: 1. Durchschnittsentgelt-VO) vom 21. Dezember 1961 (DDR-GBl. II 1961, Nr. 83, S. 551,
berichtigt in DDR-GBl. II 1962, Nr. 2, S. 11) in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes
und über die Lohnzahlung" (nachfolgend: 2. Durchschnittsentgelt-VO) vom 27. Juli 1967 (DDR-GBl. II 1967, Nr. 73, S. 511, berichtigt
in DDR-GBl. II 1967, Nr. 118, S. 836) richtete, trägt die gesetzliche Regelung des § 6 Abs. 6 AAÜG hinreichend Rechnung, nach der glaubhaft gemachte Entgelte nur zu fünf Sechsteln zu berücksichtigen sind. Mit dieser Regelung
sind Schwankungen die sich aus dem Durchschnittsentgelt nach Maßgabe der vorbenannten Durchschnittsentgeltverordnungen ergeben
könnten, hinreichend aufgefangen, zumal diese Verordnungen sowohl für die Berechnung des Brutto- als auch des Nettodurchschnittsverdienstes
galten (§ 1 der 1. Durchschnittsentgelt-VO) und der Berechnung des Durchschnittsverdienstes alle Lohn- und Ausgleichszahlungen
zu Grunde lagen (§ 3 Abs. 1 der 1. Durchschnittsentgelt-VO), mit Ausnahme von ganz besonderen Zahlungen (§ 3 Abs. 2 der 1.
Durchschnittsentgelt-VO), die ohnehin nicht Grundlage des bescheinigten Bruttoarbeitsentgelts waren (unter anderem Überstundenzuschläge,
zusätzliche Belohnungen, besondere Lohnzuschläge, bestimmte lohnsteuerfreie Prämien, Untertageprämien, Ausgleichszahlungen
bei Teilnahme an Lehrgängen über 14 Kalendertagen, Ausgleichszahlungen infolge ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sowie
Entschädigungen). Anhaltspunkte dafür, dass derartige besondere Zuschläge und Prämien Bestandteil der im Feststellungsbescheid
der Beklagten vom 17. Oktober 2002 enthaltenen und auf den Lohnnachweisen und Lohnauskünften des ehemaligen Beschäftigungsbetriebes
bzw. der Lohnunterlagen verwaltenden Stelle basierenden Entgelte sind, ergeben sich aus keinem zu berücksichtigenden Blickwinkel.
Als Besonderheit des konkreten Falles ist vorliegend zudem zu berücksichtigen, dass beim Kläger auch die im Zuflussjahr 1972
gezahlte, also ihm im ersten Quartal des Jahres 1972 zugeflossene, Jahresendprämie zu berücksichtigen ist. Zwar war er im
Planjahr 1971 erst ab dem 1. April 1971 (korrekt: ab dem 2. April 1971 mit Erlangung der Titelführungsbefugnis "Ingenieur")
fiktiv dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz zugehörig. Der Prämienbetrag als feststellungsfähiges Arbeitsentgelt
ist ihm aber im Zusatzversorgungszeitraum, also im ersten Quartal des Jahres 1972, zugeflossen und deshalb in Gänze zu berücksichtigen.
Als Berechnungsbasis steht insoweit allerdings lediglich das im Zeitraum vom 1. April bis 31. Dezember 1971 bescheinigte Gesamtarbeitsverdienst
in Höhe von 7.695,00 Mark zur Verfügung.
Dies zu Grunde gelegt, ist für den Kläger eine Jahresendprämienzahlung für die im Planjahren 1971 erwirtschaftete und im Zuflussjahr
1972 ausgezahlte Jahresendprämie wie folgt zu berücksichtigen:
JEP-Anspruchsjahr
|
Arbeitsverdienst von April bis Dezember
|
Monatsdurch-schnitts-verdienst
|
JEP-Mindest-betrag (= 1/3)
|
davon 5/6 (exakt)
|
JEP-Zuflussjahr
|
1971
|
7.695,00 M
|
855,00 M
|
285,00 M
|
237,50 M
|
1972
|
c) Weil der Kläger den Bezug (irgend-)einer Jahresendprämie für die Planjahre 1985 bis 1989 in den Zuflussjahren 1986 bis
1990 dem Grunde nach nur glaubhaft gemacht hat, deren Höhe aber weder nachweisen noch glaubhaft machen konnte, kommt eine
Schätzung der Höhe dieser Prämienbeträge nicht in Betracht (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 16 ff.). Denn eine weitere Verminderung des Beweismaßstabes im Sinne einer
Schätzungswahrscheinlichkeit sieht § 6 AAÜG nicht vor. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzbefugnis schaffen wollen, so hätte er dies gesetzlich anordnen und Regelungen
sowohl zu ihrer Reichweite (Schätzung des Gesamtverdienstes oder nur eines Teils davon) als auch zum Umfang der Anrechnung
des geschätzten Verdienstes treffen müssen, nachdem er schon für den strengeren Beweismaßstab der Glaubhaftmachung nur die
Möglichkeit einer begrenzten Berücksichtigung (zu fünf Sechsteln) ermöglicht hat. Auch aus § 6 Abs. 5 AAÜG in Verbindung mit §
256b Abs.
1 und §
256c Abs.
1 und
3 Satz 1
SGB VI ergibt sich keine materiell-rechtliche Schätzbefugnis. Rechtsfolge einer fehlenden Nachweismöglichkeit des Verdienstes ist
hiernach stets die Ermittlung eines fiktiven Verdienstes nach Tabellenwerten, nicht jedoch die erleichterte Verdienstfeststellung
im Wege der Schätzung im Sinne einer Überzeugung von der bloßen Wahrscheinlichkeit bestimmter Zahlenwerte. Die prozessuale
Schätzbefugnis gemäß §
287 ZPO, die nach §
202 Satz 1
SGG im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich subsidiär und "entsprechend" anzuwenden ist, greift hier von vornherein nicht
ein. Denn § 6 Abs. 6 AAÜG regelt als vorrangige und bereichsspezifische Spezialnorm die vorliegende Fallkonstellation (ein Verdienstteil ist nachgewiesen,
ein anderer glaubhaft gemacht) abschließend und lässt für die allgemeine Schätzungsvorschrift des §
287 ZPO keinen Raum. Indem § 6 Abs. 6 AAÜG die Höhe des glaubhaft gemachten Verdienstteils selbst pauschal auf fünf Sechstel festlegt, bestimmt er gleichzeitig die
mögliche Abweichung gegenüber dem Vollbeweis wie die Rechtsfolge der Glaubhaftmachung selbst und abschließend. Eine einzelfallbezogene
Schätzung scheidet damit aus. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzung zulassen wollen, so hätte er das Schätzverfahren weiter
ausgestalten und festlegen müssen, ob und gegebenenfalls wie mit dem Abschlag im Rahmen der Schätzung umzugehen ist. Das Fehlen
derartiger Bestimmungen belegt im Sinne eines beredten Schweigens zusätzlich den abschließenden Charakter der Ausnahmeregelung
in § 6 Abs. 6 AAÜG als geschlossenes Regelungskonzept (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 19). Eine Schätzung ist deshalb nur bei dem Grunde nach nachgewiesenen
Zahlungen möglich (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 21; BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr. 3 = JURIS-Dokument, RdNr. 17).
3. Die (in der Mindesthöhe im Jahr 1972 glaubhaft gemachte) zugeflossene Jahresendprämie als Arbeitsentgelt im Sinne der §§
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG war auch nicht nach der am 1. August 1991 maßgeblichen bundesrepublikanischen Rechtslage (Inkrafttreten des AAÜG) steuerfrei im Sinne des §
17 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB IV in Verbindung mit § 1 ArEV (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 33-41, ebenso nunmehr: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr.
13). Es handelt sich vielmehr um gemäß §
19 Abs.
1 des
Einkommensteuergesetzes (
EStG) steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge
und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt wurden).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG und berücksichtigt anteilig das Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.