Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens
Nichteinhaltung der Wartefrist
Warnfunktion einer Verzögerungsrüge
Tatbestand:
Streitig ist eine Entschädigung wegen unangemessener Dauer des vor dem Sozialgericht Dresden (SG) unter dem Az. S 24 KN 1480/11 geführten Verfahrens.
In diesem Ausgangsverfahren begehrte der Kläger die vollständige Auszahlung von Rentennachzahlungen in Höhe von 2.534,03 EUR.
Diesen Betrag hatte die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (DRV) von der Nachzahlung der dem Kläger mit Bescheid
vom 12.01.2011 rückwirkend zum 01.10.2005 bewilligten und mit Bescheid vom 14.02.2011 erhöhten Rente wegen voller Erwerbsminderung
einbehalten und an den Landkreis B ... als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende erstattet, der Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft
des Klägers Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gewährt hatte. Der Verlauf des gegen die DRV gerichteten Ausgangsverfahrens gestaltete sich wie folgt: 1. Instanz S 24 KN 1480/11 02.08.2011 Klageschrift mit Begründung, 04.08.2011 Übersendung der Klageschrift an die DRV zur Äußerung bis 05.09.2011, Anforderung
der Verwaltungsakten, 05.10.2011 Eingang der Klageerwiderung der DRV samt Verwaltungsakten, 18.10.2011 Stellungnahme des Klägers
zur Klageerwiderung, 19.01.2012 Anfragen des SG an die DRV und den Landkreis, Anhörung der Beteiligten zur Beiladung des Landkreises, 30.01.2012 Stellungnahme des Klägers,
09.02.2012 Stellungnahme des Landkreises, 07.03.2012 Stellungnahme der DRV, 07.03.2012 Beiladungsbeschluss, richterlicher
Hinweis an die Beteiligten, 02.04.2012 Stellungnahme des Klägers, 11.04.2012 Stellungnahme des Landkreises, 17.04.2012 Erwiderung
des Klägers, 18.05.2012 Erwiderung des Landkreises, 04.07.2012 Stellungnahme der DRV, 04.09.2012 Ruhensanfrage des SG, 10.09.2012 Stellungnahmen von Kläger und Landkreis zur Ruhensanfrage, 17.10.2012 Stellungnahme der DRV zur Ruhensanfrage,
29.10.2012 erneute Stellungnahme des Klägers zum Ruhen, 14.11.2012 richterlicher Hinweis an die Beteiligten, Aufklärungsschreiben
an den Kläger, die DRV und das Sächsische Landessozialgericht (LSG) zum Stand des Eilverfahrens L 4 KN 188/12 B ER, 03.12.2012 Stellungnahme des Klägers, 04.01.2013 Stellungnahme des Landkreises, 11.01.2013 Erwiderung des Klägers,
25.01.2013 Übersendung der Gerichts- und Verwaltungsakten an das LSG zum Eilverfahren L 4 KN 188/12 B ER, 06.02.2013 Stellungnahme der DRV, 07.02.2013 Stellungnahme des Landkreises, 17.05.2013 Anfrage des SG zum Stand des Eilverfahrens L 4 KN 188/12 B ER, 09.07.2013 Rücklauf der Akten vom LSG, 16.08.2013 ergänzende Ausführungen des Klägers (vom SG an die übrigen Beteiligten zur Stellungnahme bis 20.09.2013 übersandt), 18.09.2013 Verzicht auf Stellungnahme durch die DRV,
24.09.2013 Stellungnahme des Landkreises, 16.12.2013 Mediationsanfrage des SG an die Beteiligten zur Äußerung bis 27.01.2014, 02.01.2014 Stellungnahme des Klägers in der Sache, Ablehnung einer Mediation,
21.01.2014 Ablehnung einer Mediation durch die DRV, 14.02.2014 ergänzende Ausführungen des Klägers, 26.06.2014 Sachstandsanfrage
des Klägers, 27.06.2014 Hinweis des SG auf ältere Verfahren und Inaussichtstellen einer Entscheidung bis Ende 2014, 23.01.2015 Verzögerungsrüge des Klägers, 20.02.2015
Gerichtsbescheid (abgesandt 23.02.2015, zugegangen der DRV am 24.02.2015, dem Kläger am 25.02.2015 und dem Landkreis am 26.02.2015).
2. Instanz L 5 KN 198/15 05.03.2015 Berufungsschrift mit Begründung, 01.04.2015 Berufungserwiderung der DRV, 22.04.2015 Eingang der Verwaltungsakten
der DRV, 24.07.2015 Berufungserwiderung des Landkreises, 06.08.2015 Stellungnahme des Klägers, 14.10.2015 abschließende Stellungnahme
der DRV, 16.10.2015 Verzicht auf weitere Stellungnahme durch den Landkreis, 02.11.2015 Erwiderung des Klägers, 19.04.2016
Sachstandsanfrage des Klägers, 04.08.2016 Verzögerungsrüge des Klägers, 21.09.2016 Ladung der mündlichen Verhandlung auf den
25.10.2016, 25.10.2016 Urteil (zur Geschäftsstelle am 03.11.2016, zugestellt dem Landkreis am 08.11.2016, dem Kläger am 09.11.2016
und der DRV am 10.11.2016) 3. Instanz B 13 R 34/16 BH 03.07.2017 Beschluss (Ablehnung von Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision)
Bereits am 05.03.2015 hat der Kläger zeitgleich mit der Berufung im Ausgangsverfahren Entschädigungsklage beim Landessozialgericht
(LSG) erhoben. Das SG habe im Ausgangsverfahren die Klage nicht nur in rechtswidriger Weise abgewiesen, sondern dafür auch noch in nicht nachvollziehbarer
Weise 42 Monate benötigt. Hierdurch sei er - der Kläger - in seinem Recht auf ein zügiges Verfahren verletzt. In seinen Entscheidungsgründen
sei das SG selbst zu der Feststellung gelangt, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise
und habe dennoch für sein krasses Fehlurteil 42 Monate gebraucht.
Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger für das Versagen effektiven Rechtsschutzes und die unangemessene
Verzögerung des Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von 3.600,00 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Dauer des Verfahrens sei nicht dem SG anzulasten, sondern darauf zurückzuführen, dass sich die Sachaufklärung als langwierig und schwierig erwiesen habe. Davon
abgesehen sei die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich im Sinne von Art. 23 Satz 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen
Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) am 03.12.2011 erfolgt. Zumindest scheide aufgrund des späten
Zeitpunkts der Verzögerungsrüge eine Entschädigung aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Senatsakte sowie der beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erteilt
haben (§
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig.
1. Das Begehren des Klägers ist in prozessualer und materiell-rechtlicher Hinsicht an §§
198 ff.
Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG) zu messen, obwohl diese Vorschriften erst während des vom Kläger als überlang gerügten Ausgangsverfahrens in Kraft getreten
sind. Denn die Vorschriften des ÜGG vom 24.11.2011 (BGBl. I S. 2302) und damit auch die §§
198 ff.
GVG finden aufgrund der Übergangsregelung in Art. 23 Satz 1 ÜGG auch auf Verfahren Anwendung, die bei Inkrafttreten des ÜGG am 03.12.2011 (vgl. Art. 24 ÜGG) bereits anhängig
waren.
2. Die Entschädigungsklage beschränkt sich bei sachdienlicher Auslegung des klägerischen Vorbringens auf die erste Instanz
des Ausgangsverfahrens vor dem SG (S 24 KN 1480/11).
Der Kläger hat die Entschädigungsklage mit demselben Schriftsatz erhoben, mit dem er am 05.03.2015 im Ausgangsverfahren Berufung
eingelegt hat. Damit dauerte das Ausgangsverfahren nach Abschluss der ersten Instanz weiter an. Eine Entschädigungsklage kann
auch schon während des noch andauernden Ausgangsverfahrens erhoben werden (Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 10.04.2014
- III ZR 335/13 - juris RdNr.
21). Denn aus §
198 Abs.
5 Satz
GVG folgt lediglich, dass die Wartefrist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge gewahrt sein muss. Der Abschluss
des Ausgangsverfahrens ist dagegen keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Dadurch hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen
wollen, dass der Anspruch auf ein zügiges Verfahren schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des Ausgangsverfahrens verletzt
sein kann und insoweit auch ein Entschädigungsanspruch in Betracht kommt (BT-Drucks. 17/3802, S. 22). Vor diesem Hintergrund
ist die Bestimmung des §
201 Abs.
3 GVG zu sehen, wonach das Entschädigungsgericht das Verfahren aussetzen kann, wenn das Ausgangsverfahren noch andauert. Verfahrensrechtlich
handelt es sich bei der Entschädigungsklage während des noch andauernden Ausgangsverfahrens regelmäßig um eine Teilklage,
weil Entschädigung nur für einen bestimmten Abschnitt des Gesamtverfahrens verlangt wird (BGH, Urteil vom 10.04.2014 - III ZR 335/13 - juris RdNr. 21). Aus dieser im Gesetz vorgesehenen Möglichkeit einer Teilklage wird gefolgert, dass eine Entschädigungsklage
auch sonst in zulässiger Weise auf jede einzelne Instanz des Ausgangsverfahrens (Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil
vom 27.02.2014 - 5 C 1/13 D - juris RdNr. 11 ff.; Urteil vom 11.07.2013 - 5 C 23/12 D - juris RdNr. 61) und sogar auf einzelne Verfahrensabschnitte (vgl. Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen
Gerichtsverfahren, §
198 GVG RdNr. 52, 252) beschränkt werden kann.
Im vorliegenden Fall beschränkt sich die Entschädigungsklage bei verständiger Würdigung auf die erste Instanz des Ausgangsverfahrens.
Denn dessen zweite Instanz wurde zeitgleich mit dem Entschädigungsklageverfahren eingeleitet. Von daher konnte die Dauer des
zweitinstanzlichen Ausgangsverfahrens unter keiner denkbaren Betrachtungsweise überlang sein. Auf Vorrat kann eine Entschädigungsklage
aber nicht erhoben werden. Vielmehr verlangt das Gesetz das Verstreichen einer sechsmonatigen Wartefrist nach Erhebung der
Verzögerungsrüge (§
198 Abs.
5 Satz 1
GVG), die wirksam erst erfolgen kann, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen
wird (§
198 Abs.
3 Satz 2
GVG), und die für eine weitere Instanz erneut erforderlich ist (§
198 Abs.
3 Satz 5
GVG - vgl. Senatsurteil vom 12.07.2016 - L 11 SF 50/15 EK - juris RdNr. 19).
Die zunächst auf die erste Instanz des Ausgangsverfahrens beschränkte Entschädigungsklage wurde auch nicht später um dessen
zweite Instanz erweitert. Die Einbeziehung des zweitinstanzlichen Ausgangsverfahrens im Wege der Klageänderung oder -erweiterung
(§
99 SGG) ist zwar grundsätzlich möglich, sofern auch hinsichtlich des erweiterten Teils der Klage die Sachurteilsvoraussetzungen
vorliegen (so allgemein zur Klageänderung und Klageerweiterung: BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010 - 8 B 125/09 - juris RdNr. 19; Urteil vom 30.10.1997 - 3 C 35/96 - juris RdNr. 35 ff.; Urteil vom 23.03.1972 - III C 132/70 - juris RdNr. 27; Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 25.08.1987 - 11a RA 28/86 - juris RdNr. 11 - abweichend: Bundesfinanzhof
[BFH], Beschluss vom 23.10.1989 - GrS 2/87 - juris RdNr. 39 ff.). Vorliegend gibt es aber keine Erklärung des Klägers, in der eine Erweiterung der Entschädigungsklage
um das zweitinstanzliche Ausgangsverfahren erblickt werden könnte. Im Entschädigungsklageverfahren hat sich der Kläger nach
der Klageerhebung nicht mehr zur Sache geäußert - er hat lediglich eine Erinnerung gegen den Kostenansatz eingelegt, zur Aussetzung
gemäß §
201 Abs.
3 GVG Stellung genommen und sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Eine Erweiterung
der Entschädigungsklage lässt sich auch nicht der Erhebung der Verzögerungsrüge in der zweiten Instanz des Ausgangsverfahrens
entnehmen. Eine solche Rüge ist Voraussetzung für die Klageerweiterung - und zwar nicht nur, weil die in einer Instanz nicht
oder nicht ordnungsgemäß erhobene Verzögerungsrüge zur materiell-rechtlichen Präklusion des Entschädigungsanspruchs wegen
überlanger Verfahrensdauer für diese Instanz führt (Senatsurteil vom Urteil vom 12.07.2016 - L 11 SF 50/15 EK - juris RdNr. 19), sondern auch, weil der Ablauf der sechsmonatigen Wartefrist ab Rügeerhebung eine Sachurteilsvoraussetzung
ist (§
198 Abs.
5 Satz 1
GVG), die auch hinsichtlich des erweiterten Teils der Klage vorliegen muss. Schon deshalb ist es ausgeschlossen, in der hier
in zweiter Instanz erfolgten Erhebung der Verzögerungsrüge zugleich eine Erweiterung der Entschädigungsklage zu erblicken.
3. Der Senat konnte in seiner Stammbesetzung entscheiden, obwohl einer der dazu gehörenden Richter, nämlich der Richter am
Landessozialgericht Dr. Schnell, in der zweiten Instanz des Ausgangsverfahrens als Berichterstatter mitgewirkt hat.
Nach §
60 Abs.
1 SGG in Verbindung mit §
41 Nr.
7 Zivilprozessordnung (
ZPO) ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren,
wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt
wird. Grund für den Ausschluss ist das Verbot des Entscheidens in eigener Sache. Der Richter, der an dem wegen seiner Dauer
beanstandeten Verfahren mitgewirkt hat, soll nicht über die behauptete Unangemessenheit der Verfahrensdauer mit entscheiden
dürfen. Dadurch soll dem Anschein mangelnder Unvoreingenommenheit vorgebeugt werden (vgl. BT-Drucks. 17/3802, S. 37 und 42,
BT-Drucks. 17/7217, S. 29). Welche Tätigkeit im Einzelnen als "Mitwirkung" im Sinne des §
41 Nr. 7
ZPO anzusehen ist (vgl. dazu LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 16.12.2015 - L 12 SF 1/15 EK VE WA - juris RdNr. 72; nachfolgend BSG, Urteil vom 07.09.2017 - B 10 ÜG 1/16 R - juris RdNr. 16), bedarf hier keiner weiteren Vertiefung. Denn entscheidend ist
im vorliegenden Fall, dass nach §
41 Nr. 7
ZPO nur ausgeschlossen ist, wer in einer Instanz ("Rechtszug") des Ausgangsverfahrens ("beanstandetes Verfahren") mitgewirkt
hat, für deren Dauer eine Entschädigung eingeklagt ("auf deren Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt") wird, die also
streitgegenständlich ist (so BSG, Urteil vom 05.05.2015 - B 10 ÜG 5/14 R - juris RdNr. 11). Hieran ändert sich nichts dadurch, dass Bezugsrahmen für die Beurteilung
der Angemessenheit die Gesamtverfahrensdauer ist, wie sie in §
198 Abs.
6 Nr.
1 GVG definiert ist (von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Ausgangsverfahrens). Denn dies steht der Beschränkbarkeit
der Entschädigungsklage auf einzelne Instanzen des Ausgangsverfahrens nicht entgegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.02.2014 -
5 C 1/13 D - juris RdNr. 12). Auf diese Beschränkbarkeit stellt wiederum §
41 Nr. 7
ZPO ab.
Da sich - wie ausgeführt - die vorliegende Entschädigungsklage auf die erste Instanz des Ausgangsverfahrens beschränkt, ist
folglich unbeachtlich, dass Dr. Schnell am Ausgangsverfahren in der zweiten Instanz mitgewirkt hat (ebenso BSG, Urteil vom 05.05.2015 - B 10 ÜG 5/14 R - juris RdNr. 11 für die Mitwirkung in der dritten Instanz eines Ausgangsverfahrens).
4. Die Klage ist unzulässig, weil der Kläger die Wartefrist des §
198 Abs.
5 Satz 1
GVG nicht eingehalten hat. Nach dieser Vorschrift kann eine Entschädigungsklage frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge
erhoben werden.
Hier ist die Verzögerungsrüge am 23.01.2015 beim Ausgangsgericht eingelegt worden. Die Verzögerungsrüge hat eine Warnfunktion:
Sie soll dem bearbeitenden Richter als Vorwarnung dienen und zur Förderung und Beschleunigung des Verfahrens veranlassen,
um (weiteren) Verletzungen des Rechts auf angemessene Verfahrensdauer vorzubeugen (vgl. BT-Drucks. 17/3802, S. 20). An den
Inhalt der Rüge sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Der Beteiligte muss lediglich zum Ausdruck bringen, dass er mit
der Dauer des Verfahrens nicht einverstanden ist und eine Beschleunigung verlangt, also nicht nur darum bittet (Röhl in: jurisPK-
SGG, 1. Aufl., §
198 GVG RdNr. 89). Dagegen kann der allgemeine Hinweis eines Beteiligten, dass ihm das Verfahren zu lange dauere, nicht Anlass für
das Ausgangsgericht sein, in eine sinnvolle Überprüfung seines Verfahrensgangs einzutreten (Lückemann in: Zöller,
ZPO, 31. Aufl., §
198 GVG RdNr. 9). Mit dem am 23.01.2015 beim Ausgangsgericht eingegangenen Schreiben hat der Kläger ausdrücklich "Verzögerungsrüge
nach §
198 Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG) i.V.m. Artikel 6 EMRK und Artikel 13 EMRK" erhoben; auch im Übrigen geht aus diesem Schreiben mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass der Kläger nicht gewillt
ist, weitere Verzögerungen des Ausgangsverfahrens hinzunehmen, sondern dessen Beschleunigung verlangt. Anders verhält es sich
dagegen bei der Sachstandsanfrage des Klägers vom 26.06.2014. Dem darin enthaltenen Hinweis auf die Dauer des Verfahrens verbunden
mit der Frage, warum es nicht beendet werden könne, lässt sich ein eindeutiges Verlangen nach Beschleunigung des Verfahrens
nicht entnehmen. Daran ändert auch der Verweis des Klägers auf sein Recht auf ein zügiges Verfahrens nichts.
Ist folglich die Verzögerungsrüge im Ausgangsverfahren am 23.01.2015 eingelegt worden, lief die sechsmonatige Wartefrist für
die Entschädigungsklage (§
198 Abs.
5 Satz 1
GVG) am 22.07.2015 ab. Die Klageerhebung ist indessen bereits am 05.03.2015 und damit vor Ablauf der Wartefrist erfolgt.
Die Einhaltung der Wartefrist ist eine besondere Sachurteilsvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen
zu prüfen ist. Eine vor Fristablauf erhobene Klage wird nach Ablauf der Frist nicht zulässig (BGH, Urteil vom 17.07.2014 -
III ZR 228/13 - juris RdNr.
17 f.). Die Nichteinhaltung der Wartefrist des §
198 Abs.
5 Satz 1
GVG ist auch in sozialgerichtlichen Verfahren nicht heilbar; eine Ausnahme hiervon hat das BSG aus Gründen des Vertrauensschutzes nur während einer Übergangszeit bis zum 31.12.2014 gemacht (Urteil vom 03.09.2014 - B
10 ÜG 2/14 R - juris RdNr. 18 ff.). Diese Übergangszeit war hier allerdings bei Erhebung der Entschädigungsklage (05.03.2015)
bereits abgelaufen.
Vorliegend ist die Nichteinhaltung der Wartefrist auch nicht deshalb unschädlich, weil §
198 Abs.
5 Satz 1
GVG im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend einzuschränken ist, dass die Sechsmonatsfrist dann nicht anzuwenden ist,
wenn das als verspätet gerügte Verfahren schon vor Ablauf dieser Frist abgeschlossen wurde (BGH, Urteil vom 21.05.2014 - III ZR 355/13 - juris RdNr. 17; Urteil vom 17.07.2014 - III ZR 228/13 - juris RdNr. 18 f.; BVerwG, Urteil vom 17.08.2017 - 5 A 2/17 D - juris RdNr. 16; Urteil vom 26.02.2015 - 5 C 5/14 D - juris RdNr. 19 f.). Denn dafür genügt nicht der Abschluss einer Instanz, sondern ist die rechtskräftige Beendigung des
Ausgangsverfahrens in sämtlichen Instanzen erforderlich (BFH, Beschluss vom 07.02.2017 - X S 31-36/16 (PKH) u.a. - juris RdNr. 23). Dies war hier bei Erhebung der Entschädigungsklage indessen nicht der Fall. Vielmehr hat der
Kläger durch die zeitgleich im Ausgangsverfahren erhobene Berufung dessen rechtskräftigen Abschluss verhindert.
6. Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) bestehen nicht.
7. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz.